Epilog

 

Es gab keinen Sonnenuntergang und keine kitschige Musik, als die ›Shadow Dancer‹ vom Raumhafen Sillata abhob. Es war so unspektakulär, wie man es sich nur vorstellen konnte. Das Raumschiff stieg schlicht und einfach in die Luft, beschleunigte und wurde innerhalb von Sekunden zu einem winzig kleinen Punkt am Himmel über Silla.

Shenmi und Kendrak sahen schweigend dabei zu. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass der Anführer der ›Chimairis‹-Zelle sie noch weiter begleiten würde – nicht nach dem, was in den vergangenen Stunden geschehen war.

»Ich bedaure, dass Sie sich von mir hintergangen fühlen«, sagte Shenmi, während sie der ›Shadow Dancer‹ nachsahen. »Obwohl ich es natürlich verstehen kann.«

Kendrak ließ die ›Shadow Dancer‹ nicht aus den Augen. Zunächst dachte Shenmi, dass er gar nicht auf ihre Worte reagieren, sie einfach ignorieren würde. Doch dann hörte sie ihn leise und völlig humorlos lachen. »Wie tröstlich«, sagte er.

Shenmi ging nicht darauf ein. »Sie und Ihre Leute waren kooperativ. Ich hätte Sie gerne in meine Pläne eingeweiht«, fuhr sie fort. »Aber ich denke, Sie wären von meinem Vorhaben nicht begeistert gewesen.«

»Sie meinen Ihr Vorhaben, den Bunker in die Luft zu jagen? Da könnten Sie recht haben.«

»Da ich jedoch keine Wahl hatte …«

»Man hat immer eine Wahl«, unterbrach sie Kendrak ruhig.

»Nein, die hatte ich nicht. Ich hatte eindeutige Anweisungen von ›Chimairis‹«, sagte Shenmi. »Die Splittergruppe war den Verantwortlichen dort ein Dorn im Auge. Sie sollte verschwinden. Und Sie hatten in unserem Gespräch deutlich gemacht, dass Sie nicht härter durchgreifen würden. Also habe ich gehandelt.«

Kendrak schwieg. Shenmi ebenso. Aus ihrer Sicht gab es nichts mehr zu sagen.

»Wo hatten Sie die Bombe her?«, fragte Kendrak schließlich.

»Das Raumschiff, das ›Chimairis‹ mir zur Verfügung gestellt hat, ist gut ausgestattet«, sagte Shenmi schulterzuckend. »Es war ein kleines, unauffälliges Modell, das ich problemlos in meinem Rucksack unterbringen konnte. Nachdem ich Bribat und seine Leute überwältigen konnte …«

»Ach ja, richtig – wie ist Ihnen das eigentlich gelungen?«

Der misstrauische Unterton in Kendraks Stimme war nicht zu überhören. Shenmi dachte daran, wie sie den Wachen gegenübergestanden hatte, an das gehässige und siegessichere Lachen Bribats. An die folgenden Sekunden, über die sich in ihrer Erinnerung ein seltsamer roter Weichzeichner gelegt hatte, während sie herumwirbelte, Knochen knackten und Blut spritzte. An Bribats Gesichtsausdruck, als er plötzlich inmitten von Leichen stand. Er war auf einmal sehr kooperativ gewesen, was ihre Ausrüstung anging. Ihm das Genick zu brechen war nach allem, was er Ty angetan hatte, trotzdem ein Genuss gewesen – und etwas, an das sie sich im Gegensatz zum Rest sehr deutlich erinnerte.

»Das ist meine Sache«, sagte sie abweisend. »Jedenfalls habe ich mir meine Ausrüstung zurückgeholt und die Bombe in dem Labor deponiert.«

»Und wenn wir nicht aufgetaucht wären …?«

»Hätte ich Ty geholt und wäre mit ihm geflüchtet«, sagte Shenmi scharf. »Ich hätte ihn niemals zurückgelassen, falls Sie das denken.«

»Das hätte ich auch nicht von Ihnen erwartet«, sagte Kendrak. Er klang einen Hauch amüsiert. »Schließlich konnte ich nicht übersehen, dass es da eine tiefere Verbindung zwischen Ihnen und Ty gibt.«

Shenmi stockte der Atem. »Das … das war nicht zu übersehen?« War sie so unprofessionell geworden, dass sie zugelassen hatte, dass ihre Gefühle sie verrieten?

Kendrak schien ihre Gedanken zu erraten. »Keine Sorge, ich glaube nicht, dass außer mir jemand etwas gemerkt hat. Ich denke, ich habe da einfach … ein besonderes Gespür.«

Sie schwiegen beide. Von der ›Shadow Dancer‹ war nun kaum noch etwas zu sehen – vielleicht die Idee eines silbernen Flimmerns am Firmament.

»Wenn Ty die Deinoiden so sehr hasst – warum haben Sie ihm nicht einfach die ganze Wahrheit gesagt?«, fragte Kendrak schließlich. »Warum haben Sie mich nicht einfach alles erzählen lassen?«

Shenmi schluckte. Sie hatte in den vergangenen Stunden mehrfach vor der Entscheidung gestanden, genau das zu tun: Ty endlich die Wahrheit zu sagen. Und jedes Mal war etwas dazwischen gekommen oder sie hatte sich im letzten Moment anders entschieden.

»Silla war nicht der richtige Ort dafür«, sagte sie schließlich. »Und der Tag heute war nicht die richtige Zeit. Der Moment wird kommen, aber noch ist es nicht so weit.« Auch wenn ich wünschte, dass es anders wäre. Keine Geheimnisse mehr – das wäre schön …

Die ›Shadow Dancer‹ war in den Weiten des Weltraumes verschwunden. Shenmi hoffte, dass das Raumschiff bald nicht nur Silla, sondern das ganze System hinter sich zurücklassen würde. Sie atmete noch einmal tief ein. Dann ging sie auf ihr immer noch versteckt daliegendes Raumschiff zu. Nach wenigen Schritten drehte sie sich noch einmal um.

»Hassen Sie mich mehr dafür, die Bombe hochgejagt zu haben, oder dafür, dass ich Sie daran gehindert habe, Ty alles zu erzählen?«, fragte sie mit einem verunglückten Lächeln.

Kendrak schüttelte sanft lächelnd den Kopf. »Ich hasse Sie nicht. Das ist nicht meine Art.« Er seufzte und legte den Kopf in den Nacken. »Ich bin gespannt, ob ich Ty Hawkins jemals wiedersehen werde.«

Shenmi folgte nachdenklich seinem Blick zu den Sternen. »Ty ist entkommen, das ist die Hauptsache«, sagte sie fest. »Und er wird die Wahrheit erfahren, schon bald. Und dann werden Sie Ihren Sohn gewiss wiedersehen.«

 

 

Mit diesem Roman endet die erste Staffel von »Deinoid«.

 

 

BEN RYKER | LUCY GUTH

Deinoid Sammelband I

 

Inhalt

 

Impressum

 

Intro

 

Band 1: Rebellion der Digger

Band 2: Die Argos-Misson

Band 3: Der Torus

Band 4: Katorga11

Band 5: Macht der Lügen

Band 6: Silla

 

 

Impressum

 

Erstveröffentlichung Juli 2018

Copyright © 2018 Deinoid by Ben Ryker

Copyright © 2018 der eBook-Ausgabe by Verlag Peter Hopf, Petershagen

 

Cover und Umschlaggestaltung: Arndt Drechsler

Redaktionelle Betreuung: Thomas Knip

E-Book-Konvertierung: Die eBook-Manufaktur

 

ISBN ePub 978-3-86305-160-0

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

 

Intro

 

Im 21. Jahrhundert entbrennt auf der Erde ein unerbittlicher Kampf um die Ressourcen wie fossile Brennstoffe und Wasser. Staatenbündnisse verfallen. Die aufflammenden Kriege bringen Elend und Tod über große Teile der Menschheit. Erst der Zusammenschluss mächtiger Wirtschaftskonzerne führt zu einer Wende. Mega-Konzerne, wie der europäisch-asiatische Verbund der NEO-Hanse, lösen die unfähigen Regierungen ab. Bereits begonnene Forschungen mit Klonen, die ursprünglich als Soldaten vorgesehen waren, werden fortgesetzt und so eine Armee von Arbeitern für den Einsatz auf Asteroiden geschaffen.

Im 22. Jahrhundert versetzen große Fortschritte im Bereich der Weltraumtechnik die NEO-Hanse und andere Mega-Konzerne in die Lage, echte Raumfahrt zu betreiben. Planeten in der habitablen Zone werden zunächst durch Terraforming bewohnbar gemacht, um Menschen dort anzusiedeln. Doch im Laufe der Jahrzehnte entwickeln die als Digger (Ausgräber) bezeichneten Arbeitsklone immer mehr ein eigenes Selbstverständnis. Sie nennen sich selbst Deinoiden. Es kommt zu ersten Aufständen, die jedoch von der Söldnertruppe Wagrier der NEO-Hanse erfolgreich niedergeschlagen werden. Sowohl die Menschen in den Kolonien als auch auf der Erde wehren sich gegen die Diktatur der Mega-Konzerne. Es gibt überall Widerstandsgruppen und sogar Weltraumpiraterie. Doch diese Problemfelder treten im Jahr 2494 völlig in den Hintergrund, als die Digger einen großen Aufstand auf dem Mars organisieren. Auf einmal stehen sich Menschen und Deinoiden als Feinde gegenüber.

 

 

 

BEN RYKER

Rebellion der Digger

 

Deinoid Band 1

 

 

Prolog

 

Das Zittern ihrer Finger verriet Katyas Nervosität. Bis jetzt waren es nur Gedankenspiele gewesen, doch nun musste sie sich entscheiden. Im Labor herrschte die übliche gelassene Atmosphäre, wie überall, wo Wissenschaftler konzentriert ihrer Arbeit nachgingen. Niemand warf Katya prüfende Blicke zu oder verriet auf andere Weise, dass er etwas von ihrem Vorhaben ahnte.

»Sie haben ein Recht darauf«, murmelte sie, um sich selbst zu ermutigen.

Seit zwanzig Monaten arbeitete Katya nun schon im Labor und seit vier Wochen gehörte sie zum Team für neuronale Programmierung. Das war nie ihr Ziel gewesen, doch bereits nach kurzer Zeit erkannte sie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Vor zehn Tagen hatte sie Oleg eingeweiht und der berief den Rat ein, um über Katyas Vorhaben zu entscheiden. Niemals hätte sie erwartet, dass man den Plan als zu riskant verwerfen würde. Und doch war es so gekommen. Selbst Oleg zeigte sich nicht völlig überzeugt, sodass es zu hitzigen Diskussionen zwischen ihnen kam. Vergeblich versuchte Katya ihren Bruder zu überreden.

»Gibt es Probleme?«, riss Dinas Stimme sie aus ihren Gedanken. Katyas Vorgesetzte schaute fragend zu ihr hinüber.

»Nein, alles bestens. Ich bin wohl immer noch zu kritisch mit mir selbst«, erwiderte Katya mit einem Lächeln und drückte die Taste zur Freigabe der Programmierung.

Es war ein simpler Tastendruck und nichts wirkte im Vergleich zu den Tausenden von Programmierungen der Vergangenheit verändert. Fast war es enttäuschend.

»Sie leisten hervorragende Arbeit, Katya. Trauen Sie sich ruhig über den Weg. Ihre Programmierungen waren noch nie fehlerhaft und falls es doch zu inkompatiblen Prozesseingaben käme, würden die Sicherheitsprotokolle schon Alarm schlagen«, beruhigte sie die Leiterin des Labors mit einem bestärkenden Nicken.

Außer, man umgeht diese Protokolle mit Absicht, dachte Katya, während sie Dina hinterherschaute, die bereits den Raum verließ.

Nach einem abschließenden Blick deaktivierte sie die Konsole und ging hinüber zur großen Halle. Auf der Galerie blieb sie an der üblichen Stelle stehen, um hinunter auf die Behältnisse zu schauen. Techniker bewegten sich zwischen den Aufzuchttanks, die in langen Reihen hinter- und nebeneinander den Raum füllten. Es waren so viele, dass man selbst von der erhöhten Position aus nie alle mit einem Blick erfassen konnte.

»Sie haben ein Recht darauf«, wiederholte Katya halblaut.

Ein weiblicher Techniker drehte sich zu ihr um. Als Katya stumm blieb und weiterhin hinunter auf die Tanks starrte, setzte sie ihren Weg mit einem Achselzucken fort.

 

 

Kapitel 1

 

Es war der übliche Betrieb, wenn die Frachter mit den Diggern den Mars anflogen. Im Kontrollzentrum des Raumflughafens herrschte mehr Hektik als zu den üblichen Tagen, doch daran hatte Galina sich gewöhnt.

»Sechshundert rein, sechshundert raus«, murmelte sie vor sich hin, während sie NHC 17601 die erforderlichen Landedaten übermittelte.

Der Neo Hanse-Carrier brachte die letzten zweihundert Digger zum Mars, damit ihre Programmierungen überprüft werden konnten. Dieser turnusmäßige Tausch von sechshundert Arbeitssklaven erfolgte einmal im Monat, nachdem die Wissenschaftler in der Vergangenheit einige Anzeichen von Störungen im Einsatz beobachtet hatten. Galina verfolgte unbeteiligt den Landeanflug des riesigen Frachters und musste unwillkürlich an ihre ersten Tage als Controller im Anflugkontrollgebäude denken. Damals war jedes ankommende oder abfliegende Raumschiff für sie eine echte Sensation gewesen. Wie ein Kind hatte sie mit Ehrfurcht die Vorgänge auf dem Raumflughafen verfolgt und dabei ihre Aufgaben vernachlässigt. Der leitende Controller hatte Galina dafür vor versammelter Mannschaft einen Verweis erteilt. So eine Demütigung wollte sie nie wieder erleben und deswegen hatte Galina anschließend jede Sekunde während ihrer Schicht mit absoluter Konzentration bewältigt. Nachdem der dritte Frachter seine Triebwerke ausgeschaltet hatte, wechselte die Kontrollerin die Sprechfunkfrequenz. Sie meldete sich bei den Besatzungen der zum Abflug bereitstehenden Frachter, um ihnen die erforderlichen Triebwerkstests zu genehmigen. Nach der knappen Bestätigung schaltete Galina aus und griff nach einem Thermobecher. Sie gehörte zu der aussterbenden Sorte Mensch, die immer noch Kaffee in erheblichen Mengen trank. Kaum hatte Galina den ersten Schluck getrunken, krauste sie verwundert die Stirn. Sie schaute hinüber zu Huan an der zweiten Konsole.

»Haben die Piloten der abfliegende Frachter abweichende Anweisungen erhalten oder wieso führen die immer noch keine Triebwerkstests durch?«, wollte sie wissen und riss damit ihren Kollegen aus der Lektüre einer Übertragung auf einem der Monitore.

»Hä? Nein, du hast doch die Leitung über An- und Abflug«, erwiderte er verärgert, schaute aber trotzdem hinaus auf den weitläufigen Raumflughafen.

Keiner der drei Frachter machte Anstalten, die üblichen Prozeduren vorm Abflug einzuleiten. Jetzt wurde auch Huan stutzig.

 

Seine Zeit lief ab. Zu viele Jahre hatte Juri Wassirev der Arbeit für die NEO-Hanse gewidmet. In wenigen Monaten konnte er New Danzyg, diesem Moloch auf dem Mars, endgültig den Rücken kehren. Dann wollte Juri seine geliebte Elena aus der Spezialklinik abholen und mit ihr noch viele Jahre auf der privaten Insel in der Karibik verbringen. Sein Blick löste sich von der Ferne, um wieder die Ansammlung von Gebäuden dreiundzwanzig Stockwerke unter seinem Büro wahrzunehmen. Es hatte viele Rückschläge bei der Optimierung der Klone gegeben und immer musste Wassirev dafür die Verantwortung tragen. In den Jahren war es der NEO-Hanse nie gelungen, eine Ablösung für diesen Posten auf dem Mars zu finden. Es hatte sich herumgesprochen, wie wankelmütig der Niederlassungsleiter in New Danzyg in seinem Wirken angesehen wurde. Mit einem verärgerten Seufzer verdrängte Wassirev diese düsteren Gedanken, die so gar nicht seinem eigentlichen Wesen entsprachen. Vermutlich war Elenas Erkrankung der Auslöser dafür, daher sehnte er sich nach der Rückkehr auf die Erde. Mit seinen finanziellen Möglichkeiten konnte Wassirev für sich und Elena eine private Insel in der Karibik kaufen. Das milde Klima war gut für Elenas Lungen und mit einem permanent zur Verfügung stehenden Betreuerteam wäre eine erstklassige Versorgung rund um die Uhr möglich.

Noch acht Monate, dann endet mein verfluchter Kontrakt auf dem Mars, dachte Wassirev und löste sich endgültig aus dem Fluss an Gedanken.

Der Manager kehrte zurück an seinen Schreibtisch und aktivierte das Display, um die aktuellen Daten abzurufen. In der Halle wurden die letzten Checks an 150 Diggern vorgenommen, die übermorgen aus dem künstlichen Koma geholt und zum Leben erweckt werden sollten. Alle Anzeigen waren im grünen Bereich, sodass Wassirev sich einem nervigen Problem zuwenden konnte. Er ließ Li Anderson, den zuverlässigen Agenten der HS, der Hanse Security, kommen. Der drahtige Mann mit leicht schrägen Augen war in Macao zur Welt gekommen und hätte eigentlich sein Leben als Hausdiener bei einer der angesehenen Familien des asiatischen Bundes antreten sollen. Doch er schloss sich als Jugendlicher einer der Triaden an, die immer noch in der Vergangenheit lebten und nicht einsehen wollten, dass ihre Macht nicht mehr existierte. Mit der Übernahme der Kontrolle durch die Mega-Konzerne war die Schwäche der früheren Regierungen ausgelöscht worden. Deren Sicherheitskräfte waren durch viel zu viele Vorschriften gegängelt worden, weshalb sie kaum effektiv gegen Kriminelle vorgehen konnten. Dieses Dilemma gab es für den Sicherheitsdienst eines Mega-Konzerns natürlich nicht und so geriet Li Anderson in die Gewalt des asiatischen Bundes, wo man seine speziellen Fähigkeiten bemerkte und förderte. Vor zwei Jahren hatte Juri Wassirev ihn als den besten Kandidaten für den Posten des Leiters des Sicherheitsdienstes auf dem Mars auserkoren.

»Wie weit sind Sie mit der Infiltration der Rebellen von New Danzyg?«, kam Wassirev ohne lange Vorrede auf den Punkt.

Anderson berichtete mit stoischer Ruhe von den komplizierten Details der laufenden Operation.

»Ersparen Sie mir dieses Geschwafel, Anderson. Wie weit sind Sie?«, fuhr Wassirev ihm in die Parade.

Der Agent der HS nahm es mit äußerlicher Gelassenheit hin.

»Ich habe einen meiner Agenten in den Führungszirkel einschleusen können. Ab sofort erfahren wir vorab, wann und wo Anschläge geplant sind«, antwortete er, ohne den Anschein eines Triumphes zu erwecken.

Das sollte Wassirevs Ansehen in der Zentrale der NEO-Hanse in Brügge erheblich aufpolieren. Er wollte seinem Nachfolger eine konfliktfreie Niederlassung übergeben.

»Sehr gut, Li. Ich gebe Ihnen acht Wochen Zeit. Danach existieren keine Rebellen mehr in New Danzyg. Verstanden?«, ordnete Wassirev kühl an und nahm das zustimmende Nicken mit Zufriedenheit entgegen.

Er entließ Anderson mit einer knappen Geste und hakte gedanklich diesen Punkt auf seiner Liste der täglichen Aufgaben ab. Alles lief bestens. Solange Wassirev seine Wachsamkeit und Entschlossenheit behielt, sollten die verbleibenden Monate ohne größere Zwischenfälle verstreichen.

 

An Bord des Frachters mit der Kennung NHC 17598 verfolgte Ataho betroffen, wie Cetan mit sechs anderen Deinoiden die leicht verletzten Piloten in den Aufenthaltsraum der Besatzung einsperrten.

»Warum haben sie sich so gewehrt? Angesichts unserer Überlegenheit hat das doch gar keinen Sinn«, wandte Ataho sich verwirrt an Denali.

Schon vor fünfzehn Monaten hatten sie einen Rat gebildet, zu dem auch Cetan gehörte. Es war an der Zeit, dass die Menschen endlich zuhörten. Über ein Jahr benötigten Ataho und die anderen Anführer, bis sie einen durchführbaren Plan entwickelt hatten. Mit ihrer heutigen Rückkehr auf den Mars setzten die Deinoiden ihn um. Es wäre Ataho niemals in den Sinn gekommen, dass die sieben Besatzungsmitglieder des Frachtraumschiffes ihnen Widerstand leisten würden. Sechshundert Deinoiden gegen sieben Menschen. Und doch war es passiert und hatte Cetan, der besonders aggressiv veranlagt war, zu einer heftigen Reaktion veranlasst.

»Weil sie uns als Digger ansehen? Wir sind in ihren Augen lediglich geklonte Arbeitssklaven, die keinen eigenen Willen haben dürfen«, antwortete Denali mit trauriger Stimme.

Genau wie Ataho zählte er zu den gemäßigteren Anführern, die sich schließlich durchgesetzt hatten. Cetan und Kuruk hatten von Anfang an den Kampf favorisiert, während Hania unschlüssig blieb. Wenn alle Menschen auf dem Mars sich so wie die Piloten des Frachters verhielten, würde es nicht lange dabei bleiben und die friedliche Übernahme blieb ein schöner Traum.

»Sie weigern sich sogar, uns als Deinoiden zu bezeichnen. Digger! Verfluchte Digger sind wir«, stieß Cetan erbost hervor, als er zu den beiden anderen Anführern trat.

Viele Generationen vor ihnen waren in dieses unfaire Schicksal gedrängt worden. Doch schon vor Ataho und seinen Freunden wuchs ein Bewusstsein bei vielen Deinoiden, die sich damals noch nicht so bezeichneten.

Ihre Köpfe wandten sich gleichzeitig einem Wandpanel zu, an dem ein Signal aufleuchtete.

»Im Anflugkontrollgebäude wundert man sich offenbar, warum die anderen Besatzungen nicht mit den Startvorbereitungen beginnen«, sagte Denali.

Ihr Plan war exakt auf diesen Augenblick ausgerichtet. Für einen kurzen Zeitraum hielten sich 1200 Deinoiden gleichzeitig auf dem Raumflughafen auf. Sie mussten lediglich die Besatzungen überwältigen und anschließend die Kontrolle auf dem gesamten Plateau übernehmen. Die wenigen Menschen konnten es nicht verhindern.

»In wenigen Minuten sind sie schlauer«, warf Cetan mit einem harten Lächeln ein, wobei der blaue Ring um seine Iris intensiver aufleuchtete.

An diesem Phänomen konnte man jeden Deinoiden sofort erkennen, auch wenn sie sich ansonsten äußerlich nicht von Menschen unterschieden. Der blaue Ring war so etwas wie ihr Brandzeichen, welches die Wissenschaftler sich ausgedacht hatten. Mit einem zustimmenden Nicken streifte Ataho sein Unbehagen ab. Mit einem surrenden Geräusch senkte sich die hintere Rampe, sodass die Deinoiden zügig von Bord gehen konnten. Seitlich vom Frachter standen vier Shuttles bereit, die sie eigentlich ins Regenerationslabor transportieren sollten. Es lag in einer Einöde, weit von der Stadt New Danzyg entfernt, auf einem eingezäunten Areal der NEO-Hanse. Zu jedem Shuttle gehörten ein Pilot, ein Co-Pilot sowie zwei Sicherheitsmänner. Da es bisher noch nie einen Zwischenfall während der Wechselphasen auf dem Mars gegeben hatte, war deren Aufmerksamkeit eingeschläfert. Sie erwarteten keinen Widerstand. Jeweils 25 Deinoiden formten eine Reihe und stiegen stumm in die Shuttles ein. Alles wie immer. Ataho gehörte zu den letzten in seiner Reihe und würde dabei helfen, die Piloten zu überrumpeln. Als er am Sicherheitsmann, der eine Elektroimpulswaffe im Halfter trug, vorbeikam, wirbelte Ataho herum. Jeder Deinoid war für den gefährlichen Einsatz auf einem Asteroiden gezüchtet worden. Sie waren erheblich kräftiger, reaktionsschneller und belastbarer als ein Mensch. Atahos Angriff war perfekt mit dem seiner Artgenossen abgestimmt. Der Sicherheitsmann erkannte die Bedrohung erst, als er bereits betäubt am Boden lag. Mit wenigen Griffen zog Ataho zwei Sicherheitsbänder aus der Gürteltasche des Mannes und fixierte damit dessen Arme sowie Beine.

»Verfluchte Scheiß-Digger!«, brüllte auf einmal eine erboste Stimme aus dem Cockpit.

Ataho reagierte instinktiv. Er entsicherte die Impulswaffe des Sicherheitsmannes und war mit drei langen Schritten im Durchgang zum Cockpit. Der Co-Pilot hatte es geschafft, sich dem Zugriff eines Deinoiden zu entziehen und zielte mit einer Waffe auf ihn. Atahos Zeigefinger krümmte sich einen Sekundenbruchteil früher, sodass ein bläulicher Wirbel den gesamten Körper des Co-Piloten umschloss. Er kreischte vor Schmerzen und bog sein Rückgrat unnatürlich weit durch, bis es laut knackte. Aus Unkenntnis hatte Ataho einen tödlichen Schuss gesetzt und damit den Co-Piloten getötet. Der überrumpelte Deinoide schob den leblosen Körper zur Seite und deutete dabei auf ein Signal im Display.

»Er konnte einen Warnruf absetzen«, erklärte er.

In Ataho tobten unterschiedliche Gefühle und er wurde sich bewusst, dass er ungewollt eine Grenze überschritten hatte. Nichts lief so, wie er es sich gedacht hatte. Die Menschen reagierten schneller und aggressiver als erwartet. Sie zwangen selbst friedlich gestimmte Deinoiden wie Ataho zu gewaltsamen Aktionen. Dann lichtete sich der Nebel in seinem Kopf und der nüchterne Verstand übernahm wieder die Oberhand.

»Dann müssen wir schneller vorgehen«, erwiderte er und warnte Cetan über Funk.

Sie hatten in den Frachtmaschinen die mobilen Funkgeräte auf die Anführer verteilt. Die Antwort von Cetan kam prompt.

»Haben wir auch schon gemerkt. Die Menschen erkennen nicht, wie aussichtslos ihr Widerstand ist«, sagte er und unterbrach anschließend die Verbindung.

Ataho war der letzte Deinoide an Bord des Shuttles, denn seine Artgenossen hatten den Kampf gegen angreifendes Bodenpersonal aufgenommen. Mit einem verzweifelten Knurren sprang er auf den Betonboden und überflog die Situation in unmittelbarer Nähe. Schnell erkannte Ataho, dass die eigentliche Gefahr von zwei bewaffneten Star Marshalls ausging. Das restliche Bodenpersonal war nicht wirklich bewaffnet, wenn man von unterschiedlichen Werkzeugen in ihren Händen absah. Doch die beiden Marshalls waren erprobte Kämpfer, die mit ihren Patrouillenschiffen regelmäßig gegen gefährliche Piraten oder Schmuggler antraten. Ataho eilte zu einem anderen Deinoiden, der ungeschickt an der Impulswaffe des zweiten Sicherheitsmannes aus dem Shuttle herumfummelte.

»Warte. Hör mir zu!«, befahl Ataho, als der Deinoide nicht sofort auf ihn reagierte.

»Wir müssen diese beiden Marshalls ausschalten. Nur sie sind gefährlich«, erklärte er dann und zeigte auf die Männer, die links und rechts neben ihrem Patrouillenschiff kauerten.

Sie wechselten sich geschickt mit dem Feuern auf die Deinoiden ab, sodass diese in Deckung gezwungen wurden. Ataho zeigte dem anderen Deinoiden, wie sie sich bewegen mussten, um hinter das Shuttle zu gelangen.

»Du übernimmst den Schützen an der linken Seite. Verstanden?«, fragte er.

Zufrieden registrierte er die bittere Entschlossenheit auf dem Gesicht des Deinoiden. Sie mussten einen großen Bogen laufen, doch aufgrund ihrer hervorragenden Beinmuskulatur konnten sie die Distanz in sehr hohem Tempo bewältigen. Nur zwei Minuten später zielte Ataho bereits auf den Star Marshall, der rechts neben der Frontpartie des Patrouillenschiffs kauerte.

»Werfen Sie die Waffe weg!«, rief er, da er ihm nicht ohne Warnung in den Rücken schießen konnte.

Der Marshall zuckte erkennbar zusammen, bevor er zur Seite hechtete. Kaum kam sein Körper auf dem Boden auf, drehte der Mann sich um die eigene Achse und zielte mit dem Impulsgewehr auf Ataho. Der verfolgte das gekonnte Manöver mit unterschwelliger Anerkennung, während er gleichzeitig den exakten Moment zum Feuern abpasste. Die Mündung des Gewehrs zeigte noch nicht vollständig in Atahos Richtung, als der blaue Wirbel den Marshall erfasste und innerhalb eines Augenblicks tötete.

»Meiner ist ebenfalls erledigt«, meldete sich der andere Deinoide.

Verblüfft registrierte Ataho die Härte in dessen Stimme. Schon jetzt stand sein Vorhaben, mit den Menschen in Verhandlungen zu treten, vor dem Aus. Sie waren zum Töten gezwungen worden, doch das würden Juri Wassirev und seine Mitarbeiter naturgemäß völlig anders sehen. Ataho drehte sich um und wurde so Zeuge, wie die Techniker der Bodenmannschaft überwältigt und kampfunfähig gemacht wurden. Er zeigte auf die Shuttles.

»Wir müssen schleunigst zum Kontrollgebäude, bevor die Menschen es außer Funktion setzen«, rief er und rannte bereits los.

Zu ihrer Vorbereitung hatte es gehört, sich heimlich mit der Technik von Raumschiffen sowie Shuttles zu beschäftigen. Die Menschen hatten sich wenig um die Deinoiden gekümmert, solange diese wortlos ihre Sollzahlen schafften. Was sie während ihrer freien Zeit auf den Asteroiden machten, interessierte die Aufseher wenig. So konnten Deinoiden unbemerkt an Bord von Shuttles gehen und sich mit der Bedienung vertraut machen. Ataho eilte hinüber zum Shuttle, mit dem sich normalerweise Techniker auf dem Raumflughafen bewegten. Zusammen mit vier Deinoiden stieg er ein und setzte sich auf den Sitz des Piloten. Es würde sein Erstflug werden und Ataho konnte nur hoffen, dass er das Shuttle nicht gegen eines der Raumschiffe steuerte oder schlicht das Kontrollgebäude rammte.

 

Die Meldung vom Raumflughafen riss Li Anderson aus einer langweiligen Verwaltungsarbeit. Er passte jede Woche das Schichtsystem der Wagrier, wie die paramilitärischen Einheiten der Hanse genannt wurden, auf dem Firmengelände neu an, damit möglichst keine Routine aufkam. Das blinkende Icon auf dem Monitor brachte Anderson dazu, umgehend im Kontrollzentrum des Raumflughafens anzurufen. Der leitende Kontroller meldete sich mit vor Angst vibrierender Stimme.

»Die Digger töten wahllos Techniker und jeden Menschen, der ihnen über den Weg läuft. Eine Gruppe von ihnen ist bereits ins Kontrollzentrum eingedrungen. Schicken Sie uns umgehend die Wagrier!«, brüllte Karol Simanek.

Die Bildleitung war schlecht. Immer wieder lösten sich die Gesichtszüge Simaneks auf oder ganze Ausschnitte des Monitors wurden grell ausgeleuchtet. Anderson glaubte sich verhört zu haben. Es hatte in der Vergangenheit kleinere Zwischenfälle mit Diggern gegeben, deren Programmierung offenbar fehlerhaft gewesen war. Doch das was Simanek hier andeutete, erschien Anderson schlicht unmöglich.

»Ich kann Sie nur sehr schlecht verstehen. Wiederholen Sie. Was ist passiert?«, hakte er deswegen nach.

Für einen kurzen Augenblick gab es keine Störungen, sodass Simanek gut zu erkennen war. Mit einer fahrigen Geste schleuderte er etwas weg, ohne dass Anderson es genauer zuordnen konnte. Hatte er es womöglich mit einer seltenen Form von Raumkrankheit zu tun?

»Raus! Verschwindet, ihr Kreaturen«, rief Simanek, wobei sein Gesicht sich vor Angst verzerrte und lange Speichelfäden aus dem Mund flogen.

»Beruhigen Sie sich. Niemand will …«, setzte Anderson an, um mitten im Satz abzubrechen.

Ungläubig schaute er auf drei Digger, die von der Kamera am Monitor des Kontrollers eingefangen wurden. Als Nächstes waberte ein blaues Licht auf und voller Entsetzen musste Anderson die Todesschreie von Karol Simanek mit anhören. Die Leitung zum Raumflughafen wurde abrupt unterbrochen. Fassungslos lehnte Anderson sich zurück und starrte auf den leeren Monitor vor sich. Dann sprang er auf und schnappte sich ein Funkgerät. Im Laufen informierte er Major Keith Tomlin, den Bataillonskommandeur der Wagrier über die Situation auf dem Raumflughafen. Die Soldaten mussten umgehend aufbrechen, um die Lage zu prüfen und die Kontrolle zu übernehmen.

»Der zweite Zug bleibt zur Sicherung des Firmengeländes hier. Leutnant Sorotkin ist ab sofort Ihr Ansprechpartner«, reagierte Major Tomlin sofort auf die veränderte Lage und meldete sich dann ab.

Als Li Anderson ins Büro von Juri Wassirev stürmte, ruckte dessen Kopf verärgert in die Höhe.

»Was fällt Ihnen denn ein?«, rief er.

In wenigen Sätzen informierte Anderson den Leiter der Niederlassung der NEO-Hanse über das Gespräch mit Simanek sowie die Bilder, die er selbst gesehen hatte. Wassirev erbleichte und schüttelte dann den Kopf.

»Das kann nicht sein, Anderson. Es darf nicht sein«, kam es fast im Flüsterton über seine fleischigen Lippen.

Wassirevs Verstand weigerte sich, die Tatsachen zu akzeptieren. Doch nach und nach trafen immer mehr Meldungen über die Geschehnisse auf dem Raumflughafen ein. Eine Gruppe von Technikern war mit einem Shuttle geflohen und setzte einen Notruf ab. Auch einem der Piloten war es gelungen, noch eine Funkmeldung abzusetzen. Sie riss jedoch mitten in seiner Schilderung der unglaublichen Vorfälle ab, was kein gutes Zeichen war.

»Ich habe bereits Tomlin in Marsch gesetzt. Die Wagrier sollten die Situation schnell wieder in den Griff bekommen«, sagte Anderson.

Nach kurzer Überlegung schickte Wassirev ihn hinüber in die Halle mit den frisch gezüchteten Klonen.

»Sorgen Sie dafür, dass dort alles ruhig bleibt. Wir können nicht riskieren, dass diese Digger uns ebenfalls aus dem Ruder laufen«, befahl er.

Li Anderson wäre lieber persönlich zum Raumflughafen aufgebrochen, um sich ein vernünftiges Bild zu machen, aber er fügte sich der Anweisung. Zehn Minuten später eilte er über eine breite Treppe hinauf zur Galerie, die sich an den Wänden der Halle mit den Zylindern entlang zog. In regelmäßigen Abständen gingen Türen ab, in denen die Techniker ihre Büros hatten. Auf den ersten Blick wirkte alles so wie immer.

 

Die Menschen reagierten völlig kopflos. Kaum drangen Ataho und seine Begleiter ins Kontrollzentrum ein, brach Panik aus. Obwohl den Menschen die Kämpfe auf dem Flugfeld nicht verborgen geblieben sein konnten, kam es zu keinem organisierten Widerstand.

»Sie versuchen, die Systeme zu blockieren«, rief einer der Deinoiden.

Er eilte mit drei weiteren auf Türen zu, durch die soeben Techniker verschwunden waren. Seine Einschätzung war überzeugend, weshalb Ataho zu jedem Büro ein Team aus zwei Deinoiden beorderte. Er selbst wollte den Leiter des Kontrollzentrums lebend in die Hände bekommen, um endlich eine Verhandlungsbasis aufbauen zu können. Ataho winkte einen Deinoiden zu sich und orientierte sich an einem Grundriss aus dem Bordsystem des Frachtschiffes. Sie mieden die Aufzüge, die sich zu leicht als Fallen erweisen konnten. Im Eiltempo jagten die beiden Deinoiden die Treppen hinauf ins vierte Stockwerk, in dem sich mehrere Büros von leitenden Angestellten befanden. Als Ataho durch die Treppenhaustür auf den Gang trat, schwante ihm Böses. Keine der Bürotüren war geschlossen, einige stark verbogen. Der Geruch nach verschmorten Kunststoffen und verbranntem Fleisch ließ Ataho reflexartig die Luft anhalten.

»Wo ist Karol Simanek?«, fragte er kurz darauf einen Deinoiden, dessen Overall diverse Risse und Brandflecke aufwies.

Mittlerweile hatte sich Atahos empfindliche Nase an den üblen Geruch gewöhnt. Der ausgestreckte Zeigefinger lotste ihn in das Büro des Leiters des Raumflughafens. Atahos Blick wanderte über stark beschädigte Konsolen, aus denen Funken sprühten und blaue Rauchfahnen aufstiegen. Drei Menschen lagen seltsam verkrümmt am Boden. Mit einem Seufzer ging Ataho neben einem kompakt gebauten Mann in die Hocke, packte seine Schulter und drehte den Körper so, dass er ins das verwüstete Gesicht von Simanek schauen konnte.

»Der Typ hat die Niederlassung der NEO-Hanse gewarnt und wollte einfach nicht aufhören, als ich es ihm befahl«, erklärte der Deinoide, dessen Stimme nicht die geringste Spur von Reue enthielt.

Es wurde immer deutlicher. Alle Vorsätze Atahos und der gemäßigten Deinoiden wurden von aggressiven Artgenossen hinweggefegt, die gegen sich wehrende Menschen mit brutaler Unnachgiebigkeit vorgingen. Mit einem weiteren Seufzer ließ Ataho die Schulter los und erhob sich.

»Wir müssen alle Konsolen so schnell wie möglich wieder funktionsfähig machen. Die dafür erforderlichen technischen Pläne könnt ihr im System abrufen«, befahl er und sperrte seine Enttäuschung innerlich weg.

Eine halbe Stunde später war der Widerstand der Menschen gebrochen. Mehr als ein Dutzend von ihnen bezahlten mit ihrem Leben. Es war nicht mehr zu erwarten, dass Juri Wassirev sich zu Verhandlungen bereit erklärte. Ataho und die anderen Anführer versammelten sich in einem Büro, in dem es keine Kämpfe gegeben hatte.

»Wir müssen davon ausgehen, dass Wassirev uns die Wagrier auf den Hals hetzen wird. Sie sind gefährlich und nicht so leicht wie die Techniker zu überwinden. Ich schlage vor, dass wir umgehend mit dem Aufbau von einem Verteidigungssystem beginnen«, schlug Ataho vor.

»Dann glaubst du also auch nicht mehr an die Möglichkeit von Verhandlungen, die uns den Weg zu einer friedlichen Koexistenz mit den Menschen ebnen?«, fragte Denali überrascht.

Mit einer umfassenden Bewegung schloss Ataho den gesamten Raumflughafen ein.

»Nach diesem Fiasko? Nein. Wir haben Menschen getötet und damit die geringen Chancen auf irgendwelche Verhandlungen gründlich zerstört. Ab jetzt werden wir kämpfen. Wir müssen die Menschen nachhaltig davon überzeugen, dass wir ihnen überlegen sind, aber nicht die Macht an uns reißen wollen«, führte Ataho aus und registrierte das Wechselspiel in den Mienen der anderen Anführer.

Während sie den Aufruf zum Kampf begrüßten, stellten sie sich aber nicht hinter Atahos Ansicht, keine führende Rolle einnehmen zu wollen. Er ahnte, dass auch dieser Punkt in seinem persönlichen Wertesystem keine Umsetzung finden würde. Keines seiner Ziele würde erreicht werden.

 

Als Leutnant Lew Sorotkin das Büro des leitenden Technikers betrat, fiel sein Blick zuerst auf den drahtigen Mann mit asiatischen Gesichtszügen. Sorotkin wusste, dass Li Anderson der Leiter des Sicherheitsdienstes war und ein enger Vertrauter von Juri Wassirev. Umso mehr wundert er sich über dessen Anwesenheit in der Produktionshalle für Digger.

»Es gibt Vorkommnisse, die uns zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auch in diesem Bereich veranlassen«, erklärte der Techniker, während er mit einer fahrigen Bewegung seine Brille mit einem Tuch polierte. In Zeiten, in denen die meisten Menschen sich optimierte Implantate leisten konnten, wirkte es wie ein gewollter Anachronismus.

»Von welchen Ereignissen sprechen Sie?«, hakte Sorotkin nach.

Bevor er eine Antwort erhielt, meldete sich Major Tomlin auf der rein militärischen Frequenz. Mit einer entschuldigenden Geste zog Sorotkin sich ein Stück zurück, um seinem Vorgesetzten zu lauschen. Dessen Anweisungen ließen seinen Blick verwirrt zu Anderson springen.

»Verstanden. Ich organisiere die umfassende Sicherung des Geländes mit Schwerpunkt Verwaltungsgebäude und Produktionshalle«, bestätigte Sorotkin, bevor er die Verbindung kappte.

»Da haben Sie Ihre Antwort, Leutnant. Ihre Aufgabe wird es sein, die noch nicht aktivierten Digger in den Zylindern im Auge zu behalten«, sagte Anderson mit einem kühlen Lächeln.

Während der Techniker zusehends nervös reagierte, blieb der Sicherheitsleiter äußerlich total gelassen. Noch machte Anderson sich scheinbar keine großen Sorgen.

»Am besten räumen wir die Halle und meine Leute sichern die Behälter«, sagte Sorotkin.

Das entschiedene Kopfschütteln des Technikers überrascht ihn.

»Nein, so geht es nicht. Wir müssen alle 150 Behälter ununterbrochen überwachen. Die Klone sind besonders in diesem Stadium sehr anfällig«, wehrte der entschieden ab.

Sorotkin warf Anderson einen Blick zu, doch der schwieg.

»Wird denn hier nicht alles automatisch überwacht und gesteuert?«, wollte Sorotkin wissen.

Es folgte ein zähes Ringen um das weitere Verfahren, bis zwischen dem Techniker und Soldaten endlich ein Kompromiss gefunden war. Eine Kernmannschaft unter Führung des leitenden Technikers würde in der Halle bleiben. Sorotkin seinerseits stellte zwanzig seiner Kämpfer für die Kontrolle innerhalb der Produktionsstätte ab, sodass ihm noch jeweils ein Dutzend Soldaten zur Sicherung des Verwaltungsgebäudes und der Außensicherung zur Verfügung standen. Bevor er das Büro des leitenden Technikers verließ, wandte Sorotkin sich nochmals an Li Anderson.

»Wieso haben Sie mich nicht unterstützt?«, fragte er.

Erneut blitzte das kühle Lächeln im Gesicht des Agenten der Hanse Security auf.

»Ich wollte sehen, wie Sie sich schlagen«, erwiderte er schließlich.

Für solche Psychospielchen hatte Sorotkin wenig übrig. Er sparte sich jedoch einen passenden Kommentar. Mit einem verächtlichen Kopfschütteln wandte er sich um und verließ das Büro. Zehn Minuten später bezogen die schwer bewaffneten Wagrier die ihnen zugewiesenen Stellungen. Schon als Lew Sorotkin seine Gruppenführer um sich versammelte, waren die Gerüchte über den Aufstand der Digger am Raumflughafen durchgedrungen. Entsprechend nervös waren die Soldaten.

 

 

Kapitel 2

 

Es wäre Corporal Bang lieber gewesen, wenn er für die Außensicherung oder am Verwaltungsgebäude eingesetzt worden wäre. Ihn machten diese Zylinder Angst, die links und rechts von ihm aufragten. Zusammen mit einem einfachen Soldaten patrouillierte Bang in einem der weitläufigen Gänge. Immer wieder glitt sein Blick zu den Displays an den mehr als mannshohen Tanks, an denen man die Statusdaten ablesen konnte. Alles lag im grünen Bereich, genau wie bei den anderen Behältern, die sie bereits abgeschritten hatten.

»Vielleicht sollte man diese Tanks ausschalten und die dreckigen Digger einfach verrecken lassen«, brach es urplötzlich aus dem Soldaten hervor.

Da er bislang geschwiegen hatte, war Bang das Ausmaß seiner Angst entgangen. Im Gegensatz zum Corporal hatte der junge Kamerad nicht an der Niederschlagung eines kleinen Aufstandes von Diggern in einem Bergwerk teilgenommen. Lediglich acht dieser Klone hatten sich völlig unerwartet in einem Stollen gegen die Aufsicht gewandt und überwältigt. Da das dritte Bataillon der 52. Brigade ganz in der Nähe auf einem Raumfrachter auf dem Weg zu einem Einsatz gewesen war, schickte man kurzerhand Leutnant Sorotkin mit seinem Zug hinüber auf den Asteroiden. Mit dreiundvierzig erstklassig ausgebildeten Kämpfern, die zudem schwer bewaffnet waren und über reichlich Erfahrung verfügten, sollte der Aufstand schnell im Keim erstickt werden. Nach unfassbar harten Kämpfen, wobei die Digger außer ihren Körpern lediglich Werkzeug wie Plasmaschneider einsetzen konnten, kehrten elf Kameraden im Leichensack zurück auf den Frachter. Vierzehn Soldaten waren so schwer verletzt worden, dass der gesamte Zug aus dem geplanten Einsatz genommen wurde.

»Das sind nur Wesen, die nicht einmal selbstständig denken können. Sie werden durch Betäubungsmittel in einem Koma gehalten. Also beruhige dich und sei froh, dass wir nicht mit dem Kommandeur gegen die Digger am Raumflughafen vorgehen müssen«, stieß er hervor.

Der junge Soldat wurde noch bleicher und verfluchte erstmals seine Entscheidung, sich freiwillig zum Dienst bei den Wagriern gemeldet zu haben. Sein nervöser Blick huschte umher, suchte nach Anzeichen für drohende Gefahr.

 

In Tank 133 explodierten die Bilder in seinem Kopf. Übergangslos wurde der Deinoid sich seiner Umgebung bewusst und für einige Sekunden rang er mit der schweren Atmung. An seinem gesamten Körper hingen Schläuche, doch das beschäftigte ihn im Augenblick überhaupt nicht. Der Deinoid wimmerte vor Schmerz. Zu viele Bilder drängten in seinen Verstand, gewährten ihm keine Zeit, sein Bewusstsein anzunehmen.

Digger? Klone?, formte er gedanklich mühsam seine ersten Worte als Reaktion auf die Begriffe, die unvermittelt sein Denken beherrschten.

Noch immer erschwerte die Nährflüssigkeit das Atmen, doch die angepassten Lungen verschafften dem schockierten Deinoiden ausreichend Sauerstoff. Er wusste weder, wer er war, noch, wo er war. Die ersten Minuten seines Daseins benötigte das Gehirn, um möglichst schnell die erforderlichen Synapsen zu verbinden. Dann begann sich ein System in den Informationen abzuzeichnen und in dem Deinoiden wuchs eine Erkenntnis heran.

»Ich werde hier gefangen gehalten«, sagte er sich und begann mit der systematischen Überprüfung seiner Situation.

Sowohl auf dem Display an seinem Tank, als auch in der Kontrollanzeige im Überwachungsraum blinkte ein Icon tiefrot auf. Die junge Technikerin fuhr erschrocken zurück und schnappte nach Luft.

»Tank 133 ist wach«, meldete sie an den leitenden Techniker.

Der Deinoid erfasste in rasender Geschwindigkeit, dass er sich ohne Schwierigkeiten aus dem Tank befreien konnte. Dazu musste er lediglich die Schläuche kappen und eine Notöffnung auslösen. Er wusste nicht, woher dieses Wissen kam, doch er hegte auch keine Zweifel. Seine kräftigen Finger lösten Schlauch um Schlauch, während sein Verstand den Befehl zum Öffnen des Tanks in die Software übertrug. Mit einem leisen Zischen öffnete sich die durchsichtige Tür, woraufhin erhebliche Mengen der Nährflüssigkeit ausströmten und den Boden in der Umgebung überschwemmten. Der Deinoid taumelte haltlos ins Freie, sank auf die Knie. Seine Muskulatur benötigte Zeit. Doch auch hier griff die nahezu abgeschlossene Programmierung und half dem nackten Deinoid auf die Beine. Weitere Informationen traten in den Vordergrund, ließen den blauen Ring um seine Iris hell aufleuchten.

»Wir sind Niedrige?«, murmelte er verständnislos.

Ein wahres Blitzlichtgewitter tobte in seinem Kopf, so schnell wurden Synapsen gebildet und Ordnung in die Unmengen an Informationen gebracht. Aus dem Augenwinkel bemerkte der Deinoid eine Bewegung. Zwei Menschen näherten sich ihm. Beide trugen Gegenstände in den Händen, der der Deinoid nicht sofort als Impulsgewehre erkennen konnte. Doch als die Soldaten in fünf Meter Abstand anhielten, reagierte sein Gehirn und schickte eine Warnung heraus.

»Sie wollen mich mit Impulsstößen töten«, erkannte der Deinoid die drohende Gefahr und reagierte.

 

Die Annäherung war zeitaufwendig verlaufen, da Major Tomlin sich der zahlenmäßig deutlichen Unterlegenheit seiner zweihundert Wagrier sehr bewusst war. Die letzten drei Meilen hatten sich die Soldaten durch die alten Tunnel vorgearbeitet, die noch aus der Frühphase der Marsbesiedlung stammten. Bevor Tomlin alle Einsatzkräfte an die Oberfläche ließ, schickte er ein Aufklärungskommando voraus. Von acht Soldaten kehrten nur vier zurück.

»Hatten Sie ständig Verbindung untereinander?«, fragte Major Tomlin den Master-Sergeant, der das Team angeführt hatte.

Nur zu Beginn der Mission konnten die Soldaten den Funkkontakt aufrechterhalten.

»Nachdem wir den Randbereich des Plateaus erreichten, brach die Verbindung auf einmal ab. Dabei wirkte es so friedlich«, antwortete Sergeant Luan und wurde leiser zum Schluss.

Verblüfft tauschten die versammelten Offiziere Blicke aus. Jeder kannte den Master-Sergeant und wusste, über wie viel Kampferfahrung Luan verfügte.

»Reißen Sie sich zusammen, Sergeant! Ich erwarte einen vernünftigen Bericht von Ihnen«, fuhr Tomlin den Soldaten an. Er wollte so den Schockzustand durchbrechen.

»Verstanden, Major. Wie gesagt. Die meisten Landeplätze sind belegt, aber es bewegen sich keine Techniker zwischen den Schiffen. Deswegen befahl ich die Kontrolle der Frachter. Da haben Sie uns bemerkt«, erzählte Sergeant Luan weiter.

Völlig unvorbereitet wurden die Aufklärer in harte Kämpfe verwickelt. Obwohl der Master-Sergeant den sofortigen Rückzug anordnete, kehrten lediglich drei seiner Soldaten und er selbst zurück.

»Die Digger sind bewaffnet?«, hakte ein Leutnant ungläubig nach, kaum dass Luan seinen Bericht beendet hatte.

»Nicht alle, aber einige. Vermutlich handelt es sich dabei um die Handwaffen der Star Marshalls«, bestätigte der Sergeant.

Den Offizieren wurde klar, was diese Beobachtung in Verbindung mit dem radikalen Vorgehen der Digger bedeuten musste.

»Damit steht eindeutig fest, dass die Digger organisiert vorgehen und rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen. Warnen Sie Ihre Soldaten. Wir rücken nach Plan Omega vor«, befahl Major Tomlin, der es auf einmal sehr eilig hatte.

Seine Offiziere verschwanden, um ihre Züge zu instruieren. Für einen kurzen Augenblick blieb Major Tomlin allein zurück. Düstere Gedanken stürmten auf ihn ein. Auf dem Raumflughafen hielten sich über eintausend Digger auf, die sogar zum Teil bewaffnet waren. Einige Augenblicke lang erwog der Kommandeur des Bataillons den Abbruch der Operation. Die zu erwartenden Verluste waren hoch. Er wusste aus früheren Einsätzen gegen aufständische Digger, wie schwer sie zu eliminieren waren. Sollten die Digger sogar noch das Patrouillenschiff der Marshalls einsetzen, drohte ihnen ein grausiges Fiasko. Doch dieser Anflug von Überlebensinstinkt verflog schnell wieder und dann konzentrierte Tomlin sich auf die Durchsagen im Funkkreis seiner Einheit.

 

Es war gespenstisch. Major Tomlin hielt das Impulsgewehr schussbereit im Hüftanschlag, während er zusammen mit den Kämpfern des ersten Zuges immer tiefer zwischen den abgestellten Raumschiffen aufs Plateau vordrang. Es war so, wie Master-Sergeant Luan berichtet hatte. Nicht ein Techniker ließ sich blicken. Bislang aber auch kein Digger, der sich den Wagrier entgegenstellte. Schließlich erreichten Sie ein Sanitätsschiff am Ende einer Reihe von Frachtschiffen. Tomlin reckte die geballte Faust in die Höhe, woraufhin zweiundvierzig Soldaten schlagartig anhielten. Vor ihnen lag eine freie Fläche von mehr als einhundert Yards. Dann folgte eine breite Straße, auf der normalerweise Fahrzeuge mit Technikern verkehrten. Heute nicht. Daran schloss sich eine weitere freie Fläche an, die an dem lang gezogenen Bau der Flugkontrolle endete. Es schlossen sich weitere Gebäude links und rechts davon an. Überall darin mussten sich die Digger versteckt halten.

»Irgendwie ist es zu ruhig«, sprach Leutnant Borrisov den Gedanken laut aus, der Major Tomlin beschäftigte.

Auch die anderen Züge, die aus unterschiedlichen Richtungen vorgingen, hatten bislang keine Feindberührung gehabt. Sie nutzten die Deckung der riesigen Frachtraumschiffe, die sie wie Ameisen wirken ließen. Tomlins Instinkte rieten ihm, sich stärker in die Gedanken der Digger hineinzuversetzen. Doch wie sollte das gehen?

»Auffächern und zügig ...«, wollte er gerade neue Befehle erteilen, als das zischende Geräusch ihn genauso wie alle anderen herumfahren ließ.

Erst beim Anblick der sich schnell senkenden Rampen an diversen Frachtern, erkannte Tomlin die Falle. Die Digger hatten sich unheimlich clever verhalten, indem sie sich in den Frachträumen verbargen und die Menschen an sich vorbeiziehen ließen. Durch diesen strategischen Schachzug befanden sie sich nicht nur im Rücken der Wagrier, sondern auch zwischen den verschiedenen Zügen.

»Jede Einheit kämpft für sich. Rückzug nach eigenem Ermessen«, konnte Major Tomlin noch durchgeben, bevor die unheimliche Stille auf dem Raumflughafen sich in ein Chaos aus Schüssen, Schreien und aufkommender Panik verwandelte.

 

Seine Welt zerbrach und Juri Wassirev konnte nichts dagegen tun. Als die Meldungen der Techniker aus der Halle ihn erreichten, benötigte der Niederlassungsleiter eine komplette Minute, bevor er reagieren konnte. Mit einem unterdrückten Fluch funkte er Li Anderson an, um einen persönlichen Bericht zu erhalten. Doch sein Sicherheitschef meldete sich nur kurz.

»Kann nicht reden! Wir haben hier eine echte Krise«, sagte er und wirkte erstmals ernsthaft aufgewühlt.