Juliane Pieper
New York für die Hosentasche
Was Reiseführer verschweigen
FISCHER E-Books
Juliane Pieper hat sich drei Jahre lang in New York umgesehen. Heute lebt sie als Autorin und Illustratorin mit Mann und Kind in Berlin.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
New-York-Expertin Juliane Pieper verrät Kurioses, Ungewöhnliches und Besonderes über die Stadt, über die die meisten Lieder geschrieben wurden, in der die größten Stars wohnen und in der es vollkommen unmöglich ist, sich auch nur eine Minute zu langweilen.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Geviert, Grafik & Typografie, München
Coverabbildung: Juliane Pieper
Abbildungen Innenteil: Juliane Pieper
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403166-8
Drei Jahre habe ich in New York gelebt. Erst folgte ich meiner eigenen Lust auf diese unglaubliche Stadt, in der man als Illustratorin so viel lernen kann, später erhielt ich glücklicherweise ein Fulbright-Stipendium für die New Yorker Kunsthochschule »Fashion Institute of Technology«. Das deckte die hohen amerikanischen Studiengebühren zumindest teilweise ab. Alles Weitere verdiente ich mir neben dem Studium als Freiberuflerin dazu. Das war gar nicht so leicht. Dafür war ich in New York.
New York ist auch eine Stadt des Geldes, kein Wunder, denn die Stadt zieht es einem ständig aus der Tasche. Dafür bekam ich auch andauernd etwas geboten: Ich habe gesehen, wie Hunde Gassi getragen werden, wie jede Frau zur Maniküre geht und sicher jeder zweite Mann – und jede dritte Katze. Ich habe überdurchschnittlich viele Artikel über den überdurchschnittlich hohen Frauenüberschuss in dieser Stadt gelesen, habe erlebt, dass hier alle mehrere Eisen im Feuer bzw. Typen an der Hand haben, und meine Schlüsse daraus gezogen, wieso es so viele »Cheap Divorce! Call XXX!«-Werbeschilder gibt. Über die Willkür der U-Bahn-Fahrtzeiten außerhalb von Manhattan habe ich mich gewundert, die Renaissance des Einweckens und Einlegens durfte ich live in Brooklyn miterleben. Dazu genoss ich eingelegte Gürkchen aus dem Biomarkt für zehn Dollar und habe nicht nur einmal auf der Promenade von Brighton Beach zur Mittagszeit ausgelassen neben Hippies und Omis getanzt und »Brooklyn Lager« und »Sierra Nevada Pale Ale« getrunken (aber niemals »Bud Light«!).
Vor allem aber habe ich unzählige Menschen getroffen, die nirgendwo lieber wären als in New York.
Man kann in New York ein ganz normales Leben führen – wenn man verrückt ist.
Nicht viel Geld zu haben macht das Leben dort manchmal schwer, nicht reich zu sein ist auch schon ein Nachteil. In New York leben Vierzigjährige noch in WGs. Die sind oft sehr schick eingerichtet, ein Zimmer kostet so viel wie in Berlin eine ganze Wohnung, aber nicht jeder läuft auf dem Weg nach Hause gern an verwaisten Autowerkstätten und Brachflächen vorbei.
Die U-Bahn ist nachts und frühmorgens voller schlafender Menschen, darunter viele Einwanderer: Mexikaner, Dominikaner, Inder, Vietnamesen, die auf dem Hinweg zu oder dem Heimweg von ihren Zwölf-Stunden-Schichten sind, in denen sie umgerechnet drei Euro die Stunde verdienen. Viele Leute können sich keine Krankenversicherung leisten, deswegen haben in New York viele Leute schiefe Zähne oder gar keine. Und statt Ergotherapie gibt es einen Gehstock. In New York gibt es alles: Gutes wie Schlechtes, sehr Schönes und sehr Trauriges. Nirgendwo sonst habe ich so eine Vielfalt an Menschen erlebt: so viele Herkunftsländer, Religionen, Weltanschauungen! Reiche, Künstler, Touristen, Studenten, Senioren … Das macht das Leben in New York bunt und inspirierend, nicht selten ist es für Besucher wie Bewohner auch anstrengend. Das gehört in New York dazu: Es ist fordernd, dafür nie langweilig.
Ein Mann, der mir auf der Straße wegen meiner etwas zu lang geratenen Nase ein »I LOVE YOUR NOSE!« zuruft, ist mir woanders noch nie begegnet. In New York wird das Anderssein nicht beäugt, sondern zelebriert. Und es gibt viele Anlässe dafür: Hier sammeln sich die aufregendsten Menschen der Welt, die alle gemeinsam haben, dass sie ein kleines bisschen besonders sind: besonders klug, besonders lustig, besonders hübsch, besonders liebenswürdig – nicht selten auch besonders durchgeknallt.
New York ist hin und wieder auch so, wie man es sich vorstellt und aus den Filmen und Krimiserien kennt. Ab und zu ist eine dieser gelben Plastikabsperrungen dabei, hinter der das Opfer (hoffentlich) mit einem weißen Tuch abgedeckt ist.
Aber nur in den Krimiserien leben die einsamen Kommissare in dunklen Wohnungen mit verschlossenen Jalousien, durch die die blinkende Leuchtreklame der Oben-Ohne-Bar gegenüber durchscheint und das Rattern und Quietschen der U-Bahn zu hören ist. Ich habe nie in solchen Wohnungen gelebt. Vielleicht weil Giuliani die Oben-Ohne-Bars verboten hat?
Der ehemalige Bürgermeister von New York hat auch das spontane Tanzen in Kneipen verboten. Und sein Nachfolger Bloomberg das Salz im Essen. Big Brother in der Großen Freiheit. Die New Yorker tanzen einfach spontan auf der Straße, zum Beispiel zur großartigen Straßenmusik, die an U-Bahnhöfen wie am Times Square geboten wird.
Manchmal treibt einen die Stadt auch in den Wahnsinn, wegen der überschwemmten Straßen, wenn man auf der Post nach zwei Stunden Warten unfreundlich abserviert wird, es einem in der U-Bahn-Station auf den Kopf tropft, während der Zug einfach nicht kommt. New York kann ganz schön oll sein. Und diese Aussage steht bisher in wirklich keinem Reiseführer, meine Damen und Herren. (Vielleicht, das muss ich gestehen, weil sehr viel häufiger dieses »oll« ein paar Meter weiter wieder mit einem zusätzlichen »T« am Anfang versehen werden kann.)
Die Stadt ist ein Mythos. Und sie ist so groß, dass man dort jederzeit neue Schätze entdecken kann. Im Dorf kennt jeder alles, in New York aber werden immer neue Geheimtipps aufgespürt: wo es zum Beispiel die beste Pizza gibt, den besten Burger, die tollste Wurst, die knackigste Kunst. Aber auch die miesesten Bagels, das ödeste Musical, das bescheuertste Theaterstück. New Yorker, selbst die nettesten, haben eine spitze Zunge. Dafür mag ich sie besonders: Man findet kaum einen bissigeren Humor auf der Welt.
New Yorker haben zu allem eine Meinung. Wenn sie etwas mögen, finden sie es richtig, richtig großartig: »Great!«, »Awesome!«, »Amazing!«, »Hilarious!« Das Ausrufezeichen ist des New Yorkers liebstes Satzzeichen.
Ein Freund auf Besuch zeigte einmal auf ein Schild mit der Aufschrift »Best Burger in the World!« und schaute mich erwartungsvoll an. »Das ist nur ein Schild, Mark«, antwortete ich ihm. Genau genommen gibt es in den USA nur Schilder zu kaufen, die »best of«, »world-famous«, »mega super« in Kombination mit »in the world«, »in the universe« oder »in the galaxy« enthalten. Understatement ist ein britisches Wort, kein amerikanisches.
In New York kann auch ein Neuankömmling Experte werden. Man muss nur eine Gegend wählen, in der sonst keiner aus der Peergroup wohnt. Allerdings kann es sein, dass man dann nie Besuch bekommt. Vielleicht auch wegen der Kriminalstatistik der zwielichtigen Nachbarschaft. Wobei auch das mittlerweile kaum noch stimmt: New York ist heute selbst in ehemals schwierigen Gegenden freundlich und sicher geworden.
Man muss New York nicht immer lieben – aber ich kenne wirklich niemanden, der sich nicht gleich beim ersten Besuch heftig in die aufregendste Stadt der Welt verknallt hat.
Park Avenue 432
Der 2016 eröffnete Wolkenkratzer mit der Adresse 432 Park Avenue ist das dünnste und höchste Hochhaus New Yorks. Für 17,4 Millionen Dollar können Sie darin zum Beispiel eine Zweizimmerwohnung im 42. Stock erwerben.
New York City besteht aus fünf Stadtteilen: Manhattan, die Bronx, Queens, Brooklyn und Staten Island. Mit 7 % der Gesamtfläche (= 59 km2) ist Manhattan der kleinste Stadtteil von New York. In ihm leben rund 20 % der Einwohner. Rund 14 % der Bodenfläche sind Parkanlagen, ein großer Teil davon ist mit 2 km2 der Central Park.
New York ist Namensgeber des Staates New York. Dessen Hauptstadt, Albany, liegt 251 Kilometer nördlich.
New York liegt auf demselben Breitengrad wie Neapel. Die exakte geographische Lage ist 40° 42’ nördlicher Breite und 74° westlicher Länge.
Mit Ausnahme der Bronx liegen alle New Yorker Stadtteile auf Inseln. Die Bodenfläche der fünf Stadtteile beträgt zusammen rund 785 km2.
New Yorks Küste ist 930 km lang. Die Stadt wird von zwei Buchten des Atlantischen Ozeans (Lower Bay an der Südküste von Long Island und Upper Bay an der Südspitze von Manhattan) sowie vom Hudson River und dem East River umschlossen.
Rund 23 km der 930 km Küste sind Strand. An manche Strände gelangt man sogar mit der U-Bahn. Da der Meeresgrund vor New York steil abfällt bei gleichzeitig geschützter Lage, entstand vor Manhattan einer der größten Häfen der Welt.
Der Boden der Insel besteht aus sogenanntem Manhattan-Schiefer und Inwood-Dolomit, die das Gewicht der Wolkenkratzer glücklicherweise gut aushalten. Da kaum Platz für die wachsende Stadt vorhanden war, musste nach oben gebaut werden. Man stelle sich vor, Manhattan wäre eine Sandinsel – das New York, das wir kennen, gäbe es nicht. Dafür viele schöne Bungalows.
In den beiden King-Kong-Filmen aus den Jahren 1933 und 2005 klettert King Kong an die Spitze des Empire State Buildings, bevor er tragisch in den Tod fällt. In der Version von 1976 steigt er in den Südturm des World Trade Centers und springt in den Nordturm. Das Chrysler Building und das Flatiron Building sind bisher von einem überdimensionierten Affen verschont geblieben.
Eines der schönsten Gebäude der Welt im Art-Déco-Stil, das 1930 mit 319 Metern noch das höchste Gebäude der Welt war, aber kurz darauf vom Empire State Building geschlagen wurde. Inzwischen ist es nur noch das fünfthöchste Gebäude New Yorks.
Als Firmensitz und Symbol für das Autowerk Chrysler wurde die Fassade aus rostfreiem, in der Sonne glänzendem Autostahl gefertigt.
Einige Mauervorsprünge sind mit stilisierten Autos und wasserspuckenden Kühlerfiguren verziert. Im Erdgeschoss findet sich verschwenderischer Marmor und ein Deckengemälde, das die vermeintlichen Errungenschaften des Industriezeitalters darstellt. Ansonsten (leider nur) ein Bürogebäude.
Architekt: William van Alen. Dessen Rechnung wurde von Herrn Chrysler leider nie bezahlt.
Das Chrysler-Gebäude ist das weltweit höchste Backsteingebäude und besteht aus 3826000 Steinen.
Es war das erste Gebäude der Welt, das höher war als 1000 Fuß (ca. 305 Meter).
Das Chrysler Building verfügt über 32 Aufzüge und 77 Stockwerke.
Das Empire State Building verfügt über 103 Stockwerke und ist auf Dachhöhe 381 Meter hoch. Rechnet man den Antennenturm dazu, kommt man sogar auf 443,2 Meter.
Es wurde von William Lamb entworfen.
Rund 3400 Arbeiter waren am Bau beteiligt, fünf Arbeiter starben.
Der Bau dauerte nur 410 Tage.
Das Gebäude wurde offiziell am 1. Mai 1931 eröffnet.
Zwischen 1931 und 1972 war das Empire State Building das höchste Gebäude der Welt.
Es gibt 6514 Fenster im Empire State Building.
Von der Straße bis zur 103. Etage muss man 1872 Schritte machen. Jedes Jahr findet ein Rennen auf der Treppe bis zum 86. Stock statt, die Athleten erklimmen insgesamt 1576 Stufen. 2014 gewann der Norweger Thorbjørn Ludvigsen den Lauf, er brauchte zehn Minuten und sechs Sekunden.
Es gibt 73 Aufzüge, darunter sechs Lastenaufzüge.
Weil so viele Unternehmen in dem Wolkenkratzer untergebracht sind, hat das Empire State Building seine eigene Postleitzahl, die 10118.
Der Bau kostete 24718000 Dollar, zusammen mit den Grundstückskosten kommt man auf 40948900 Dollar. Dieser Preis entsprach – aufgrund der Weltwirtschaftskrise – weniger als der Hälfte der gesamten vorausgesehenen Kosten. Wäre es doch nur dem Berliner Flughafen BER und der Hamburger Oper auch so ergangen.
In den Blitzableiter in der Nähe der Spitze schlägt rund 23-mal pro Jahr ein Blitz ein.
Es befinden sich Aussichtsplattformen auf der 86. und 102. Etage. Diese werden von rund vier Millionen Menschen jährlich besucht.
Am 28. Juli 1945 stürzte ein Army Air Corps B-25 in den 79. Stock.
Das Empire State Building wurde nach der Zerstörung des World Trade Centers im Jahr 2001 wieder das höchste Gebäude in New York City. Seit April 2012 übertrifft das neue One World Trade Center mit einer Höhe von 541,3 Metern das Empire State Building in der Höhe.
Die Architektur des dünnen, aber hohen, dreieckigen Gebäudes und die Stahlkonstruktion waren beim Bau so ungewohnt und neuartig, dass viele befürchteten, dass das Gebäude nicht stabil genug sein würde und umfallen könnte.
1998
Es gab ursprünglich keine Damentoiletten.
2120