Ich begann schon recht früh in meinem Leben – noch bevor ich die Highschool besuchte – zu bemerken, dass es in meiner Welt gute und schlechte Führer gab. Ich war mir nicht recht darüber im Klaren, wodurch sie sich unterschieden, aber ich glaube mich zu erinnern, dass ich dachte, es müsse etwas mit der Art und Weise zu tun haben, wie diese Menschen ihre Macht benutzten: wie sie bestraften oder mit Strafe drohten, wie sie mich herumkommandierten und wie sie mich zu kontrollieren versuchten. Diese Führer waren die verschiedenen Lehrer, die ich hatte, zwei Schulleiter, ein YMCA-Leiter, zwei Trainer, ein Pfadfinderführer, verschiedene Lagerleiter, unser Pfarrer und ein niederträchtiger Konrektor, den ich niemals vergessen werde.
Es versteht sich natürlich auch, dass ich mich den Führern gegenüber, die ich »gut« fand, in einer bestimmten Weise verhielt und mit den »schlechten« Führern ganz anders umging. Hatte ich mit den guten zu tun, gefiel ich mir selbst weit besser, und natürlich gefielen sie mir. Womit die Gruppe sich auch immer beschäftigte, ich war mit größerer Begeisterung dabei und hatte gewöhnlich viel Spaß daran. Es war auch leicht, sich mit diesen Erwachsenen zu unterhalten. Wir neckten einander, und mir gefiel diese zwanglose Beziehung.
Bei den schlechten Führern schlüpfte ich stets in eine andere Rolle. Ich benahm mich in einer Weise, die mir überhaupt nicht gefiel. Ich war kein produktives Mitglied der Gruppe, ich verbrachte viel Zeit damit, mir auszumalen, wie ich es diesen Führern heimzahlen konnte, indem ich sie in Verlegenheit brachte oder herabsetzte; ich ließ mir von ihnen nichts sagen; ich spielte den Clown für die anderen Gruppenmitglieder; häufig log ich und vertuschte meine Fehler und selten unterhielt ich mich oder scherzte mit ihnen. Ich gefiel mir in diesen Beziehungen nicht und gewiss mochte ich sie nicht.
Zwar verwirrte mich das alles, doch ganz bestimmt habe ich mir keine besonders eingehenden oder gar analytischen Gedanken über Führer und Führungsrolle gemacht, bis ich während des Zweiten Weltkriegs selbst Führer einer Gruppe von zehn oder mehr Offizieren der Luftwaffe wurde. Wenn ich auch hoch motiviert war, einer jener »guten« Führer zu werden, stellte ich bald fest, dass es gar nicht so leicht war. Wenn ich meine Gruppe zu hart anfasste, erntete ich Auflehnung und Widerstand. Ich wollte nicht mit Strafen für schlechte Leistungen drohen, doch auch mit Belohnungen erreichte ich nichts. Einige der Mitglieder, die meine Freunde gewesen waren, legten keinerlei freundschaftliches Verhalten mehr an den Tag. Häufig verschwor man sich gegen meine sorgfältig durchdachten Anordnungen.
Bald begann ich weit gründlicher über die Führungsrolle nachzudenken. Wie kann man eine Gruppe zu guten Leistungen bewegen? Wie können Führer gute Beziehungen zu denen unterhalten, für die sie verantwortlich sind? Wie entwickelt man eine Gruppe, die zusammenhält und »Teamgeist« beweist?
Einige Jahre nachdem ich ins Zivilleben zurückgekehrt war, wurde ich im Sommer 1949 eingeladen, mich an einem Projekt des National Training Laboratory for Group Development zu beteiligen. Verständlicherweise sah ich darin eine gute Gelegenheit, mehr über Gruppen und Führer zu lernen, vor allem da es sich bei dem NTL (wie es später genannt wurde) um ein neues Führungstrainingszentrum handelte. Es wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern geleitet, die Bahnbrechendes auf diesem relativ neuen Gebiet geleistet haben.
Die Erfahrung dieses Sommers war der Anfang meines beruflichen Interesses an der Führungsrolle, eines Interesses, das ich niemals verloren habe. Bald wurde ich ein »Führungstrainer«. Ich las alles, was mir zur Frage von Gruppen und Führungsrolle unter die Finger kam, und entwickelte schließlich eine nach meiner Meinung ziemlich schlüssige und vielversprechende Theorie wirksamer Führung. Diese veröffentlichte ich in einem Buch – meinem ersten. Es hieß Group Centered Leadership: A Way of Releasing the Creative Potential of Groups (Boston, 1955). Wie sich herausstellte, beurteilten die Kollegen, die auf diesem Gebiet tätig waren, mein Modell wirksamer Führung nicht so enthusiastisch wie ich. Ich glaube sogar, die meisten von ihnen haben es noch nicht einmal gelesen. Und selten bezog man sich in Veröffentlichungen über die Führungsrolle auf meine Vorstellungen.
Entweder war es ein schlechtes Buch oder ein unangemessenes Modell oder – wie ich heute zu glauben geneigt bin – es war zu »radikal« für seine Zeit. Ich vertrat dort einige Vorstellungen, die den Gedanken der Zeit ziemlich zuwiderliefen. Ich verkündete dort, dass Führer keinen Gebrauch von ihrer Macht machen sollten, dass sie die Gruppenmitglieder an allen wichtigen Entscheidungen beteiligen sollten, dass Gruppen dazu da seien, die Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder zu befriedigen, dass Führer auf die »Weisheit der Gruppe« vertrauen könnten, dass Gruppenmitglieder an der Setzung der Gruppenziele mitwirken sollten, dass Führer versuchen sollten, die Statusunterschiede zwischen sich und ihren Gruppenmitgliedern zu verringern, dass Belohnungen und Bestrafungen keine wirksamen Motivatoren seien, dass Führer die Techniken von professionellen Beratern erlernen sollten.
Wie die Fachleute wissen, gehören diese Vorstellungen heute zum Gemeingut auf diesem Gebiet. Viele konnten empirisch bestätigt werden. Damit soll nicht gesagt sein, dass mein damaliges Modell alles enthielt, was Sozialwissenschaftler heute über wirkungsvolle Führung wissen. Ganz im Gegenteil. Sehr viel mehr ist inzwischen dem Bestand des Wissens über die komplexe Beziehung zwischen Führern und Gefolgsleuten einverleibt worden; wir wissen heute weit mehr über Gruppenverhalten und Gruppenentwicklung, über die Faktoren, die Gruppenmitglieder motivieren, und was Kreativität und Produktivität fördert.
Ich habe diese ergänzenden und korrigierenden Erkenntnisse in diesem Buch berücksichtigt. Ebenso habe ich mich auf meine jahrzehntelange Praxis als Berater bei vielen verschiedenen Organisationen gestützt. Und – was nicht übersehen werden darf –meine heutige Konzeption der Führungseffektivität verdankt auch Wesentliches jenem Jahrzehnt, in dem ich tausende von Managern und höheren Verwaltungsbeamten in den Kursen meines Führungsprogramms schulte. Dieser 36-stündige Kurs wird Organisationen überall in den USA durch ein Netz von einigen hundert Kursleitern angeboten, die für diese Kurse ausgebildet wurden und berechtigt sind, sie durchzuführen.
Schließlich möchte ich noch einigen Menschen besonders danken, die auf mein Denken besonderen Einfluss gehabt haben.
Ich bin meinem Lehrer, Kollegen und Freund Carl Rogers sehr verpflichtet. Er eröffnete mir den Blick für die kreative Fähigkeit zur Problemlösung, die in jedem Menschen schlummert. Ihm verdanke ich auch die Techniken des Zuhörens, mit deren Hilfe diese Fähigkeiten geweckt werden.
Frederick Llewellyn, Generaldirektor des Forest Lawn Memorial Park in Los Angeles, Kalifornien, bewies mir fünfzehn Jahre sein Vertrauen, indem er mir Gelegenheit gab, all meine Vorstellungen in jeder Abteilung und auf jeder Ebene seines damals ungefähr tausend Angestellte umfassenden Unternehmens auszuprobieren. Ralph Jones, heute Ausbildungsleiter meines Unternehmens, der Effectiveness Training Inc., lieferte mir ebenso wie einige andere Kursleiter wertvolle Anregungen zu Inhalt und Methode unseres Führungsprogramms.
T. O. Jacobs, der Autor von Leadership and Exchange in Formal Organizations, unterbreitet in seinem Buch die nach meiner Auffassung klügste und hellsichtigste Synthese der Ergebnisse aus tausenden von Untersuchungen zur Führungsrolle. Überaus kreativ verwendet er dabei die »Theorie des sozialen Austauschs« als übergreifenden Gesichtspunkt. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Gedanken sehr zur Klärung meiner eigenen beigetragen haben.
Linda Adams, die dieses Buch aktualisiert hat, bin ich zu großer Dankbarkeit verpflichtet.
Auch möchte ich jenen Kursleitern danken, die mich mit Fallmaterial und Beispielen versorgt haben. Viele habe ich für dieses Buch verwendet. Vor allem möchte ich Kent Stickler, Janice Horne, Jacques Lalanne, John Dietz, Peter Newell, Pete Cohen und Didier Hauvette danken.
Und ich bin Stacy Forland Krich zu Dank verpflichtet, die trotz ihrer vielfältigen Pflichten noch die Zeit fand, das Manuskript zu tippen.
Den Begriff »leadership« (Führung, Führungsrolle) gibt es – so hat man mir gesagt – in der englischen Sprache erst seit etwa 1800. Dann dauerte es noch einmal 100 Jahre, bis sich Sozialwissenschaftler ernsthaft mit der Frage der Führungsrolle befassten. Doch in den letzten 70 Jahren war die Forschung eifrig bemüht, die verlorene Zeit wieder wettzumachen. Man untersuchte, wie Menschen zu Führern werden, wie sie Führungspositionen behalten, Anhänger gewinnen, Gruppenleistungen beeinflussen und worauf Führungseffektivität beruht. Ohne Zweifel also ist dieser Gegenstand eingehend erforscht worden.
Heute birgt das Konzept der Führungsrolle kaum noch Geheimnisse für uns. Es lässt sich recht genau darlegen, was den effektiven Führer ausmacht. Anhand der Vielzahl von Studien können wir ein zuverlässiges Modell der Führungseffektivität entwickeln. Die betreffenden Forschungsdaten wurden in vielen Arten von Organisationen und Gruppen gewonnen.
Ein Ziel dieses Buches ist es, das Modell aus der Abgeschlossenheit der Universitätslaboratorien herauszuholen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Es soll für die zahllosen Menschen leichter zugänglich sein, die selbst Führungspositionen innehaben: in der Regierung, in Wirtschafts- und Industrieunternehmen, in Ämtern und Institutionen, in der Gemeindeverwaltung, in Schule und Familie.
Die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens in der Gruppe: bei der Arbeit, in der Kirche, beim Spiel und beim Lernen. Und ob es ihnen gefällt oder nicht, scheinen alle diese Gruppen Führer nötig zu haben. Nun können Führer eine Gruppe machen – oder sie kaputtmachen. Von ihren Einstellungen und Verhaltensweisen hängt die Gruppenleistung entscheidend ab. Das wissen wir alle aus unserer eigenen Erfahrung mit Lehrern, Verwaltungsbeamten, Aufsichtspersonen, Ausschussvorsitzenden, Trainern, Managern und Geistlichen.
Das gilt auch für unsere Gesellschaft. Man macht sich häufig nicht klar, dass sich die meisten Menschen irgendwann einmal in die Lage versetzt sehen, eine Gruppe führen zu müssen. So werden die meisten von uns schließlich Eltern. Sie übernehmen also eine Führungsrolle gegenüber ihren Kindern. Auch der Lehrer ist für Schüler ein Führer. Jeder wird zum Führer, der einen Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe leitet, der zum Präsidenten einer ehrenamtlichen Organisation gewählt wird, der Verantwortung als Pfadfinderführer oder Ferienlagerleiter übernimmt.
Wie viele dieser zahllosen Menschen empfinden ihre Führungsrolle als lohnend und befriedigend? Wie viele können – wenn sie ehrlich sind – mit ihrer Leistung zufrieden sein? Wie viele stoßen bei ihren Bemühungen auf lästigen Widerstand – oder auch auf Feindseligkeit, Eifersucht und Unfreundlichkeit? Wie viele geben auf und sagen resigniert: »Nie wieder!«?
Hat ein Führer Schwierigkeiten mit seiner Rolle, liegt es meist an seiner eigenen Unfähigkeit. Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Menschen jemals für diese Rolle ausgebildet worden sind, kann man verstehen, warum die Führungsrolle sich so häufig als schwierig, mühselig und enttäuschend erweist.
Untersuchungen haben ergeben, dass einer der Hauptgründe für dieses Versagen darin liegt, dass Führungskräfte in Stellungen befördert werden, in denen sie eng mit anderen zusammenarbeiten müssen. Ohne die Fertigkeit, gut funktionierende Beziehungen aufzubauen und ein Team zu bilden, das die gesamte Gruppe integriert, können diese Führer die Kreativität ihrer Mitarbeiter nicht positiv umsetzen. Sie scheitern, weil sie nicht wissen, wie man egalitäre und ausgewogene Beziehungen aufbaut.
Eine weitere Absicht dieses Buches liegt darin, Führern zu zeigen, welche besonderen Techniken und Methoden sie lernen müssen, wenn sie sich an einem zeitgemäßen »Modell« der Führungseffektivität orientieren wollen. Das Modell nur zu verstehen reicht nicht aus. Führer müssen auch die Fertigkeit erwerben, dieses Modell zu realisieren.
Nehmen wir das wichtige Konzept der »gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung«, das in Kapitel 3 eingehender erklärt wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass effektive Führer den Mitgliedern ihrer Gruppe das Gefühl geben, ihre Bedürfnisse würden befriedigt. Und auch die Führer haben das Empfinden, dass ihren Bedürfnissen genügt wird. Man bezeichnet das manchmal als »gerechten sozialen Austausch«. Doch wie gelingt dies dem Führer? Was muss er im Einzelnen tun, um jenen wünschenswerten Zustand gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung herzustellen? Die Antworten auf diese Fragen nach dem »Wie« wird man in den meisten Büchern über Führungsrollen vergeblich suchen. Und doch gibt es ganz bestimmte Methoden, um solche Bedürfniskonflikte zu lösen und diesen notwendigen »gerechten Interessenausgleich« herzustellen. Das wichtigste Verfahren dabei ist unsere Jeder-gewinnt-Methode, die in den Kapiteln 9 und 10 erläutert und dargestellt wird. Diese sechs Schritte umfassende Methode zur Konfliktlösung ermöglicht dem Führer, die Theorie in die Praxis umzusetzen, Wirklichkeit werden zu lassen, was die Forschung uns als Ideal hinstellt.
Übereinstimmend bestätigen die Forschungsergebnisse die Bedeutung des »Beteiligungsprinzips«, d. h. den Umstand, dass Gruppenmitglieder eher bereit sind, neue Gedanken und neue Arbeitsverfahren zu akzeptieren, wenn sie an den Entscheidungen beteiligt werden, die mögliche Veränderungen und ihre Verwirklichung betreffen. Zwar wird in den meisten Büchern die »Beteiligung der Angestellten« als eine ideale Voraussetzung der Führungseffektivität empfohlen, doch nur wenige legen genau dar, wie man dies im Einzelnen tun soll. In Kapitel 7 analysiere ich den abstrakten Begriff des »Beteiligungsmanagements«. Dabei zeige ich, wie Führer Gruppenmitglieder in unterschiedlichem Maße teilhaben lassen können. Und ich beschreibe unterschiedliche Arten von Gruppenzusammenkünften, mit denen man Beteiligung fördern kann.
In diesem Buch geht es eindeutig um Techniken und Methoden: Wie man so zuhört, dass Gruppenmitglieder über ihre Probleme sprechen; wie man so redet, dass Gruppenmitglieder auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht nehmen; wie solche Meetings zu leiten sind; wie man Probleme erkennt und wie sich gute Lösungen finden lassen; was bei Regelverstößen zu tun ist; wie Gruppenmitglieder dazu zu bewegen sind, sich Leistungsziele zu setzen; wie man der Leistungsbewertung ihren bedrohlichen Charakter nehmen kann.
Einige dieser Techniken und Methoden habe ich selbst entwickelt, als ich zusammen mit den Führern der Organisationen, in denen ich als Berater für zwischenmenschliche Fragen tätig war, an der Lösung praktischer Probleme arbeitete. Andere (vor allem die Kommunikationstechniken) habe ich von Dr. Carl Rogers und anderen übernommen, die mich zum professionellen »Helfer« ausgebildet haben, bzw. von den Kollegen, mit denen ich im Rahmen meiner Tätigkeit als klinischer Psychologe zusammengearbeitet habe. Im Laufe der Jahre ist mein Vertrauen in diese Techniken gewachsen: Ich weiß, dass sie funktionieren, und ich weiß, dass man sie den meisten Führern beibringen kann. Diese Überzeugung gründet sich auf eine über 50-jährige Erfahrung. In dieser Zeit habe ich einige tausend Führer in meinem Führungstraining ausgebildet, viele tausend Lehrer und Schulleiter in meinen Kursen über Lehrertraining und etwa eine Million Eltern (Familienführer) in meinen »Familienkonferenz«-Kursen.
Diese Techniken und Methoden wirken sich auf Organisationen weit stärker aus, wenn das Training auf allen Führungsebenen erfolgt. Sie machen sich in einer Organisation natürlich auch dann schon bemerkbar, wenn nur ein Führer die Techniken und Methoden erwirbt. Dies zeigte sich in einer Studie, die vom Industrial Relations Center der University of Chicago durchgeführt wurde. In einer Folge-Untersuchung wurde festgestellt, wie ein einzelner Führer, ein Betriebsleiter, eingeschätzt wurde, der die in diesem Buch beschriebenen Führungstechniken erlernt hatte.
Ein Jahr nachdem dieser Mann seinen Führungsstil geändert und die Stellung des Betriebsleiters übernommen hatte, wurden mit den Mitgliedern seiner Gruppe (elf Vorarbeitern) und dem gesamten Management (insgesamt zwölf Leuten) Tiefeninterviews durchgeführt. Unter den 160 Einzeläußerungen, die den Werksleiter charakterisierten, waren nur fünf, aus denen sich negative Eigenschaften herauslesen ließen. Die am häufigsten erwähnten Eigenschaften dieses Führers waren:
Das Interview lieferte auch Daten über die Auswirkungen der neuen Techniken und Methoden des Werksleiters:
Diese – sicherlich subjektiven – Daten wurden von einer unabhängigen Institution ermittelt, die keinerlei privates Interesse an den Ergebnissen hatte. So bestärkt mich diese Untersuchung in der Überzeugung, dass sich Führungstechniken vermitteln lassen, dass diese neuen Techniken und Methoden von den Mitgliedern in der Gruppe des Führers ebenso wie von seinen Managementkollegen rasch bemerkt werden und dass sie einer Organisation im Laufe der Zeit zum Vorteil gereichen, selbst wenn sich dort kein anderer Führer einem Führungstraining unterzogen hat.
Ferner hoffe ich, dass dieses Buch dazu beitragen wird, die fruchtlosen Kontroversen beizulegen und die hartnäckigen Mythen zu zerschlagen, die sich mit dem Begriff der Führungsrolle verbinden. Der wohl hartnäckigste Streit dreht sich um die Frage, ob der an »zwischenmenschlichen Beziehungen orientierte« (oder personenbezogene) Führer erfolgreicher ist als der an »Aufgaben orientierte« (oder produktionsbezogene) Führer. Die Forschungsergebnisse zeigen eindeutig, dass der effektive Führer beides sein muss: ein »Spezialist für zwischenmenschliche Beziehungen« und ein »Spezialist für Aufgabenstellungen«. Führungseffektivität setzt voraus, dass man Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen beweist und diese zugleich zu einer hohen Arbeitsleistung zu motivieren versteht. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.
Eine ähnliche Kontroverse entzündete sich an der Frage, ob Führer streng oder permissiv sein sollten. In Kapitel 8 werde ich zeigen, dass beide Verfahren ihre Tücken haben. Führer sollten weder ihre Macht dazu benutzen, Konflikte zu ihren Gunsten zu entscheiden, noch Gruppenmitgliedern gestatten, ihren Willen auf Kosten des Führers durchzusetzen. Das Herzstück meiner Konzeption von Führungseffektivität ist eine dritte Möglichkeit, eine Alternative zu »starkem« oder »laschem« Management. Im Führungstraining heißt dieses Verfahren zur Lösung von Bedürfniskonflikten die Jeder-gewinnt-Methode. Sie trägt diesen Namen, weil sie zu Lösungen führt, die »gegenseitige Bedürfnisbefriedigung« garantieren: Jeder gewinnt. Das ist ein ideales Ergebnis, das einige Autoren, die sich an der »Theorie des sozialen Austauschs« orientieren, »einen gerechten Interessenausgleich« nennen. Die Konfliktlösungen erscheinen sowohl dem Führer als auch den Gruppenmitgliedern gerecht. In den Kapiteln 9 und 10 des vorliegenden Buches kann man Schritt für Schritt lernen, wie sich Konflikte mit der Jeder-gewinnt-Methode lösen lassen.
Schließlich hat noch eine dritte Frage die Führer in zwei Lager gespalten, nämlich die über den Wert von Meetings. Manche halten nichts von solchen Treffen, weil sie zu viel Zeit kosten, kaum zu Entscheidungen führen und lediglich auf eine »Anhäufung von Ignoranz« hinauslaufen. Für andere Führer stellen Meetings eine Notwendigkeit dar. Sie sind davon überzeugt, dass sie zur »Beteiligung« beitragen, das kreative Potenzial der Gruppenmitglieder anregen und zu besseren Entscheidungen führen. Ein ganzes Kapitel (7) widme ich dem Thema Meetings. Denn ich bin überzeugt, dass sie notwendig sind, häufig aber unproduktiv, langweilig und Zeitverschwendung sind, weil die Führer nicht über die erforderlichen Techniken verfügen oder weil sie Meetings für falsche Zwecke benützen.
Ich beschreibe verschiedene Arten von Meetings und lege dar, wann und zu welchem Zweck sie stattfinden sollten. Ich nenne 17 Richtlinien, mit deren Hilfe sich Meetings zur Problemlösung und Entscheidungsfindung effizienter und produktiver gestalten lassen. Diese Richtlinien enthalten klare Angaben über solche Punkte wie die Häufigkeit und Dauer von Meetings, die Bedeutung von Protokollen, die Frage, wie die Tagesordnung aufzustellen ist und welche Prioritäten zu setzen sind, welche Probleme sich nicht für Gruppensitzungen eignen, welche Regeln bei der Entscheidungsfindung zu beachten sind, welche Dinge vertraulich zu behandeln sind und nach welchen Methoden sich Meetings auswerten lassen. Außerdem erhalten Sie Richtlinien, mit deren Hilfe Sie den Mitgliedern Ihrer Gruppe bei den Meetings mehr Verantwortung übertragen können.
Drei wichtige Dinge zeichnen dieses Buch aus:
Doch das reicht noch nicht aus. Aufgrund meiner Erfahrung bin ich davon überzeugt, dass kein Führer seine Effektivität merklich steigern kann, wenn er sich zuvor nicht ernsthaft mit der entscheidenden Frage von Macht und Autorität auseinander gesetzt hat. Deshalb habe ich mich zunächst einmal eingehend bemüht, meine eigenen Vorstellungen zu dieser Frage zu klären. Dabei bin ich bei den Führern in unseren Führungstrainingskursen und im einschlägigen Schrifttum auf erhebliche Meinungsunterschiede zur Bedeutung dieser Begriffe gestoßen. (Das erklärt natürlich zumindest teilweise, warum die Frage, ob Führer von ihrer Macht oder Autorität Gebrauch machen sollen, so heftig umstritten ist.)
In Kapitel 8 unterscheide ich zwischen drei Arten von Autorität. Die erste erwächst aus der eigenen Macht (der Möglichkeit, zu bestrafen oder zu belohnen); die zweite daraus, wie man die eigenen Aufgaben definiert, und die dritte aus dem Sachverstand und dem Wissen, über die man verfügt. Die beiden letzteren Autoritätstypen verursachen selten Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, während die erste sie fast unvermeidlich beeinträchtigt und auf lange Sicht auch Motivation und Produktivität vermindert. Was noch schlimmer ist, Führer, die von ihrer Macht Gebrauch machen, verlieren auch die Fähigkeit, die Mitglieder ihrer Gruppe zu beeinflussen, was paradox erscheint. Dieses Phänomen erkläre ich deshalb auch im gleichen Kapitel. Ein Schlüssel zur Führungseffektivität ist die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, ohne von der eigenen Macht Gebrauch zu machen.
Niemand, der die Entwicklung in den Organisationen und Institutionen unserer Gesellschaft verfolgt hat, kann sich dem Schluss entziehen, dass eine Revolution begonnen hat – eine sehr bedeutende Revolution der zwischenmenschlichen Beziehungen. Menschen wollen mit der gebührenden Achtung behandelt werden –als Erwachsene, nicht als Kinder oder Nummern; sie verlangen ein Mitspracherecht über die Bedingungen ihres Arbeitslebens; sie lassen sich nicht mehr so leicht ausbeuten und zu irgendwelchen Dingen zwingen. Sie verlangen das Recht, in ihrer Arbeit Selbstachtung finden zu können, und wollen eine Tätigkeit ausüben, die sie als sinnvoll und befriedigend empfinden. In sehr menschlicher Weise lehnen sie sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen auf: durch häufigen Arbeitsplatzwechsel, Fehlen, Interesselosigkeit, Verweigerungshaltung und durch mutwillige Zerstörung.
Führern, die bereits eingesehen haben, »dass der Mensch Vorrang hat«, und die von der außerordentlichen Wichtigkeit guter zwischenmenschlicher Beziehungen in Organisationen überzeugt sind, gibt dieses Buch unschätzbare Techniken und Methoden an die Hand. Wollen Sie die schädlichen Auswirkungen vermeiden, die sich einstellen, wenn Sie anderen gegenüber ihre Macht beweisen, werden Sie auf den folgenden Seiten viele Alternativen zur Machtausübung entdecken. Wenn Sie nicht mehr alle Entscheidungen alleine fällen wollen, werden Sie erfahren, wie Sie ein Team zur Entscheidungsfindung auf die Beine stellen können. Wenn Sie ehrlich wünschen, dass die Kommunikation zwischen Ihnen und den Mitgliedern Ihrer Gruppe in beide Richtungen verläuft, sodass Sie die Gruppenmitglieder besser beeinflussen können und diese umgekehrt mehr Einfluss auf Sie gewinnen können, werden Sie das mit unseren Techniken des aktiven Zuhörens und der Ich-Botschaft bewerkstelligen können.
Ein letzter Punkt: Eines dürfen Sie von diesem Buch keinesfalls verlangen. Sie werden nicht erfahren, welche spezifischen Ergebnisse Sie von der Anwendung des dargelegten Führungsmodells zu erwarten haben. Das Führungstraining vermittelt Ihnen nur Methoden. Bei ihrer Anwendung werden sich in verschiedenen Organisationen unterschiedliche Ergebnisse einstellen. Das hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: von dem Zweck Ihrer Organisation, von den Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten, von den wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen, die Ihrer Organisation gesetzt sind, und so fort. Möglicherweise werden Ihre Führungstechniken zu einer Kostenreduktion und zu einer besseren Arbeitsmoral führen, wie das in einem mir bekannten Unternehmen geschehen ist. Vielleicht führen Ihre neuen Techniken in der Menschenführung aber auch zu ähnlichen Ergebnissen wie bei American Freightways, einem Transportunternehmen mit 17 000 Angestellten. George Schultz, ein Manager dieser Firma, berichtet von den Resultaten des Führungstrainings :
»Die Ergebnisse sind sehr positiv; Vorgesetzte haben eine verbesserte Einstellung zur eigenen Tätigkeit und zu den Mitarbeitern, alle arbeiten jetzt auf ein gemeinsames Ziel hin. Doch noch mehr haben mich die vielen persönlichen Erfolgsmeldungen als Ergebnis des Führungstrainings überzeugt: Viele Vorgesetzte und Betriebsleiter berichten, wie sie ihre privaten Beziehungen retten oder verbessern konnten.«
Vielleicht führen Ihre neuen Führungstechniken auch zu den gleichen Veränderungen wie in meiner eigenen kleinen Organisation:
Oder der Wandel in Ihrem Führungsstil führt zu den Veränderungen, die sich in anderen Organisationen zeigten: Eine jährliche »Problemaufstellung« wird zur festen Einrichtung; das traditionelle System der Leistungsbewertung wird durch eine periodische Planungskonferenz ersetzt; die Gewinne werden höher; es wird ein Gewinnbeteiligungssystem eingeführt, das sich an der Gruppenleistung orientiert; die Beziehungen zu Kunden oder Klienten werden besser; die Entwicklung von Kommunikationssystemen oder wirtschaftlicheren Maschinen wird gefördert, man bemüht sich um bessere Arbeitsbedingungen; ein Job-Rotations-System wird eingeführt; die Kontrollfunktion wird denen übertragen, die das Produkt herstellen; der Verantwortungsbereich der unteren Ebenen wird erweitert, ältere Angestellte erhalten länger Urlaub; die Verantwortung für die Geschwindigkeit des Fließbandes geht an die Produktionsarbeiter über; es werden mehr Frauen eingestellt; es werden mehr Behinderte eingestellt, es werden mehr Angehörige von Minderheiten eingestellt; die Ausbildung der Meister wird verbessert.
Jedes dieser Ergebnisse ist möglich. Wer weiß, welche positiven Ergebnisse sich einstellen, wenn Führer die Techniken erwerben, dank derer sie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter fördern und die kollektiven Fähigkeiten der Gruppe zu erhöhen vermögen? Vielleicht werden in einigen Fällen Berge versetzt.