P.C. Cast
Göttin des Sieges
Aus dem Amerikanischen von Anna Julia Strüh und Christine Strüh
Fischer e-books
P. C. Cast ist zusammen mit ihrer Tochter Kristin Autorin der House-of-Night-Bestseller. Die beiden sind das erfolgreichste Mutter-Tochter-Autorengespann weltweit. Die Serie »House of Night« hat Millionen von Fans in über 40 Ländern. Die Serie »Mythica« schrieb P. C. Cast ohne ihre Tochter. Sie wendet sich an alle, die dem »House of Night« bereits entwachsen sind. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen bisher die Bände ›Göttin der Liebe‹ (Band 19387), ›Göttin des Meeres‹ (Band 19383), ›Göttin des Lichts‹ (Band 19385), ›Göttin des Frühlings‹ (Band 19384) und ›Göttin der Rosen‹ (Band 19386). P. C. und Kristin Cast leben beide in Tulsa, Oklahoma.
Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de
Erschienen bei FISCHER E-Books
Coverabbildung: Bürosüd°, München
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel
›Warrior Rising‹ bei The Berkley Publishing Group,
Penguin Group (USA) Inc., New York 2008
© 2008 by P.C. Cast
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402056-3
okay, ich gestehe – Autoren haben ihre Lieblingsbücher. Ich weiß, ich weiß, Bücher sind wie Kinder, und wir geben nur ungern zu, dass wir eines lieber mögen, aber es stimmt. Die Göttinnen-Bücher sind meine Lieblingskinder.
Wie House of Night, meine Bestseller-Serie für junge Erwachsene, so feiert auch die Göttinnen-Reihe die Unabhängigkeit, Intelligenz und Schönheit der modernen Frauen. Meine Helden haben alle eines gemeinsam: Sie wissen starke Frauen zu schätzen und sind klug genug, sowohl Köpfchen als auch Schönheit zu würdigen. Ist die Mischung von Respekt und Anerkennung nicht ein exzellentes Aphrodisiakum?
Sich in die Mythologie zu versenken und alte Legenden neu aufzuarbeiten macht Spaß. Göttin der Liebe ist alles in allem eine erotische Komödie. Vielleicht ist dieser Band der lustigste und sinnlichste der Serie – schließlich ist ja Venus selbst die Hauptperson! In Göttin des Meeres erzähle ich eine moderne Fassung der Geschichte von Undine, der Meerjungfrau – sie tauscht den Platz mit einer Offizierin der U. S. Air Force, die selbst dringend einen Tapetenwechsel braucht. Dann begeben wir uns – in Göttin des Lichts – mit den göttlichen Zwillingen Apollo und Artemis auf eine nette Reise nach Las Vegas. In Göttin des Frühlings wende ich mich dem Mythos von Persephone und Hades zu und schicke eine moderne Frau in die Hölle. Wer hätte gedacht, dass die Hölle und ihr grüblerischer Gott auch so wunderbare, verführerische Aspekte haben könnten?
Göttin der Rosen ist eine Version meines Lieblingsmärchens Die Schöne und das Biest. Darin habe ich eine magische Welt erschaffen, aus der die – guten und bösen – Träume stammen, und ein atemberaubendes Tier ins Leben gerufen.
Aber auch der Trojanische Krieg interessiert mich schon seit langem, und ich finde, dass Achilles ein Held ist, der endlich auch einmal ein Happy End verdient. Darum geht es in Göttin des Sieges – ich bin gespannt, wie es euch gefällt.
Ich hoffe, ihr habt Spaß in meinen Welten, und ich wünsche euch, dass ihr euren eigenen Funken Göttinnen-Magie entdeckt!
P. C. Cast
Als die silberfüßige Thetis aus den Tiefen der versteckten Bucht auftauchte, wartete ihr Sohn bereits auf sie. Mit der seltsamen, fast übersinnlichen Ruhe, die ihn schon als Baby ausgezeichnet hatte, stand er am Strand und blickte auf den fernen Meereshorizont hinaus. Er hatte sie noch nicht bemerkt, und so nutzte sie die Gelegenheit, um ihn eindringlich zu mustern.
Obwohl er erst sechzehn Sommer gelebt hatte, erinnerte er eher an den Mann und Krieger, der er einmal werden würde, als an das Kind, das sie doch noch vor kurzem an ihre Brust gedrückt hatte. Er war atemberaubend – ihr goldener Jungadler, ihr Stolz, ihr Herz – ihr Achilles. Und bei der Erinnerung daran, was Zeus’ Orakel ihr prophezeit hatte, weinte ihre Seele. Thetis wünschte, sie könnte die Wahrheit verleugnen oder gar einfach davonlaufen vor der Entscheidung, die der Große Gott ihr offenbart hatte. Doch auch sie war eine Gottheit, geboren aus dem Wasser, Tochter des Nereus, eines antiken Meeresgottes, und als solche wusste sie nur zu gut, dass die Prophezeiungen der Götter sich stets bewahrheiteten – dass jeglicher Fluchtversuch in Chaos und Kummer und zerstörten Leben enden würde. Niemand konnte dem Schicksal entfliehen, also mussten sie es ertragen.
Wenigstens hatte Achilles eine Wahl.
Der schwache Hoffnungsschimmer, den dieser Gedanke in Thetis entfachte, hielt sich nicht lang. Er befreite sich aus ihrem Herzen, während sie den erstaunlichen Mann, zu dem ihr Sohn sich entwickelte, weiter beobachtete.
Vor seiner Geburt hatte das Orakel vorhergesagt, dass ihr Sohn mächtiger werden würde als sein Vater – was dem lästigen Liebeswerben von Zeus und Apollo ein Ende bereitete. Keiner der beiden Götter hätte es jemals riskiert, einen Sohn zu zeugen, der sie in seinen Schatten stellen würde. Schließlich hatte sie Peleus geheiratet, den König der Myrmidonen. Ein kleines Lächeln umspielte ihre wohlgeformten rosigen Lippen. Peleus hatte sie so heiß begehrt, dass die Prophezeiung des Orakels angesichts der Verlockung ihrer glatten, weißen Schenkel in Vergessenheit geraten war. Thetis warf ihre silberblonden Haare zurück. Sie hatte sich natürlich nicht dauerhaft an einen Sterblichen binden können, nicht einmal an einen König, aber sie dachte oft und gern an Peleus. Vielleicht würde sie ihm später in der Nacht einen Besuch abstatten. Er hieß sie immer freudig in seinem Bett willkommen, und sie würde die Ablenkung brauchen, wenn Achilles seine Entscheidung getroffen hatte. Leider kannte sie ihren Sohn zu gut; was das Orakel von Dodona ihm prophezeit hatte, würde sich bewahrheiten. Thetis holte tief Luft und wappnete sich.
»Achilles!«, rief sie ihren Sohn.
Er reagierte sofort. Mit einem strahlenden Lächeln wandte er sich ihr zu und verbeugte sich so tief und respektvoll, dass selbst Hera zufrieden gewesen wäre.
»Mutter, welche Neuigkeiten hatte Zeus’ Orakel für uns?«
Thetis schwamm zu ihm und streckte ihm eine Hand entgegen. »Solltest du deine Mutter nicht zuerst begrüßen? Kümmerst du dich nur noch um Orakel und Prophezeiungen, mein Sohn?«
Achilles’ blaue Augen, die dieselbe Farbe hatten wie die türkisfarbenen Meerestiefen, in denen seine Mutter geboren war, glitzerten spitzbübisch. »Vergebt mir, Große Göttin des Meeres!« Er nahm ihre Hand, küsste sie sanft und legte sie auf seinen muskulösen Arm, während er sie aus dem warmen ägäischen Gewässer führte. »Und wie geht es deiner Gesundheit, Mutter? Hat sich in den zwei Tagen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, etwas daran geändert?«
Sie drückte seine Schulter, die sich noch härter anfühlte als vor zwei Tagen, als sie in ebendieser Bucht gemeinsam zu Mittag gegessen hatten. »Meiner Gesundheit geht es prächtig, das weißt du doch genau. Und ich bin nur eine niedere Meeresgöttin, keine der Göttlichen Zwölf, also musst du mir nicht derartig schmeicheln. Was du ebenfalls genau weißt.«
Achilles beugte sich zur ihr herunter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Du bist meine Göttin, Mutter, und göttlicher für mich als all die Zwölf.«
Statt wie üblich weiter mit ihm zu scherzen, warf Thetis ihrem Sohn einen strengen Blick zu und sagte in scharfem Ton: »Darüber solltest du keine Scherze machen. Wenn das Gerücht entsteht, dass ich einen der zwölf Olympier zu ersetzen versuche, würden die Götter das als entsetzliche Beleidigung auffassen und mich schwer bestrafen.«
Achilles begriff sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist passiert, Mutter?«
Thetis seufzte und zog ihre Hand zurück. Wortlos ging sie zu einem großen Felsen hinüber, setzte sich und sah zu ihrem Sohn auf. Vor dem Hintergrund des Meeres, im warmen Schein der Sonne, deren goldene Strahlen über seinen jugendlichen Körper tanzten, sah er für einen Moment aus wie eine Statue, wie ein Bildnis, das ein großes Volk vielleicht in ferner Zukunft einmal von ihm errichten würde, um an die Heldentaten eines Kriegers zu erinnern, dessen Leben wie ein Komet aufgeflammt und viel zu bald erloschen war.
Thetis erschauderte.
»Mutter?«, fragte Achilles erneut. Er wollte auf sie zugehen, aber sie hob die Hand und hielt ihn zurück.
»Es ist leichter für mich, wenn du dort stehen bleibst.« Denn nur so würde sie nicht den überwältigenden Drang verspüren, ihn in die Arme zu nehmen wie ein kleines Kind und ihn anzuflehen, vernünftig zu sein … gut zu überlegen … Thetis atmete tief durch. Als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme nüchtern, so, als wäre sie selbst ein Orakel. »Zeus’ Prophezeiung hat dir zwei Auswahlmöglichkeiten offenbart, Achilles.« Sie schloss die Augen, während sie Zeus’ Worte wiedergab: »Der eine Weg führt dich in ein langes, erfülltes Leben. Die Myrmidonen werden unter deiner Führung eine Blütezeit erleben. Du wirst eine fruchtbare Ehefrau haben, die dich liebt und dir viele Söhne und Töchter schenkt. Dein Leben wird glücklich, voller Reichtum und Freude sein, und wenn dein Bart grau ist, wirst du friedlich in deinem Bett sterben, umgeben von deinen Lieben. Sie werden um dich trauern, doch irgendwann wird dein Name in Vergessenheit geraten, ein Körnchen im endlosen Sand der Geschichte.«
Erneut atmete Thetis tief durch. Ohne die Augen zu öffnen, fuhr sie fort: »Der andere Weg führt dich zu unvorstellbarem Ruhm, der alle anderen Könige und Krieger in den Schatten stellen wird. Du wirst die Myrmidonen in die Schlacht führen, und dein wilder Blutrausch wird alle deine Feinde zu Asche verbrennen. Dein Feuer wird so heiß und mächtig lodern, dass man sich noch Tausende von Jahren nach deinem Tod in Ländern jenseits der Grenzen dieser Welt an deinen Namen erinnern wird. Doch wie ein Feuer, das zu schnell und zu heiß brennt, wirst du verzehrt und keine dreißig Sommer alt werden. Deine Kriegslust wird dein Leben zerstören. Frieden, Liebe und Ruhe wirst du als flüchtige Augenblicke erleben und nie wirklich kennenlernen.« Bevor Thetis die Augen öffnete, machte sie sich innerlich auf das gefasst, was sie im Gesicht ihres Sohns sehen würde.
Achilles strahlte. Thetis hatte es gewusst, sobald sie die Worte des Orakels gehört hatte, aber dennoch hatte sie sich bis zu diesem Moment eine kleine Hoffnung bewahrt. Jetzt erlosch diese wie eine ausgeblasene Kerze.
»Du musst wählen, mein Sohn, aber lass dir Zeit. Wäge die Vor- und Nachteile sorgfältig ab. Denk daran, dass du deine Entscheidung niemals zurücknehmen kannst – sobald du sie getroffen hast, wird Zeus dein Schicksal besiegeln.«
Achilles’ Lächeln war jungenhaft. »Ich weiß schon, wie ich mich entscheide, Mutter!« Er hob die Arme, legte seinen Kopf in den Nacken und schrie seinen Entschluss als wildes Gebet an die Götter in den Himmel hinauf. »Allmächtiger Zeus, ich danke Euch für die Möglichkeiten, die Ihr mir gegeben habt. Ich wähle das Leben eines Kriegers und ewigen Ruhm!«
In diesem Moment wurde die Luft von einem gewaltigen Donnerschlag zerrissen. Ein greller Blitz schoss vom Himmel und schlug in Achilles’ Körper, zwang den Jungen in die Knie und füllte ihn mit einer mächtigen, rohen Kraft, die im Bruchteil einer Sekunde sein Gesicht veränderte und seine weichen Züge verhärtete. Er schien tatsächlich zu wachsen, wurde größer und breiter, wurde irgendwie mehr von all dem, was er immer schon gewesen war. Seine Augen glühten bräunlich wie getrocknetes Blut, und seine Lippen öffneten sich zu einem animalischen Zähnefletschen, als er seine Entscheidung erneut in den Himmel hinaufschrie, mit einer Stimme, die seine Mutter kaum wiedererkannte: »Ich wähle das Leben eines Kriegers und ewigen Ruhm!«
Tränen rannen über Thetis’ Wangen, während sie zuschaute, wie ihr Sohn sich für ein entsetzlich kurzes Leben entschied. Er sah aus wie ein strahlend goldener Gott, ihr geliebter Jungadler. Stolz, schön, wild und unsterblich.
Doch er war nicht unsterblich. Er würde schon viel zu bald den Tod finden. Und sie würde hilflos mitansehen müssen, wie er aufloderte und verbrannte.
Mit gesenktem Kopf sandte Thetis ihr eigenes Gebet in den Olymp – sie schrie die Worte nicht, sondern sprach sie mit der stillen Macht des gebrochenen Herzens einer liebenden Mutter.
»Hera, Göttin aller Mütter, erbarmt Euch meiner. Wenn es Euch möglich ist, dann lasst meinen Sohn Liebe und Frieden kennenlernen, bevor er stirbt. Athene, Göttin der Krieges und der Weisheit, ich bitte Euch mit meiner unsterblichen Seele, dass Ihr Achilles die Weisheit gebt, seine jugendliche Torheit zu überleben …«
Erneut erzitterte der klare griechische Himmel unter einem gewaltigen Donnerschlag, und Achilles lachte mit wilder Freude, ohne den Pfau zu bemerken, der plötzlich neben seiner Mutter erschien. Der Vogel streckte seinen langen, majestätischen Hals und legte seinen saphirblauen Kopf ans Bein der Meeresgöttin. Auf ihrer anderen Seite erschien eine wunderschöne Eule, ätherisch in ihrem weißen Federkleid. Die weisen Augen der Eule begegneten ihrem Blick, und sie neigte hoheitsvoll den Kopf vor Thetis, bevor beide Vögel in einem Wirbel von Diamantenstaub verschwanden.
»Ich muss Euch gestehen, meine Lieben, dass dieser Trojanische Krieg mich in den Wahnsinn treibt.« Venus seufzte und warf Athene einen vielsagenden Blick zu.
»Warum seht Ihr mich so an?«, fragte Athene gereizt.
»Athene, meine Freundin, das könnte etwas damit zu tun haben, dass Ihr die Göttin des Krieges seid«, erwiderte Hera.
»Und außerdem seid Ihr geradezu besessen davon, für Odysseus’ Sicherheit zu sorgen, was die Lage in Troja nicht unbedingt verbessert«, fügte Venus hinzu. Dann hob sie ihren leeren Kelch und rief: »Ich brauche mehr Ambrosia!« Sofort kam ein Satyr herbeigaloppiert und schenkte ihr aus einem glitzernden Krug von dem goldenen Götterwein nach. Venus warf dem sehr männlichen, sehr enthusiastischen Wesen eine Kusshand zu, und der Satyr sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit, verneigte sich tief vor der Göttin und küsste ihre Füße, bevor er widerwillig aus dem Saal trottete.
»Ihr verwöhnt diese Kreaturen.« Athene sah dem Satyr mit einem Stirnrunzeln nach. »Und wie Ihr Euch vielleicht erinnert, wart Ihr diejenige, die Odysseus’ Zuneigung zu mir überhaupt erst entfacht hat.« Die grauäugige Göttin warf ihre goldblonden Haare zurück. »Also ist unsere Beziehung im Grunde Eure Schuld.«
»Wenn Ihr nicht so verklemmt wärt, hättet Ihr vielleicht wirklich eine Beziehung statt jahrzehntelanger sexueller Frustration und Obsession«, murmelte Venus.
»Wie bitte?« Athenes Augen wurden schmal.
»Ich meine nur …«
»… dass der Trojanische Krieg immer ermüdender wird«, schnitt Hera der Göttin der Liebe das Wort ab. »Besonders diese neuen Gerüchte sind schockierend. Es war wirklich schon schlimm genug, dass Agamemnon und Menelaos die arme Helena für den Krieg verantwortlich gemacht haben, obwohl ihre eigene Gier nach den Reichtümern Trojas und ihr aufgeblasenes männliches Ego an allem schuld waren.«
Athene sah Venus fragend an. »Habt Ihr nicht dafür gesorgt, dass Paris sich in Helena verliebt hat?«
Die Göttin der Liebe rümpfte gekränkt die Nase. »Menelaos wusste Helenas Schönheit nicht zu schätzen. Der Mann war rüpelhaft und respektlos. Ich habe nur einen kleinen Liebeszauber kreiert, mehr nicht. Woher hätte ich wissen sollen, dass Paris so empfänglich und Helena so liebesbedürftig sein würde?«
»Ganz gleich, wie es dazu kommen konnte«, erwiderte Hera, »es ist einfach nur lächerlich, dass die Griechen eine irregeleitete Ehefrau und den Mann, der sie gestohlen hat, für den gesamten Krieg verantwortlich machen.«
»Mann? Paris ist kaum mehr als ein lustgetriebener Junge, weshalb ich auch nicht dachte, dass so ein winziger, belangloser Zauber solche Probleme verursachen würde. Aber egal, wie lächerlich diese Behauptung ist: Dass eine einzige Frau einen Krieg ausgelöst haben soll, ist nichts im Vergleich zu den Gerüchten, die jetzt aufgekommen sind«, meinte Venus. »Habt Ihr gehört, dass wir drei das ganze Debakel mit Helena und Paris inszeniert haben sollen? Und damit meine ich nicht etwa einen aus dem Ruder gelaufenen Liebeszauber.«
»Nicht schon wieder diese Apfel-Geschichte, oder?« Athene stöhnte. »Die habe ich schon vor Monaten zum ersten Mal gehört. Nicht zu fassen, dass die Leute diesen Schwachsinn tatsächlich glauben und weitererzählen.«
»Als ob wir uns jemals an einem Schönheitswettbewerb beteiligen würden!«, stieß Hera verächtlich hervor.
»Das Ganze ist Discordias Schuld. Sie war wütend, dass sie nicht zu Peleus’ und Thetis’ Hochzeit eingeladen wurde, deshalb hat sie dieses Gerücht in die Welt gesetzt«, meinte Venus. »Ich bin mir sicher, dass sie es war, weil ich in all den Gerüchten Aphrodite genannt werde. Discordia weiß, dass ich meinen römischen Namen bevorzuge. Es sieht ihr ähnlich, dass sie ein Gerücht über mich in Umlauf bringt und meinen griechischen Namen benutzt, um mich zu ärgern. Und dabei war ich nicht einmal bei dieser dämlichen Feier!«
»Discordia wusste schon immer, wie sie uns wütend machen kann«, sagte Hera.
»Kein Wunder, dass sie nur selten zu einem Fest eingeladen wird«, meinte Venus.
»Das Gerücht besagt, dass Venus, beziehungsweise Aphrodite« – Hera lächelte Venus entschuldigend an – »Helena Paris als Gattin versprochen hat, weil er Euch als Schönste von uns dreien auserwählt hat.«
»Diesen Unsinn habe ich auch schon gehört. Das ist der Hauptgrund, weswegen mich dieser Krieg in den Wahnsinn treibt. Ich bin es so leid, dass sowohl die Griechen als auch die Trojaner für all ihre Probleme uns Frauen verantwortlich machen – und besonders gern uns Göttinnen. Meine Lieben, wir müssen etwas tun, um diesen Krieg zu beenden. Je früher, desto besser.«
»Er dauert nun schon fast zehn Jahre. Meiner Ansicht nach sind das mindestens neun Jahre zu viel«, meinte Hera.
»Ganz genau«, stimmte Venus zu.
»Ja.« Auch Athene nickte.
»Also, was können wir tun?« Die Göttin der Liebe seufzte. »Sie schieben den Frauen die Schuld in die Schuhe, aber es sind die verdammten Männer mit ihren völlig veralteten Vorstellungen von Recht und Ehre, die einfach keine Ruhe geben.«
»Odysseus könnt Ihr wirklich nicht dafür verantwortlich machen«, verteidigte Athene wie immer sofort ihren Favoriten.
Venus schnaubte.
»Ich glaube, da habt Ihr recht, Athene«, stimmte Hera jedoch zu. »Es sind Achilles und sein maßloser Zorn, die diesen Krieg antreiben.«
»Ja.« Athene nickte. »Er ist eindeutig das Problem. Wenn wir ihn und seine Myrmidonen aus dem Spiel nehmen könnten, würden die Griechen wahrscheinlich den Mut verlieren und die Belagerung von Troja aufgeben.« Genervt trommelte die Göttin des Krieges mit ihren schlanken Fingern gegen das Glas ihres Weinkelchs. »Als Thetis uns vor dreizehn Jahren um Hilfe gebeten hat, hätten wir wissen müssen, dass wir Ärger mit ihm bekommen würden. Hätten wir damals eingegriffen, hätten wir uns einiges erspart.«
Hera seufzte. »Wir haben damals nicht eingegriffen, weil es sonst Probleme zwischen mir und Zeus gegeben hätte. Wieder mal.«
»Würdet Ihr mir bitte erklären, worüber Ihr beide da redet?«, unterbrach Venus sie.
»Ihr erinnert Euch doch noch, dass Thetis das Orakel von Dodona nach der Zukunft ihres Sohns befragt hat, oder?«, erkundigte sich Hera.
»Vage. Hat das Orakel Achilles nicht vor die Wahl zwischen Ruhm und einem langen Leben gestellt?«
»Ja, und der törichte Junge hat sich natürlich für den Ruhm entschieden«, erklärte Athene. »Deshalb hat seine Mutter uns um Hilfe gebeten. Wir haben ihr Bittgebet gehört, und ich wollte eingreifen.« Die Göttin des Krieges zuckte mit den Schultern. »Aber es schien einfach nie der richtige Zeitpunkt zu sein. Und ich muss zugeben, dass es mir irgendwann entfallen ist.«
»Ich wollte eigentlich auch eingreifen, aber ich habe mich von den Schwierigkeiten, die das zwischen Zeus und mir verursacht hätte, davon abbringen lassen. Und dann ist da auch noch diese schreckliche Berserker-Rage, die Zeus Achilles geschenkt hat. Wann immer seine Gefühle allzu sehr in Fahrt geraten – im Guten oder im Schlechten –, überwältigen sie ihn, und dann kann man nicht mehr vernünftig mit ihm reden.« Hera senkte ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Ich habe gehört, dass die Frauen solche Angst vor ihm haben, dass er sich seit Jahren keine Geliebte mehr genommen hat.«
Venus schnaubte erneut. »Das klingt, als bräuchte Achilles dringend eine starke, unabhängige Frau aus der modernen Welt, die ihn führen kann und die ihm diesen Berserker-Unsinn austreibt. Dann könnte man auch wieder vernünftig mit ihm reden. Jetzt, wo er kein närrischer Junge mehr ist, will er doch bestimmt nicht mehr unbedingt sterben, bevor seine Haare auch nur anfangen, grau zu werden.« Sie nippte an ihrer Ambrosia, merkte dann aber, wie Hera und Athene sie anstarrten. »Was ist denn?«
»Ich glaube, die Göttin der Liebe hatte gerade die rettende Idee«, meinte Athene.
»Ja, und wenn sie die moderne Frau nach Troja bringt, wird Zeus sicher nicht mich für Konsequenzen verantwortlich machen.« Ein fröhliches Lächeln breitete sich auf Heras Lippen aus.
»Wie schön, dass ich Eure Eheprobleme für Euch lösen darf …« Venus’ Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Also werdet Ihr es tun?«, wollte Athene wissen.
»Natürlich werde ich helfen. Ich bin den Trojanischen Krieg genauso leid wie Ihr.« Venus strich ihre Haare zurück und nahm noch einen Schluck von ihrer Ambrosia, während sie über ihren nächsten Schritt nachdachte. »Die Stadt Tulsa in der modernen Welt ist mir wohlbekannt. Es wäre ein Leichtes für mich, mein Orakel darauf auszurichten. Ich muss nur ein bisschen lauschen, dann werde ich die perfekte Frau für Achilles schon finden.« Sie lächelte und zuckte lässig mit den Schultern. »Wenn ich sie gefunden habe, könnte ich sie einfach hierherzaubern. Wir überzeugen sie davon, dass sie Achilles zur Vernunft bringen soll, und dann schicke ich sie ins antike Griechenland. Ich schätze …« Venus machte eine Pause und nippte an ihrem Wein, während die anderen beiden Göttinnen ungeduldig darauf warteten, dass sie weiterredete.
»Was?«, hakte Hera schließlich nach.
»Ich schätze, wir sollten der Frau irgendeine Belohnung für ihre Dienste anbieten.«
»Eine Belohnung? Sollte es nicht Belohnung genug sein, dass sie von einer Göttin auserwählt wurde?«, fragte Athene.
Venus verdrehte die Augen. »Athene, meine Liebe, Ihr kommt wirklich zu wenig raus. Die modernen Sterblichen, und vor allem die modernen Frauen, katzbuckeln nicht vor den Göttern und verehren uns nicht wie willenlose Speichellecker. Es ist eine wahre Freude, sich unerkannt unter sie zu mischen.« Venus lächelte, als sie sich an ihre Abenteuer in Tulsa und an die ewige Liebe erinnerte, die sie dort gefunden hatte. »Vertraut mir einfach.«
»Eine Belohnung für die Sterbliche kann auf keinen Fall schaden«, stimmte Hera zu, während Athene Venus zornig anfunkelte. »Warum sollten wir ihr das Ganze nicht ein bisschen schmackhaft machen? Ein Gefallen von der Göttin der Liebe sollte jede Sterbliche zufriedenstellen, ganz gleich, ob sie aus der modernen oder irgendeiner anderen Welt kommt.«
»Das ist eine hervorragende Idee, Hera.« Venus lächelte Athene schelmisch an.
»Für mich klingt es, als hätten wir einen perfekten Plan«, meinte Hera.
»Dann sind wir uns also alle einig«, stimmte Athene zu, wenn auch etwas widerwillig.
Hera hob ihr Glas. »Auf die Wandlung von Achilles und das Ende dieses entsetzlichen Trojanischen Krieges.«
»Und nicht zu vergessen«, fügte Venus mit einem Lächeln hinzu, »auf die modernen Frauen.«
»Die Ilias? Hab ich dich richtig verstanden? Du liest diesen frauenverachtenden Schund?«, fragte Jacqueline, während sie die reiche Auswahl an Rotweinen in der Speisekammer nach einer zweiten Flasche Shiraz durchstöberte.
»Kannst du nicht schlafen? Zu meiner Zeit im College war Homer das beste Heilmittel gegen Schlafstörungen«, erwiderte Kat. »Jacky, wenn du nach der anderen Flasche von dem Coppola Shiraz suchst, die ist immer noch in der Tüte, die ich an der Tür abgestellt habe.«
»Wie üblich kannst du meine Gedanken lesen, Kat«, rief Jacqueline über die Schulter zurück, bereits auf dem Weg ins Foyer des schicken Apartments. Als sie auf den Ganzkörperspiegel neben der Wohnungstür zukam, schwang sie spontan die Hüften.
»Shake that thing, baby.« Kat lachte.
Jacqueline holte die Flasche Shiraz und tänzelte dann zu ihren Freundinnen zurück.
»Ich wünschte, ich könnte mich so bewegen«, seufzte Kat.
»Kat, Süße, du weißt, ich liebe dich, aber ihr weißen Mädchen habt einfach nicht genug Arsch in der Hose, um euch so zu bewegen wie ich. Und das meine ich ganz wörtlich. Diese Kurven sind sinnlich.« Jacqueline zog das letzte Wort genüsslich in die Länge, während sie ihre Hände ihren üppigen Körper hinabgleiten ließ und Knutschgeräusche in Richtung ihrer besten Freundin machte. Dann verschwand sie grinsend in der Küche, um die Weinflasche zu öffnen, und rief: »Worüber haben wir gerade geredet?«
»Wir haben darüber geredet, dass die arme tote Susie die Ilias lesen muss.« Kat zwinkerte der »armen toten Susie« zu. »Bitte erkläre uns, warum genau du dich mit diesem entsetzlichen Schinken herumquälst.«
Susie, der das umwerfende Apartment im Stil der zwanziger Jahre gehörte, in dem sie sich zweimal monatlich zu ihrem Frauenabend trafen, stieß ein tiefes Seufzen aus und hob frustriert die Hände. »Also erstens, Katrina«, begann sie und benutzte Kats vollen Namen in ihrem besten du-warst-sehr-ungezogen-Ton, »erstens bin ich nicht tot; ich gehe aufs College, deshalb fühle ich mich tot. Und zweitens lese ich die Ilias, weil es auf dem Lehrplan des chauvinistischen Arschlochs von Professor steht, der die drei letzten verdammten Kurse gibt, die ich machen muss, bevor ich endlich im absolut lächerlichen Alter von achtundvierzig Jahren meinen Scheiß-Bachelor kriege.«
»Okay, erkläre uns noch mal, warum die Frau, deren winziges Accessoire-Geschäft sich in null Komma nichts zu einer ganzen Kette von großartigen Boutiquen im noblen Utica Square hier in Tulsa, in der Galleria in Dallas und in der Magnificent Mile in Chicago entwickelt hat, das Gefühl hat, sie bräuchte ein Blatt Papier, auf dem steht, wie schlau sie ist«, forderte Kat sie auf und nippte an ihrem gekühlten Sekt.
»Aber echt«, stimmte Christy zu und hob ihr Rotweinglas, »das würde ich auch gern wissen.«
»Ich auch.« Heather hob ebenfalls ihr Glas und sah es mit halb zusammengekniffenen Augen an. »Und ich muss doch noch einmal sagen, wie unheimlich, unglaublich, unsäglich froh ich sein werde, wenn ich statt dieses blöden Traubensafts endlich wieder einen köstlichen Chardonnay trinken darf. Ich werde mir vor Freude in die Hose machen – oder vielleicht lade ich euch lieber zu einem Saufabend ein. Mit der Betonung auf saufen.«
»Klingt gut«, sagte Kat. »Ich bin dabei.«
»Nur noch ein Monat, dann hast du es geschafft. Und du willst dieses Baby doch sicher nicht wie eine Gurke einlegen«, meinte Christy und tätschelte Heathers sehr schwangeren Bauch.
»Ich weiß, aber ich hätte so gern ein Glas Wein!«
»Hey, Mädels, konzentriert euch! Wir waren gerade dabei, Susie wegen ihres Aufsatzes über die entsetzliche Ilias zu bemitleiden«, erinnerte Jacqueline die anderen.
»Und ich habe gesagt, dass sie kein Blatt Papier braucht, um zu zeigen, wie schlau sie ist, da sie doch auch so supererfolgreich ist.«
»Du hast leicht reden – du hast den Master in Psychologie«, erwiderte Susie und fuhr schnell fort, bevor Kat sie unterbrechen konnte. »Ihr alle habt dieses bedeutungslose Blatt Papier – oder sogar mehrere. Hab ich nicht recht?« Sie zeigte zuerst auf Jacqueline. »Meine liebe Notfallstation-Krankenschwester, du hast einen Bachelor of Science.« Dann auf Heather. »Und du einen Master in Erziehungswesen, oder?«
»Schuldig«, gestand Heather.
»Und Christy, du hast den Bachelor in Sportwissenschaften, stimmt’s?«
»Yep, aber wenn ich ehrlich bin, bin ich nur deshalb eine gute Trainerin, weil ich jahrelang im Fitnessstudio gearbeitet habe, und nicht, weil meine Eltern darauf bestanden haben, dass ich aufs College gehe.«
»Okay, das verstehe ich schon, aber könnt ihr nicht das gemeinsame Muster sehen? Euer College-Abschluss ist ein wichtiger Teil von eurem Erfolg. Christy könnte wahrscheinlich auch ohne ihren Bachelor als Trainerin arbeiten, aber Kat und Jacqueline könnten ihren Beruf ganz bestimmt nicht ohne dieses Blatt Papier machen – und vor allem nicht ohne das Wissen, das sie sich während des Studiums angeeignet haben. Oder?«
Kat und Jacqueline nickten zögernd.
»Und Heather, du könntest ohne den Bachelor, den du vor dem Master gemacht hast, auch nicht unterrichten. Stimmt’s?«
Heather seufzte und rieb sich ihren schwangeren Bauch. »Ja, das stimmt, aber heute würde ich viel darum geben, nicht auf meinen geschwollenen Füßen vor einer Meute von Schülern stehen zu müssen und mir die Lunge aus dem Leib zu schreien, während meine Knöchel immer weiter anschwellen.«
Jacqueline schauderte. »O Gott, Teenager … die sind so schrecklich. Ich weiß echt nicht, wie du diese Hormonbomben täglich ertragen kannst.«
»Das weiß ich allerdings auch nicht. Sie sind wirklich widerwärtige Kreaturen«, stimmte Heather zu.
»Ach, du bist doch nur mürrisch, weil deine Fußknöchel aussehen wie Baumstämme«, entgegnete Susie. »Du mochtest deinen Job eigentlich immer, weißt du noch? Zumindest vor deiner Zeit im Land der Schwangeren.«
»Ich kann mich nicht erinnern, wie mein Leben früher aussah. War ich nicht schon immer so fett und hässlich?«
»Hier, Süße, iss ein bisschen Schokolade.« Jacqueline reichte ihr eine Packung Trüffel.
»In einem Monat fühlst du dich bestimmt schon wieder besser«, meinte Kat.
Heather warf Kat ein müdes Lächeln zu und schob sich einen Trüffel in den Mund. Kauend sagte sie: »Weißt du, was, Kat? Ich fand es schon immer bewundernswert, wie optimistisch du bist. Und das trotz der ganzen gewalttätigen Arschlöcher, mit denen du dich tagtäglich in deiner Klinik herumschlagen musst. Wenn ich mich mit so vielen Vollidioten auseinandersetzen müsste wie du, wäre ich inzwischen sicher ein männerhassender Hausdrache, aber du …« Heather musterte ihre Freundin, als wäre sie ein erstaunliches wissenschaftliches Experiment. »Du magst Männer tatsächlich, oder?«
Kats Lachen war unbefangen und ansteckend. »Ja, ich mag Männer sogar sehr. Und nicht alle Arschlöcher, die ich behandle, sind Männer – Frauen können auch ganz schön arschig sein. Und die Männer sind auch nicht alle gewalttätig. Manche von ihnen kommen tatsächlich zu mir, bevor sie sich als gewalttätige Arschlöcher etabliert haben.«
»Genau wie ich«, verkündete Susie. »Ich werde mich eines Tages auch etablieren.«
Jacqueline runzelte die Stirn. »Ähm, Susie, ich denke nicht, dass du dich als gewalttätiges Arschloch etablieren solltest.«
Susie verdrehte die Augen. »Ich rede von meinem Bachelor. Wenn ich in ein paar Monaten endlich dieses schreckliche Literaturmodul hinter mich gebracht habe, fühle ich mich bestimmt schon viel besser. Die letzten beiden Kurse werden wie im Flug vorbeigehen. Das ist das letzte richtig schreckliche Modul, das ich bestehen muss. Sobald ich diesen blöden Aufsatz über die Ilias geschrieben habe, kann ich endlich aufatmen.«
»Oh, ich hab eine Idee!«, rief Kat plötzlich. »Wie wär’s, wenn du deinen Aufsatz darüber schreibst, wie lächerlich es ist, dass die ganze Schuld am Trojanischen Krieg den Frauen in die Schuhe geschoben worden ist? Ich meine, es ist zwar schon ewig her, dass ich das Buch gelesen habe …« Sie runzelte die Stirn. »Moment, vielleicht habe ich es auch nie wirklich fertig gelesen, sondern mich mit Zusammenfassungen und Kommentaren irgendwie durchgemogelt. Aber egal, ich weiß noch, dass die schöne Helena für den Untergang von Troja verantwortlich gemacht worden ist.«
»Hey, daran erinnere ich mich auch.« Jacqueline nickte. »Und hieß es nicht, dass drei Göttinnen die ganze Sache überhaupt erst in Gang gesetzt haben?«
»Ja – Hera, Athene und Aphrodite«, antwortete Susie. »Die Göttin Discordia war wütend auf die drei, weil sie sie nicht zu einer Hochzeit eingeladen hatten, und um sich an ihnen zu rächen, hat sie einen goldenen Apfel in die Gruppe geworfen, auf dem stand: ›Für die Schönste‹. Keiner der Götter war so dumm, sich in diesen Schönheitswettbewerb einzumischen, also fiel der Job Paris zu, dem Sohn von Priamos, dem König von Troja. Aber er hat nicht wirklich darüber entschieden, wer die Schönste der drei Göttinnen war. Es ging nur darum, wessen Bestechungsversuch ihm am besten gefiel. Aphrodite hat ihm die Liebe der schönsten Frau in der Menschenwelt angeboten, und dieses Bestechungsgeschenk hat er angenommen. Helena war die schönste Frau in der Menschenwelt, aber sie war schon mit dem griechischen König Menelaos verheiratet. Paris hat sie Menelaos gestohlen, mit Aphrodites Segen, und das hat angeblich den Trojanischen Krieg ausgelöst.«
Jacqueline schnaubte. »Das ist doch alles Quatsch. Also bitte. Warum sollten Göttinnen sich darum kümmern, was irgendein dahergelaufener Sterblicher über sie denkt?«
»Da hast du wohl recht, Jacky«, stimmte Kat zu. »Du bist zwar keine Göttin, aber die Männer sind dir auch so scheißegal – sowohl die Sterblichen als auch die Unsterblichen.«
Jacqueline zog die Augenbrauen so hoch, dass sie fast in ihren kurzen, lockigen Haaren verschwanden, die sie trug wie Halle Berry. »Ich bin keine Göttin? Hast du gerade gesagt, ich wäre keine Göttin, Kat?«
Kat hob kapitulierend die Hände. »Da spricht wohl der Sekt aus mir.«
»Sind dir die Männer wirklich scheißegal?«, fragte Christy.
Jacky zuckte mit den Schultern. »Ach, eigentlich finde ich sie ganz okay, theoretisch.«
»Und genau deswegen sind Jacky und ich so gute Freundinnen«, sagte Kat. »Ich bin immer optimistisch, und sie ist die geborene Pessimistin. Sie holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich wieder mal abhebe, und ich erinnere sie daran, ab und an jemandem eine Chance zu geben – nicht alle Menschen sind blöd.«
»Vielleicht nicht alle Menschen – aber wir reden hier von Männern …«
»Gib Ruhe, du Mörderbraut!«
Jacqueline bedachte ihre beste Freundin mit einem missbilligenden Blick. »Ich glaube, ich sollte dich dringend von der zweiten Flasche Sekt fernhalten.«
»Nein, das solltest du nicht.« Kat grinste. »Denk an unsere Abmachung – ich zahle für unser Taxi, und dafür lässt du mich viel zu viel Sekt trinken.«
»Ähm, Mädels, könnt ihr mir bitte erst noch ein bisschen mit dem Aufsatz helfen, den ich schreiben muss, bevor ihr anfangt, über Taxis zu reden?« Irgendwoher hatte Susie einen dicken Collegeblock und einen gutgespitzten Bleistift zutage gefördert.
»Ein feministischer Aufsatz wird deinem Arschloch-Professor aber wahrscheinlich nicht gefallen«, meinte Kat.
»Hey, ich will nur meinen Bachelor, da muss ich nicht unbedingt alles mit der Bestnote bestehen.« Susie grinste ihre Freundinnen verschmitzt an. »Um die großartige Bonnie Raitt falsch zu zitieren: ›Let’s give him something to talk about.‹«
Venus lachte laut auf. »Meine Lieben! Genau deshalb hat mein Orakel euch gefunden«, rief sie fröhlich und klatschte in die Hände, obwohl die sterblichen Frauen sie natürlich nicht hören konnten und auch keine Ahnung hatten, dass sie sie durch ihr glänzendes Orakel beobachtete, das ihr als Teleskop zwischen dem Olymp und Tulsa diente. Venus konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf die Frau mit dem ansteckenden Lachen, den strahlend blauen Augen und dem Spitznamen Kat.
»Bei Hermes’ flammend schwulem Gesäß, sie ist absolut perfekt!« Die Göttin zählte die Vorzüge der modernen Sterblichen an den Fingern ab. »Sie berät von Berufs wegen Männer, also sollte sie mit Achilles und seinen lächerlichen Berserker-Ragen umgehen können. Sie ist optimistisch, und sie mag Männer.« Venus lächelte sinnlich. »Männer lassen sich viel besser verführen, wenn man sie mag. Und außerdem ist sie auch noch schlau genug, um intuitiv erkennen zu können, wie lächerlich diese Geschichte mit dem Trojanischen Krieg ist, die schon« – die Göttin verzog angewidert das Gesicht – »viel länger verbreitet wird, als ich es für möglich gehalten hätte.« Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gruppe von Frauen und lachte mit ihnen, während diese in Gemeinschaftsarbeit einen sehr lustigen, sehr klugen, sehr feministischen Aufsatz für den Professor schrieben, den sie inzwischen nur noch als Mr Anus bezeichneten.
Venus mochte alle fünf Frauen, was sie noch sicherer machte, dass Kat eine gute Wahl für ihre Mission war. Die Freundinnen einer Frau spiegelten sie selbst wider – und Kats Spiegelbild gefiel der Göttin sehr. Ganz besonders mochte sie die exotisch aussehende Jacqueline, die offensichtlich Kats engste Freundin war. Jacky, wie die anderen sie nannten, war kess, schlagfertig und absolut umwerfend mit ihrem schnellen Verstand und ihrer schönen dunklen Haut. Einen Moment überlegte Venus, ob sie nicht vielleicht sogar noch eine bessere Wahl wäre als Kat – aber nein, Jacqueline war zwar wundervoll, aber Kat hatte bessere Chancen, Achilles für sich zu gewinnen. Und außerdem würde sich Jacquelines Hautfarbe unter den goldenen Griechen wahrscheinlich schwer erklären lassen. »Tja, da entgeht ihnen wirklich was«, murrte Venus.
Die Göttin konzentrierte all ihre Macht auf Kat, und schon bald erschien ein erleichtertes Lächeln auf ihren Lippen. Nein, Kat war nicht in einen sterblichen Mann verliebt. Wenn sie es wäre, hätte Venus, die Personifizierung der Liebe, es gespürt. Tatsächlich wurde ihr jetzt, wo sie nicht mehr so angestrengt nachdachte, bewusst, dass von den fünf Frauen nur die schwangere Heather einen Mann in ihrem Leben hatte, den sie liebte. »Hm …« Venus trommelte mit den Fingern auf ihr marmornes Orakel. »Vielleicht werde ich noch mal herkommen, wenn dieses ganze Debakel mit dem Trojanischen Krieg aus der Welt ist, und den Damen bei der Männersuche helfen.« Der Gedanke erfüllte Venus mit Vorfreude. Einen Partner für die sagenhafte Jacqueline zu finden, das würde bestimmt ein Heidenspaß werden.
»Aber erst mal muss ich mich um Achilles kümmern«, wies die Göttin sich selbst zurecht. »Wenn das erledigt ist, sehen wir weiter.«
Zuerst musste sie Kat auf den Olymp bringen, was nicht weiter schwierig sein sollte. Die Göttin hob ihre Hände und beschwor die Macht, über die sie als eine der zwölf Olympier immer verfügen konnte. In der Luft zwischen ihren Händen leuchteten kleine Lichtflecken auf, die wie Diamanten glitzerten. Sobald Kat allein war, würde Venus sie zu dem Portal führen, das offen, aber unsichtbar in Tulsa erschienen war, und dann würde sie sich schnell selbst dorthin versetzen und kurz mit Kat reden. Nachdenklich klopfte die Göttin der Liebe sich aufs Kinn. Sie würde wahrscheinlich irgendeine offensichtliche Magie heraufbeschwören müssen, um Kat davon zu überzeugen, dass sie wirklich Venus, die Göttin der Liebe, war. Aber auch das sollte nicht lang dauern. Sobald es erledigt war, würde sie mit der Sterblichen auf den Olymp zurückkehren und Hera und Athene hierher in ihren Tempel rufen, so dass sie der jungen Frau gemeinsam alle Details ihrer Aufgabe erklären konnten.
Während sie weiter ihre Macht zwischen den Händen sammelte, sah Venus durch das Orakel zu, wie Kat und Jacqueline, reichlich unsicher auf den Beinen, die Treppen von Susies Apartment hinunterliefen und in das Auto stiegen, das am Straßenrand wartete. Venus lachte. »Gut, dass sie nicht selbst fahren. Die beiden scheinen bei weitem nicht nüchtern genug, um eine dieser Metallmaschinen zu steuern.« Und Kat war auch nicht nüchtern genug, um sie heute Nacht auf den Olymp holen zu können. Aber das war wahrscheinlich auch besser so. Sie musste sich noch einmal mit Athene und Hera treffen und besprechen, wie sie Kat in Achilles’ Kriegslager bringen konnten. Kat brauchte wahrscheinlich irgendeinen Adelstitel … oder vielleicht könnte eine von ihnen Achilles in seinen Träumen erscheinen und ihm die Ankunft einer Priesterin voraussagen, die er beschützen musste …
Venus seufzte. Womöglich würde die ganze Sache doch komplizierter werden, als sie gedacht hatte. Aber mit den Details würde sie sich später auseinandersetzen. Jetzt würde sie Kat erst einmal nach Hause folgen, um zu sehen, wo die Sterbliche wohnte, und ihr dann morgen einen Besuch abstatten.
Lächelnd wandte Venus ihre Aufmerksamkeit wieder dem Orakel zu, gerade in dem Moment, als ein riesiger Chevrolet Suburban an einem Stoppzeichen vorbeiraste und in das kleine gelbe Auto krachte, in dem Kat und Jacqueline saßen.
»Nein!«, schrie Venus entsetzt und sandte die Macht, die sie heraufbeschworen hatte, blitzschnell durch das Orakel, um das Taxi zu schützen. Die Zeit stand still, so dass die Szene einen Moment aussah wie ein grauenhaftes Gemälde. Aber noch während sie den Zauber wirkte, wusste Venus, dass es zu spät war. Die Göttin atmete tief durch und bewegte ihre Hände über das Orakel. »Zeig mir Kat und Jacqueline«, forderte sie mit trauriger Stimme.
In dem Orakel erschien das Innere des Autos. Obwohl sie auf das Schlimmste vorbereitet war, stockte Venus der Atem und sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Anscheinend hatten sie den Unfall kommen sehen, denn sie hatten die Arme fest umeinandergeschlungen. Kat hatte eine grässliche Kopfverletzung, und ihr Hals war seltsam verdreht, aber Jacqueline saß auf der Seite, auf der der Suburban das Taxi erwischt hatte, und ihr Brustkorb war völlig zertrümmert.
Beide Frauen waren tot.
Obwohl sie sie erst so kurz kannte, brach es Venus fast das Herz. »Ich hätte besser achtgeben müssen. Ich hätte diesen Unfall verhindern müssen«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Sie waren so jung – so lebensfroh, niemals hätte ihr Leben so früh enden dürfen.« Dann stiegen vor den Augen der Göttin zwei leuchtend goldene Kugeln aus den gebrochenen Körpern der beiden sterblichen Frauen auf. Venus staunte. »Vielleicht gibt es doch etwas, was ich tun kann!« Kurz entschlossen fokussierte sie ihre Macht und sprach ihren Befehl durch das Orakel.
»Diese Seelen sind erfüllt mit Liebe und Leben – sie haben noch so viel zu geben. So bittet die Liebe selbst euch inniglich: Ihr Seelen, kommt in mein Reich und erfüllt eine Aufgabe für mich!« Venus schickte noch mehr Macht durch ihr Orakel, und als würde eine Flamme sie anziehen, stiegen die Seelen von Katrina und Jacqueline immer höher in den Energiestrom der Göttin, bis sie schließlich mit einem Geräusch wie ein knallender Sektkorken das Portal durchbrachen und direkt vor der Göttin in der Luft verharrten.
Als Venus wieder durch ihr Orakel blickte, sah sie das kleine gelbe Auto in Flammen aufgehen.
Die Göttin seufzte. »Also gut, meine Lieben, was machen wir jetzt?«
»Ihr habt was getan?«, ereiferte sich Athene, wobei sie Venus’ Ansicht nach recht unattraktiv aussah, und starrte ungläubig auf die leuchtenden Kugeln, in denen sich die beiden sterblichen Seelen befanden.
»Na, ich konnte sie ja nicht einfach sterben lassen«, entgegnete Venus und strich liebevoll über die Lichtkugel, die direkt vor ihr schwebte. »Es war schrecklich und viel zu früh. Sie sind beide noch so jung.«
»Sterbliche sterben. So ist das nun mal. Ihr hättet Euch nicht in ihr Schicksal einmischen dürfen.«
»Ach, bitte, sie sind moderne Sterbliche und glauben nicht an Schicksal.«
In diesem Moment kam Hera in Venus’ Gemächer geeilt. »Was ist passiert? Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht, als der Satyr mir Eure Botschaft gebracht hat und …« Die Göttin verstummte abrupt, als sie die beiden Lichtkugeln bemerkte, und runzelte ihre glatte Stirn. »Sind das sterbliche Seelen?«
»O ja, allerdings«, antwortete Athene.
»Und warum sind sie hier? Haben sie sich verirrt?«
»Nein, sie haben sich nicht verirrt. Das sind die Seelen von zwei sterblichen Frauen, und Venus hat sie hergebracht.«
Venus warf ihr einen bösen Blick zu. »Habt Ihr ab und an mal einen Orgasmus, Athene? Wenn nicht, ist das wahrscheinlich der Grund dafür, dass Ihr ständig so mürrisch seid.«
»Venus!«, mahnte Hera in strengem Ton, der die Göttin der Liebe daran erinnerte, dass sie sich in der Gesellschaft der Königin des Olymp befand. »Warum sind die Seelen zweier Sterblicher in Euren Gemächern?«
»Eine von ihnen« – Venus schwieg einen Moment, musterte die beiden Lichtkugeln eingehend und zeigte schließlich auf die ihr am nächsten schwebende – »diese hier, glaube ich, ist die Seele der Frau, die ich dazu auserwählt habe, uns bei unserem Achilles-Problem zu helfen. Und das dort ist die Seele ihrer besten Freundin.«
»Was nicht erklärt, warum ihre Seelen hier auf dem Olymp sind und nicht in ihren Körpern in der modernen Menschenwelt, wo sie hingehören«, erwiderte Hera.
»Sie sind nicht in ihren Körpern, weil ihre Körper tot sind«, erklärte Athene. »Genaugenommen sind sie zu Asche verbrannt.«
»Tot? Verbrannt? Wie sollte eine Tote uns bei unserem Achilles-Problem helfen?« Hera rieb sich mit einer Hand die Schläfe und strich mit der anderen durch die Luft, woraufhin ein Kelch erschien, aus dem sie sogleich einen tiefen Schluck nahm.
»Ich kann das alles erklären«, sagte Venus und funkelte Athene zornig an.
»Dann erklärt es uns. Bitte«, antwortete Hera.
»Ich habe die Sterbliche für Achilles ausgewählt, als sie noch am Leben war. Dann sind sie und ihre Freundin von einer Party nach Hause gefahren, es gab einen Unfall, und, na ja, dabei sind sie umgekommen. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Sie waren so jung und glücklich.« Nach einer kurzen Pause fügte sie in entschiedenem Ton hinzu: »Und Kat war absolut perfekt für Achilles.«
»Also habt Ihr ihre körperlosen Seelen hierhergebracht?« Hera seufzte. »Venus, ich verstehe durchaus, wie schnell man die Sterblichen ins Herz schließen kann, aber Ihr habt diesen Frauen keinen Gefallen damit getan. Sie sollten bereits auf dem Weg ins Leben nach dem Tod sein. Es gibt nichts, was wir für sie …« Abrupt hielt die Königin des Olymp inne. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, der Kelch mit Ambrosia glitt ihr aus der Hand und zerbarst auf dem Marmorboden.
»Hera! Was ist los?«, rief Venus erschrocken, und sie und Athene eilten zur Göttermutter, um sie zu stützen.
Heras schönes Gesicht war aschfahl. »Meine Priesterinnen! Sie trauern um mich.«
»Hier, setzt Euch erst einmal hin. Atmet tief durch, und dann erzählt uns, was passiert ist.« Venus half der Göttermutter auf einen weichen Sessel, während Athene einen neuen Kelch mit Ambrosia beschwor und ihn Hera an die Lippen hielt. Doch die Göttermutter winkte das Getränk weg.
»Die Griechen plündern meinen Tempel, der direkt außerhalb von Trojas westlichster Mauer steht.« Sie wischte sich mit einer zittrigen Hand über die Augen, als könnte sie so die Bilder aus ihrem Kopf vertreiben. Offensichtlich tief erschüttert, sah sie zu den beiden anderen Göttinnen auf. »Ich verstehe das nicht. Meine Tempel werden nie geplündert. Ich bin die Göttin von Heim und Herd, die Göttin der Ehe und Familie, die Königin des Olymp. Warum sollte jemand meinen Tempel schänden?« Hera schwankte leicht, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. »Ich muss mich setzen.«
»Ihr sitzt bereits«, erwiderte Athene.
»Was soll ich nur tun?« Schweißperlen erschienen auf dem blassen Gesicht der Göttermutter. »Meine Priesterinnen flehen mich um Hilfe an!«
»Ich weiß es nicht!« Venus ließ sich auf die Bank neben Hera sinken, nahm Athene den Kelch ab und leerte ihn in einem Zug. »Ich bin die Göttin der Liebe. Die Menschen haben Sex in meinen Tempeln, was ich nicht als Schändung ansehe. Ab und zu stürzt ein sitzengelassener – und offenbar ein bisschen verrückter – Mann sich in sein Schwert, aber das lässt sich nun wirklich nicht vermeiden.«
»Ich weiß, was wir tun müssen.«
Überrascht blickten Venus und Hera auf und sahen, wie Athene ihren Helm aufsetzte. »Muss ich Euch daran erinnern, dass ich die Göttin des Krieges bin?«
Venus und Hera schüttelten gleichzeitig den Kopf.
»Dann lasst uns gehen. Niemand schändet ungestraft einen unserer Tempel.« Athenes harte graue Augen wurden schmal. »Ihr beide könnt auch hierbleiben. Zeus wird wahrscheinlich wütend sein, dass ich mich eingemischt habe.«
Langsam erhob sich Hera. Ihre Beine waren noch ein wenig schwach, aber ihre Stimme klang so scharf wie Feuerstein. »Zur Hölle mit Zeus und seinem Befehl, dass wir uns aus dem Krieg heraushalten sollen. Niemand, der meine Priesterinnen bedroht, kommt ungestraft davon!«
Venus und Hera tauschten einen Blick. »Wir begleiten Euch«, sagte die Göttin der Liebe entschieden. »Wenn Zeus wütend wird, dann soll er auf uns alle wütend sein.«
»Also gut«, willigte Athene ein, »bleibt in meiner Nähe.«