INHALT

Infrontword

From Cakes and Bottles

Quand le français était à la mode

The Muhlenberg-Legend

Meaningless until 1923

It Sounds Like a Typewriter

Freibier, Kindergarten and Gemütlichkeit

More Pretence than Being

Die 7 schönsten Scheinanglizismen

True and False Friends

Die 7 schönsten False Friends

Think Local, Speak Global

Come in and Find out

Why a Computer Is Still Better than a Datenverarbeitungsanlage

This Makes No Sense

What Little Hans Does Not Learn, Big Hans Learns No More

Die 7 schönsten Anglizismen

Afterword

Die 7 schönsten deutschen Wörter (die man nicht übersetzen kann)

Anglizismen

Was Deutsch und Englisch gemeinsam haben

Warum alles auch anders hätte kommen können

Wie Deutsch möglicherweise vielleicht beinahe fast Amtssprache in den USA geworden wäre

Wie das Englische überhaupt unsere dominierende Fremdsprache werden konnte

Weshalb unsere Sprache für fremde Ohren so hart klingt – und was das bedeutet

Was die englische Sprache von uns übernommen hat

Warum kein Engländer einen Smoking tragen, einen Mixer verwenden oder bei einem Barkeeper bestellen würde

Inwieweit wir bei manchen Wörtern besonders aufpassen müssen

Warum die Globalisierung manches unvermeidlich werden lässt und dennoch oft als Ausrede herhalten muss

Wie uns manche Marktschreier für dumm verkaufen wollen | Warum sich eine Sprache trotzdem weiterentwickeln muss

Was wir noch alles gedankenlos aus dem Englischen übernehmen

Welche Auswirkungen die Entwicklung auf künftige Generationen haben könnte

INFRONTWORD

Unsere deutsche Sprache hat schon viele Entwicklungsstadien durchlaufen, seit sie sich vor ungefähr 1.300 Jahren aus den anderen germanischen Sprachen als eigenständige Form herausgebildet hat. Sie veränderte sich durch etliche Lautverschiebungen, durch Stammeswanderungen, durch die Einführung unserer Familiennamen, durch die Entwicklung des Buchdrucks und damit des Schrifttums, durch Kriegszüge und auch durch die Kirche und natürlich vor allem durch die Einflüsse anderer Sprachen. Manches davon war aus sprachhistorischer Sicht wichtig und zukunftsweisend, anderes brachte mehr Schaden als Nutzen. Aber eines ist sicher: Ohne all diese Veränderungen wäre die deutsche Sprache nicht das, was sie allen durchaus auch meinen eigenen – Einwänden gegen zu viele äußere Einflüsse zum Trotz noch immer ist: eine der bedeutendsten und zugleich wortreichsten Sprachen der Welt.

Natürlich müssen wir an dieser Stelle gleich ein bisschen Wasser in die Buchstabensuppe gießen, denn von den rund 500.000 Wörtern, die der Duden unserem Alltagswortschatz zurechnet, benutzen wir nicht allzu viele: Knapp 70.000, so schätzen Experten, sind es lediglich. Und wenn man dem ein oder anderen Zeitgenossen auf der Straße, in der U-Bahn oder im Fernsehen bisweilen zuhört, dann lässt sich vermuten, dass es einige Mitbürger gibt, die noch mit weitaus weniger Wörtern auskommen und trotzdem problemlos überleben.

Auf der anderen Seite gibt es inzwischen an die 5.000 anerkannte Anglizismen, von denen viele fast wie selbstverständlich die entsprechenden einheimischen Wörter verdrängt haben. Manchmal ist das unabdingbar, wie im Falle der vielen Neologismen, ohne die wir uns schon sehr schwertäten, technische Neuerungen wie den Computer oder den Download trefflich zu beschreiben. Andere wie das Factory-Outlet oder die Repeat-Funktion sind einfach nur unnötig.

Durchmischt jedenfalls wurde das Deutsche schon immer: Zuerst waren es das Griechische und das Lateinische, deren Begrifflichkeiten Einzug hielten in unseren Sprachschatz; hauptsächlich weil die Römer mit den Germanen meinten, Krieg führen zu müssen – und ihnen, außer jeder Menge Ärger, auch zahlreiche Begriffe bescherten, die wir heute noch verwenden, ohne dass es uns besonders auffällt. Sogar unsere schöne Woche samt ihrer so deutsch klingenden Bezeichnungen Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Sonntag haben unsere Vorfahren von den Invasoren aus dem Süden übernommen. Diese hatten ihre Tage nämlich längst nach den Planetengöttern benannt, während man sich hierzulande immer wieder aufs Neue freute, dass die Sonne überhaupt wieder aufging, nachdem sie wenige Stunden zuvor wie von Geisterhand hinter dem Horizont verschwunden war. Nur der Samstag stammt weder von einer römischen Gottheit noch von der Kinderromanfigur Sams ab, sondern vermutlich vom jüdischen Sabbat – und der Mittwoch als nicht besonders einfallsreiche Bezeichnung für die Wochenmitte ist gar eine rein deutsche Erfindung: Sie wurde im zehnten Jahrhundert von der katholischen Kirche eingeführt, weil sie es nicht guthieß, dass dieser Tag dem Götterboten Mercurius gewidmet war, was in einigen romanischen Sprachen bis heute so ist und man beispielsweise am französischen Mercredi erkennen kann.

Später nahmen wir auch Bezeichnungen aus dem Slawischen auf, aus dem Jiddischen und aus dem arabischen Sprachraum – ohne die wenig ruhmreichen Kreuzzüge dorthin etwa gäbe es keinen Kaffee und keinen Alkohol, keinen Balsam und keinen Almanach, zumindest nicht in dieser sprachlichen Form. Später waren es dann das Französische und das Italienische, die aufgrund der im Mittelalter stetig zunehmenden Handelsbeziehungen zu unseren Vorfahren die deutsche Sprache entscheidend prägten. Die Hinwendung zur Ausdrucksweise unserer westrheinischen Nachbarn ging irgendwann sogar so weit, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts mehr französische Grammatikformen bei uns existierten als in Frankreich selbst. Zu verdanken war diese sonderbare Entwicklung einem Herrscher, der seine Muttersprache zutiefst verachtete, weil er ihren Klang nicht leiden konnte und auch die Menschen nicht, die sich auf diese Weise unterhielten. Nicht einmal die gerade aufstrebende einheimische Literatur mit unzweifelhaft honorigen Vertretern wie Friedrich Gottlieb Klopstock oder Gotthold Ephraim Lessing wollte Friedrich der Große zur Kenntnis nehmen. Stattdessen gab sich der Preußenkönig der ausgiebigen Lektüre französischer Dichter hin. Er weigerte sich beharrlich, Deutsch zu sprechen und zu schreiben, und schwärmte davon, wie ästhetisch und rein doch die Franzosen miteinander parlierten.

In erster Linie wegen dieses Mannes, der wahrscheinlich au fond de son coeur viel lieber ein Franzose denn ein Deutscher gewesen wäre, sagen wir heute unter anderem Toilette statt Abort, Cousine statt Base und Büro statt Kontor, was freilich kein Schaden ist. Aber auch einen Friedrich II. hat die deutsche Sprache überstanden, und natürlich haben ihr manche der zunächst so fremden Wörter sehr gutgetan. Denn eine moderne Sprache muss sich weiterentwickeln und verändern, will sie nicht vertrocknen und auf einem Stand von vor Hunderten Jahren zur Stammessprache verkommen, die nur noch von einer verschwindend geringen Minderheit gesprochen wird. Davon abgesehen: Würden wir heute noch sprechen wie zu Zeiten Walther von der Vogelweides, wir hätten vermutlich große Schwierigkeiten, uns umfassend zu verständigen. Es wäre wie im Lateinischen, in dem alle technischen Errungenschaften der Neuzeit mühsam aus den bereits vorhandenen Begriffen konstruiert werden müssten, was nicht immer gelingt, ohne unfreiwillig komisch zu klingen. So wird gemäß des offiziellen und vom Vatikan herausgegebenen Lexicon recentis Latinitatis aus »Minigolf« der Pilamalleus minutus, also der »verkleinerte Ballhammer«, aus »Karate« der Oppugnatio inermis Iaponica – der unbewaffnete japanische Angriff – oder aus der Pizza der Placenta compressa, was »gepresster Kuchen« heißt. Aber klar, eine Glühbirne, den Fernseher oder die Heftklammer gab es eben zur Zeit des Römischen Reiches noch nicht. Und schon alleine deswegen sind Veränderungen in einer Sprache wichtig, weil sie uns helfen, auch die Veränderungen in unserer Umwelt zu benennen.

Trotzdem ist die Angelegenheit im Falle des Englischen ein wenig vertrackter. Natürlich: Englisch ist eine Weltsprache – vermutlich die einzig wirkliche, die es überhaupt gibt, selbst wenn Spanisch und Mandarin-Chinesisch jeweils von mehr Muttersprachlern verwendet werden. Es ist Amtssprache in so unterschiedlichen Territorien wie den Bahamas, Uganda, Belize oder Neuseeland und wird schätzungsweise von mehr als 1,7 Milliarden Menschen auf der Erde gesprochen und verstanden. Man kommt in Moskau mittlerweile damit ebenso durch wie in Tokio oder São Paulo, und es ist verhältnismäßig wahrscheinlich, dass man auch in sehr weit entfernten Ländern zumindest nicht verhungert und verdurstet, wenn man wenigstens ein paar Brocken Englisch beherrscht. Allein diese Erkenntnis sollte dazu führen, sich mit dieser Sprache zumindest ein Stück weit auseinanderzusetzen und sie vor allem nicht zu verdammen. Insofern ist es keinesfalls verwunderlich und auch nicht verwerflich, dass wir heute vorwiegend Einflüsse des Englischen auch im Deutschen verzeichnen und dass wir beispielsweise Computer und Internet sagen anstelle von Rechenmaschine und Datennetz. Die Welt ist ein Dorf geworden und irgendwie müssen wir in diesem Dorf ja miteinander kommunizieren.

Allerdings hat, auch das lässt sich nicht leugnen, die Bedeutung, die wir dem Englischen gelegentlich beimessen, eine teils absurde Überhöhung erfahren. Niemand muss ein Bike benutzen, der nicht auch ein Fahrrad fahren kann; keiner muss in einem Flagship Store einkaufen, wenn es sich dabei um ein Geschäft handelt; es ist vollkommen unnötig, einen Coffee to go zu bestellen, wenn man den Kaffee auch ganz einfach in einem Becher mitnehmen kann, und auch das Aufgabengebiet einer Empfangsdame erhält durch die Berufsbezeichnung Welcome Manager keine andere Stellenbeschreibung. Die Frage in diesem Zusammenhang lautet, wie es dazu kommen konnte, dem Englischen einen solchen Raum zu überlassen, dass sich selbst ein ausschließlich in Deutschland operierendes Unternehmen wie die Deutsche Bahn vor einem Vierteljahrhundert dazu entschlossen hat, seinen Auskunftsschalter Service Point zu nennen?

Wir befinden uns also in einem echten Twogap – sorry – einem Zwiespalt, was den Umgang mit dem Englischen betrifft: Es lässt sich im 21. Jahrhundert, dem digitalen Zeitalter, ganz sicher nicht mehr aus unserer Sprache verbannen, weil es ohnehin vorhanden ist durch die zahllosen Informationen, die uns binnen Bruchteilen von Sekunden von überallher und rund um die Uhr erreichen. Aber wir sollten dennoch aufpassen, dass wir uns nicht ganz verlieren in denglischen Worthülsen und sinnbefreiten Reklamebotschaften, in Scheinanglizismen und wichtigtuerischen Benennungen, die wir viel treffender in unserer eigenen Sprache ausdrücken könnten, denn sie bietet doch so viele Möglichkeiten, sich würdevoll zu verständigen.

Und darum soll es gehen in diesem Buch: um den Sinn und den Unsinn des Englischen im Deutschen, um die erstaunlichen Gemeinsamkeiten und die ebenso erstaunlichen Absurditäten, die entstanden sind, seit die englische Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Siegeszug zuerst in Westdeutschland und seit nunmehr fast drei Jahrzehnten auch im Rest des Landes angetreten hat. Einem Land, in dem zwar der Service Point inzwischen zumindest wieder »DB Information« heißt, aber ein Backshop eine Bäckerei sein soll, obwohl es sich, etwas böswillig übersetzt, doch nur um einen »Arschladen« handelt oder zumindest um ein sinnbefreites »Rückengeschäft«.

FROM CAKES AND BOTTLES

Was Deutsch und Englisch gemeinsam haben

Vermutlich wäre vieles einfacher auf der Welt, würden wir alle nur eine einzige Sprache sprechen. Nicht nur, weil dann die meisten Integrationsprobleme gar nicht erst entstehen würden. Man könnte in Venedig einen Einheimischen nach einem Café fragen, in dem eine Tasse Kaffee weniger als zehn Euro kostet. In einem Pariser Lokal wäre man in der Lage, ein Mittagessen zu bestellen, ohne vom Kellner ignoriert zu werden. Und in Peking könnte man sichergehen, dass man nur dann einen Hund auf dem Teller vorfindet, wenn man ihn denn auch bestellt hat. Selbst kriegerische Auseinandersetzungen müssten nicht mehr aufgrund von sprachlichen Missverständnissen geführt werden – wie im Falle des Telegrammwechsels zwischen Zar Nikolaus II. und Kaiser Wilhelm II., der 1914 den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zumindest begünstigt hat: Nikolaus hatte darin seinem deutschen Regentenkollegen auf Englisch mitgeteilt, Russland habe sich zur Generalmobilmachung entschlossen – was ohnehin zu erwarten gewesen war. Wilhelm aber übersetzte das Wörtchen decided irrtümlich mit »begonnen«, schäumte wegen des vermeintlichen Verstoßes gegen die bisherigen Absprachen vor Wut und reagierte seinerseits prompt mit dem Beginn militärischer Aktivitäten. Die Diplomatie war damit endgültig gescheitert – und der Kriegsausbruch nicht mehr aufzuhalten.

Statt einer umfassenden Weltsprache jedoch existieren heute rund 7.000 einzelne, die allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge doch nicht in Babylon nach einem gescheiterten Turmbau entstanden sind, wie eine biblische Sage uns glauben machen will. Vielmehr sind sie vor einigen tausend Jahren aus diversen Ursprachen hervorgegangen, die wiederum die Wurzeln der unterschiedlichen Sprachfamilien bildeten. Und so gibt es auf der Erde einige wenige bedeutsame Sprachen, die grenzüberschreitend von sehr vielen Menschen gesprochen werden: Dazu gehören neben Englisch, Spanisch, Französisch und ja, auch Deutsch, ebenso Arabisch, Urdu oder Portugiesisch. Es gibt etliche Sprachen, die vorwiegend in ihrem Herkunftsland oder -gebiet Verbreitung gefunden haben und andernorts höchstens von Migranten gesprochen werden – wie Ungarisch, Polnisch oder Thai. Und es gibt die zahlreichen Exoten, die einem kleinen Kreis von wenigen Sprechern vorbehalten sind: Nkoroo in einem Gebiet des Tschad etwa, West-Yugurisch im Nordwesten Chinas oder Tofalarisch, das angeblich nur noch knapp 90 Menschen in Südsibirien beherrschen.

Die Forschung auf diesem Gebiet ist demzufolge ein unglaublich weites Feld: Allein im Bereich der sinitischen – also der chinesischen – Sprachen sind Unterarten bekannt, die in ihrer Grammatik, der Lautierung und natürlich auch dem Wortschatz so eigenständig sind, dass diese von den Sprechern anderer sinitischer Sprachen nicht einmal ansatzweise verstanden werden können, obwohl es an sich immer noch um Chinesisch geht. Es ist, als würde ein Niederländer auf einen Norweger treffen oder ein Spanier auf einen Rumänen. Oder eben ein Deutscher auf einen Engländer.

Denn abgesehen davon, dass Deutsch und Englisch in der heutigen Zeit – in der einer Erhebung zufolge nahezu die Hälfte aller in Deutschland verwendeten Werbesprüche in englischer Sprache gehalten sind – manchmal wie ein einziges wahllos zusammengewürfeltes Konstrukt wirken, handelt es sich bei Deutsch und Englisch natürlich um zwei grundverschiedene Sprachen; vordergründig zumindest. Das fängt schon beim schieren Umfang an: Forscher der Harvard-Universität fanden vor einigen Jahren heraus, dass der englische Wortschatz aus knapp über einer Million Wörtern besteht – das wären beinahe doppelt so viele wie im Deutschen. Auch wenn sich darunter etliche Varianten derselben Wörter befinden, so zählt das Oxford Dictionary insgesamt immer noch mehr als 600.000 einzelne Begriffe, wovon immerhin rund ein Drittel im täglichen Sprachgebrauch verwendet wird. Es mag eine schmerzhafte Erkenntnis sein, aber offenbar unterhält man sich auf Englisch deutlich vielseitiger als auf Deutsch.

Auch die Grammatik weist maßgebliche Unterschiede auf – und bestätigt die Vermutung, die viele von uns bereits in der Schule leidgeprüft anstellen mussten: Unsere deutsche Sprachlehre ist leider weitaus komplizierter als die englische. So ist der Satzbau in der englischen Sprache schon allein durch die im Normalfall einheitliche Stellung des Verbs im Satz deutlich einfacher, die Fallendungen fielen im Laufe der Zeit fast vollständig weg, und bekanntermaßen gibt es dort keinen geschlechterspezifischen Artikel: »Der«, »die«, »das« und »dem«, »den« und »des« gehen beneidenswerterweise alle im the auf. Wofür die englische Sprache also nur ein einziges einfaches und ganz und gar neutrales Wörtchen benötigt, gibt es bei uns viele verschiedene Möglichkeiten; vom unbestimmten Artikel gar nicht zu reden, der sich auf Englisch im lapidaren a beziehungsweise an erschöpft.

Im Englischen verwendet man auch praktisch keine Substantive, die aus mehr als zwei Nomen zusammengesetzt sind. Wortmonster wie der »Dreiseitenkipper«, das »Postwertzeichen« oder die »Lichtsignalanlage«, wie sie sich irgendwann im Sprachgebrauch unserer Behörden gebildet haben, wären undenkbar: Denn ein Anhänger ist und bleibt ein Trailer, eine Briefmarke eine Stamp und die Ampel ein Traffic Light. Auch die »Abstandseinhaltungserfassungsvorrichtung«, die – unserer eigenwilligen Amtssprache sei Dank – in der Straßenverkehrsordnung einen bloßen Strich auf der Fahrbahn benennt, lässt sich beim besten Willen nicht in eine Fremdsprache übersetzen, ähnlich wie unzählige andere für fremde Ohren so wundersam klingende Verwaltungsausdrücke.

Das lateinische Alphabet wird zwar in beiden Sprachen gleichermaßen verwendet, aber von einem Umlaut (ä, ö, ü) oder einem scharfen S hat ein Schulkind in Großbritannien, den Vereinigten Staaten oder Australien noch nie etwas gehört.

Hinzu kommt, dass sehr viele Begriffe schon augenscheinlich nichts miteinander gemein haben – anders als in den romanischen Sprachen wie Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und auch Rumänisch, die sich aus dem gesprochenen Latein herausgebildet haben und deren Wortschatz man die gemeinsamen Wurzeln oft schon auf den ersten Blick anmerkt. Das beweist allein schon die »Liebe«, die aus dem Lateinischen Amor entsprang und als l’Amour, l’Amore, el Amor und o Amor quer durch Europa gereist ist. Es gibt sogar 39 Wörter, die in allen romanischen Sprachen absolut identisch sind. Außerdem ist im Romanischen nahezu überall das »h« verstummt wie beim Hors d’Oeuvre und es haben sich Vokale in betonter Stellung durchgängig erhalten wie beim französischen Wort Fenêtre, dem italienischen Begriff Finestra oder dem spanischen Wort Ventana. Derlei allgemeingültige Berührungspunkte sind zwischen dem Deutschen und dem Englischen nicht zu finden. Und doch gibt es zwischen unserer Sprache und der Ausdrucksweise der Angelsachsen weitaus mehr Zusammenhänge, als man beim ersten Hören vermuten würde:

Zunächst einmal gehören beide – wie allerdings die romanischen Sprachen ebenfalls – zur sogenannten indogermanischen Sprachfamilie, der sprecherreichsten Sprachfamilie der Welt. Das bedeutet vereinfacht gesprochen, dass nach allem, was man heute weiß, sowohl Deutsch als auch Englisch, aber auch die genannten romanischen Sprachen sowie Persisch, Lettisch und Hindi aus einer einzigen Grundsprache entstanden sind, die ihre Blütezeit etwa 3.000 Jahre vor Christus erlebte. Wo genau dieses geheimnisvolle Indogermanisch gesprochen wurde, darüber scheiden sich die Geister. Gut möglich, dass es rund um das Schwarze Meer Verwendung fand, aber wissenschaftlich gesichert ist das leider nicht, weil die Menschen damals ja noch nichts für die Nachwelt festhalten konnten. Fest scheint nur zu stehen, dass sich ab rund 1.500 vor Christus aufgrund der zunehmenden Völkerwanderungen verschiedene Sprachgruppen herausbildeten.

Während es manche dieser Völker in der Folge in Richtung Asien, Arabien oder Griechenland verschlug, wo sie ihrerseits im Laufe der Jahrhunderte neue Sprachformen ersannen, zog es einige auf die italienische Halbinsel, auf der sich nach und nach die italischen Sprachen – eben die Vorläufer der romanischen Sprachgruppe – entwickelten. Die Germanen wiederum hatten sich vor ungefähr 2.500 Jahren bis an den Rhein und die deutschen Mittelgebirge vorgearbeitet. Doch auch von hier aus zogen viele von ihnen weiter – nach Skandinavien, woraufhin sich die nordgermanischen Sprachen entfalteten; nach Osten, wo sich die ostgermanischen Sprachen ausprägten, die allerdings später alle wieder verschwanden. Und gen Westen – also in Richtung Friesland, die Niederlande und eben Britannien.

Die eigentliche Verwandtschaft zwischen Deutsch und Englisch ergibt sich somit erst durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur westgermanischen Sprachfamilie. Und bis sich um etwa 500 Jahre nach Christus aus all dem germanischen Kauderwelsch auf dem Festland das Althochdeutsch und auf der Insel das Altenglisch herausgebildet hatten, war so viel Zeit vergangen, dass zwischen beiden Sprachen ein sehr viel engerer Zusammenhang entstehen konnte als beispielsweise zwischen Deutsch und vielen nordgermanischen Ausdrucksweisen. Zwar hat das heutige Englisch seinen Charakter als germanische Sprache fast vollständig verloren, blickt man auf die bloße Struktur oder den Satzbau. So muss im Englischen die Reihenfolge Subjekt – Verb – Objekt praktisch immer eingehalten werden, in Haupt- wie in Nebensätzen: »The wolf is hunting the lamb.« Im Deutschen dagegen sind bei solch einfachen Aussagen problemlos Umstellungen möglich: »Der Wolf jagt das Lamm.« oder »Das Lamm jagt der Wolf.« Das geht in der englischen Sprache nicht. Aber schon die unregelmäßigen Verben sind im Deutschen wie im Englischen zumeist deckungsgleich: break, broke, broken ist bei uns »brechen«, »brach, »gebrochen«, aus give, gave, given wird »geben«, »gab«, »gegeben« oder aus stink, stank, stunk wird »stinken«, »stank«, »gestunken«, um nur drei Exempel zu nennen. Und auch der Wortschatz kennt mehr Übereinstimmungen als gedacht.

Vom Winter wissen wir, dass der althochdeutsche »Wintar« der gemeinsame sprachliche Ausgangspunkt ist. Wer des Sehens nicht fähig ist, ist diesseits und jenseits des Ärmelkanals blind, weil schon die Germanen jemanden mit einer solchen körperlichen Einschränkung »blinda« nannten. Eine ungewürzte Speise und ein überaus sanftmütiger Zeitgenosse sind in beiden Ländern mild aufgrund des germanischen »meldi«. Bei anhaltender Lautlosigkeit ist es im Deutschen und im Englischen still dank des althochdeutschen »stilli«. Und warm war es bei hohen Temperaturen schon im Mittelhochdeutschen, wenn auch das Wort damals eher »verbrannt« bedeutete.

Weitere identische Begriffe wie absurd, elegant, ideal oder sentimental sind in beiden Sprachen aus dem Lateinischen entlehnt. Der Einfluss der lateinischen Sprache auf das Englische war jedoch deutlich stärker als der auf das Deutsche: So stammen rund die Hälfte der englischen Wörter vom Lateinischen ab, was hauptsächlich an der über dreieinhalb Jahrhunderte währenden Unterwerfung durch den römischen Kaiser Claudius ab dem Jahr 43 nach Christus liegt. Die lateinische Sprache verdrängte so das zuvor geläufige Keltisch – das ungefähr 250 Jahre vor Christus vom Mittel meerraum aus mit den dazugehörigen Volksgruppen die Britischen Inseln besiedelt hatte – weshalb der »Hafen« heute Port heißt, was vom lateinischen Portus herrührt, der »Berg« ein Mountain ist – getreu des Ursprungsbegriffes Montem – oder der »Teller« als Dish bezeichnet wird, was am lateinischen Discus liegt.

Davon abgesehen existieren selbst bei deutschen und englischen Wörtern, die vollkommen verschieden zu sein scheinen, immer wieder erstaunliche Bezüge zueinander: Ein »Hund« ist natürlich zunächst mal in sprachlicher Hinsicht ganz andersartig als Dog; er kann aber auch der – heute nicht mehr ganz so gebräuchliche – Hound sein, wodurch die Verbundenheit gleich auffälliger wird. Auch »Stuhl« und Chair haben scheinbar zunächst wenig miteinander gemein; verwendet ein Engländer aber das veraltete Synonym Stool, sieht die Sache schon anders aus.

Besonders augenfällig sind die Überschneidungen im Friesischen. Das liegt daran, dass es innerhalb der germanischen Sprachen eine drollige Variante gab, die vor allem in jenen Gegenden vorkam, die an die Nordsee angrenzen. Entlang des Wassers bildeten sich gemeinsame Merkmale heraus, die sich nochmals deutlich von den anderen westgermanischen Ausprägungen unterschieden. Und deshalb heißt ein junges Mädchen auf Plattdeutsch »Görl«, was schlichtweg die akustische Übersetzung des englischen Wortes Girl ist; der »Schill«, also die Muschelschalen, die man entlang der Küste im Watt finden kann, entstammt dem Wort Shell; wenn etwas besonders weich ist, sagt man in Norddeutschland gerne »mell«, was stark an das englische mellow erinnert; ebenso spricht man vom »Kees« analog zum englischen Cheese. Und dass sich der Ausdruck »Buddel« für eine Flasche vor allem alkoholischen Inhalts bis heute gehalten hat, liegt selbstverständlich einzig und allein an der Bottle.

Rein sprachhistorisch mag es aufgrund dieser Vergangenheit kaum verwunderlich erscheinen, dass sich so viele englische Begriffe in unserer Sprache wiederfinden. Und doch ist die gemeinsame Herkunft als Erklärung, wie es dazu kommen konnte, dass wir ausgerechnet der englischen Fremdsprache eine so hohe Bedeutung beimessen, natürlich nicht ausreichend. Denn vor nicht allzu langer Zeit spielte Englisch bei uns überhaupt keine Rolle.