Achim Landwehr
Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit
Essay zur Geschichtstheorie
FISCHER E-Books
Achim Landwehr, geboren 1968, lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seine Einführung ›Historische Diskursanalyse‹ (2009) ist ein wichtiges Standardwerk für Studierende.
2012 erhielt er für seinen Beitrag ›Die Kunst, sich nicht allzu sicher zu sein: Möglichkeiten kritischer Geschichtsschreibung‹ den Essaypreis der Zeitschrift »Werkstatt Geschichte«. Bei S. Fischer erschien von ihm 2014 ›Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert‹.
Achim Landwehr betreibt einen Geschichtsblog unter www.achimlandwehr.wordpress.com
Was ist Geschichte und woher wissen wir, wie die Vergangenheit beschaffen war?
Was Historiker als »Quellen« bezeichnen, die Zeugnisse vergangener Welten, sind bloß Ausschnitte, Schnipsel, die interpretiert sein wollen. In einer klugen geschichtsphilosophischen Wendung zeigt der Historiker Achim Landwehr, dass und wie wir »unsere Geschichte« selbst erschaffen. Er erklärt, warum die Wirklichkeit unfassbar ist, was es mit einer »Geschichte des Zwischen« auf sich hat, mit dem Lob der Sinnlosigkeit und dem Versuch, der Geschichte zu entkommen. Nicht zuletzt entwickelt er ein neues Zeitmodell des Historischen. Ein Grundlagenwerk der Geschichtstheorie, das ungewöhnliche Akzente setzt - und deutlich macht, dass auch in der Geschichte »alles fließt«.
Erschienen bei FISCHER E-Books
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ISBN 978-3-10-490134-3
Gottfried Benn, Gesammelte Werke in vier Bänden, hg.v. Dieter Wellershoff, Bd. 4, 6. Aufl. Stuttgart 1989, 164.
Vgl. Bloch 1992, 45–49; Baecker 1992; Koschorke 2012, 61–66.
Serres 1994, 109–111; Deeds Ermath 2011, 98; Burger 2007, 11.
Burger 2007, 55; Marquard 1982; Koschorke 2015.
Man vergleiche nur Lyotards historische Herleitung des Problems des postmodernen Wissens: Lyotard 1999, 19f. Gleichzeitig war sich Lyotard durchaus bewusst, dass das Ende der großen Erzählungen selbst eine große Erzählung ist: Lyotard 1989, 226.
Menasse 1995. Vgl. auch Veyne 1990, 31f.
Man besehe sich nur die eindrückliche Liste von Filmen und Fernsehserien, in denen Zeitreisen zum Thema werden: http://de.wikipedia.org/ wiki/Liste_von_Zeitreisefilmen (8.2.2016). Aber auch ein halbwegs wacher Blick in den eigenen Alltag kann mehr als genug Beispiele zutage fördern, in denen die ›Reise in die Vergangenheit‹ bemüht wird.
Zit.n. Strupp 2000, 47. Vgl. auch Landwehr/Stockhorst 2004, 71.
Ankersmit 2012, 19 und 21.
Bei Bezeichnungen von Personen oder Gruppen sind in diesem Buch immer alle Geschlechter angesprochen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werde ich jedoch immer wieder zwischen der weiblichen und der männlichen Form abwechseln, um keine bürokratisch anmutenden Bezeichnungsungetüme anzuhäufen.
Klein 2008, 252–254.
Wüthrich 2007, 192f.; Nahin 1999, 243–353.
Wüthrich 2007; Rauchhaupt 2010.
Vgl. Kolumbus 2000 [1493].
Wehle 1995, 11.
Hume 1993 [1779]. Vgl. auch Streminger 1995, 633–645.
Carr 2001; Furrer 2007; Burke 2005; Voegelin 2015.
Das grundsätzlich Unhistorische einer solchen Geschichtstheorie findet sich beispielsweise in Jörn Rüsens These formuliert, dass ›die Geschichte‹ das Unvordenkliche sei: Rüsen 2013, 95f.
Derrida 1999a, 40. Vgl. auch Veyne 1996, 36f.
Nietzsche 2010 [1887], 317.
Mitterer 2000, 11. Vgl. auch Deleuze 2007, 169–171.
Vgl. beispielsweise Haberkern/Wallach 1987; Dülmen 1990; Cornelißen 2009.
Der Klassiker in diesem Zusammenhang ist natürlich Koselleck u.a. 1975. Vgl. auch Hager/Scholtz 1974; Asendorf u.a. 1994, 219–262; Mourre 1996, Bd. 2, 2672–2684.
Bayer/Wende 1995, 192; Boshof/Düwell/Kloft 1997, 2.
Sellin 2008, 17. Eine auffallend ähnliche Beschreibung findet sich in einem Lexikonartikel von Helmut Reinalter: Reinalter 2012, 939.
Daher vermag einzig eine Bestimmung von Jürgen Kocka für Zustimmung zu sorgen, wenn er festhält, »dass Geschichte nicht identisch ist mit dem Vergangenen, sondern im Kern eine Relation, ein Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart darstellt«. Kocka 2008, 15.
Descola 2014, 98–100; Stille 2002; Levine 1998; Duby/Lardreau 1982, 132f.
Samuel Beckett, Molloy. Malone stirbt. Der Namenlose. Drei Romane, Frankfurt a.M. 2005, 8.
Zu Paradoxien der Vergangenheit vgl. auch Deleuze 2007, 113–115.
Vgl. Vollmer 2002, 165f.
Enzensberger 2002, 10.
Blüher 2002, 539f.; Geyer 2002, 12; Esposito 1991, 37f.
John Cage, Silence, Frankfurt a.M. 1995, 9.
Clark 2012, 17.
Dasselbe Problem stellt sich auf etwas veränderte Weise in der Argumentation von Quentin Meillassoux, wenn er von der Realität einer sogenannten Anzestralität ausgeht, also von der Wirklichkeit einer Welt, die dem Aufkommen der menschlichen Gattung vorausgeht (Meillassoux 2008, 13–45). In der Tat, wer wollte heute eine solche Wirklichkeit bestreiten (auch wenn man erst seit relativ kurzer Zeit von ihr weiß)? Aber die Frage stellt sich immer noch, für wen diese vormenschliche Wirklichkeit wirklich sein könnte, wenn niemand danach fragen würde.
Burger 2007, 40; Goertz 1995, 80–94.
Droysen 1977 [1857], 11–15; Veyne 1990, 14f.; Herbst 2004, 30–32; Goertz 1995, 80–94; Furrer 2007, 16; Baberowski 2005, 11.
Buck 2001.
Rusch 1999, 551.
Augustinus 1987, 641–643. Vgl. auch Deleuze 2007, 107–109.
Minois 1998; Hölscher 1999.
Zu dieser Diskussion Runia 2006; Ankersmit 2012; Gumbrecht 2012; Ghosh/Kleinberg 2013. Kritisch dazu Kleinberg 2009.
Hartog 2003; Hartog 2010; Hartog 2011. Vgl. auch Delacroix/Dosse/Garcia 2009.
Kleinberg 2009.
Vgl. Luhmann 1993a; Esposito 2007.
Beckett 1995, 63. Vgl. dazu Breuer 2002, 568–570.
Kleinberg 2012, 133.
Thomas Mann, Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Bd. 8: Erzählungen, Frankfurt a.M. 1990, 626f.
Mit Ausnahme von Italo Calvino: Cosmicomics, München/Wien 1989.
Zur Diskussion des Verhältnisses Vergangenheit/Gegenwart vgl. auch Le Goff 1992, 27–48.
Schiller 1999 [1789], 28f. (Hervorhebung im Original).
Schiller 1999 [1789], 31.
Oscar Wilde, Sämtliche Werke. hg.v. Norbert Kohl, Bd. 7, Frankfurt a.M./Leipzig 2000, 79.
Dazu immer noch Derrida 1999a.
Bourdieu 2014, 25.
Vgl. Mersch 2005. In diesem Sinn lautet in der deutschen Übersetzung der Titel von Paul Veynes Buch »Comment on écrit l’histoire« passenderweise »Geschichtsschreibung – Und was sie nicht ist«: Veyne 1990.
Marquard 1975, 178.
Luhmann 1975, 206.
Luhmann 1975, 205f.
Koselleck 1989, 153.
Vgl. dazu auch Mersch 2005, 20.
Marquard 1982, 13.
Adorno 2006, 16.
Adorno 2006, 42 (Hervorhebungen im Original). Hierzu auch Lessings Bestimmung von der »Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen«: Lessing 1983 [1919].
Henshall 1996; Asch/Duchhardt 1996; Freist 2008.
Plessner 1983a, 216.
William H. Gass, Der Tunnel, Reinbek bei Hamburg 2011, 440.
Vgl. die Abfallfunde beim Eltern- und beim Wohnhaus Martin Luthers: Meller 2008.
Arnold 2002, 252, 254. Vgl. auch Arnold 1998.
Brandt 1992, 9, 50.
Zimmermann 1997; Rathmann/Wegmann 2004, 17; LaCapra 1987, 11–37.
Rathmann/Wegmann 2004, 22f.
Droysen 1977 [1857], 67–100; Hüttenberger 1992.
Rathmann/Wegmann 2004, 23f.
Derrida 1999b, 297f.
So auch Droysen 1977 [1857], 8.
In genau diese Richtung argumentierte jedoch Siegfried Kracauer mit seiner These von der »aktiven Passivität«: Kracauer 1971, 85f.
Lorenz 1997, 28–34.
Zur Kritik an diesem Ausdruck immer noch Adorno 2003b, 555–572.
Landwehr 2000.
Latour 2014, 496f.
Thier 2014, 251; Volk 1995. Vgl. auch Geertz 2000, 167–234; Pavcnik 2008.
Latour 2014, 502f. Vgl. auch Vismann 2001.
Thier 2014, 252.
Thier 2014, 252–257.
Thier 2014, 257–260.
Bender/Nack/Treuer 2007, 6. Zum Zeitzeugen vgl. Sabrow/Frei 2012.
Krämer 2008, 257–259; Lyotard 1989, 17f., 86.
Landwehr 2013a.
Droysen 1977 [1857], 9 (Hervorhebungen im Original).
Vgl. auch Oexle 2004, 171f.; Zimmermann 1997, 282; Veyne 1990, 14.
Esch 1985, 569.
Foucault 1997, 182. Vgl. dazu Gilles Deleuze: »Daß in jeder Epoche immer alles gesagt worden sei, das ist vielleicht das bedeutsamste historische Prinzip Foucaults: hinter dem Vorhang gibt es nichts zu sehen, aber darum ist es um so wichtiger, jeweils den Vorhang zu beschreiben oder den Sockel, da nichts dahinter oder darunter existiert.« Deleuze 1992, 78.
Daston/Galison 2007, 216.
Immer wieder treffend ist in diesem Zusammenhang Ludwig Wittgenstein: »Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken – weil man es immer vor Augen hat.)« Wittgenstein 1999b [1953], §129.
Neurath 1981 [1929], 305.
Zum Beispiel Barthes 2009, 86f., 96f.
Barthes 2009, 105f. Zu den Gemeinsamkeiten von Fotografie und Geschichtsschreibung vgl. auch Kracauer 1971, 61–64.
Lundmark 1993, 69, spricht hier nur von einer doppelten Temporalität, was der Komplexität des Gegenstandes meines Erachtens nicht ganz gerecht wird. Judith Butler betont demgegenüber deutlich die Bedeutung von Materialisierung als Prozess: Butler 1997, 32.
Lundmark 1993, 69f. Vgl. auch Febvre 2002, 13f.; Duby/Lardreau 1982, 43f.
Köhler/Siebenpfeiffer/Wagner-Egelhaaf 2013, 11–13; Snyder/Meinel 2008; Gumbrecht/Pfeiffer 1988.
Wagner 2010, 869.
Vgl. Grassby 2005.
Miller 2005; Foucault 1997, 145–153.
Dazu beispielsweise Green 2012; Auslander u.a. 2009.
Certeau 1988, 245–253; Greber/Ehlich/Müller 2002.
Harvey 2009, 7.
Latour 2007b, 121–142.
Latour 2014, 233f.
Vgl. Latour 2002, 104–122; Haraway 1988, 591–596; Wieser 2008; Coole/Frost 2010, 8–10; Krämer 2008, 332–337; Böhme 2006, 72–94.
Miller 2005, 6.
Vgl. dazu auch das Themenheft »Materialität/Immaterialität« der Zeitschrift für Medienwissenschaften 2 (2010), online verfügbar unter http://www.zfmedienwissenschaft.de/heft/archiv/ausgabe-2-materialitaet-immaterialitaet (20.02.2015).
Vgl. hierzu Lyotard 1985, 25, 81.
Vgl. Esposito 2004.
Wagner-Egelhaaf 2013, 389.
Vgl. Köhler/Siebenpfeiffer/Wagner-Egelhaaf 2013, 19–21.
Lyotard 2006, 51.
Dazu Latour 2002.
Thomas Bernhard, Frost, Frankfurt a.M. 1972, 83.
Burger 2007, 100f.
Esch 1999, 134–136; Esch 1985, 532–539, 552–557.
Mersch 2013, 9.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/klonen-mammut-dodo-und-riesenalk-sollen-wiederauferstehen-1.1685790 (05.03.2015).
Chladenius 1985 [1752], 14.
Chladenius 1985 [1752], 114f.
Mersch 2013, 9.
Mersch 2013, 18f.; Röttgers 2011, 202–204.
Mersch 2013, 21f.; Krämer 2008, 27f., 35; Röttgers 2011, 195f.
Vgl. hierzu Peters 2009.
Mersch 2013, 53.
Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke, I. Abteilung, Bd. 7/1: Faust, hg. v. Albrecht Schöne, Frankfurt a.M. 1994, 11.
Sollbach 1987, 14–26.
http://www.timseverin.net/expeditions.html (09.02.2014).
Sollbach 1987, 62–78; Semmler 1993.
Sollbach 1987, 29–32; Hahn/Fasbender 2002, 206–220; Haug 2005, 44–46.
Haupt 1996, 323–325. Zur Geschichte der Wunder vgl. Daston/Park 2002.
St. Brandans wundersame Seefahrt 1987, 112–189.
Vgl. Blumenberg 2000.
St. Brandans wundersame Seefahrt 1987, 186–189.
Haug 2005, 50f. Bekannter ist die Variante dieser Episode in Augustinus’ »De Trinitate«: Ein Junge will mit einer Muschel das Meer ausschöpfen. Auf den Einwurf des Augustinus, dass das unmöglich sei, entgegnet der Junge, dass es ebenso unmöglich sei wie die Ergründung der Trinität (ebd.).
Descartes 2001 [1637].
Blumenberg 2001, 67. Vgl. auch Adorno 2003a, 325.
Rosset 2000, 27f. (Hervorhebung im Original).
Craig 1993, 116–120.
Craig 1993, 124f.
Lütkehaus 2010, 155.
Luhmann 1993b, 37.
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. IV/1, Zweiter Teil, Leipzig 1897, Sp. 3863.
Schütz/Luckmann 2003, 29. Vgl. auch Kracauer 1971, 52f.
Spaemann 2000, 13–23.
Valéry 2011, 62.
Genau das ist eines der wesentlichen Probleme eines spekulativen Realismus, wie er u.a. von Quentin Meillassoux vertreten wird: Meillassoux 2008.
Seel 2005, 790 (Hervorhebungen im Original).
Konersmann 2006, insbesondere 13–69.
Konersmann 2006, 23.
Vico 2000 [1744], 124–130.
Zu einer solchen Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit vgl. z.B. Kruse/Stadler 1990, 893–895; Hausen 1997, 459f.; Trappe 2004, Sp. 829.
Valéry 2011, 184.
Anders 1934/35.
Schmidt 2003, 27f. Vgl. auch Lyotard 1989, 64.
Schmidt 2003, 34–37; Berger/Luckmann 1980, 145.
Bourdieu 1998, 120.
Schütz/Luckmann 2003, 29.
Schütz/Luckmann 2003, 30.
Berger/Luckmann 1980. Vgl. dazu auch Abels 2009.
Berger/Luckmann 1980, 56–63, 145.
Berger/Luckmann 1980, 64f. Vgl. auch Bourdieu 1992, 143f.; Bourdieu 2001, 174.
Berger/Luckmann 1980, 112–120. Vgl. auch Bourdieu 1979, 325–330.
Blumenberg 2001, 41f. (Hervorhebung im Original).
Husserl 1976, 112 (Hervorhebung im Original).
Husserl 1976, 112f.
Husserl 1976, 159.
Husserl 1976, 161.
Husserl 1976, 163.
Gehring 2011, 67.
Gehring 2011, 67.
Gehring 2011, 70.
Blumenberg 1973, 3.
Gehring 2011, 77f.
Weibel 2011, 279f.
Nowotny 2005, 174f.
Gehring 2005b, 169.
Koselleck 2010, 17.
Blumenberg 1973, 6.
Blumenberg 1973, 3–5.
Gehring 2005b, 172.
Foucault 2001, 766f.
Gehring 2004, 148.
Hugo Ball, Eroeffnungs-Manifest, in: Karl Riha (Hg.), Dada Zürich. Texte, Manifeste, Dokumente, Stuttgart 2010, 30.
Rorty 1987, 19.
Rorty 1994, 41.
Feustel 2015, 32.
Rorty 1994, 52.
Rorty 1994, 23, 37f.
Mead 1969, 230f.
Mead 1969, 231.
Mead 1969, 260f.
Mead 1969, 261.
Grimm 1995.
Knefelkamp 1988.
Kolumbus 2000 [1493], 35–37; Kolumbus 2001 [1492/93], 118; Todorov 1985, 19; Delaney 2006; Bucher 2006, 163–198.
Todorov 1985, 47–49; Delaney 2006, 263; Bucher 2006, 188–193.
Kolumbus 2000 [1493], 17–23; Kolumbus 2001 [1492/93], 55f., 90, 113f., 158.
West 1992, 532f.
Fabian 1983; Landwehr 2012b.
Zu den Arten und Weisen, wie im Tourismus das Historische hervorgebracht wird, vgl. Groebner 2013.
Vgl. vor allem Mitterer 2000; Mitterer 2001. Außerdem Riegler/Weber 2011. Vgl. auch das Themenheft »Non-dualism: a conceptual revision?« der Zeitschrift »Constructivist Foundations« 8 (2013) Heft 2 (http://www.univie.ac.at/constructivism/journal/8/2, 4. Juni 2015). Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Barad 2015, 24–29.
Eine Thematisierung einer solchen dualistischen »Menschenwelt als Spannungsfeld« findet sich bei Rüsen 2013, 116f.
Mitterer 2000, 11–13; Mitterer 2001, 26f. Vgl. auch Joyce 2010, 220f., 227f.; Latour 2014, 219.
Mitterer 2000, 21f.; Mitterer 2001, 16f. Ähnliche Zurückweisungen des Dualismus bei Serres 1994, 24; Serres 2008, 232; Sofri 1998, 22f.; Rancière 2014, 42; Barad 2012, 99–101.
Grasnick 2011, 179.
Mitterer 2000, 14f.; Mitterer 2001, 30.
Über Erwägungen zum Tod und zu Möbelstücken bei Diskussionen um Realismus und Relativismus vgl. Edwards/Ashmore/Potter 1995.
Schmidt 2003, 93f.
Mitterer 2000, 49–61.
Mitterer 2000, 61–67.
Mitterer 2000, 110f.
Mitterer 2000, 104f.
Mitterer 2000, 60.
Mitterer 2000, 99. Vgl. auch Lyotard 1989, 108.
Mitterer 2000, 110.
Vgl. zum Folgenden Landwehr 2013c.
Vgl. zu dieser Dichotomie auch Certeau 1991, 13–17, 54.
Mitterer 2001, 104f.
Landwehr 2009.
Mitterer 2000, 90.
Latour 2000, 68f.
Zum Überblick über derartige Diskussionen vgl. Goertz 2001.
Latour 2002, 44f.
Latour 2002, 111f. Vgl. hierzu auch Nowotny 2005, 44f.
Latour 2002, 129.
Vgl. hierzu Landwehr 2007, 21–191.
Latour 2002, 139–143; Latour 2000, 236–264.
Wesentlich detaillierter ist dieser Prozess ausgeführt in dem sehr lesenswerten Bericht in Latour 2000, 36–95. Zur Transformation durch die Geschichtsschreibung vgl. Certeau 1991, 92, 96.
Latour 2014, 130.
Adorno 2006, 135.
Vgl. Veyne 1992, 67f.
Ein Beispiel für diese Sichtweise: Headlam Wells 2000, 53–60. Headlam Wells geht sogar so weit, den ›postmodernen Relativismus‹ für die internationalen Schwierigkeiten verantwortlich zu machen, mit denen sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen regelmäßig zu beschäftigen hat (S. 55). Auch Maurizio Ferraris konstatiert, dass solche Strömungen verantwortlich seien für eine postmodern-populistische Medienpolitik, wie sie prototypisch durch Silvio Berlusconi vertreten worden sei (Ferraris 2014). Dass Postmoderne und Relativismus einmal so mächtig sein würden (oder waren), hätten sie sich wohl kaum träumen lassen.
Deleuze/Guattari 2000, 151.
Das ist eine zentrale These in Jean-François Lyotards Buch über den Widerstreit (Le Différend), dass sich dieser Widerstreit unterschiedlicher Diskursarten nicht harmonisieren und auch nicht ›höchstrichterlich‹ entscheiden lässt: Lyotard 1989.
Descola 2014, 85.
Descola 2014, 104f.
Serres 1995, 293. Vgl. auch Krämer 2008, 123.
Descola 2014, 83–85. Vgl. auch Oakeshott 1999, 100–104.
Einen solchen Relationismus hat beispielsweise Bruno Latour vorgeschlagen: Latour 2014, 153.
Baecker 2013, 106f.
Peter Weiss, Der Schatten des Körpers des Kutschers, Frankfurt a.M. 1964, 11.
Gewisse Parallelen hierzu finden sich bei Benjamins Begriff des dialektischen Bildes, »worin das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt«. Benjamin 1983, 577f., 580, Zitat 578.
Hampe 2014, 105f.
Den Begriff der ›Chronoforensik‹ verdanke ich einer Bemerkung von Lorenz Engell bei der Tagung »Latency and the possible – Latencies of the possible« in Weimar am 11.12.2014.
Derrida 1999a.
Landwehr 2008.
Koschorke 2012, 334.
Luhmann 1993a, 242f.; Esposito 2006, 329.
Certeau 1991, 23.
Landwehr 2012a; Landwehr 2012b.
Schlögel 2011.
Vgl. Koselleck/Dutt 2013, 64.
Rancière 2014, 155. Vgl. dazu auch Koselleck 1989, 11f.
Heinrich Heine, Sämtliche Schriften, hg.v. Klaus Briegleb, Bd. 3, München 1997, 167.
Gewisse Parallelen hierzu weist das bekannte Begriffspaar Erfahrungsraum und Erwartungshorizont von Reinhart Koselleck auf: Koselleck 1989, 356f.; Koselleck 2003, 331–335.
Barnert 2015a; Barnert 2015b.
Vgl. dazu auch Fried 2003, 8–22.
Kumar 2009, 319f.
Michael Frayn, Copenhagen, London 2000.
Barad 2007.
Derrida 2004.
Niethammer 1989.
Barad 2015, 75f.
Bourdieu 1998, 75–83.
Don DeLillo, Der Engel Esmeralda. Neun Erzählungen, Köln 2012, 205.
Pause 2012, 19f. Vgl. auch Landwehr 2014a, 1119f.
Derrida 2003, 20–22. Vgl. auch Rancière 2014, 99–101; Lyotard 2006, 74; Pause 2012, 20–22. Mit ebendiesem Paradox argumentiert auch Koselleck 2010, 19f.
Schmidt 2003, 58.
Pöppel 2000, 59–73; Fetz 2007.
Gehring 2005a.
Rancière 1994, 10–13. Vgl. auch Veyne 1990, 25.
Für einen Überblick vgl. Suter 1998.
Füssel/Sikora 2014.
Jay 2013, 218.
Bestimmungsversuche finden sich beispielsweise bei Suter/Hettling 2001b, 23–26, die das Ereignis dadurch charakterisiert sehen, dass es 1. erschüttert und überrascht, 2. kollektiver Natur ist und 3. strukturverändernde Folgen hat. Allerdings lassen sich zahlreiche ›Ereignisse‹ ausfindig machen, auf die diese Kriterien keineswegs zutreffen müssen.
Koselleck 1989, 144–157; Sewell 1996; Blänkner/Jussen 1998; Suter/Hettling 2001a; Gyáni 2014.
Perec 2014, 5f. Vgl. auch Farge 2011, 64–68. Man vergleiche auch die »Ereignisse«, die Thomas Bernhard in dem gleichnamigen Band mit Prosastücken versammelt hat (Frankfurt a.M. 1991).
Zit.n. Richter 2005, 19.
Seel 2003, 37f.
Lyotard 2006, 73f.
Žižek 2014, 16 (Hervorhebung im Original).
Vgl. hierzu auch Hölscher 2003, 57–85; Oakeshott 1999, 68–76.
Rancière 2014, 98f.
Reinhard Jirgl, Die Stille, München 2009, 193.
Esch 1985, 540f.
Büschel 2010, 73f.
Derrida 1997, 35.
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. III, Leipzig 1863, Sp. 699.
Dazu auch Derrida 1997, 12.
Museumsbund: http://www.museumsbund.de/de/das_museum/themen/ statistik/ (8.7.2015); Bibliotheksportal: http://www.bibliotheksportal.de/ bibliotheken/bibliotheken-in-deutschland/bibliothekslandschaft.html (8.7.2015).
Zur Sakralisierung des Archivs: Burton 2005, 5f.
Foucault 1997, 186–190. Vgl. auch Gehring 2004.
Vgl. hierzu Weitin/Wolf 2012.
Burkhardt 2006, 59f.
Schenk 2013, 173–183.
Cook 2009. Vgl. auch Burkhardt 2006, 15; Auer 2000.
Schenk 2013, 178.
Vgl. Derrida 1997, 65.
Zum Archiv als Ort der Produktion dessen, was es nur passiv aufzubewahren scheint: Ernst 2002b.
Didi-Huberman/Ebeling 2007, 7–32.
Mbembe 2002, 22–25. Vgl. auch Head 2003.
Vgl. Horstmann/Kopp 2010.
Z.B. Ridener 2009.
Ernst 2002a, 54.
Ebeling/Günzel 2009, 14.
Ebeling/Günzel 2009, 8; Vismann 2001, 89–93.
Ebeling/Günzel 2009, 14; Friedrich 2013, 19f.; Burton 2005, 20.
Fohrmann 2002, 19.
Borges 1999, 100.
Vgl. Schenk 2013, 193–208.
Jules Renard, Das Leben wird überschätzt, hg.v. Henning Ritter, Berlin 2015, 28.
Vgl. beispielhaft Fernández-Armesto 1998; Lorenz 1999; Evans 1999; McCullagh 2005; Paravicini 2010.
Übersichten über Korrespondenz-, Kohärenz-, Intersubjektivitäts- und weitere Wahrheitstheorien finden sich bei Puntel 1993; Skirbekk 1977; Heinrich 2009.
Eine Übersicht findet sich bei Hayner 2011. Ein systematisch-soziologischer Ansatz findet sich bei Krüger 2014. Vgl. auch die Studien zu Argentinien, Guatemala, Südafrika, Marokko, Australien, Spanien und Tschechien in Marx 2007.
Vgl. Werle 1999; Kastner 2007.
Kastner 2007, 40.
Kastner 2007, 43.
Bevernage 2014, 19f.; Bevernage 2015.
Bevernage 2010.
Vgl. Buck 1999.
Vgl. Vismann 2001, 242–252.
Bevernage 2014, 13; Koschorke 2012, 18–23.
Bevernage 2014, 18.
Blumenberg 2001, 95.
Vgl. Konersmann 2006, 33–37. Gerade für eine solche Zeitlosigkeit der historischen Wahrheit plädiert aber beispielsweise die Geschichtsphilosophin Doris Gerber. Vgl. Gerber 2006, Gerber 2012.
Mitterer 2001, 90f.
Vgl. Burger 2007, 39.
Die folgenden Überlegungen sind ausführlicher dargelegt in Landwehr 2015a.
Überblicke bei Landwehr/Stockhorst 2004; Landwehr 2009.
Bacon 1999 [1620], 180f. Vgl. auch Blumenberg 2001, 153–172.
Mitterer 2001, 100.
Hampe 2014, 203.
Adorno 2003a, 337f.
Wenn die deutschsprachige Übersetzung des Buchs von Natalie Zemon Davies den Titel trägt »Die wahrhaftige Geschichte von der Wiederkehr des Martin Guerre« (Frankfurt a.M. 1989; das englische Original verzichtet auf die Qualifizierung des Wahrhaftigen), dann spielt sie genau mit diesem Widerspruch, wenn sie nämlich die Lügengeschichte des angeblichen Martin Guerre als ›Wahrheit‹ verkauft. Denn genau darum handelt es sich: Um die wahre Geschichte einer Lüge.
Gehring 2001, 108.
Gehring 2001, 116.
»Thus understood a record never lies; even if it does not mean what it says it may be made to say what it means.« Oakeshott 1999, 56.
Der TV-Moderator Jan Böhmermann führte im März 2015 in seiner Sendung »Neo Magazin Royale« dieses Wechselspiel sehr überzeugend vor: Filmszenen vom damaligen griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis, der während einer Rede seine Haltung zur Politik der deutschen Regierung mit dem ausgestreckten Mittelfinger untermalte, wurden von Böhmermann auf überzeugende Weise als Fälschung seiner Fernsehredaktion vorgeführt. Mit dieser ›falschen Fälschung‹ wurden aber nicht nur die Aufgeregtheiten eines medialisierten Politikbetriebs entlarvt, sondern vor allem die Möglichkeiten hinterfragt, Wirklichkeitsbestätigung mittels Medien zu erreichen. Das Wahre und das Falsche lassen sich nicht mehr eindeutig trennen (https://www.youtube.com/watch?v=Vx-1LQu6mAE, 18.11.2015).
Roth 2012, 323.
Weber 2011, 26f.; Arnold 2001, 147–154.
William H. Gass, Der Tunnel, Reinbek bei Hamburg 2011, 19.
Vgl. hierzu Goodman 1984, 16–18; Goodman 1987, 52–54; Veyne 1990, 10; Haraway 1988.
Wittgenstein 1999b [1953], § 291.
Meyer-Gosau 2014, 140. Heinz Ludwig Arnold hat einem Aufsatz über Uwe Johnson den Titel gegeben »Beschreibung eines Beschreibers«: Arnold 2005, 234–262.
Vgl. Rusch 1999, 543.
Klotz 2013, 15f.
Nowotny 2005, 109.
Vgl. Evans 1999.
Vgl. Geertz 1995, 26.
Bischof 1983, 273f.
Maturana 1998, 85.
Perec 2014, 89–98, Zitate 89 und 93.
Vgl. Foerster 2001, 44.
Ein Überblick über die Beschreibung bei Halsall 1992; Nobis/Kaulbach 1971; Rippl 2005, 56–100.
Klotz 2013, 19.
Goody 1990; Eisenstein 1997; Giesecke 1998.
Certeau 1988, 246.
Certeau 1988, 246f.
Stagl 1992, 146f.
Sollbach 1989; Bremer/Ridder 1991; Buggisch 2004.
Greenblatt 1998, 62f.; Buggisch 2004, 15–21; Sollbach 1989, 40–48.
Simon 2014, 12, 96.
Beaujour 1981, 43; Angehrn 1995. Die Produktivität der Beschreibung gilt es vor allem auch gegen die Ablehnung dieser Darstellungsform durch Georg Lukács zu betonen. Denn Lukács hat in gut dialektischer Manier versucht, die Erzählung dichotomisch gegen die Beschreibung auszuspielen, obwohl beide doch vielfach aufeinander bezogen sind: Lukács 1971.
Hacking 1996, 221–226.
Vgl. beispielsweise Hans Blumenbergs ironisches Inventar: »Beobachtungen an der Verlegenheit zu definieren, was der Mensch sei«: Blumenberg 2014, 512–516.
Hacking 1996, 229.
Rheinberger 2007, 122.
Vgl. beispielsweise Groebner 2012.
Koschorke 2012, 9f.
Vgl. zur Illustration auch das bekannte Beispiel von Clifford Geertz über den Unterschied von Augenzucken und Augenzwinkern in Geertz 1995, 10–12.
Veyne 1990, 104. Vgl. auch Goertz 1995, 98–104. Theodor Lessing sprach in einem ähnlichen Zusammenhang von der »logificatio post festum«: Lessing 1983 [1919], 56–63.
Shields 2011, 120 (unter Rückgriff auf Ronald Suckenick).
Italo Calvino, Cosmicomics, München/Wien 1989, 355; Drügh 2006, 17.
Munz 2007, 325.
So bei Gottfried Benn, Gesammelte Werke in vier Bänden, hg.v. Dieter Wellershoff, Bd. 1, 7. Aufl. Stuttgart 1989, 509.
Berger/Luckmann 1980, 164.
Stockhammer 2014. Als Fallbeispiel vgl. Everett 2010, 319.
Das Ereignis der Schlacht ist ohnehin immer wieder Gelegenheit, um Probleme der Erkenntnis und der Wirklichkeitsdarstellung zu thematisieren. Vgl. Füssel/Sikora 2014; Füssel 2009.
Stendhal 2012 [1839], 59.
Stendhal 2012 [1839], 54–98.
Stendhal 2012 [1839], 66.
Stendhal 2012 [1839], 89.
Chladenius 1985 [1752], 9f.
Chladenius 1985 [1752], 115f.
Vgl. Angehrn 1995, 69.
Hampe 2009, 254–259.
Kroß 1999, 169f.
Agamben 2009a, 22–24. Vgl. auch Willer/Ruchatz/Pethes 2007, 10–20.
Lévi-Strauss 1973, 285.
Rancière 2014, 98f., 140.
Rancière 2014, 132, 206.
Kroß 1999, 185–187.
Arno Schmidt, Bargfelder Ausgabe. Werkgruppe III: Essays und Biografisches, Bd. 3: Essays und Aufsätze, Bargfeld 1995, 277.
Avanessian/Hennig 2012, 72.
Gehring 2001, 124, Zitat 128.
Makropoulos 2004, 371.
Agamben 1998, 13, 56f.
Agamben 1998, 62f. Vgl. hierzu auch Benjamins Begriff des ›Eingedenkens‹, welcher das Unabgeschlossene abschließen und das Abgeschlossene zu einem Unabgeschlossenen machen kann: Benjamin 1983, 588f.
Agamben 1998, 64.
Nowotny 1999, 109–118; Nowotny 2005, 131. Zu vergangenen Zukünften vgl. Hölscher 1999.
Foucault 2003, 309–332.
Corbin 1999.
Ginzburg 2002.
Daston 2001; Daston/Galison 2007; Krüger/Steinbrecher/Wischermann 2014; Chartier 1990; König 1996.
Zur ›Geschichte‹ als Fortschrittsgeschichte vgl. beispielsweise Carr 2001, 103–127.
Landwehr 2015c.
Dieser Ausdruck ist angelehnt an Bruno Latours symmetrische Anthropologie: Latour 2002.
Vgl. hierzu auch Adorno 2012, 104, über das Veraltete als die versäumte historische Möglichkeit.
Anders 1954.
Musil 2006, 16.
Agamben 1998, 68f.; Ricœur 1991, 368.
Andeutungen mit Blick auf eine Geschichte der Möglichkeiten finden sich bei Koselleck 1989, 205–207. Vgl. auch Salmi 2011.
Bourdieu 2014, 211f.
Menasse 1995.
Bloch 1962, 117.
Agamben 2009b, 51f.
Dosse 2004, 167.
Rancière 1996, 55. Vgl. Landwehr 2013b.
So z.B. Febvre 2002, 17.
Baecker 2013, 65.
Plessner 1983b.
Rorty 1994, 24.
Hierzu grundlegend Bauman 1995.
Arendt 2003, 105 (Hervorhebung im Original).
In diesem Sinn nennen Deleuze und Guattari die Mannigfaltigkeit als erstes Kriterium eines philosophischen Begriffs: Deleuze/Guattari 2000, 21. Jacques Rancière hat davon gesprochen, dass es eine Poetik der Nicht-Übereinstimmung der Mannigfaltigkeiten geben müsste: Rancière 2014, 96.
Goodman 1984, 16–18; Goodman 1987, 52–54.
Baecker 2013, 151.
Everett 2010, 14f.
Robert Menasse, Der Europäische Landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas oder Warum die geschenkte Demokratie einer erkämpften weichen muss, Wien 2012, 73.
Die Ausführungen dieses Kapitels wurden bereits veröffentlicht: Landwehr 2012c; Landwehr 2014a.
Einschlägige Artikel zum Begriff der Kritik finden sich in allen relevanten Lexika zur Philosophie und Begriffsgeschichte: Mittelstraß 1995; Breuer/Busch 2013. Vgl. auch Jaeggi/Wesche 2009; Koselleck 1973, 86f.
Luhmann 1991, 148.
Lessing 1995 [1767].
Vgl. Bröckling 2013, 319f.
Veyne 1990, 163.
Zur Befragung der Frage vgl. Derrida 1988, 22–31, 148–155.
Koselleck 1989, 38–66.
Vgl. Bloch 1992, 133f.
Nietzsche 2012 [1874], 269.
Nietzsche 2012 [1874], 270.
Nietzsche 2012 [1874], 293.
Foucault 1992, 11f.
Konersmann 2006, 108–127, 232f.
Butler 2011, 13f.
Vgl. Landwehr 2008.
Derrida 2012, 12f.
Boland 2014, 109f.
Butler 2011, 25. Vgl. auch Serres 2008, 196; Barthes 2006, 119f.
Butler 2011, 38.
Benjamin 1977, 258.
Kompridis 2013, 33f.
Derrida 2012, 14.
Max Horkheimer zit.n. Schweppenhäuser 2010, 18.
Horkheimer/Adorno 1998, 147.
Mit Jacques Revel gesprochen stellt diskontinuierliches Denken in der Geschichtsschreibung ein wichtiges, weil kritisches Werkzeug dar, mit dem man der allzu vereinfachenden Offensichtlichkeit der historischen Welt zu Leibe rücken kann: Revel 2010, 60.
Deeds Ermath 2003, 105f.
Deeds Ermath 2003, 106f.
Kompridis 2013, 36.
Vgl. Adorno 2006, 99–101.
Kompridis 2013, 36.
Ein Beispiel für einen solchen Möglichkeitsraum findet sich bei Anderson 1993, 156–170.
Ein solcher Ansatz würde dann wohl auch Bruno Latours Forderung entsprechen, dass Kritik nicht mehr damit assoziiert werden sollte, den naiven Gläubigen in entlarvender Manier den Boden unter den Füßen wegzuziehen, sondern mehr Ideen zu generieren: Latour 2007a, 55–60.
Kompridis 2013, 38f.
Plessner 1983a, 216.
Adorno 2003a, 338. Vgl. auch die Differenzen von traditioneller und kritischer Theorie bei Horkheimer 2011, 233f.
Derrida 2004, 11.
Breitenstein 2013, 101f.
Peter Bichsel, Irgendwo anderswo, Frankfurt a.M. 1999, 70.
Vgl. Domanska 2007, 200.
Eine weitgefächerte Diskussion des Zusammenhangs von Ethik und Geschichtswissenschaft findet sich u.a. bei Kühberger/Sedmak 2008; Carr/Flynn/Makkreel 2004.
Vgl. Bloch 1992, 133f.; Frei/van Laak/Stolleis 2000.
Vgl. Friedländer 1992. Zu den damit zusammenhängenden theoretischen und philosophischen Problemen vgl. Lyotard 1989.
Evans 1999, 227–231.
Ein Versuch, die Ethik als Absicherung gegen einen historischen Relativismus in Stellung zu bringen, findet sich bei Troeltsch 1995 [1924].
Schmidt 2003, 39f. Vgl. als Überblick Bongaerts 2012; Müller/Rüsen 1997.
Marquard 1982; Blättler 2013, 182f.
Thornton Wilder, Die Iden des März, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 1999, 286.
Lessing 1983 [1919].
Koselleck 2010, 9–31; Hartog 2011, Abs. 1.
Korte 2007, 49.
Ball 2010 [1927], 25.
Philip Roth, Verschwörung gegen Amerika, Reinbek bei Hamburg 2007, 159.
Vgl. Schlögel 2011, 594f.
Rusch 1999, 559.
Eshel 2012, 250f.
Schmidt 2003, 147f.
Maturana 1994.
Maturana/Varela 1987, 264.
Schmidt 2003, 151f. Vgl. auch Schmidt 2010.
Vgl. Hölscher 2003, 54.
Bourdieu 1993, 44.
Foerster 2001, 55 (Hervorhebung im Original).
Foerster 2001, 55f.
Foerster 2001, 46f.
Maturana 1998, 224.
Vgl. http://achimlandwehr.wordpress.com/2014/04/02/22-flache-geschichte (08.05.2014).
Vgl. Duby/Lardreau 1982, 139f.
Latour 2014, 249–253, Zitat 249 (Hervorhebung im Original).
Jorge Semprun, Was für ein schöner Sonntag, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 1994, 112.
Und um hier nicht auf Andere zeigen zu müssen, kann ich meine eigenen historischen Arbeiten als Beispiele für dieses etablierte linear-chronologische Darstellungsschema angeben: Landwehr 2000; Landwehr 2007.
Vgl. Certeau 1991, 117; Kracauer 1971, 133–154.
Flusser 1988. Zum Problem des Prozesses vgl. Landwehr 2015b.
Ebendas ist das Problem der ansonsten erhellenden kritischen Äußerungen von Vilém Flusser zur Linearität, dass er zur Erläuterung seiner These zunächst einmal eine lineare historische Erzählung voranstellen muss: Flusser 1988.
Vgl. Kompridis 2013, 34.
Newton 1999 [1687], 28. Man muss aber immer wieder deutlich darauf hinweisen, dass die absolute Zeit für Newton nur ein Modell war neben einer sozialen Zeit, wie sie im gesellschaftlichen Alltag benutzt wurde. Vgl. dazu auch Landwehr 2014b, 283–288.
Vgl. dazu beispielsweise jüngst (wenn auch mit einer nicht immer hinreichenden Diskussion des Zeitbegriffs selbst): Smolin 2014.
Michel Serres hat diesen Umstand als Syrrhese, als Zusammenfluss der Zeiten bezeichnet: Serres 1994, 104–106.
Wittgenstein 1999a [1922], 5.1361 (Hervorhebung im Original).
Vgl. Certeau 1991, 118f.
Hölscher 2013, 145.
Ernst 2013, 43.
Bevernage 2014, 14.
Aravamudan 2001, 344.
Luhmann 1990, 98.
Augustinus 1987, 641–643.
Zur Kritik linearer Zeitmodelle vgl. auch Serres 2008, 75–95.
Braudel 1992; Braudel 1998, Bd. 1, 20f.
Koselleck 2003.
So auch explizit Serres 2008, 93; Serres 1994, 92f.
Vgl. Pichler/Ubl 2009.
Landwehr 2012b.
Osborne 2013, 81.
Schlögel 2002, 314f.
Serres 2008, 93. Vgl. auch Malich 2011, 371f.
Latour 2014, 41.
Veyne 1992, 13f.
Deleuze/Guattari 1977.
Schollwöck 2007; Ruhnau 1998, 79f.; Hawking 1991, 181–193; Cramer 1993, 43–45; Kaempfer 1996, 13f.
Smolin 2014, 277f.; Stöckler 2007, 129f.
Adam 2005, 34.
Vgl. James 2001, 122.
Koselleck 1989, 50.
Koselleck 1989, 50.
Koselleck 1989, 50f.; Koselleck 1975.
Koselleck 1989, 51–54, Zitat 54. Vgl. auch Lorenz 1997, 362f. Ein Überblick zu den Zeitbegriffen Kosellecks bei Escudier 2009.
Sawilla 2004, 419–428.
Marquard 1986, 54–75.
Droysen 1977 [1857], 441.
Zu den Schwierigkeiten einer solchen Trennung von ›Modernen‹ und ›Nicht-Modernen‹ vgl. Latour 2002.
Eine Diskussion dieser Problematik findet sich bei Assmann 2013.
Koselleck 2010, 28. Vgl. auch Ricœur 1991, 414.
Hampe 2014, 43.
Adorno 2003a, 330.
Vgl. Aravamudan 2001, 344.
Zur Wolke vgl. auch Serres 1993, 7–42.
Laclau/Mouffe 2000, 150.
Sofri 1998, 64.
Sofri 1998, 85.
Blättler 2013, 185.
Derrida 2004, 34 (Hervorhebungen im Original).
Derrida 2004, 40.
Hier ist nochmals der Verweis auf die Pluritemporalität angebracht: Landwehr 2012a, Landwehr 2012b.
Derrida 2004, 219f. Vgl. auch Kleinberg 2007.
Sebald 2006, 269.
Derrida 2004, 62.
Derrida 2004, 61f.
Derrida 2004, 11.
Vgl. Raphael 2009.
Hierzu Smolin 2014, zu Einsteins Raumzeit insbesondere 103–107. Vgl. auch Sandbothe 1998, 15.
Für eine Zurückweisung des Raum-als-Container-Modells vgl. Löw 2001.
Nassehi 2008, 196.
Barad 2012, 15.
Andere Verwendungsweisen von Zeitschaft/timescape finden sich bei Geißler 2002, 137; Adam 1998. Verwendet hat ihn ebenfalls Ruth Klüger (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=10438; zuletzt eingesehen am 7.6.2012) und ein gleichnamiger Science-Fiction-Roman von Gregory Benford. Ein erster, nicht mehr als tastender Versuch zur Bestimmung der Zeitschaft meinerseits findet sich in Landwehr 2014b, 39f.
Zur Landschaft vgl. beispielsweise Trepl 2012.
Entsprechende Einsichten lassen sich beispielsweise gewinnen bei Stille 2002, 7–10; Merseburger 2004; Stierle 1998; Certeau 1988, 353–355.
Sebald 2004.
Sebald 2004, 151f.
Rancière 1994, 150.
Liessmann 2002, 34.
Herkunft, Lebensablauf – Unsinn!
Gottfried Benn[1]
Ich müsste nicht mit einer Zeitreise beginnen. Ich könnte auch durchaus anders einsetzen, mit der einen oder anderen Begriffsdefinition beispielsweise oder mit einer näheren Beschreibung des Themas. Ich könnte versuchen, im Allgemeinen wie im Besonderen die Probleme des Gegenstands zu diskutieren, könnte die Schwierigkeiten andeuten, die sich mit dem ehrfurchtgebietenden Ausdruck ›Geschichte‹ verbinden. Aber dann würde ich so tun, als sei das, worum es hier gehen soll, bereits klar. Und das ist es nicht.
Die Zeitreise scheint mir – so befremdlich das zunächst klingen mag – der einfachere Weg. Sie wird notwendig sein zum Verständnis all der folgenden Verwicklungen. Zugegeben, man könnte das eine oder andere Argument finden, um ausgerechnet die Zeitreise für einen weniger gelungenen Einstieg zu halten. Aber anfangen muss man ja. Das ist einer der vielen Punkte im Umgang mit vergangenen Zeiten, die sich als Fluch und Segen zugleich herausstellen: gezwungen zu sein, irgendwo und irgendwie anfangen zu müssen, um im Anschluss genau diese Anfänge wieder historisch zu unterspülen.[2] Bekanntlich wartet vor jedem Anfang ja schon ein anderer, früherer Anfang, der dem ersten vorausgeht. So kann man sich die Zeitleiter hinunterhangeln, bis man beim ›ersten Menschen‹ oder beim ›Urknall‹ angelangt ist: nichts anderes als mehr oder minder fiktive Modelle der Ursprünglichkeit. Wenn man einen Anfang hat, hat man ein Problem.
Was letztlich für die Zeitreise spricht, ist ein Ausschlusskriterium. Wie sollte man ansonsten den Weg hineinfinden in einen Gegenstand, der eine alles überragende Totalität darstellt? Schließlich bezeichnet dieses so selbstverständlich und unproblematisch erscheinende Wort ›Geschichte‹ nichts weniger als die Gesamtheit alles Geschehenen (in einem sinnvollen Zusammenhang), mithin alles, was wir potentiell wissen können. Wie soll man damit halbwegs angemessen umgehen? Sich der Tatsache bewusst zu sein, dass diese Totalität der Geschichte nicht zu erfassen ist, macht die Sache eigentlich nur noch schlimmer. Denn wie sollte man ein alles überwölbendes Etwas, das schlussendlich alles den Menschen Betreffende in sich fasst und das gerade deswegen unfassbar bleibt, anders bezeichnen denn als göttlich? Geschichte als Gottersatz – und Geschichtsschreibung als Ersatzreligion. Gibt es noch irgendetwas, von dem es keine Geschichte geben kann? Nicht nur alles Lebende, Materielle, Immaterielle oder Ideelle ist der totalen Historisierung unterworfen worden, auch von der Geschichte selbst gibt es eine Geschichte. Und vom Nichts. Wenn eine Beschreibungsform bereits sich selbst und die eigene Negation enthält, wie kann man sie dann noch angemessenerweise bezeichnen? Was für ein Monster haben wir da gezüchtet, wenn zwar die einzelnen Ergebnisse historischer Arbeit bezweifelt werden können, aber nicht mehr die Idee einer ›Geschichte‹ in ihrer Gesamtheit?[3]
Geschichte als Gottersatz zu begreifen, ist nicht gar so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn sowohl die Geschichtsphilosophie jüngerer Prägung als auch die akademisch installierte Geschichtswissenschaft haben ihre Geburtsstunde in der Zeit des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts – also in genau jenem Zeitraum, der nicht selten als Beginn der ›Moderne‹ apostrophiert wird und der sich entscheidend von den traditionellen Weltbildern und religiösen Erklärungsmustern der sogenannten ›Vormoderne‹ verabschiedet haben soll.
Dass solche Erklärungsmuster nicht selten säkularisiert gewandelte Varianten vormals religiöser Deutungen sind, kann man am Beispiel der Geschichtsphilosophie ablesen. Sie betrat zu einer Zeit die Bühne, als religiöse Erklärungsmodelle und heilsgeschichtliche Deutungen allmählich verblassten. Bis dahin dominierende Antworten auf die Fragen, woher wir kommen und wohin wir gehen, verloren merklich und nachhaltig an Überzeugungskraft. Die Frage nach dem Sinn, der hinter all den Veränderungen steckte, konnte nicht mehr überzeugend durch den Verweis auf die göttliche Vorsehung beantwortet werden. Abgang Religion, Auftritt Geschichtsphilosophie, wie sie nicht zuletzt durch Georg Friedrich Wilhelm Hegel wesentlich geprägt wurde. An die Stelle Gottes war nun ›die Geschichte‹ getreten, die aufgrund der ihr inhärenten Sinnhaftigkeit und Zielstrebigkeit einen Prozess abspulen ließ, der – wenn auch unter Irrungen und Wirrungen – einen sinnhaften Ablauf nachvollziehbar machte. Das säkulare Unternehmen der Geschichtsphilosophie machte es möglich, Transzendenz und Heilsversprechen von der Vertikalen in die Horizontale zu kippen. Die Aussicht auf das Heil wurde nicht zum Verschwinden gebracht, sondern in die Geschichte verlegt.[4]
Die Geschichtsphilosophie und in ihrem Gefolge die sich als eigene Universitätsdisziplin etablierende Geschichtswissenschaft schienen für einen Moment in der Lage zu sein, die Bedeutung des Weltgeschehens erklären zu können – ihre eigene Historizität dabei geflissentlich übersehend. Dass beide zu dieser Verantwortung aufsteigen konnten, lag nicht zuletzt in dem Versprechen, etwas diesseitig überblicken zu können, dessen man bis dahin nur jenseitig ansichtig werden konnte: die zusammenhängende Bewegung der Menschheit durch die Zeit. Um derartige Abläufe in ihrer Gesamtheit nicht nur erkennen, sondern auch anschaulich machen zu können, brauchte es wahrlich eine göttliche Perspektive.
Und man darf Zweifel daran hegen, ob sich die Auffassungen des frühen 21. Jahrhunderts von ›der Geschichte‹ tatsächlich gänzlich frei gemacht haben von solchen quasi-göttlichen Perspektiven. Selbst als Jean-François Lyotard in seinem Plädoyer für das postmoderne Wissen aus dem Jahr 1979 das Ende der großen Erzählungen verkündet hat, also das Verblassen der Fortschrittsgeschichten von Liberalismus und Marxismus, spielten sich diese Erzählungen immer noch in einem historischen Rahmen ab. Die größte aller großen Erzählungen blieb von Lyotard ausgeklammert: die Geschichte selbst.[5] Robert Menasse konnte daher mit Recht davon sprechen, dass es sich bei ›der Geschichte‹ um den größten historischen Irrtum handele: »Wenn es einen ›Misthaufen der Geschichte‹ gibt, dann ist das, was am dringendsten auf diesen Misthaufen gehört, unser Begriff von Geschichte selbst.«[6]
Mit einer Zeitreise zu beginnen, ist also möglicherweise nicht der offensichtliche Weg. Aber wenn es stimmt, dass Umwege die Ortskenntnisse erweitern, dann könnte das auch für die Zeitkenntnisse zutreffen.
Das scheint nicht zuletzt die Hoffnung vieler zu sein, die sich auf Vergangenheit und ›Geschichte‹ einlassen: nicht nur die Zeitkenntnisse zu erhöhen, sondern auch Möglichkeiten zu finden, Reisen in diese vergangenen Zeiten anzutreten. Die Rede von der »Reise in die Vergangenheit« bleibt dabei zwar metaphorisch, so dass man gemeinhin nicht davon ausgeht, einen solchen Ausflug physisch tatsächlich antreten zu können; allerdings machen die zahlreich vorhandenen fiktionalen Beschreibungen solcher Zeitreisen deutlich, wie groß die Sehnsucht ist, einmal die eigene Gegenwart verlassen zu dürfen.[7]
Das Faszinosum des Temporaltourismus bleibt aber nicht auf den Bereich des Fiktionalen beschränkt, sondern findet sich als (zumindest vage) Hoffnung auch in der Begegnung mit historischen Gegenständen. Möglich werden soll die unmittelbare Teilhabe an der Aura des Vergangenen durch den Besuch historischer Stätten, durch die Begegnung mit bestimmten Menschen (der bekannte Klassentreffen- beziehungsweise Zeitzeugen-Effekt) oder durch den Kontakt mit historischen Dokumenten. Jemandem eine mittelalterliche Urkunde nicht nur hinter Glas im Museum vorzuführen, sondern tatsächlich in die Hand zu geben, setzt nicht nur bestimmte intellektuelle Vorgänge frei, sondern führt auch zu gewissen körperlichen Reaktionen: Die Ausstrahlung des Originals und die Ehrfurcht vor dem jahrhundertealten Schriftstück, wie sie sich in Archiven und Bibliotheken bei entsprechenden Situationen regelmäßig beobachten lassen (und die in abgeschwächter, weil sicherheitsglasgeschützter Form auch im Museum eintritt), haben nicht nur etwas mit dem objektiven materiellen Wert des seltenen Objekts zu tun. Sie funktionieren auch bei minderwertigen Schriftstücken aus der Massenproduktion – und zwar weil dieses Material bereits mehrere Jahrhunderte Zeitreise hinter sich gebracht hat. Zumindest unterschwellig scheint hier die Vorstellung vorzuherrschen, es sei möglich, mittels eines solchen Dokuments den Weg zurück anzutreten: nicht auf dem Papier haltzumachen, sondern gewissermaßen durch das Papier hindurch in die Vergangenheit zu schreiten – und wie Alice hinter den Spiegel zu treten.
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga, der insbesondere durch sein 1919 erschienenes Buch »Herbst des Mittelalters« bekannt geblieben ist, hat für dieses Überschreiten historischer Distanzen eigens den Begriff der ›historischen Empfindung‹ geprägt. Es war die vage Ahnung historischer Unmittelbarkeit, die sich ihm in der Arbeit mit dem Material aus der Vergangenheit erschloss: »Es kann sein, daß solch ein historisches Detail, in einem Bild, aber es könnte ebenso gut in einer Notariatsakte sein, während es mir als solches unwichtig ist, mir auf einmal das Gefühl eines unmittelbaren Kontaktes mit der Vergangenheit gibt, eine Erregung ebenso intensiv wie der reinste Kunstgenuß, eine (lache nicht) beinahe ekstatische Empfindung des Nicht-mehr-ich-selbst-Seins, des Überfließens in die Außenwelt, der Berührung mit dem Wesen der Dinge, des Erlebens der Wahrheit durch die Geschichte.«[8]
Der Geschichtstheoretiker und -philosoph Frank R. Ankersmit baut explizit auf Huizinga auf, wenn er in einem erstmals 1993 erschienenen Beitrag ebenfalls die historische Erfahrung als eine Form des unmittelbaren Kontakts mit der Vergangenheit hervorhebt. Diese Erfahrung sei zu verstehen als »das Ergebnis einer flüchtigen Aufhebung der Zeitdimension« und »führt uns damit in eine vor-erkenntnistheoretische Denkwelt zurück, innerhalb derer die Frage, ob man sich in Sachen historischer Erfahrung irre oder nicht, ein ›Kategorienfehler‹ ist«.[9]
Hier kommt er also zum Ausdruck, der Wunsch nach Authentizität in historischen Angelegenheiten. Fragen nach ›wahr‹ oder ›falsch‹ stellen sich nicht mehr, weil die Unmittelbarkeit des nachträglichen Sichhineinversetzens (anstatt des unmittelbaren Dabeigewesenseins) jegliche Infragestellung ad absurdum führt. Kritische Nachfragen müssen bei einem solchen Verständnis historischer Erfahrung oder Empfindung außen vor bleiben – damit aber auch jede methodische Kontrolle oder wissenschaftliche Reflexion.
Der Wunsch nach geschichtlicher Unmittelbarkeit rückt die historisch Arbeitenden unweigerlich in die Nähe von Genies, denn über eine solche Form der Einfühlung in die Vergangenheit zu verfügen kann nicht jedem gegeben sein. Sind Historikerinnen[10] also Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft, eingeweiht in die Geheimnisse des Überwindens temporaler Hindernisse und in der Lage, aus einem schnöden, jahrhundertealten Dokument vergangene Welten wiederauferstehen zu lassen? Gelingt ihnen aufgrund besonderer, in der Gegenwart erworbener Qualitäten der Sprung in ein weit zurückliegendes Gestern? Populäre Darstellungen der historischen Praxis evozieren zumindest regelmäßig solche Bilder einer detektivischen Forschungsarbeit, an deren Ende vergangenes Leben wiederaufersteht. Und selbst in so unschuldig anmutenden Formulierungen wie der ›Rekonstruktion der Vergangenheit‹ offenbaren sich noch solche Wünsche. Denn rekonstruieren kann man strenggenommen nur, was einstmals existierte, in trümmerhafter Form noch vorhanden und des Wiederaufbaus fähig ist. Es ist genau diese historische Gretchenfrage, wie wir es nämlich mit der Bedeutung der Geschichte in unserem Leben halten wollen, die historistisch anmutende Bauprojekte wie die Wiedererrichtung längst zerstörter Schlösser oder den Neubau untergegangener Altstädte immer wieder so umstritten macht.
Dass Zeitreisen möglich sind, wurde empirisch schon längst bewiesen. Einstein hatte im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie bereits vorausgesagt, dass ein Astronaut, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit den Weltraum durchquert, nach seiner Rückkehr auf die Erde deutlich weniger gealtert sein müsste als sein daheimgebliebener Zwillingsbruder. Er würde sich nicht nur durch den Raum, sondern auch in die Zukunft bewegen. 197160[11]