Tomas Bohinc

Kommunikation im Projekt

Schnell, effektiv und
ergebnisorientiert informieren

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Eva Gößwein, GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de
Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem 2014 erschienenen Buchtitel „Kommunikation im Projekt“ von Tomas Bohinc, ©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-558-9
ISBN epub: 978-3-95623-083-7

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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Inhalt

Vorwort

1. Theorien zur Kommunikation: Anspruch und Wirklichkeit

Kommunikation ist Wirkung, nicht Absicht

Elemente der Kommunikation: die Lasswell-Formel

Nachrichtenübermittlung: das Sender-Empfänger-Modell

Nachrichtenauswahl: das Gatekeeper-Modell

Nachrichtenumfang: das Eisbergmodell

Annahmen über die Kommunikation: Kommunikationsaxiome

Die vier Seiten einer Nachricht: der Kommunikationsquadrant und das 4-Ohren-Modell

Gute Kommunikation im Projekt

Kompakt

2. Kommunikationsmanagement: die Kommunikation im Projekt organisieren

Kommunikationsprozesse: die Kommunikation im Projekt regeln

Stakeholderanalyse: die Kommunikationspartner im Projekt ermitteln

Varianten und Einflussfaktoren der Kommunikation unterscheiden

Projektorganisation: die Verantwortlichen für Kommunikation benennen

Informationen dokumentieren und verteilen

Kompakt

3. Kommunikationsmedien: die Medienvielfalt nutzen

Herausforderung elektronische Medien

Die richtigen Medien wählen

Virtuelle Kommunikation für virtuelle Teams

Kompakt

4. Managementkommunikation: Entscheider gewinnen

Die Kommunikationsgewohnheiten des Managements

Instrumente der Managementkommunikation: Projektauftrag und Projektmemorandum

Das Projekt beim Management präsentieren

Das Management richtig informieren

Probleme erfolgreich eskalieren

In Abstimmung mit dem Management unternehmensintern über das Projekt kommunizieren

Kompakt

5. Projektmarketing: tue Gutes und rede darüber

Warum Projektmarketing?

Das Projekt bekannt machen

Interesse wecken mit dem Elevator Pitch

Maßnahmen und Methoden des Projektmarketings

Stakeholder durch Projektevents aktivieren und emotionalisieren

Durch Networking das Projekt sichtbar machen

Kompakt

6. Kommunikation von Veränderungen: die Betroffenen gewinnen

Die Betroffenen informieren und überzeugen

Mit dem richtigen Medium informieren

Prinzipien der Kommunikation beachten

Kompakt

7. Kommunikationskompetenz: gut kommunizieren können

Texte verständlich verfassen

Texterstellung: vom Entwurf bis zum letzten Schliff

Gesprächssituationen im Projekt

Kompakt

8. Interkulturelle Kommunikation: mit Menschen anderer Kulturen kommunizieren

Kultur prägt unser Verhalten

Hotspots: Fettnäpfchen in der interkulturellen Kommunikation

Im Teufelskreis durch kulturbedingte Kommunikationskonflikte

Kulturunterschiede bestimmen die Kommunikation

Stereotype geben Orientierung

Eine interkulturelle Projektkultur gestalten

Transfersprache: Transportmittel und Hindernis

Kompakt

9. Verbesserungsprozess Kommunikation: die Qualität der Kommunikation im Projekt steigern

Verzeichnis der Checklisten

Literaturverzeichnis

Der Autor

Vorwort

11. April 1970: 55 Stunden und 54 Minuten nach dem Start der Raumkapsel Apollo 13 explodierte in 300 000 Kilometern Höhe ein Sauerstofftank. Die Ursache war ein unter zu hoher Spannung kurzgeschlossenes Thermostat. Weitere Untersuchungen deckten schließlich eine Reihe von Versäumnissen auf, die auf mangelnde Kommunikation im Projekt zurückzuführen waren.

Dieses Beispiel verdeutlicht, was allgemein bekannt ist: Kommunikation ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Projektleiters. Mangelnde Kommunikation und unzureichende kommunikative Fähigkeiten zählen zu den Hauptgründen für das Scheitern von Projekten. Obwohl das eine bekannte Tatsache ist, werden bei der Kommunikation im Projekt immer wieder Fehler gemacht. Ziel dieses Buches ist es, diesen Widerspruch aufzulösen.

Das Thema Kommunikation begleitet den Projektleiter auf Schritt und Tritt. Er und sein Team kommunizieren mit Stakeholdern – also allen, die einen Einfluss auf den Verlauf des Projektes haben. Die Fähigkeit, zu kommunizieren, ist vor allem dann gefragt, wenn das Projekt nach außen vertreten werden muss: Auftraggeber oder Kunden müssen überzeugt werden.

Internationalisierung, Kosteneinsparungen und neue Arbeitsformen führen dazu, dass für die Kommunikation im Projekt immer mehr neue Kommunikationsmedien eingesetzt werden. E-Mails, Telefon- und Webkonferenzen sowie viele andere Formen der Internetkommunikation stellen neue Herausforderungen an die Kommunikationsfähigkeit des Projektleiters.

Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über alle Aspekte der Kommunikation im Projekt. Ich hoffe, Ihnen damit zeigen zu können, wie Sie als Projektleiter die Kommunikation im Projekt professionell organisieren und mit Projektmitarbeitern und Stakeholdern effektiv und effizient kommunizieren können.

1. Theorien zur Kommunikation: Anspruch und Wirklichkeit

Wie reden Menschen mit Menschen?
Aneinander vorbei
.

KURT TUCHOLSKY

Stellen Sie sich vor, die Kommunikation in Ihrem Projekt würde perfekt funktionieren. Und wenn nicht, dann wüssten Sie sofort, woran es liegt, und könnten das Problem mühelos aus der Welt schaffen. Sie kämen gut gelaunt ins Büro, weil Sie sich darauf freuen würden, mit Ihren Stakeholdern zu kommunizieren. Wenngleich Sie diesen Idealzustand vielleicht nicht sofort erreichen, mit mehr Wissen über Kommunikation können Sie diese zumindest besser organisieren und dabei auftretende Probleme lösen, indem Sie sie analysieren.

In diesem Kapitel erhalten Sie Antworten auf die folgenden Fragen:

Durch welche Elemente wird die Kommunikation beeinflusst?

Wie werden Nachrichten übermittelt?

In welchem Verhältnis stehen Bewusstes und Unbewusstes?

Welche Nachrichten werden übermittelt?

Was muss man über Kommunikation wissen?

Welche Botschaften empfängt der Empfänger?

Kommunikation ist Wirkung, nicht Absicht

Missverständnisse in der Kommunikation

Wir kommunizieren von der ersten Minute unseres Lebens an. Kommunikation ist für uns so selbstverständlich, dass wir uns in der Regel keine Gedanken darüber machen, wie sie funktioniert. Erst dann, wenn wir mit der Kommunikation nicht die gewünschte Wirkung erzielen, stellen wir uns vielleicht die Frage: Warum versteht man mich nicht?

Im Gespräch setzen wir immer schon voraus, dass bei unserem Gesprächspartner auch das ankommt, was wir ihm sagen wollen. Die vielen Missverständnisse in der Kommunikation zeigen jedoch, dass dem nicht immer so ist. Wir merken dies dann, wenn unser Gesprächspartner irritiert oder beleidigt ist. Mit dem Satz „Das habe ich nicht so gemeint“ leiten wir den Versuch ein, unser Anliegen nochmals zu formulieren. So zeigt sich täglich, dass auch in der Kommunikation der Grundsatz von Ursache und Wirkung gilt, wobei die erzielte Wirkung nicht immer unserer Absicht entspricht.

Kommunikationspraxis

Dennoch sind wir in Projekten darauf angewiesen, dass wir anderen Menschen etwas mitteilen und diese es genau so verstehen, wie wir es gemeint haben. Denn wäre dies nicht so, dann würde kein Projektauftrag im Sinne des Auftraggebers ausgeführt, kein Arbeitsauftrag richtig verstanden und kein Statusbericht korrekt interpretiert werden. In den Projekten funktioniert in der Regel die Kommunikation. Aber eben nicht immer! Das Tückische daran ist, dass wir es meist nicht merken, wenn dabei etwas schiefläuft. In der täglichen Projektpraxis müssen wir die Balance zwischen zwei Polen finden: Auf der einen Seite können wir die Kommunikation nicht ständig hinterfragen. Auf der anderen Seite sollten wir aber immer auf der Hut sein vor Missverständnissen.

Kommunikationsmodelle

Missverständnisse entdeckt man jedoch nur, wenn man weiß, wo sie auftreten können. Diese Tatsache war der Antrieb für viele Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen, sich mit dem Thema Kommunikation zu befassen. Sie entwickelten Kommunikationsmodelle, die aus unterschiedlichsten Perspektiven beschreiben, wie Kommunikation funktioniert und welche Faktoren sie beeinflussen.

Kommunikationsmodelle erklären, wie die menschliche Kommunikation funktioniert und welche Faktoren sie beeinflussen.

Im Folgenden beschreibe ich verschiedene Annahmen über Kommunikation sowie fünf Modelle, mit denen die wichtigsten Facetten der Projektkommunikation beschrieben werden können.

Elemente der Kommunikation: die Lasswell-Formel

Der US-amerikanische Politik- und Kommunikationswissenschaftler Harold Dwight Lasswell formulierte 1948 eine nach ihm benannte Formel der Kommunikation. Sie fasst in einem Satz zusammen, welche Elemente Kommunikation formen, und lautet wie folgt:

Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt?

Elemente der Lasswell-Formel

Die einzelnen Elemente der Lasswell-Formel haben folgende Bedeutung:

Wer sagt? Dieser Satzteil beschreibt die Quelle der Information. Sie wird auch Sender genannt. Dieser kann eine Einzelperson sein, wie in einem persönlichen Gespräch, aber auch alle Stakeholder, wie bei einer Intranetseite zu einem Projekt.

Was? Das Wort „was“ bezeichnet den Inhalt der Kommunikation. Dieser reicht von der persönlichen Botschaft bis zum gesamten Projektinhalt. Neben dem Inhalt spielt auch die Art und Weise der Übermittlung eine Rolle. Es wird etwas anderes mitgeteilt, je nachdem, ob die Information sachlich erläutert wird oder mit ironischen Untertönen versehen ist.

In welchem Kanal? Der Informationskanal verbindet Sender und Empfänger. Eine Botschaft kommt nur an, wenn Sender und Empfänger auf dem gleichen Kanal senden. Ganz praktisch heißt das: Wenn der Sender eine E-Mail verschickt, muss der Empfänger eine E-Mail-Adresse besitzen.

Zu wem? Dieser Satzteil bezeichnet den Empfänger. Der Empfänger kann die Information nur aufnehmen, wenn sie so formuliert ist, dass er sie auch versteht. Der Empfänger des Projektplans muss diesen lesen und interpretieren können, damit er die darin enthaltenen Informationen versteht.

Mit welchem Effekt? Es ist nicht nur wichtig, dass eine Information übermittelt wurde, sondern auch, welche Wirkung sie erzielt. Kommunikation im Projekt zielt immer auf eine Wirkung, denn der Empfänger soll etwas Bestimmtes tun oder zumindest sein Wissen oder seine Einstellung zu einem Sachverhalt verändern.

Kommunikationskette

Kommunikation gelingt nur dann, wenn alle Elemente in der Kette aufeinander abgestimmt sind. Der österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat die unterschiedlichen Hindernisse aufgezählt, die in einer Kommunikationskette, wie sie die Lasswell-Formel beschreibt, überwunden werden müssen:

Gedacht ist nicht gesagt.

Gesagt ist nicht gehört.

Gehört ist nicht verstanden.

Verstanden ist nicht gewollt.

Gewollt ist nicht gekonnt.

Gekonnt und gewollt ist nicht getan.

Getan ist nicht beibehalten.

Die Lasswell-Formel und die Kommunikationskette von Lorenz bedeuten für die Kommunikation im Projekt, dass es nicht ausreicht, eine Botschaft auszusenden, da es eigentlich auf die Wirkung der Botschaft ankommt. Erst wenn die Kommunikation die beabsichtigte Wirkung erreicht hat, ist sie gelungen. Kommunikation ist deshalb nicht Absicht, sondern Wirkung.

Achten Sie immer darauf, was Sie mit Ihrer Nachricht bewirken. Ist es nicht das, was Sie beabsichtigt haben, dann unternehmen Sie einen neuen Versuch. Und dies so lange, bis der Empfänger so reagiert, wie Sie es beabsichtigt haben.

Nachrichtenübermittlung: das Sender-Empfänger-Modell

Sender-Empfänger-Modell

Die Nachrichtentechnik stand Pate beim Kommunikationsmodell von Warren Weaver und Claude Elwood Shannon, das diese 1949 entwickelten. Das sogenannte Sender-Empfänger-Modell ist die Basis für viele andere Kommunikationsmodelle. Es ist in Abbildung 1 wiedergegeben.

Abb. 1: Das Sender-Empfänger-Modell erklärt, wie Nachrichten übermittelt werden.

Rollen in der Kommunikation

Dieses Modell geht davon aus, dass es bei der Kommunikation zwei unterschiedliche Rollen gibt: einen Sender und einen Empfänger. Jeder kann beide Rollen einnehmen. Wenn jemand eine Nachricht an einen anderen übermittelt, ist er Sender, wenn er eine Nachricht erhält, Empfänger. Zwischen beiden gibt es einen Nachrichtenkanal. Damit darüber eine Nachricht übermittelt werden kann, muss der Sender die Nachricht codieren und der Empfänger muss sie wieder decodieren. Die Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn Sender und Empfänger den gleichen Code verwenden. Sie verstehen sich nicht, wenn ihr Code unterschiedlich ist, zum Beispiel wenn sie verschiedene Sprachen sprechen, Begriffe unterschiedlich interpretieren oder die Mimik und Gestik des Gesprächspartners falsch deuten.

Die Abkürzung CV bedeutet bei der Budgetplanung im Projekt „Cost Variance“. Aber bei einer Bewerbung ist damit der Lebenslauf, das Curriculum Vitae, gemeint.

Nach dem Sender-Empfänger-Modell ist Kommunikation keine Einbahnstraße. Es gibt auch einen Rückkanal, das sogenannte Feedback, an dem der Sender erkennen kann, ob der Empfänger die Nachricht richtig verstanden hat.

Achten Sie darauf, dass Sie die gleiche Sprache sprechen wie Ihr Gesprächspartner. Um Missverständnisse zu vermeiden, spiegeln Sie immer wieder zurück, was Sie verstanden haben, und fragen Sie nach, wenn Ihnen Aussagen unklar sind.

Nachrichtenauswahl: das Gatekeeper-Modell

Ein Gatekeeper ist ein Torwächter und die metaphorische Bezeichnung für einen Faktor, der bei einem Entscheidungsprozess die Auswahl bestimmt. Das Gatekeeper-Modell von Bruce Westley und Malcolm McLean beschreibt die Nachrichtenübermittlung als einen selektiven Prozess. Es ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2: Der Empfänger erhält eine mehrfach selektierte Information.

Auswahlprozesse bei der Kommunikation

Der Sender wählt aus einer Vielzahl von Dingen, die er kommunizieren möchte, sogenannten Ereignissen, einige aus und macht daraus eine Botschaft. Welche Botschaft er übermittelt, ist durch seine eigenen Interessen bestimmt. Auch das Medium ist nicht neutral. Es selektiert ebenfalls die vom Sender angebotenen Botschaften. Eine Telefonleitung überträgt zum Beispiel keine Bilder. Der Empfänger erhält eine Botschaft, die aber nicht mehr dem ursprünglichen Ereignis entspricht, sondern durch Auswahlprozesse verändert wurde. Selbst wenn der Empfänger die Nachricht richtig decodiert, bedeutet dies nicht unbedingt, dass er über alles informiert ist.

„Bitte rufen Sie Herrn Mayer auf seinem Handy an!“, mailt der Projektleiter einem Teammitglied. Diesem fehlt jedoch eine wichtige Information, ohne die er Herrn Mayer nicht anrufen kann: die Handynummer. Stillschweigend hat der Projektleiter vorausgesetzt, dass sein Mitarbeiter diese hat.

Überlegen Sie bewusst, was Sie sagen wollen, und achten Sie darauf, dass das Kommunikationsmedium auch Ihre Botschaften richtig übermittelt.

Nachrichtenumfang: das Eisbergmodell

Eisbergmetapher

Die sogenannte Eisbergmetapher stammt von Ernest Hemingway. Er war der Auffassung, dass es reiche, wenn in seinen Werken, wie bei einem Eisberg, nur ein Achtel sichtbar ist, also explizit erzählt wird, weil der Rest, der sozusagen unter der Wasseroberfläche liegt, vom Publikum auch so erkannt würde. In Abbildung 3 ist das Eisbergmodell der Kommunikationstheorie nach Floyd L. Ruch und Philip G. Zimbardo abgebildet.

Abb. 3: Wie beim Eisberg sehen wir nur einen kleinen Teil des Ganzen.

Paretoprinzip

Das Eisbergmodell veranschaulicht, dass nur ein kleiner Teil der Informationen, die bei der Kommunikation eine Rolle spielen, den Beteiligten bewusst ist. Der größte Teil der Informationen, etwa viele Handlungsmotive, bleibt dagegen unbewusst. Diesen nehmen weder Sender noch Empfänger in der Kommunikation wahr. Nach der 80/20-Regel – auch Paretoprinzip genannt – nimmt man an, dass nur 20 Prozent der Informationen über der Wasseroberfläche liegen und die restlichen 80 Prozent darunter.

Von den Projektmitgliedern wissen Projektleiter den Namen, die wichtigsten Stationen der Berufslaufbahn und welche Aufgabe sie im Projekt haben. Viele andere Dinge, wie zum Beispiel was sie in der Freizeit tun, sind den meisten Projektleitern unbekannt. Sie wissen beispielsweise nicht, dass ein Projektmitglied gerne liest und eine Vorliebe für eine blumige Sprache hat, sich deshalb aber im Projektgeschäft schwertut, Dinge kurz und präzise zu formulieren.

Entwickeln Sie eine Sensibilität für die verborgenen Gründe und Motive, welche die Handlungen der Menschen im Projekt bestimmen.

Annahmen über die Kommunikation: Kommunikationsaxiome

„Man kann nicht nicht kommunizieren“ ist ein immer wieder zitierter Satz von Paul Watzlawick, einem österreichischen Kommunikationswissenschaftler. Neben diesem Axiom über Kommunikation hat er noch vier weitere formuliert, mit denen er erklärt, wie Kommunikation funktioniert.

Axiom 1: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“

Kommunikation ist für Watzlawick eine Form des sozialen Verhaltens. Sobald zwei Personen sich gegenseitig wahrnehmen können, kommunizieren sie miteinander. So wie es nicht möglich ist, sich gegenüber jemandem nicht zu verhalten, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren.

Ein Teilnehmer des Meetings sitzt schon im Meetingraum, als ein anderer hereinkommt und sagt: „Guten Morgen, bin ich hier richtig im Kick-off-Meeting?“ Der andere Teilnehmer schweigt und arbeitet weiter am Notebook. Auch dies ist eine Antwort: Sie könnte etwa so lauten: „Ich habe etwas Wichtiges zu tun und möchte jetzt nicht gestört werden.“

Achten Sie darauf, wie Sie sich zu Ihren Gesprächspartnern verhalten, sowie auf deren Verhalten. Übersetzen Sie das Verhalten in eine Nachricht. Überlegen Sie, wie Sie darauf reagieren wollen.

Axiom 2: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“

Mit jeder Nachricht übermitteln wir eine Botschaft auf zwei Ebenen: eine Sachinformation, die den Inhalt der Kommunikation beschreibt, und einen Hinweis, wie der Sender seine Beziehung zum Empfänger sieht. Der Inhaltsaspekt stellt dar, was mitgeteilt wird, und der Beziehungsaspekt beschreibt, wie der Sender die Botschaft verstanden haben möchte. Die gleiche Nachricht kann so unterschiedliche Bedeutung erhalten.

Es macht einen Unterschied, ob ein Projektleiter seinem Projektmitarbeiter in einer E-Mail mitteilt: „Das Arbeitspaket sollte bis Freitag bearbeitet sein, okay?“ Oder ob ein Kollege schreibt: „Das Arbeitspaket sollte bis Freitag bearbeitet sein. Liebe Grüße.“ Der Projektleiter meint: „Ich erwarte, dass das Arbeitspaket am Freitag bearbeitet ist.“ Der Kollege meint: „Es wäre schön, wenn du das Arbeitspaket bis Freitag bearbeitet hast.“ Nur wenn beide Ebenen beim Empfänger richtig ankommen, gelingt die Kommunikation. Sie misslingt, wenn der Empfänger die Botschaften des Senders anders interpretiert, als sie vom Sender gemeint sind.

Machen Sie sich bewusst, in welcher Beziehung Sie zu Ihrem Gesprächspartner stehen und wie er zu Ihnen steht. Denn diese Beziehung ist die Grundlage dafür, wie die Nachricht zu interpretieren ist.

Axiom 3: „Die Struktur der Kommunikation wird durch die Interpunktion der Kommunikationspartner bestimmt.“

Jede Kommunikation ist im Prinzip eine ununterbrochene Folge von Mitteilungen. Eine Struktur erhält die Kommunikation, indem jeder Kommunikationspartner für sich entscheidet, wann ein Kommunikationsablauf beginnt. Praktisch bedeutete das: Der Sender bestimmt, wann für ihn eine Kommunikationsfolge beginnt. Der Empfänger tut dies unabhängig von der Entscheidung des Senders ebenfalls. Die Kommunikation gelingt nur dann, wenn beide Partner die Kommunikation in gleiche Abschnitte einteilen. Man kann dieses Axiom auch das Henne-Ei-Problem der Kommunikation nennen.

Der Projektleiter ist viel auf Reisen und beantwortet seine E-Mails mit einem Blackberry. Einem Projektmitarbeiter ist der Auftrag nicht klar. Er stellt in langen Mails ausführliche Fragen. Darauf bekommt er aber immer nur kurze Antworten, die für ihn unbefriedigend sind. Dies ist der Anlass für weitere Fragen. Der Projektleiter ist von den Fragen genervt und beantwortet sie immer knapper. Für den Projektleiter sind die Fragen der Anlass für sein Verhalten, für den Projektmitarbeiter die kurzen Antworten. Die Kommunikation misslingt, weil beide dem jeweils anderen die Schuld für die misslungene Kommunikation zuschieben.

Achten Sie darauf, von welchen Voraussetzungen ihr Kommunikationspartner ausgeht, und schreiben Sie ihm nicht vorschnell die Schuld für eine misslungene Kommunikation zu.

Axiom 4: „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“

Watzlawick bezeichnet die verbale Äußerung als „digitale Modalität“ und die nonverbale Äußerung als „analoge Modalität“. Das Axiom 4 bedeutet also: Kommunikation erfolgt nicht nur durch das gesprochene oder das geschriebene Wort, sondern auch durch nonverbale Äußerungen wie Mimik und Gestik. Selbst wenn wir wegsehen, teilen wir etwas mit, zum Beispiel, dass wir auf eine Botschaft nicht antworten wollen oder peinlich berührt sind. Die Inhaltsebene, das heißt das gesprochene oder geschriebene Wort, wird in der Regel durch die digitale Kommunikation vermittelt. Die Beziehungsebene wird dagegen hauptsächlich durch analoge Elemente, wie Mimik und Gestik, transportiert.

Es ist ein Unterschied, ob der Projektleiter den Satz „Kommen Sie in mein Büro“ mit einem Lächeln oder mit einem mürrischen Gesichtsausdruck sagt. Im ersten Fall hat er ein gutes Verhältnis zum Projektmitarbeiter und wahrscheinlich eine gute Nachricht. Im zweiten Fall könnte der Projektmitarbeiter etwas falsch gemacht haben.

Achten Sie nicht nur darauf, was Sie sagen, sondern auch darauf, welche Körperhaltung Sie einnehmen und mit welcher Mimik und Gestik Sie sprechen.

Axiom 5: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.“

Symmetrische Kommunikation

Die Kommunikationspartner stehen immer in einer Beziehung zueinander. Eine Beziehung, in der sich die Partner bemühen, Ungleichheiten untereinander möglichst klein zu halten, ist symmetrisch. Üblicherweise ist die Kommunikation unter Kollegen symmetrisch.

Komplementäre Kommunikation

In einer komplementären Beziehung muss sich das Verhalten ergänzen, damit die Kommunikation gelingt. Die Kommunikation des Projektleiters in seiner Rolle als Führungskraft im Projekt gegenüber seinen Mitarbeitern ist asymmetrisch.

Auf die Aussage „Das Arbeitspaket sollte bis Freitag bearbeitet sein“ erwartet der Projektleiter die Antwort „Selbstverständlich bin ich bis Freitag fertig“ oder „Ich werde bis Freitag nicht fertig, weil ...“. Die Kommunikation ist komplementär. Bei einem Kollegen ist die Kommunikation symmetrisch und die folgende Antwort wäre ebenfalls in Ordnung: „Ich werde mich bemühen. Du weißt, ich tue immer mein Bestes, versprechen kann ich es dir aber nicht.“

Kommunizieren Sie beziehungsgerecht: symmetrisch zu Gesprächspartnern auf der gleichen Ebene, komplementär zu Vorgesetzten und Projektmitarbeitern.

Die vier Seiten einer Nachricht: der Kommunikationsquadrant und das 4-Ohren-Modell

Das Buch Miteinander RedenAbbildung 4