Philip K. Dick
Die elektrische Ameise
Story 6 aus: Total Recall Revisited. Die besten Stories
FISCHER E-Books
Philip K. Dick hat Science Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in der unsere Gegenwart zum Albtraum wird: ›Blade Runner‹, ›Minority Report‹, ›Total Recall‹, ›Impostor‹, ›Paycheck‹, ›Der dunkle Schirm‹ – all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von ›Blade Runner‹.
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Covergestaltung: buxdesign, München
Coverabbildung: © Ruth Botzenhardt
Erschienen bei FISCHER E-Books
Diese Geschichte wurde erstmals im Oktober 1969
unter dem Titel ›The Electric Ant‹
in The Magazine of Fantasy & Science Fiction veröffentlicht.
Copyright © 2014, The Estate of Philip K. Dick
All rights reserved
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402925-2
Um vier Uhr fünfzehn, T.S.T., wachte Garson Poole in seinem Krankenhausbett auf, wusste, dass er in einem Krankenhausbett in einem Dreibettzimmer lag, und begriff auch noch zwei weitere Dinge: dass er keine rechte Hand mehr hatte und dass er keine Schmerzen spürte.
Sie haben mir ein starkes Schmerzmittel gegeben, sagte er sich, starrte auf die Wand gegenüber, wo man durch die Fenster Downtown New York sehen konnte. Wie in einem glitzernden Netz bewegten sich Fahrzeuge und Peds in der Nachmittagssonne, und die Strahlen des schwächer werdenden Lichts taten ihm gut. Sie ist noch nicht untergegangen, dachte er. Und ich bin es auch nicht.
Ein Videofon stand auf dem Tisch an seinem Bett; er zögerte, hob dann den Hörer ab und wählte eine Außenleitung an. Im nächsten Moment hatte er Louis Danceman vor sich, der die Tri-Plan-Geschäfte leitete, solange er selbst, Garson Poole, nicht da war.
»Gott sei Dank, Sie sind am Leben«, sagte Danceman, als er ihn sah; Erleichterung ebnete sein großes, fleischiges Gesicht mit der Mondlandschaft von Pockennarben. »Ich habe schon bei sämtlichen –«
»Ich habe nur keine rechte Hand mehr«, sagte Poole.
»Wird schon wieder. Ich meine, die können Ihnen ja eine neue verpassen.«
»Wie lange bin ich schon hier?«, fragte Poole. Er wunderte sich, dass keine Schwestern und Ärzte da waren; warum schwirrte niemand herum und regte sich darüber auf, dass er videofonierte?
»Seit vier Tagen«, sagte Danceman. »Hier im Werk läuft akquimäßig alles bestens. Wir haben sogar Bestellungen von drei separaten Polizeiapparaten, alle hier auf Terra, akquiriert. Zwei in Ohio, eine in Wyoming. Gute, seriöse Bestellungen, ein Drittel im Voraus und die übliche Drei-Jahres-Leasing-Option.«
»Holen Sie mich hier raus«, sagte Poole.
»Ich kann Sie nicht rausholen, bis nicht die neue Hand –«
»Die lasse ich später machen.« Er wollte unbedingt zurück in seine vertraute Umgebung; Erinnerungen an den Schwärmer mit dem Firmenschild, der auf dem Leitschirm grotesk verzerrt auftauchte, schossen ihm durch den Kopf; wenn er die Augen schloss, befand er sich wieder in seinem demolierten Flieger, der von einem Vehikel zum anderen prallte und haufenweise Blechschaden hinterließ. Die kinetischen Sensationen … er zuckte zusammen, als er daran dachte. Ich hab wirklich Schwein gehabt, sagte er sich.
»Ist Sarah Benton bei Ihnen?«, fragte Danceman.
»Nein.« Natürlich; seine persönliche Sekretärin würde – schon aus Rücksicht auf ihren Job – irgendwo in der Nähe sein, ihn auf ihre langweilige und alberne Art bemuttern. Üppige Frauen bemuttern gerne andere, dachte er. Und sie sind gefährlich; wenn sie auf einen drauffallen, können sie einen umbringen. »Vielleicht ist sie es gewesen«, sagte er laut. »Vielleicht ist Sarah auf meinen Schwärmer gefallen.«
»Nein, nein; eine Spurstange im Steuerruder Ihres Schwärmers hat mitten in der Rushhour den Geist aufgegeben, und –«