Iny Lorentz

Juliregen

Roman

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Iny Lorentz

Hinter dem Namen Iny Lorentz verbirgt sich ein Münchner Autorenpaar, dessen erster historischer Roman »Die Kastratin« die Leser auf Anhieb begeisterte. Mit »Der Wanderhure« gelang ihnen der Durchbruch; der Roman erreichte ein Millionenpublikum. Seither folgt Bestseller auf Bestseller. Die Romane von Iny Lorentz wurden in zahlreiche Länder verkauft. Besuchen Sie auch die Homepage der Autoren: www.iny-lorentz.de

Impressum

Originalausgabe Juli 2011

Copyright © 2011 by Knaur Taschenbuch.

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Copyright © 2011 der eBook Ausgabe by Knaur eBook.

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Regine Weisbrod

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung:FinePic®, München

ISBN 978-3-426-40950-3

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.


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Erster Teil

Der Brand

I.

Ununterbrochen flammten Blitze auf und tauchten den Himmel in blendend grelles Licht. Donnerschläge wurden zu einem schier endlosen Grollen und Krachen. Kreischend vor Angst, rannten die Mägde quer über die Felder auf den Gutshof zu, während die Knechte verzweifelt versuchten, das letzte Heu auf den Wagen zu laden und die Ernte zu retten. Auch sie zuckten bei jedem heftigeren Schlag zusammen und flehten Gott und alle Mächte des Himmels an, sie zu verschonen.

»Verdammt, wollt ihr wohl arbeiten!«, brüllte Ottwald von Trettin, doch seine Stimme ging im infernalischen Lärm der entfesselten Elemente unter. Mit einer heftigen Bewegung stieß er seinem Wallach die Sporen in die Seiten und galoppierte auf die Knechte zu.

»Macht schneller, ihr Hunde! Sonst ziehe ich euch die Peitsche über!«

Hannes, der Vorarbeiter, stemmte eben eine volle Gabel Heu in die Höhe, doch eine Windbö erfasste die Halme und riss die meisten mit sich. Der Rest fiel auf dem Wagen von der Gabel, da die oben stehende Magd ihn nicht festhalten konnte.

»So wird das nichts mehr, Herr«, rief Hannes zu Ottwald von Trettin hinüber. »Wir sollten zusehen, dass wir nach Hause kommen, bevor der Regen fällt!«

Als Antwort erhielt er einen scharfen Hieb mit der Reitpeitsche. »Mach, dass du weiterschaffst! Den Mägden, die weggelaufen sind, ziehe ich den halben Wochenlohn ab. Das wird sie lehren, wegen so eines kleinen Gewitters das Feld zu verlassen. Los, ran an die Arbeit, oder ihr lernt mich kennen!«

Der Vorarbeiter rieb sich die Stelle, an der ihn sein Herr mit der Peitsche getroffen hatte, und starrte auf das Heu, das die Mägde fein säuberlich zu Schwaden zusammengerecht hatten. Weiterzuarbeiten war sinnlos, denn der böige Wind riss die Schwaden immer wieder auseinander. Unter diesen Bedingungen war es unmöglich, den Wagen vollzuladen. Doch wenn er das dem Gutsherrn sagte, würde es ihm nur weitere Hiebe einbringen. Daher spießte er so viel Heu wie möglich auf die Gabel und reichte es nach oben.

»Reiß dich zusammen, Ursel!«, schrie er durch das Donnergrollen zu der Magd hoch.

Die Frau greinte vor Angst und wäre am liebsten den Mägden gefolgt, die sich bereits auf halbem Weg zum Gut befanden. Doch ohne Hilfe der Knechte konnte sie den bereits hoch beladenen Wagen nicht verlassen.

»Wir müssen heimfahren, Hannes«, flehte sie.

»Wenn es nach mir ginge, wären wir schon unterwegs. Aber er will es nicht.« Hannes deutete auf Ottwald von Trettin, der gerade um den Wagen herumritt und die Knechte auf der anderen Seite anschrie, das Heu aufzuladen.

»Mach schon, Mädchen! Hilf uns, den Wagen vollzuladen. Umso schneller sind wir fertig und können die Fuhre ins Trockene bringen.«

Kaum hatte Hannes das letzte Wort hochgerufen, da schoss ein Blitz geradewegs über sie hinweg auf den Gutshof zu. Die Knechte duckten sich unwillkürlich, und Ottwald von Trettin hatte Mühe, sein scheuendes Pferd zu bändigen. Im nächsten Moment krachte ein Schlag über das Land, der die Menschen für eine Weile taub machte.

Oben auf dem Wagen hatte Ursel den besten Ausblick und nahm das Unglück als Erste wahr. Wild fuchtelnd deutete sie auf die große Scheune des Gutes. »Da hat es eingeschlagen!«

Rauch und erster Flammenschein zeigten auch den anderen, was geschehen war. Während Hannes voller Entsetzen den Heiland anrief, fluchte der Gutsherr gotterbärmlich. »Verdammt, es brennt! Los, Leute! Wir müssen sofort löschen!«

Während die Knechte ihre Heugabeln beiseitewarfen, um schneller rennen zu können, ritt Ottwald von Trettin in vollem Galopp auf den Gutshof zu. Der Rossknecht versuchte noch, die wild ausschlagenden und dann antrabenden Pferde vor dem Heuwagen zu bändigen, wurde aber von den Tieren mitgerissen. Einen Moment lang hielt er die Zügel in der Hand. Dann musste er loslassen, um nicht unter den Wagen zu geraten.

»Wollt ihr wohl stehen bleiben, ihr Schindmähren!«, brüllte er hinter ihnen her.

Da versetzte ein weiterer gewaltiger Donnerschlag die Pferde endgültig in Panik. Sie rasten los und zogen den Heuwagen hinter sich her, so dass er wie ein betrunkener Matrose schwankte. Ursel klammerte sich verzweifelt auf dem Wagen fest, fand aber in dem rutschenden Heu keinen Halt und stürzte hinab.

Mittlerweile hatte Ottwald von Trettin das Gut erreicht und sprang von seinem schäumenden Pferd. »Warum löscht ihr nicht, ihr Hunde?«, fuhr er die Knechte an, die wie zu Salzsäulen erstarrt auf die Flammen starrten.

Nun erst setzten sich die Männer und die vor dem Wetterschlag geflohenen Mägde in Bewegung, holten Eimer und bildeten eine Kette vom Teich bis zu dem brennenden Gebäude. Doch das Wasser, das sie auf diese Weise herbeischafften, verdampfte in der Hitze, ehe es den Boden erreichte.

»Jetzt bräuchten wir die Spritze!«, rief einer der Männer mit einem verzweifelten Blick auf den Gutsherrn.

Diesem zuckte es in den Händen, den Mann zu schlagen, doch er unterließ es, um die Löschkette nicht zu unterbrechen. Der Vorwurf des Knechts hatte ihn getroffen. Seit mehr als einem Jahr war die Löschspritze von Trettin defekt, doch er hatte sie immer noch nicht reparieren lassen. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Brand auf den Nachbargütern und in Bladiau bemerkt wurde und von dort Hilfe kam.

Malwine von Trettin, die Mutter des Gutsherrn, eilte händeringend auf ihren Sohn zu. »Wo bleibt denn die Feuerwehr? Uns brennt noch die ganze Scheuer mit all dem Heu ab, das wir heuer bereits eingefahren haben!«

»Verdammt! Kann denn keiner nach Elchberg reiten, um die Leute dort zu alarmieren?«, brüllte Ottwald von Trettin, ohne auf das Gejammer seiner Mutter einzugehen.

Doch niemand wagte es, sich aus der Löschkette zu lösen und ein Pferd aus dem Stall zu holen. Nur ein paar halbwüchsige Bengel, die aus dem Dorf Trettin herbeigeeilt waren, rannten querfeldein, um das Nachbargut schneller zu erreichen.

»Schlag Alarm!«, rief Hannes der Köchin zu, die sich in die Löschkette einreihen wollte. Sie machte sogleich kehrt, und kurz darauf bimmelte die Glocke. Doch in dem pausenlosen Grollen und Rumpeln der Donnerschläge erreichte ihr Ton kaum den Hof.

Der böige Wind fachte das Feuer immer stärker an, und so mussten Hannes und die beiden Knechte, die mittlerweile der Scheuer am nächsten standen, Schritt für Schritt vor den Flammen zurückweichen. Obwohl sie einen Eimer nach dem anderen in die tosende Glut schütteten, wussten sie längst, dass sie auf verlorenem Posten standen.

Mittlerweile brannte die Scheune auf der gesamten Länge. Die ersten Teile des Daches brachen ein, und der Funkenregen trieb die Helfer noch weiter zurück. Hannes sandte einen verzweifelten Blick gen Himmel, auf dem sich schwarze Wolkenberge von Horizont zu Horizont türmten. »Wenn es doch endlich regnen würde!«, stöhnte er, obwohl er ahnte, dass auch ein Wolkenbruch nichts mehr würde retten können.

Die Mutter des Gutsherrn rief noch immer nach den Feuerwehren des Umlands und verfluchte im nächsten Atemzug die Nachbarn, die sie im Stich ließen. All ihre Worte konnten jedoch nicht verhindern, dass die riesige Scheuer schließlich zusammenbrach und bis auf die Grundmauern in Flammen stand.

Als ein weiterer Funkenregen über dem Hof niederging, gab Hannes den nutzlosen Versuch auf, noch etwas retten zu wollen. Da der Wind mit einem Mal drehte, wies er das Gesinde und die Dorfbewohner an, sich um den Stall und das Gutshaus zu kümmern, denn die Gebäude liefen nun ebenfalls Gefahr, vom Funkenflug erfasst und in Brand gesetzt zu werden.

II.

Ottwald von Trettin starrte auf die glühenden Überreste der Scheune und fühlte eine Wut in sich aufsteigen, die sich gegen Gott und die gesamte Menschheit richtete.

»Verdammt, verdammt, verdammt!«, schrie er. »Warum muss das ausgerechnet mir passieren? Es gibt doch genug Gutshöfe in der Gegend, in die der Blitz hätte einschlagen können!«

Die Knechte und Mägde sahen sich erschrocken an. Schlimm genug, dass dieses Unglück Trettin ereilt hatte, das Feuer jedoch den Nachbarn zu wünschen, forderte ihrer Meinung nach Gott heraus. Verängstigt sammelten sie sich um Hannes und richteten sich nach dessen Anweisungen, da der Gutsherr in seiner kopflosen Wut nicht mehr in der Lage schien, vernünftige Befehle zu erteilen.

Die Dorfbewohner, die über die Verhältnisse auf Trettin nicht auf dem Laufenden waren, sahen zum Haus des Inspektors hinüber und wunderten sich, dass dieser sich nicht blicken ließ. Tatsächlich hatte der Mann den Kopf kurz aus der Tür seines Wohnhauses gestreckt, um zu sehen, was draußen vorging. Da er sogar mit seinem alkoholumnebelten Kopf begriff, dass die große Scheune niederbrannte, beschloss er, Ottwald von Trettin in dieser Situation lieber nicht begegnen zu wollen. So kehrte er in sein Wohnzimmer zurück, um auf diesen Schreck ein paar weitere Schnäpse zu trinken.

Hannes hatte das kurze Auftauchen des Inspektors ebenfalls wahrgenommen und machte eine verächtliche Handbewegung. »An dem hat der Gutsherr gerade die richtige Unterstützung!«

Die Köchin, die es aufgegeben hatte, die Glocke zu läuten, und sich wieder unter das Gesinde auf dem Hof einreihte, verzog das Gesicht. »Der Inspektor braucht seine ganze Kraft für die gnädige Frau. Bei der ist er sehr fleißig.«

»Sei still!«, wies Hannes sie zurecht.

Es war ein offenes Geheimnis, dass die Mutter des Gutsherrn ein Verhältnis zum Gutsinspektor pflegte, doch da ihr Sohn nichts dagegen unternahm, wagte das Gesinde es normalerweise nicht, Kritik zu äußern.

Hannes zuckte mit den Achseln. »Das ist immer noch besser, als wenn er den Mägden nachstellen würde«, murmelte er vor sich hin und lief zur Straße, die vom gleichnamigen Dorf zum Gut Trettin hochführte. Tatsächlich näherten sich endlich Gespanne im raschen Tempo. »Die Spritze von Elchberg kommt, ebenso die Feuerwehr von Bladiau. Jetzt können wir wenigstens den Stall und die anderen Gebäude sichern!«

Er warf einen kurzen Blick auf die Scheune, über deren Resten immer wieder Flammen aufloderten, und ging dann den Helfern entgegen.

Noch während er die Knechte aus Elchberg und die übrigen Feuerwehrleute begrüßte und sie anwies, die Mauern und Dächer der anderen Gebäude zum Schutz gegen den starken Funkenflug feucht zu halten, raste ein letzter Blitz durch den Äther. Kaum war der folgende Donnerschlag verhallt, öffnete der Himmel seine Schleusen, und ein Wolkenbruch ergoss sich über das Land. Innerhalb weniger Augenblicke waren alle Anwesenden bis auf die Haut durchnässt. Die Glutnester in der Scheuer zischten. Nach verbranntem Heu riechender Dampf stieg auf und legte sich wie eine erstickende Dunstglocke über das Gut.

»Tut mir leid für Sie, Trettin. Wir sind gekommen, sobald wir die Flammen entdeckt haben. Aber ein Blitz ist nun einmal schneller als ein Mensch!« Graf Elchberg, ein älterer, hagerer Mann, streckte Ottwald von Trettin die Hand hin.

Der Gutsherr achtete jedoch nicht auf ihn, sondern fluchte unflätig. »Das muss mit dem Teufel zugegangen sein!«, schrie er schließlich mit zurückgeworfenem Kopf, so als wolle er den Himmel anklagen.

»Nicht mit dem Teufel, sondern mit dieser Hexe da!«, stieß seine Mutter aus und zeigte auf eine alte Frau, die sich humpelnd dem Gutshof näherte.

Die Greisin war dürr wie ein Zweig. Dünnes weißes Haar klebte nass an ihrem ausgemergelten Kopf, und ihre Kleidung bestand aus Fetzen, die sie aneinandergenäht hatte. Als sie sich der Brandstelle näherte, leuchteten ihre Augen triumphierend auf.

»Sieh auf deine Scheuer, Malwine! Das ist die Strafe des Himmels für das Feuer an jener Stelle.« Die Alte wies auf ein Haus, das aus Backsteinen errichtet worden war und ein Dach aus Schieferplatten trug. Es handelte sich um das Wohnhaus des Lehrers, das gleichzeitig als Schulhaus diente. Die meisten Knechte und Mägde konnten sich noch gut daran erinnern, dass dort einmal ein kleineres Haus mit einem Reetdach gestanden hatte, und auch an das schreckliche Unglück, dem dieses samt seinen Bewohnern zum Opfer gefallen war.

»Hörst du in den Nächten das Schreien der Menschen, die dort verbrannt sind, weil dein Mann ihr Haus angezündet hat, Malwine?«, fragte die alte Frau mit schriller Stimme. »Voller Neid und Gier hat er seine eigenen Verwandten umgebracht! Viel hat es dir damals nicht gebracht, denn du bist rasch Witwe geworden. Doch ein Leben kann die Schuld von damals nicht tilgen! Noch steht die letzte Abrechnung des Herrn aus, und sie wird keine Gnade kennen. Höre meine Worte, Malwine! Dieses Feuer hier ist nur der Anfang. Der Tag wird kommen, an dem auch dich die Flammen verschlingen und in die Hölle senden!«

Malwine von Trettin hatte einige Augenblicke mit bleichem Gesicht zugehört, aber bei den letzten Worten der Alten entriss sie ihrem Sohn die Reitpeitsche und ging auf die Greisin los.

»Du elende Hexe! Dich sollte man ins Irrenhaus sperren! Ich werde dich lehren, meinen toten Gemahl und mich zu beleidigen.«

Obwohl jeder ihrer Ausrufe von einem heftigen Peitschenhieb begleitet wurde, lachte die Alte nur und wies auf das Haus des Inspektors. »Auch wenn du mich schlägst, kannst du nicht aus der Welt schaffen, dass dein Mann ein Mörder war und du eine Hure bist, die es mit dem Suffkopf dort drüben treibt.«

Rasend vor Wut, schlug Malwine wieder und wieder zu. Nun stöhnte die alte Frau vor Schmerz, schrie der Mutter des Gutsherrn aber weitere Vorwürfe ins Gesicht.

Hannes stieg von einem Bein auf das andere. »Die schlägt die Miene noch tot«, flüsterte er der Köchin zu, wagte aber ebenso wenig wie die anderen Knechte, Malwine in den Arm zu fallen.

Auch ihr Sohn sah tatenlos zu. Er kannte die Wutanfälle seiner Mutter und verspürte wenig Lust, ihrem Rasen selbst zum Opfer zu fallen. Stattdessen wandte er sich schließlich ab und starrte wie gebannt auf die niedergebrannte Scheune, mit der der größte Teil des Wintervorrates vernichtet worden war.

Schließlich ging Graf Elchberg auf die tobende Malwine zu, packte ihren Arm und entwand ihr die Reitpeitsche. »Jetzt ist es genug!«, herrschte er die Frau an. »Lass die alte Miene gehen. Du weißt, sie ist nicht mehr ganz richtig im Kopf.«

Entgegen dieser Behauptung wusste Irmfried von Elchberg nur zu gut, dass die Anschuldigungen der Alten der Wahrheit entsprachen. Malwines Ehemann Ottokar von Trettin hatte tatsächlich das Haus seiner Kusine angezündet und damit deren Tod, den ihres Mannes und den von vier ihrer fünf Kinder verschuldet. Ottokars Kutscher war damals Zeuge geworden und hatte später, nachdem sein Herr versucht hatte, ihn als Mitwisser aus dem Weg zu räumen, diesen erschossen und anschließend Selbstmord begangen.

Auch wusste Irmfried von Elchberg von Malwines Liebschaft mit dem Trettiner Gutsinspektor. An der Stelle ihres Sohnes hätte er den Kerl längst zum Teufel gejagt – und das nicht nur dieses anstößigen Verhältnisses wegen. Der Kerl war ein Säufer und unfähig, einen Gutshof dieser Größe zu führen. Doch dieses Problem war Gott sei Dank nicht seine Angelegenheit. Ohne Malwine und deren Sohn noch eines Blickes zu würdigen, warf er die Reitpeitsche fort und wandte sich seinen Knechten zu, die untätig neben ihrer Spritze standen. Es war nichts mehr zu tun, das Wetter selbst verhinderte, dass ein weiteres Gutsgebäude in Flammen aufgehen konnte.

»Kommt, Leute, wir kehren nach Hause zurück. Dort zieht ihr euch trockene Kleidung an, und danach gibt es in der Gesindeküche einen Imbiss und einen Krug Bier für euch!« Irmfried von Elchberg klopfte jedem Knecht, der mit ihm gekommen war, anerkennend auf die Schulter, schwang sich in den Sattel und ritt davon.

Hannes sah ihm nach und seufzte. Der Graf wäre ein Herr nach seinem Geschmack, doch der Himmel hatte ihn auf Trettin zur Welt kommen lassen und nicht auf Elchberg. Seinen jetzigen Dienst aufzusagen und drüben anzufragen, ob man ihm Arbeit geben würde, wagte er nicht, denn so etwas wurde nur ungern gesehen.

III.

Nachdem auch die Feuerwehrleute aus Bladiau das Gut wieder verlassen hatten, erinnerte sich Hannes an den Heuwagen und sah sich suchend um. Beim Anblick der Wiese zuckte er zusammen. Der Starkregen hatte das restliche Heu mit sich geschwemmt und in den Bach gespült. Dann entdeckte er eine auf dem Boden liegende Gestalt, die den Oberkörper mit einem Arm abstützte und mit dem anderen verzweifelt winkte.

»Ursel!« Hannes rief einem Knecht zu, mit ihm zu kommen, und rannte los. Nun sahen die beiden auch den Wagen. Dem Rossknecht war es gelungen, die Pferde einzufangen, und er führte die triefnassen Tiere durch tiefe Pfützen auf den Gutshof zu. Der Wagen hing schief über den Rädern, und selbst auf die Entfernung war zu sehen, dass eine Achse gebrochen war.

»Hat das auch noch sein müssen?«, stöhnte Hannes, vergaß das Gespann aber wieder, als er die greinende Magd erreichte.

»Was ist passiert?«, fragte er besorgt.

Ursel brachte zunächst kein Wort heraus. Dann zeigte sie auf ihren linken Oberschenkel. »Ich bin vom Wagen gefallen und habe mir das Bein gebrochen.«

»Herrgott im Himmel, nur das nicht!« Hannes’ Stoßgebet kam zu spät, denn es war unschwer zu erkennen, dass das Bein der Magd unnatürlich verdreht war.

»Wir brauchen eine Trage. Lauf zum Gut und hol eine!«, wies er den Knecht an und kniete neben Ursel nieder. Sie war völlig durchnässt und zitterte vor Kälte.

»Es wird schon wieder alles gut, Mädchen«, tröstete er sie und schrie hinter dem davoneilenden Knecht her: »Sorge dafür, dass der Doktor geholt wird!«

Ursel fasste nach seiner Hand. »Du bist ein guter Mann, Hannes, und hättest einen besseren Dienst verdient als hier auf Trettin.« Sie begann zu stöhnen und bat den Vorarbeiter, ihr einen Zipfel seines Hemdes in den Mund zu stopfen, damit sie darauf beißen konnte.

»Es tut so weh«, flüsterte sie unter Tränen.

Hannes hätte gerne mehr für sie getan. Doch er konnte nur ihren Oberkörper stützen, damit sie nicht auf den nassen Boden zurücksank, und seinem Boten schnelle Beine wünschen, damit bald Hilfe kam.

Da tauchte wie aus dem Nichts Miene neben ihnen auf, Gesicht und Arme waren von Malwines Peitschenhieben gezeichnet. Die Alte ging noch krummer als sonst, doch in ihren Augen las Hannes eine grimmige Zufriedenheit.

»Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen trefflich fein«, sagte sie mit einem Seitenblick auf das Gut, das nun, da die große Scheune mit ihrem hohen Dach fehlte, auf einmal fremd wirkte.

Hannes schüttelte den Kopf. »Du bist dumm, Miene! Was musstest du die Herrin auch so reizen?«

»Kord hat mir vor seinem Tod aufgetragen, Malwine ihre Schlechtigkeit so oft wie möglich vor Augen zu führen. Darum lebe ich ja noch! Ich werde nicht eher sterben, als bis sie samt ihrer Brut zugrunde gegangen ist.«

»Warum hasst du sie so?«

»Bist du nicht selbst beim Lehrer Huppach in die Schule gegangen, Hannes?«, fragte die Alte. »Er war der Schwiegersohn des wahren Herrn auf Trettin! Hätte es diese Majoratsregel nicht gegeben, wäre er nach Wolfhard von Trettins Tod hier Gutsherr geworden. Malwine und ihr Ehemann Ottokar, der Neffe des alten Herrn, hatten nicht warten wollen, bis sein Onkel gestorben war, sondern haben ihn mit Hilfe ihrer Freunde bei Gericht um seinen Besitz gebracht. Danach befürchteten sie, Wolfhard von Trettin könnte seiner Tochter und seinem Schwiegersohn das wenige zukommen lassen, das er vor ihren gierigen Klauen gerettet hatte. Deshalb hat Ottokar das Lehrerhaus angezündet und die ganze Lehrerfamilie umgebracht.«

»Alle nicht«, wandte Ursel ein. »Eine Tochter soll überlebt haben.« Im nächsten Moment stöhnte sie wieder auf.

»So habe ich es auch gehört«, stimmte Hannes ihr zu.

»Damit habt ihr recht!« Die alte Miene grinste mit ihrem fast zahnlosen Mund. »Die Lore ist davongekommen und hat später den zweiten Neffen ihres Großvaters geheiratet, den jungen Herrn Fridolin. Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht, denn sie ist seit elf Jahren nicht mehr hier gewesen. Solange der jetzige Gutsherr noch nicht volljährig war, ist Herr Fridolin einmal im Jahr gekommen, um die Bücher zu prüfen. Doch das ist schon einige Zeit her. Nun regieren Malwine und ihr Sohn das Gut nach Belieben. Doch lange werden sie ihren Raub nicht mehr genießen können. Der Brand der Scheuer war nur der Beginn, das Flammenzeichen des Herrn, dass die Rache sein ist und noch nicht vollendet!«

Nach diesen Worten hinkte die alte Frau auf den Saum des Waldes zu, in dem das alte Jagdhaus des früheren Gutsbesitzers stand. Dort bewohnte sie ein Kämmerchen, das sie davor bewahrte, ins Arbeitshaus gesperrt zu werden.

Hannes sah ihr nach und schüttelte sich. »Wenn man der Miene Glauben schenkt, beschleicht einen das Gefühl, als gäbe es auf der ganzen Welt nur Betrug und Mord.«

»Aber was sie sagt, stimmt! Meine Mutter hat mir ebenfalls erzählt, dass Herr Ottokar das damalige Lehrerhaus angezündet hätte.« Ursel stöhnte unter einer neuen Schmerzwelle, doch kaum war diese ein wenig abgeebbt, kam sie wieder auf das Thema zurück. »Ich glaube daran, dass Miene so lange leben wird, bis sich das Schicksal der Herren auf Trettin vollendet hat. Sie muss steinalt sein! Meine Großmutter ist fast sechzig, und die sagt, sie hätte mit Mienes ältester Enkelin zusammen als Kleinmagd auf dem Gut angefangen.«

Hannes nickte nachdenklich. »Ich habe gehört, sie ginge auf die hundert zu. Wie es heißt, betet unser Pastor heimlich, dass der Herrgott sie vor ihrem hundertsten Geburtstag von dieser Welt holt. Sonst muss er nämlich diesen Ehrentag mit ihr feiern! Dann kämen gewiss der Landrat aus Heiligenbeil und vielleicht sogar der Herr Oberpräsident aus Königsberg hierher. Wenn Miene dann geradeheraus so redete wie gerade, gäbe es einen fürchterlichen Skandal! Aber nun lass uns zusehen, wie wir dich ins Trockene bringen.«

»Weh tun wird der Brand dem Herrn schon. Doch er ist selbst schuld! Er hätte nur im letzten Herbst die Feuerspritze richten lassen müssen«, stieß Ursel unter Schmerzen aus. Wieder biss sie in den Stofffetzen, den Hannes ihr gereicht hatte.

Der Großknecht blickte zum Gut hinüber und betrachtete die niedergebrannte Scheune. Es war, als wollte der Himmel die düsteren Prophezeiungen Lügen strafen, denn der Regen hörte auf, und in den Wolken öffnete sich eine Lücke, durch die das Sonnenlicht wie ein Versprechen einer besseren Zeit auf das Gut fiel.

»Herr Ottwald wird den Verlust verschmerzen, denn er wird jetzt viel Geld von der Versicherung erhalten. Ich hoffe nur, er lässt wirklich eine neue Scheuer errichten und kauft bei den Nachbarn Heu. Wenn er es nur für sich und seine Mutter ausgibt, hat das Gut keine Zukunft mehr. Aber so unvernünftig wird selbst er nicht sein.«

IV.

Ottwald von Trettin hatte sich umgezogen und betrat die Räume seiner Mutter. Auch diese trug nun trockene Kleider, war aber noch nicht dazu gekommen, sich die Haare richten zu lassen. Jetzt starrte sie mit verbissener Miene durch das Fenster auf die Scheune, deren verkohlte Balken im hellen Sonnenschein feucht glänzten. Ihre Gedanken galten jedoch nicht dem Unglück, sondern der alten Frau, die mit ihren Beschimpfungen die Wunden der Vergangenheit wieder aufgerissen hatte.

»Miene muss weg!«, erklärte sie kategorisch.

»Wie stellst du dir das vor? Das Jagdhaus von Doktor Mütze gehört nicht zu Trettin, und dieser Schleicher hat ihr das Wohnrecht dort bis zu ihrem Tod zugesichert. Wie wir erfahren mussten, ist das sogar beim Notar in Heiligenbeil hinterlegt.« Ottwald von Trettin blickte seine Mutter fragend an. »Soll ich sie für dich erschießen, so wie Vater es mit seinem Kutscher vorgehabt hatte?«

»Ich wollte, er hätte es getan. Doch nicht einmal dazu war er Manns genug!« Malwine schnaubte, goss sich ein Glas Likör ein und trank es in einem Zug leer. »Irgendwie werde ich diesem Miststück den Mund stopfen, und wenn ich ihr eigenhändig das Genick brechen muss!«, fügte sie hinzu, als sie das Glas wieder auf das Intarsien-Tischchen stellte.

»Wir haben derzeit wahrlich andere Sorgen als diese verrückte Alte.« Ottwald von Trettin holte sich ebenfalls ein Glas aus dem Schrank.

Während er es füllte, schüttelte seine Mutter stöhnend den Kopf. »Es ist verflucht ärgerlich, dass die Scheuer niedergebrannt ist. Wir hätten doch dem Vorschlag des Vertreters der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt folgen und die Versicherungssumme erhöhen sollen. So können wir von Glück sagen, wenn das Geld für eine neue reicht. Das verbrannte Heu wirst du nur dann ersetzen können, wenn du einen Teil des Viehs verkaufst.«

Ottwald von Trettin trank sein Glas leer, bevor er antwortete. »Es tut mir leid, Mama, aber wir werden kein Geld von der Versicherung bekommen!«

Seine Worte trafen seine Mutter wie ein Schlag. »Was sagst du da?«

»Ich habe vergessen, die Versicherungsprämie zu zahlen.« Es fiel Ottwald von Trettin nicht leicht, dies zuzugeben, doch er wagte nicht, sein Geständnis hinauszuzögern. Erfuhr seine Mutter es von anderer Seite, war es noch weitaus schlimmer.

Malwine war so entsetzt, dass sie keine Kraft für einen Wutausbruch aufbrachte. »Aber wie konntest du nur … Du hattest dir das Geld dafür doch extra aus der Kasse genommen!«

Ihr Sohn lachte bitter auf. »Ich wollte die Summe ja einzahlen, aber dann musste ich dringend nach Königsberg und habe das Geld für diese Fahrt verwendet. Danach habe ich nicht mehr daran gedacht.«

Das war gelogen. Nachdem so viele Jahre lang nichts auf dem Gut passiert war, hatte Ottwald von Trettin geglaubt, er könnte sich das Geld für die Versicherung sparen und es für seine eigenen Bedürfnisse ausgeben.

Malwine ahnte dies und funkelte ihren Sohn, außer sich vor Zorn, an. »Du hast das Geld verlumpt!«

»So würde ich es nicht nennen. Ich habe es gebraucht, um standesgemäß auftreten zu können. In dem Hotel, in dem ich übernachten musste, befand sich eine junge Dame, die ich gerne zur Ehefrau gewonnen hätte«, antwortete Ottwald von Trettin gelassen.

»Was hat diese Dame ausgezeichnet, Schönheit oder …«

»Geld!«, unterbrach der junge Mann seine Mutter. »Sie ist eine schwerreiche Erbin, aber leider verlobt. Als ich das erfahren habe, war der Champagner bereits getrunken.«

Malwine konnte sich denken, dass es nicht bei Champagner geblieben war. Wahrscheinlich hatte ihr Sohn die junge Dame in die teuersten Restaurants von Königsberg eingeladen und auch sonst noch einiges an Geld ausgegeben. In der Hinsicht war er das genaue Gegenteil ihres ermordeten Ehemanns, zu dessen hervorstechendsten Charaktereigenschaften eine kräftige Portion Geiz gezählt hatte. Doch das war im Augenblick nicht wichtig.

»Wovon willst du dann eine neue Scheuer errichten lassen und Heu kaufen, damit unser Vieh über den Winter kommt?«, fragte sie mit eisiger Stimme.

Ihr Sohn verzog das Gesicht. »Ich habe keine Ahnung. Ich wäre schon froh gewesen, wenn wir heuer die Zinsen hätten zahlen können, die auf uns lasten. Jetzt kann ich nicht einmal mehr das!«

»Dann musst du mit deinen Bankiers reden, damit sie dir die Zinsen stunden und einen neuen Kredit geben.«

Ottwald von Trettin stieß ein höhnisches Lachen aus. »Die Herren Bankiers empfangen mich nicht einmal mehr, sondern lassen sich verleugnen, wenn ich erscheine. Wir sind nicht mehr kreditwürdig, meine liebe Mama.«

»Aber du musst doch etwas tun!«

»Ich hatte die Hoffnung, dieses Jahr überstehen und im nächsten einen der Kredite ablösen zu können. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Wir sind am Ende, liebe Mama! Wenn wir nicht wollen, dass Trettin unter den Hammer kommt, muss ich nach Berlin fahren und Onkel Fridolin um Geld bitten. Da ein Zusammenbruch des Gutes auch seinen Namen beschädigen würde, wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als mich zu unterstützen.«

»Du wirst nicht zu diesem Lumpen fahren!«, brach es aus Malwine heraus. »Dieser verfluchte Fridolin und seine Frau Lore sind ganz allein an unserem Unglück schuld. Ich wollte, sie wären tot.«

»Das herbeizuführen, hast du schon einmal vergeblich versucht«, antwortete ihr Sohn ungerührt. »Heute bin ich froh, dass dein Plan gescheitert ist. Einen Toten könnte ich nämlich nicht mehr um Geld angehen.«

Malwine fuhr zornig auf. »Du wirst Fridolin um gar nichts angehen! All das, was er erreicht hat und jetzt ist, hat er dem Geld zu verdanken, das sein verfluchter Onkel unserem Gut entzogen und seiner Enkelin zugesteckt hat. Wir werden ihn anzeigen und fordern, uns diesen Betrag mit Zins und Zinseszinsen zurückzugeben. Danach steht unser Gut wieder herrlich und in Freuden da! Du wirst sofort morgen nach Königsberg zu unserem Anwalt reisen und …«

»Meine liebe Mama, Hirngespinsten zu folgen ist der sicherste Weg in den Untergang. Wenn wir Fridolin und dessen Ehefrau verklagen, erinnern diese sich gewiss daran, dass die im Familiengesetz derer von Trettin festgeschriebene Mitgift für die Tochter beziehungsweise in diesem Fall die Enkelin des Majoratsherrn beim Wechsel des Gutes auf einen anderen Zweig der Familie niemals ausbezahlt worden ist. Wenn Fridolin diese Summe mit Zins und Zinseszinsen von uns fordert, können wir ihm gleich das ganze Gut schenken. Uns bliebe dann nämlich gar nichts mehr.«

Malwine war den Ausführungen ihres Sohnes mit wachsender Erregung gefolgt. Ihr Hass auf Fridolin und Lore hatte in den letzten Jahren sogar ihre Träume beherrscht. Nun brachte sie der Gedanke, dass es ihren Verwandten sogar möglich wäre, sie mit einem Federstrich vom Gut zu verjagen, derart in Rage, dass sie die Likörflasche packte und gegen die Wand schleuderte. Die Flasche zerplatzte klirrend, und der dickflüssige Likör spritzte durch den halben Raum.

Ottwald von Trettin bekam ebenfalls ein paar Tropfen ab und entfernte diese mit seinem Taschentuch. »Du solltest dich nicht so echauffieren, meine liebe Mama, sondern besser daran denken, wie wir in diese Situation geraten konnten.«

»Wie anders als durch das Geld, das der alte Trettin dem Gut gestohlen und seiner Enkelin zugesteckt hat!«, blaffte Malwine ihn an.

»Contenance, meine liebe Mama! Mit deinen Wutanfällen konntest du vielleicht Papa beeindrucken, aber an mich sind sie verschwendet. Ich habe die Bücher des Gutes genau studiert. Lores Großvater Wolfhard Nikolaus von Trettin hat vielleicht nicht alles getan, um das Gut auf der Höhe zu halten, aber keinesfalls jene Märchensummen der Kasse entnommen, die du dir in deiner Phantasie vorstellst. Als mein Vater das Gut übernahm, war es in einem stabilen Zustand, und das hätte auch so bleiben können, wenn du nicht unseren Inspektor dazu gebracht hättest, die Bücher zu fälschen und dir den größten Teil der unterschlagenen Summen zu überlassen. Damit hast du vor einigen Jahren in Berlin die große Dame gespielt und auch deinem damaligen Liebhaber einiges an Geld zugesteckt.«

Malwine empfand die Anklage ihres Sohnes als so unverschämt, dass sie mit der Hand ausholte, um ihm eine Ohrfeige zu geben. Doch Ottwald entzog sich mit einer geschickten Bewegung und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Das ist die Wahrheit, meine liebe Mama! Immer, wenn Onkel Fridolin Maßnahmen angeordnet hat, die die Ertragsfähigkeit des Gutes erhöhen sollten, hat der Inspektor auf deine Veranlassung hin nur einen Teil davon ausführen lassen und das restliche Geld unterschlagen. Du wirst einsehen, dass mir dies als Nachfolger meines Vaters als Gutsherr auf Trettin äußerst missfallen muss.«

»Du tust ja gerade so, als wäre nur ich allein an unserer beschämenden Situation schuld!«, rief Malwine empört. »Dabei vergisst du, dass du ebenfalls kräftig die Hand aufgehalten hast, weil dir das Taschengeld, das Fridolin dir zugebilligt hat, zu gering war. Seitdem du das Gut selbst führst, hast du ebenfalls nicht gerade sparsam gelebt.«

»Ich hätte es mir leisten können, wenn du das Gut nicht um eine große Summe gebracht hättest«, antwortete ihr Sohn ungerührt. »Daher wirst du erlauben müssen, dass ich Onkel Fridolin um Geld angehe. Um die Reinheit des eigenen Namens zu wahren, wird er sich meiner Forderung beugen müssen.« Ottwald von Trettin lächelte so zufrieden, als hätte er die niedergebrannte Scheune schon vergessen.

Ihn reizte nicht nur das Geld seines Verwandten, der in Berlin lebte und ein reicher Bankier geworden war, sondern auch die Reise dorthin. Gegen die Reichshauptstadt war Königsberg nur ein Provinznest, und er ging davon aus, dass Berlin weitaus größere Chancen bot, eine reiche Erbin für sich zu gewinnen.

Malwine begriff, dass sie ihren Sohn nicht umstimmen konnte, und packte die chinesische Vase, die seit mehreren Generationen ein wertvolles Besitztum derer von Trettin darstellte, und zerschmetterte auch diese.

»Das solltest du in Zukunft lassen, meine liebe Mama«, ermahnte ihr Sohn sie. »Diese Vase hätten wir gut verkaufen können. Wir werden ohnehin einiges veräußern müssen, damit ich das Reisegeld für Berlin zusammenbekomme. Als ein Trettin auf Trettin kann ich dort nicht wie ein Bäuerlein vom Land auftreten.«

V.

Lore von Trettin krauste die Stirn, als Komtess Nathalia bereits das dritte Mal mit Leutnant von Bukow tanzte, und diesmal sogar einen Walzer. Zwar war Bukow ein eleganter Offizier und ein ausgezeichneter Tänzer, aber in Lores Augen alles andere als ein wünschenswerter Bewerber um die Hand ihrer Freundin. Mit seiner Uniform und dem schneidigen Schnurrbart sah er blendend aus und war auch ein angenehmer Gesprächspartner, doch Lore hatte von einigen Frauengeschichten des Leutnants gehört. Schon so mancher Erbin sollte er eifrig den Hof gemacht haben.

Während sie überlegte, wie sie Nathalia von ihrer Vorliebe für den Offizier abbringen konnte, sprach jemand sie an. »Sie haben sich mit diesem Fest wieder einmal selbst übertroffen, liebste Gräfin Trettin. Aber finden Sie nicht, dass Komtess Nathalia Leutnant von Bukow gegenüber etwas zu zuvorkommend ist?«

Als Lore sich umdrehte, sah sie Rodegard von Philippstein vor sich, eine füllige Matrone, die nach Berlin gezogen war, um für ihre älteste Tochter einen passenden Bräutigam zu finden. Lore wusste daher, wie die Bemerkung zu verstehen war. Frau von Philippstein nämlich schien durchaus an dem jungen Mann interessiert. Auch wenn von Bukow nicht als vermögend galt, so hatte er doch angeblich die besten Aussichten, von seinem Großonkel, dem steinreichen Grafen Grimbert von Nehlen, als Erbe eingesetzt zu werden.

Mit einem vor dem Spiegel eingeübten Lächeln blickte Lore die Dame an. »Leutnant von Bukow ist ein ausgezeichneter Tänzer, finden Sie nicht auch, liebste Frau von Philippstein? Da ist es für mich kein Wunder, dass Nathalia gerne mit ihm ihre Runden dreht. Ihre Gottlobine hat sich vorhin bereits das zweite Mal von ihm auffordern lassen, und wie ich hörte, will er es auch noch ein weiteres Mal tun.«

»Hoffentlich«, murmelte Rodegard von Philippstein und enthüllte damit unbewusst ihre Pläne. Lore schenkte ihr ein mildes Lächeln und zog sich von dieser unangenehmen Frau zurück. Ihr Entschluss, ihrem Schützling Nathalia noch am selben Abend den Kopf zu waschen, stand fest. Leider kannte sie keinen jungen Mann, den sie ihr als ernsthaften Bewerber empfehlen konnte.

»Was ist dir für ein Läuschen über die Leber gelaufen, meine Liebe?«, hörte sie ihren Ehemann fragen.

»Nur ein Leutnant, der sich etwas zu aufdringlich um Nathalia bemüht«, antwortete Lore und gab dann zu, sich über Rodegard von Philippstein geärgert zu haben. »Denk dir nur, sie hat mir Vorwürfe gemacht, weil Nati schon das dritte Mal mit von Bukow tanzt. Dabei würde sie Beifall klatschen, wenn dieser den ganzen Abend nur für ihre Gottlobine Augen hätte. Mein Gott, wie kann man einem Kind nur so einen Namen geben? Würdest du von mir verlangen, eine Tochter so zu nennen, müsste ich mir überlegen, ob ich nicht die Scheidung einreichen sollte.«

Während Lore den Kopf schüttelte, lachte Fridolin leise auf. »Das ist der Fluch der Tradition, meine Liebe. Du solltest heutzutage aber auch nicht auf der Straße rufen: Wilhelm – oder Friedrich – zu mir! Du könntest zertrampelt werden.«

»Auf jeden Fall wünsche ich Gottlobine von Philippstein eine erfolgreiche Werbung durch Leutnant von Bukow. Nathalia sollte der Mann jedoch in Ruhe lassen.«

»Ich glaube nicht, dass er das tun wird. Schließlich ist sie eine ungewöhnlich reiche Erbin. Auch wenn er selbst nicht gerade am Hungertuch nagt, stellt ein Mädchen wie sie eine große Verlockung für ihn dar, zumal Nati auch noch ausnehmend hübsch ist und Gottlobine in den Schatten stellt. Wir müssen achtgeben, dass alles im Rahmen bleibt. Erinnere dich an den jungen Studenten, der Nati im letzten Jahr dazu überreden wollte, mit ihm durchzubrennen. Der Bursche hatte sich ganz schön in Unkosten gestürzt, um eine Kutsche und einiges mehr zu besorgen. Doch als er damit zum Treffpunkt kam, erwartete ihn Johann dort mit der Nachricht, die Komtess habe es sich anders überlegt und wolle noch ein paar Jahre warten, bevor sie in den Stand der Ehe eintrete.«

Der Anflug eines Lächelns erschien auf Lores Gesicht. Der enttäuschte Freier hatte Nathalia zwar einen Brief geschrieben, sie habe ihm das Herz gebrochen, doch im Grunde war die ganze Sache harmlos gewesen. Bei von Bukow sah das schon anders aus. Offiziere wie er würden sich nicht so leicht abspeisen lassen.

»Ich werde noch heute Abend mit Nati sprechen und ihr klarmachen, dass sie Bukow nicht ermutigen darf.« Sie lehnte sich gegen ihren Mann. »Und was ist mit dir? Gehen wir nach dem Fest gemeinsam zu Bett?«

Fridolin schüttelte bedauernd den Kopf. »Dohnke und Grünfelder haben vorhin angekündigt, dass sie noch heute Abend wichtige geschäftliche Dinge mit mir besprechen müssten. Es soll um eine bedeutende Summe gehen – das kann länger dauern.«

»Aber du wirst sie gewiss nicht noch irgendwohin begleiten?«

Fridolin glaubte, einen Hauch Eifersucht in Lores Stimme zu vernehmen. Dabei gab es dafür wahrlich keinen Grund. Männer wie Grünfelder und dessen Schwiegersohn mochten gelegentlich ein Bordell wie das Le Plaisir aufsuchen, um dort Entspannung zu finden. Er brauchte das nicht. Nachdenklich betrachtete er seine geliebte Frau und dachte nicht zum ersten Mal, dass sie mit den Jahren immer schöner wurde. Obwohl sie zwei Kinder geboren hatte, hatte sie eine schlanke Figur und musste den Busen auch nicht mit so einem Wunderkorsett stützen, wie es letztens in der Zeitung angepriesen worden war. Ihr Gesicht wirkte immer noch mädchenhaft, auch wenn sie im Augenblick eher nachdenklich aussah. Das elegant frisierte Haar war in den letzten Jahren ein wenig dunkler geworden, leuchtete aber im Schein der Kerzen, die Fridolin der elektrischen Beleuchtung vorzog, wie Bernstein, und was ihre Garderobe betraf, so war ihr Geschmack vortrefflich.

»Ich wüsste gerne, was du gerade denkst.« Lore stupste ihm in die Seite und riss ihn aus seinem Sinnieren.

Lächelnd drückte Fridolin ihre Hand. »Ich habe mir eben gedacht, wie glücklich ich mich schätzen kann, dich zur Frau gewonnen zu haben. Du bist wunderschön!«

»Das hört man gerne, besonders vom eigenen Ehemann.« Lore fand, dass auch sie sich nicht beschweren konnte, denn Fridolin sah gut aus und kleidete sich stilvoll und elegant. Zwar trug er einen ähnlichen Rauschebart wie Kronprinz Friedrich, während sein Kompagnon Emil von Dohnke ebenso wie Leutnant von Bukow jenen schneidigen Schnurrbart vorzog, den Prinz Wilhelm, der Sohn des Thronfolgers, in Mode gebracht hatte. Doch daran hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Außerdem verlieh der Bart, wie ihre Freundin Mary Benecke zu sagen pflegte, Fridolin jene Gediegenheit, die er als erfolgreicher Bankier benötigte.

»Ich glaube, der Tanz ist zu Ende«, hörte sie ihren Mann sagen und drehte sich um.

Eben verbeugte Adolar von Bukow sich elegant vor Nathalia und führte sie zu Lore, die zufrieden feststellte, dass ihr Schützling dem jungen Offizier nur die Fingerspitzen gereicht hatte.

»Gnädige Frau!« Leutnant von Bukow setzte ein strahlendes Lächeln auf, dem die Frauen selten widerstehen konnten, und verbeugte sich.

»Ich danke Ihnen, Leutnant, dass Sie mein Mündel unbeschadet zurückgebracht haben!« Lores Lächeln fehlte die Wärme, die Bukow sich erhofft hatte, und sie wandte sich sofort an Nathalia. »Du siehst erhitzt aus, meine Liebe. Du solltest für den restlichen Abend auf weitere Tänze verzichten.«

»Das wäre grausam, gnädige Frau!«, rief Bukow aus. »Ich hatte die Hoffnung, das gnädige Fräulein zum Abschlusstanz führen zu dürfen.«

»Dieses Vergnügen wird Ihnen nun leider verwehrt bleiben.« Lores Miene zeigte dem Leutnant deutlich, dass er für diesen Tag keinen weiteren Erfolg erwarten konnte. Daher verbeugte er sich erneut und bat, sich verabschieden zu dürfen.

»Ich hoffe, Sie bleiben noch ein wenig. Fräulein von Philippstein hat für den nächsten Tanz noch keinen Kavalier gefunden.« Um Lores Lippen spielte ein amüsiertes Lächeln, als der Leutnant kurz durchatmete und auf Gottlobine zuging.

Für einige Augenblicke waren Lore und Nathalia allein. »Was hast du eigentlich gegen Bukow?«, fragte das Mädchen sogleich.

Lore wusste, dass sie mit Nathalia offen reden konnte. »Er hat mir ein paar Frauengeschichten und Skandale zu viel auf dem Kerbholz! Außerdem halte ich ihn für einen Mitgiftjäger, denn so gewiss, wie er immer tut, scheint ihm das Erbe seines Oheims nicht zu sein.«

»Es gibt noch zwei Mitbewerber, doch der Leutnant glaubt, beide mit Leichtigkeit ausstechen zu können. Sollte dies der Fall sein, wäre Herr von Bukow auch für eine Komtess Retzmann die passende Partie«, erklärte Nathalia leichthin.

Lore glaubte nicht recht zu hören. »Du hast dich doch nicht etwa in Bukow verliebt?«

»Was heißt schon verliebt? So etwas gibt es nur in Romanen. Ich prüfe die Herren, die sich um mich bewerben, ob sie meinen Ansprüchen genügen. Tun sie das, überlege ich mir, wer sich am besten als mein Gatte eignet. Für Bukow sprechen einige Gründe, allerdings auch genügend dagegen. Übrigens verbringt er seine Ferien auf dem Gut seines Erbonkels – gemeinsam mit seinen beiden Konkurrenten, wie er zu seinem Leidwesen erfahren hat. Nun möchte er, dass ich ihn dort besuche. Du hast gewiss nichts dagegen, dass ich diese Einladung in unser beider Namen angenommen habe. Es ist nur etwa zehn Kilometer von meinem eigenen Gut entfernt, und die Fahrt dorthin wird ein gemütlicher Nachmittagsausflug werden.« Nathalia zwitscherte wie ein Vogel, so schien sie sich auf diesen Besuch zu freuen.

Lores Sympathie für diesen Herrn sank weiter. Wie kam von Bukow dazu, ihren Schützling einzuladen. Schließlich war er weder der Besitzer des Ritterguts Nehlen noch der ausgewiesene Erbe, auch wenn er sich über seine Konkurrenten erhaben zu fühlen schien. Doch da sie Nathalia kannte, verkniff Lore sich jede weitere Kritik. Denn wenn sie ihrem Schützling etwas verbot, pflegte dieser ihre Worte eher als Aufforderung aufzufassen, es nun erst recht zu tun.

»Also gut, schauen wir uns dieses Gut an. Schließlich musst du dich ja überzeugen, ob es einer Komtess Retzmann angemessen ist.«

»So sehe ich es auch!« Nathalia lächelte ihr zu, entdeckte dann einen anderen jungen Offizier, der schnurstracks auf sie zueilte, und seufzte. »Ich habe ganz vergessen, dass ich Hauptmann Gierke auch einen Tanz versprochen habe. Wenn er nur nicht so langweilig wäre.«

Ihren Worten zum Trotz neigte sie freundlich den Kopf und reichte dem Offizier die Hand. Als sie an dessen Arm über die Tanzfläche schwebte, sah sie in Lores Augen ganz und gar nicht so aus, als langweile sie sich in von Gierkes Gegenwart. Sie lachte sogar mehrfach über dessen Komplimente und bot genau das Bild, das Frauen wie Rodegard von Philippstein als ungezügelt bezeichneten.

»Wie es aussieht, habe ich wieder einige Arbeit vor mir, was Natis Erziehung angeht«, seufzte Lore.

Im nächsten Augenblick wurde sie von Wilhelmine von Dohnke in Beschlag genommen, der Ehefrau von Fridolins Kompagnon Emil. Während sie mit der Bankiersgattin plauderte, hielt sie Ausschau nach ihrem Ehemann. Doch wie es aussah, hatte dieser sich bereits mit seinen Geschäftspartnern zurückgezogen und es ihr überlassen, das kleine Fest mit Anstand zu beenden.

VI.

Fridolin von Trettin wartete, bis ein Diener Zigarren und Likör bereitgestellt und das Zimmer wieder verlassen hatte, dann sah er Emil von Dohnke und dessen Schwiegervater auffordernd an. »Nun sagen Sie bitte, was Sie auf dem Herzen haben. Ihren Mienen zufolge muss die halbe Bank zusammengebrochen sein.«

»Das nicht gerade«, antwortete Dohnke. »Trotzdem ist die Sache in höchstem Maße ärgerlich. Es geht um einen sehr hohen Kredit an einen Herrn, der sich bisher als zuverlässiger Kunde erwiesen hat.«

»Heißt das, er ist es jetzt nicht mehr?«

»Leider ja«, bekannte der alte Bankier. »Ich hatte diesem Kunden bereits vor Jahren mehrere Kredite erteilt und mir nichts dabei gedacht, als er im letzten Jahr erneut um einen bat. Die mir gebotenen Sicherheiten schienen mir über jeden Zweifel erhaben.«

Dohnke sprang seinem Schwiegervater bei. »Der Herr besitzt eines der größten Güter in der Nähe von Bremen und wollte für dessen Erzeugnisse eine Konservenfabrik errichten. Die Rendite erschien uns hoch genug, um den Kredit bewilligen zu können. Vor ein paar Wochen schickte der Mann seinen Sohn zu uns und ließ ihn erklären, es seien Probleme aufgetaucht, die er jedoch bewältigen könne. Er bräuchte allerdings weiteres Geld, damit die Situation nicht eskaliere. Als Sicherheit hat er uns den Erbschmuck seiner Familie angeboten.«

»Ich begreife immer noch nicht, was daran schlimm sein soll«, warf Fridolin ein.

»Der Schmuck ist falsch!« Es fiel August Grünfelder sichtlich schwer, dies zuzugeben.

»Haben Sie ihn nicht vorher schätzen lassen?«, fragte Fridolin verblüfft.

»Selbstverständlich! Und zwar von einem Juwelier mit dem besten Ruf. Auf dem Weg von dort in unsere Bank muss der Schmuck ausgetauscht worden sein. Um zu erfahren, auf welche Weise das vonstattengegangen ist, habe ich einen Detektiv beauftragt. Der Mann soll sich auch auf die Suche nach dem faulen Kunden machen.«

»Also ist der verschwunden!« Nach Grünfelders Bericht hatte Fridolin nichts anderes erwartet.

»Ja, das ist er – und zwar unter Zurücklassung gewaltiger Schulden!« Emil von Dohnke ballte die Faust, doch es gab nichts, an dem er seinen Zorn hätte auslassen können.

»Wie steht es mit seinen Sicherheiten?«, wollte Fridolin wissen.

»Schlecht! Um es genau zu sagen, sehr schlecht. Der Mann hat außer uns noch vier weitere Banken um ein Vermögen betrogen. Das Ganze wird natürlich äußerst diskret behandelt.« Dohnke rieb sich über die Stirn und trank seinen Cognac auf einen Zug leer, ohne das Aroma des Getränks zu genießen.

Die Sache setzt ihm arg zu, dachte Fridolin, doch um Mitleid zu haben, war er zu verärgert. »Das Ganze ist wohl so diskret abgelaufen, dass ich nichts davon erfahren durfte!«