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© 2022 M. Storr, Digesta Verlag, München, info@digestaverlag.de
Covergestaltung: © 2022 Digesta Verlag, München
Cartoon Cover (U1): © M. Tomicek, www.mt-illustration.de
Abbildungen Umschlag: © medicalimage.de (Porträt)
Abbildungen Innenteil: © M. Storr (Abb. 1-14)
Logo: © P. Sick, München; Lektorat: D. Fernholz
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH Norderstedt
ISBN: 978-3-7557-4660-7
Die Gedanken und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. die Erfahrung des Verfassers dar. Die Erkenntnisse der Medizin unterliegen einem laufenden Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Der Verfasser hat große Sorgfalt darauf verwendet, dass die erstellten Informationen und (therapeutischen) Angaben dem aktuellen Wissensstand entsprechen und ausgewogen sind. Das entbindet den Benutzer dieses Buches aber nicht von der Verpflichtung zu überprüfen, ob die hier genannten Angaben, Indikationen und Dosierungen sachlich richtig sind, insbesondere nicht davon, bei allen medizinischen Problemen einen Arzt zu konsultieren und bei allen Einnahmen und Anwendungen bezüglich der Risiken und Nebenwirkungen einen Arzt oder Apotheker zu fragen sowie die Packungsbeilage zu lesen. Wie allgemein üblich sind Warenzeichen und Handelsnamen, soweit verwendet, nicht durchgängig gekennzeichnet. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), ohne schriftliche Genehmigung des Verlages, reproduziert werden.
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
die Histaminintoleranz gehört aus medizinischer Sicht zu den schwierigsten und beratungsintensivsten Erkrankungen. Dazu trägt bei, dass die Histaminintoleranz wenig bekannt ist, die Ursachen und Auslöser oftmals unklar bleiben und das Beschwerdebild ausgesprochen variabel ist. Erschwerend kommt hinzu, dass es kein diagnostisches Testverfahren und keinen Laborwert gibt, mit dem die Diagnose gestellt werden könnte.
Wen wundert es also, dass die Betroffenen oftmals eine jahrelange Ärzteodyssee hinter sich haben, Rat bei anderweitig in der Heilkunde Tätigen suchen oder sich im Internet, in Blogs, Foren und zwielichtigen Informationsquellen verlieren, die spezifische Diagnostik und zielgerichtete sowie rasche Heilung versprechen, all dies aber nicht erfüllen können und vielmehr als Gegenwert nur lieblose Standardtexte und computergenerierte Interpretationen liefern, die zumeist einen Kauf von gleich mehreren Präparaten als Lösung vorschlagen. Tief bewegt von den teilweise jahrelangen Irrungen, denen meine Patienten ausgesetzt waren, habe ich mich entschlossen, das schwierige Thema Histaminintoleranz in einem fachlich fundierten Ratgeber zusammenzufassen. Kein leichtes Unterfangen, und es hat mich über drei Jahre beschäftigt. Keiner meiner Ratgeber war derartig aufwendig zu schreiben.
Der Sofortratgeber Histaminintoleranz möchte Ihnen nun dabei helfen, Licht ins Dunkel Ihrer Beschwerden zu bringen und die Spirale aus Hoffnung, Frustration, Verzweiflung und Erschöpfung zu beenden.
Basierend auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft erfahren Sie hier alles über die Hintergründe zur Histaminintoleranz, über mögliche Auslöser oder über die Symptome sowie anderweitige erklärende Erkrankungen und die gezielte Suche danach.
Lernen Sie den Stellenwert und den medizinisch sinnvollen Einsatz von diagnostischen Maßnahmen kennen. Lesen Sie, wie Schritt für Schritt das Krankheitsbild abgeklärt wird und wie sich eine erfolgreiche Therapie in Basistherapie und spezielle Therapie aufgliedert. Bewahren Sie einen kühlen Kopf und wenden Sie die vielen Checklisten an, die Ihnen dabei helfen, Ihrem individuellen Krankheitsbild auf die Schliche zu kommen.
Dieser Ratgeber räumt auf mit Mythen, macht Schluss mit unkontrolliert vermeidend restriktivem Essverhalten und sinnlosen Präparaten und erklärt auch, wie bei einer gesicherten Histaminintoleranz die kurz- und langfristige Ernährung aussieht. Die ganzheitliche Sichtweise und die neutrale Bewertung verschiedenster Maßnahmen ermöglichen Ihnen wieder, Herr der Lage zu werden, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Ihre Symptome in den Griff zu bekommen und Ihre eigene Lebensqualität zu steigern.
Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Wissensdurst durch diesen Ratgeber gestillt werden kann und Sie durch die verschiedenen Anregungen Ihren Weg zu einem beschwerdefreien und gesunden Leben finden.
Ihr
Dieser Sofortratgeber enthält Informationen zur Histaminintoleranz. Der Aufbau folgt den Fragen, die in der Sprechstunde üblicherweise gestellt werden. Diese Fragen sind sehr unterschiedlich und reichen von „Mit welchen Tests kann die Histaminintoleranz gesichert werden?“ bis zu „Was kann ich tun, um meine Beschwerden unter Kontrolle zu bringen?“. Damit Sie dort einsteigen können, wo Sie sich informieren wollen, finden Sie hier einen Fahrplan durch diesen Ratgeber.
FAHRPLAN DURCH DEN RATGEBER
HISTAMININTOLERANZ - VERSTEHEN
Kapitel: Der Darm, ein Bioreaktor
Kapitel: Histaminintoleranz - die Grundlagen und
Kapitel: Histaminintoleranz - das Krankheitsbild
Kapitel: Ursachen der Histaminintoleranz
HISTAMININTOLERANZ - AKTIV WERDEN
Kapitel: Symptome
Kapitel: Diagnostik der Histaminintoleranz
Kapitel: Die Therapie
Unser Verdauungssystem ist eine komplexe Einheit, die von der Mundhöhle bis zum Darmausgang reicht. Der Verdauungsprozess beginnt mit der Aufnahme der Speise und endet mit dem Ausscheiden des Stuhls. Lesen Sie im Folgenden, wie Nahrungsmittel durch den Körper reisen, wo sie verdaut und aufgenommen werden und weshalb die Bildung von Darmgas ein ganz normaler Vorgang ist.
Die Mundhöhle
Bereits mit der Aufnahme der Speise beginnt die Verdauung, indem wir die Nahrung kauen, mechanisch zerkleinern und mit Speichel versetzen. Durch das Zerkleinern der Nahrung mit den Zähnen wird die Oberfläche der Nahrungsmittel vergrößert, sodass die Inhaltsstoffe des Speichels ihre Wirkung besser entfalten können. Sowohl der Speichelfluss als auch die Produktion von Magensäften in den Magenschleimhautzellen werden bereits durch die Gedanken an Essen, durch das Riechen oder den Anblick der Speisen angeregt. Gründliches Kauen bewirkt, dass wir früher satt werden und dieses Gefühl länger anhält. Menschen mit Verdauungsbeschwerden sollten besonders gründlich kauen, damit die Nahrung besser vertragen und verwertet werden kann.
Die Speiseröhre
Sobald die Speise ausreichend zerkaut wurde, gelangt der Nahrungsbrei über die Speiseröhre in den Magen. Die Speiseröhre ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet, damit der Brei besser rutscht.
Der Magen
Im Magen wird der Speisebrei weiter zerkleinert. Diese Aufgabe übernimmt der Magensaft, von dem jeden Tag zwei bis drei Liter produziert werden und der 0,5%ige Salzsäure enthält, die den Brei durchsäuert. Abhängig von der Zusammensetzung, Konsistenz und Temperatur der Nahrung, aber auch von unserer psychischen Verfassung verlässt der Nahrungsbrei nach etwa ein bis sieben Stunden den Magen. Besonders lange bleiben fett- und ballaststoffreiche Speisen im Magen. Voraussetzung für den weiteren Transport des Nahrungsbreis ist, dass die einzelnen Nahrungsbestandteile höchstens eine Größe von zwei Millimeter haben. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir die Speisen gründlich durchkauen. Zwar kann der Magen mit seiner Muskulatur Speisen in gewissen Grenzen auch zerkleinern, dies gelingt durch gründliches Kauen aber deutlich besser.
Der Darm
Der menschliche Darm besteht aus Dünndarm und Dickdarm, hat eine Länge von bis zu acht Metern und eine Oberfläche von etwa 400 Quadratmetern. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, alle Nährstoffe, die für die Funktionen des Körpers unerlässlich sind, aus der Nahrung aufzunehmen. In einem Zeitraum von 75 Jahren verarbeitet der Darm etwa 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit. Wird die Darmfunktion durch ein entzündliches Geschehen beeinträchtigt, ist es besonders wichtig, dass der Körper mit allen erforderlichen Nährstoffen optimal versorgt wird, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.
Der Dünndarm
Vom Magen wird der Nahrungsbrei in den Dünndarm transportiert, der etwa vier bis sechs Meter lang ist und aus drei Abschnitten besteht: Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ileum) (siehe Abbildung 1). In den Zwölffingerdarm, der seinen Namen wegen der Länge (zwölf Finger = ca. 25 cm) erhalten hat, münden die Gänge von Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und Gallenblase. Der Nahrungsbrei wird durch die Verdauungsflüssigkeiten aus Galle und Bauchspeicheldrüse weiter verdaut. Der Pankreassaft neutralisiert den sauren Magensaft und enthält Verdauungsenzyme, die Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße aufspalten. Der Gallensaft hilft bei der Fettverdauung und der Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen (Vitamine A, D, E, K).
Nachdem der Nahrungsbrei mit Gallen- und Pankreassaft weiter aufbereitet wurde, folgt als Letztes der aus Schleimstoffen und Verdauungsenzymen bestehende „Darmsaft“, von dem täglich drei Liter hergestellt werden. Der letzte Abschnitt des Krummdarms wird auch terminales Ileum genannt; hier finden sich sehr häufig Entzündungen, sodass bei einer Darmspiegelung diese Region unbedingt eingesehen werden sollte.
Der Dickdarm
Der Dickdarm (Kolon) ist etwa 1,5 Meter lang und besteht ebenfalls aus mehreren Abschnitten: Blinddarm, Enddarm inkl. Grimmdarm, der den größten Teil des Dickdarms ausmacht, sowie Mastdarm mit dem Ausgang (Anus = After). Im Dickdarm werden keine Verdauungssäfte mehr zugesetzt, stattdessen werden dem Nahrungsbrei nun Wasser und Mineralstoffe entzogen. Damit die unverdaulichen Speisereste als Stuhl leichter ausgeschieden werden können, kommen Schleimstoffe zum Einsatz; auch die Darmbewegung unterstützt den Transport. Über den After erfolgt schließlich die Entleerung des Darms. Die Dauer von Mund bis After dauert zwischen 12 und 50 Stunden.
Abbildung 1: Übersicht über die anatomische Lage der Verdauungsorgane.
Der Mensch ist ein Bioreaktor, und unser Darm ist kein „Clean Diesel“, sondern das genaue Gegenteil. Neben der Menge an Darmgas ist auch der Geruch ein oftmals belastendes Problem. Je nach Zusammensetzung können Darmgase wenig oder stark riechen. Manche Darmgase wie Wasserstoff riechen nicht, andere wie Methanthiol und Dimethylsulfid riechen sehr stark. Bei den meisten der übel riechenden Gase handelt es sich um schwefelhaltige Gase.
William K. Livingston (1882 bis 1966) war ein Arzt und Wissenschaftler in Oregon, USA. Ihn interessierte, was der Darm spüren kann. An Patienten mit einem künstlichen Darmausgang beschrieb er, dass der Darm keine Hitze und keine Kälte, keine Säure und keine Lauge, keine Chemikalien, kein Zwicken mit einer Zange und kein Pieken mit einer Nadel spüren konnte. Der Darm konnte nur zwei Dinge spüren: Zum einen das Aufdehnen mit einem Ballon, das entspricht den Darmgasen. Zum anderen kann der Darm Stromschläge spüren, denn dadurch werden Nervenzellen aktiviert. Genauer gesagt diejenigen Nervenzellen, die eine Dehnung des Darms durch die Darmgasdehnung wahrnehmen können. Um Bauchschmerzen zu reduzieren, ist es daher notwendig, Darmgase und Darmfüllung zu reduzieren.
Darmgase entstehen durch bakterielle Fermentierung des nicht verwerteten Darminhalts durch die Darmflora. Das bedeutet, dass zum einen die Darmflora für die Produktion der übel riechenden Darmgase verantwortlich ist und zum anderen die aufgenommenen Lebensmittel, denn diese Lebensmittel werden durch die Mikroben zersetzt. Auf die Darmflora können wir nur wenig Einfluss nehmen, denn sie ist in unserem Darm sehr stabil. Es sind keine Maßnahmen bekannt, die unsere Darmflora dahingehend verändern, dass weniger übel riechende Gase entstehen. Das wiederum bedeutet, dass die gezielte Lebensmittelauswahl der Weg ist, den Geruch von Darmgasen zu beeinflussen. Um übel riechende, schwefelhaltige Gase zu produzieren, braucht es schwefelhaltige Lebensmittel. Wenn davon weniger gegessen werden, steht der Darmflora weniger Substrat zur Verfügung, um übel riechende Gase zu produzieren.
WISSENSCHAFTLICHE IRRTÜMER
Der Begriff Darmflora beruht auf der veralteten wissenschaftlichen Vorstellung, dass Bakterien und Pilze zum Pflanzenreich gehören. Darmfauna wäre jedoch auch nicht korrekt, da Bakterien eine eigene Domäne entwickeln und Pilze neben dem Pflanzenreich und dem Tierreich ein eigenes Reich bilden.
Tabelle 1: Diese Lebensmittel fördern Darmgase
Fördern Gasbildung |
Bier, Eier, Eierspeisen, Fastfood, Fertiggerichte, frisches Brot, frisches Obst, Hülsenfrüchte, koffeinhaltige Getränke, Kartoffelchips, Kaugummi, Knäckebrot, Kohl, kohlensäurehaltige Getränke, Knoblauch, Mayonnaise, Paprikaschoten, Pilze, Pumpernickel, Rhabarber, Rohkost, Sauerkraut, Schaumweine, Sellerie, Topinambur, Wassermelone, Zwiebel |
Fördern üblen Geruch |
Bohnen, Eier, Ei enthaltende Produkte, Fisch, Fischerzeugnisse, Fleisch, Fleischerzeugnisse, Geräuchertes, Kohl, Knoblauch, Krabben, Pilze, Spargel, Schnittlauch, reifer Hartkäse, scharfe Gewürze, Zwiebel |
Greifen Sie lieber zu Lebensmitteln, denen eine geruchshemmende Wirkung nachgesagt wird.
Tabelle 2: Diese Lebensmittel reduzieren Darmgase
Reduzieren Gasbildung |
Anistee, Joghurt, Fencheltee, Heidel-/Blaubeeren, Kümmel, Kümmelöl, Kümmeltee, Minze, Preiselbeeren, Schwarzkümmel |
Reduzieren üblen Geruch |
Heidel-/Blaubeeren, Joghurt, Petersilie, Preiselbeeren, grüner Salat, Spinat |
Vergessen Sie aber nicht, dass die Produktion von Darmgasen ein völlig normaler Vorgang ist. Unser Verdauungsapparat ist ein Bioreaktor - und dabei entstehen nun einmal auch Gase. Möchten Sie wissen, was einer normalen Darmfunktion entspricht und wie häufig am Tag Winde abgehen dürfen? Der durchschnittliche Mensch in einer westlichen Bevölkerung lässt zehn bis 20 Winde am Tag abgehen. Dies trifft auf jeden von uns zu. Ungerecht ist dabei, dass manche Menschen von vornherein übel riechendere Gase produzieren als andere.
AKUTMASSNAHMEN GEGEN EINEN BLÄHBAUCH
Blähbauchbeschwerden haben verschiedenste Ursachen.
Im ersten Schritt sollten Sie identifizieren, ob Sie mit Ihrer Ernährung zu viele blähende Lebensmittel aufnehmen. Dies können Sie anhand von FODMAPLebensmittellisten (z. B. in Ratgebern zum Thema Reizdarm oder unter www.fodmap-info.de) erkennen. Blähende Lebensmittel finden sich in den Listen mit den roten Lebensmitteln. Wenn zu viele davon auf Ihrem Speiseplan stehen, ist die erste Maßnahme, die eigene Ernährung aus den grünen Lebensmittellisten zusammenzustellen. Zusätzlich sollten Sie Rohkost, Fruchtsäfte und Smoothies meiden, denn diese blähen auch sehr stark.
Eine weitere sehr häufige Ursache für einen Blähbauch ist ein zu träger Darm. Einen trägen Darm erkennen Sie an zu seltenem, oftmals zu hartem Stuhlgang oder zu Beginn hartem Stuhlgang. Falls dies bei Ihnen vorliegt, sollte die Darmbeweglichkeit angeregt werden, um den Blähbauch in den Griff zu bekommen.
Weitere häufige Blähungsförderer sind Fruktose, Laktose, Sorbit und die Dünndarmfehlbesiedelung. Wenn Blähbeschwerden bestehen, sollten Sie diese Ursachen beim Arzt ausschließen lassen. Hierfür sind spezielle Atemtests erforderlich.
Nahrungsergänzungsmittel und Probiotika können Blähungen und einen Blähbauch verursachen (z. B. das sogenannte Probiotika-Syndrom). Um dies auszuschließen, pausieren Sie alle derartigen Einnahmen. Auf Englisch wird dies Drug Holiday (Medikamentenurlaub) genannt.
Eine gut geeignete Selbstmedikation bei Blähbauch und dem Abgang von Darmgasen (Flatulenz) sind verkapseltes Pfefferminz-/Kümmelöl (Carmenthin®) und verkapseltes Pfefferminzöl (Buscomint®). Zwei bis drei Kapseln am Tag, über einen längeren Zeitraum, sollten Abhilfe schaffen.
Eine Intoleranz ist eine Art Unverträglichkeit des Körpers gegenüber einem bestimmten Stoff - in diesem Fall gegenüber Histamin. Es liegt ein multifaktorielles Ungleichgewicht zwischen Aufnahme oder gesteigerter Freisetzung von Histamin und reduziertem Abbau von Histamin zugrunde. Dadurch entstehen verschiedenste allergieartige Symptome am Darm und an anderen Stellen im Körper.
Wenn der Körper auf Histamin unverträglich reagiert, dann ist guter Rat teuer. Medizinisch handelt es sich dabei um eine Histaminunverträglichkeit, die ihre Ursache in einer Histaminintoleranz oder verschiedenen anderen Erkrankungen wie Nahrungsmittelallergien, Darmentzündungen oder dem Reizdarmsyndrom hat.
Zunächst gilt es, ein paar Begriffe zu verstehen. Wenn im Körper zu viel Histamin vorhanden ist, dann wird dies Histaminose genannt. Dieses Zuviel an Histamin kann aufgrund von vielen Ursachen entstehen, ist aber nicht gleichbedeutend mit Beschwerden. Eine Histaminose kann also auch unbemerkt vorkommen. Erst wenn zur Histaminose Beschwerden auftreten, dann wird von Histaminunverträglichkeit oder von Histaminintoleranz (kurz: HIT) gesprochen.
Streng genommen liegen bei einer Histaminunverträglichkeit verschiedenste Ursachen vor, während bei der HIT eine reduzierte Aktivität des Histaminabbaus besteht. Im klinischen Alltag lassen sich Histaminunverträglichkeit und Histaminintoleranz aber kaum unterscheiden, sodass im Sprachgebrauch bei Histaminbeschwerden, die nicht auf eine Allergie zurückzuführen sind, der Begriff Histaminintoleranz verwendet wird.
Mit der Histaminintoleranz beschäftigen wir uns in diesem Ratgeber. Andere mögliche Ursachen, vor allem Nahrungsmittelallergien und das Reizdarmsyndrom, sollten im Rahmen der Diagnostik sicher ausgeschlossen werden, um eine korrekte Diagnose zu stellen. Bei diesem Ausschluss helfen Ihnen die Informationen in diesem Ratgeber und Ihr Hausarzt.
Histaminbeschwerden können aber auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten. Auch diese sollten sicher ausgeschlossen sein. Denn aus medizinischer Sicht wird die Diagnose Histaminintoleranz vielfach fehlverwendet, wenn die eigentliche Diagnose nicht ausreichend gesucht und noch nicht gefunden wurde. Aus diesem Grund erfahren Sie später im Buch, ab Seite →, welche Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden auftreten und daher ausgeschlossen werden sollten.
Histamin ist ein Eiweißabbauprodukt, das in der Natur an vielen Stellen vorkommt. Eiweißabbauprodukte wie Histamin, die im Körper biologische Wirkungen entfalten, werden biogene Amine genannt. Das Kurzwort Histamin leitet sich aus Histidin (eine Aminosäure, die in fast allen Proteinen vorkommt), und Amin (eine von Ammoniak abgeleitete Stickstoffverbindung) ab. 1910 wurde erstmals nachgewiesen, dass das biogene Amin Histamin im menschlichen Körper vorkommt. 1932 wurde erkannt, dass Histamin neben vielen anderen Wirkungen auch ein Botenstoff bei allergischen Erkrankungen ist.
Das Histamin, das im Körper wirkt, kommt aus völlig unterschiedlichen Quellen. Bei diesen Quellen werden beeinflussbare und nicht beeinflussbare Histaminquellen unterschieden. Diese Unterscheidung ist gerade bei der Ursachensuche wichtig.
Histaminquelle 1: Histamin von außen
Eine wesentliche Quelle für die Histaminmenge im Körper ist das mit der Ernährung aufgenommene Histamin. Dieses Histamin kommt unkontrolliert in den Körper, je nachdem, was gegessen wurde. Diese Histaminquelle können wir beeinflussen, denn die Entscheidung, was gegessen wird, trifft jeder für sich selbst.
Histaminquelle 2: Histamin von innen
Histamin wird nach Bedarf im Körper gebildet. Dieser Bedarf kann bei normalen Körperfunktionen, bei allergischen Reaktionen, bei körperlicher Belastung, bei Stresssituationen und bei vielen anderen Ursachen erhöht sein. Diese Histaminquelle ist teilweise beeinflussbar, wenn die entsprechenden Auslöser erkannt werden. Zum Erkennen bedarf es aber einer sorgfältigen Selbstbeobachtung. Ernährungs-Symptom-Tagebücher sind hierbei geeignete Hilfsmittel.
Histaminquelle 3: reduzierter Histaminabbau
Wenn die histaminabbauenden Enzyme blockiert werden oder wenn zu wenig dieser gebildet werden, dann steigt in der Folge der Histaminspiegel im Körper. Blocker des Histaminabbaus sind oftmals Medikamente. Eine Liste dieser Medikamente finden sie auf Seite →.
Histaminquelle 4: von der Darmflora produziertes Histamin
Eine weniger gut verstandene Histaminquelle ist das Histamin, das von unserer Darmflora gebildet wird. Dabei wandeln Mikroben der Darmflora die Aminosäure Histidin und Eiweiße aus der Nahrung in Histamin um. Dieses Histamin wird in das Darminnere, das Darmlumen freigesetzt und gelangt durch die Darmwand in unseren Körper. Je mehr histaminbildende Darmbakterien im Darm vorhanden sind, desto mehr Nahrungseiweiß kann zu Histamin umgewandelt werden.
Die histaminbildenden Bakterien im Darm können im Moment weder erfasst werden, noch können wir diese selektiv entfernen. Daher gehört diese mikrobielle Histaminquelle zu den unkontrollierten Histaminquellen. Nur in sehr engen Grenzen kann sie beeinflusst werden, indem durch eine mikrobiomfreundliche Ernährung (ab Seite →) eine günstige Darmflora gefördert wird.
Histaminquelle 5: Probiotika, die Histamin produzieren
Ebenso wie die Bakterien der normalen Darmflora können probiotische Bakterien Histamin produzieren. Dies ist beispielsweise für Laktobazillen vom Typ L. reuteri, L. casei und L. delbrueckii subsp. Bulgaricus bekannt. Eine Tabelle finden Sie auf Seite →. Bei vielen probiotischen Bakterien ist die mögliche Histaminproduktion aber noch nicht untersucht, sodass bei jedem Probiotikum größte Vorsicht angebracht ist. In Zweifelsfällen ist es bei einer Histaminintoleranz ratsam, die Finger von Probiotika zu lassen.
Histamin findet sich überall im Körper, da es ein wichtiger Botenstoff in vielen physiologischen Abläufen ist. Die höchsten Histaminkonzentrationen finden sich in Organen, die in direktem Kontakt zur Außenwelt stehen. Diese Organe sind Haut, Atemorgane und der Verdauungsapparat, denn Nahrungsbestandteile im Darmlumen sind streng genommen noch außerhalb des Körpers anzusehen. Aber auch andere Organe wie Nieren, Lymphknoten und Thymusdrüse enthalten viel Histamin.
Dieses Körperhistamin wird teilweise im Körper selbst gebildet, teilweise wird es über die Nahrung aufgenommen. Da Histamin, je nachdem, wie es aufgenommen oder gebildet wurde und je nachdem, wo es im Körper vorkommt, unterschiedliche Wirkungen hat, wollen wir uns zunächst mit der Bildung und der Wirkung von Histamin genauer beschäftigen.
Histaminbildung und Freisetzung im Körper
Im menschlichen Körper wird Histamin durch enzymatische Umwandlung aus der Aminosäure Histidin gebildet. Das hierfür benötigte Enzym ist das Vitamin-B6-enthaltende Enzym L-Histidin-Decarboxylase. Diese Histaminbildung findet in Zellen der Immunabwehr, wie zum Beispiel in den Mastzellen, und in Nervenzellen statt.
Abbildung 2: Enzymatische Umwandlung der Aminosäure Histidin in Histamin durch das Enzym Histidin-Decarboxylase (nach Comas-Baste, O. et al., Biomolecules, 2020, 10(8), 1181)
Das gebildete Histamin wird in diesen Zellen gespeichert und auf verschiedene Reize hin freigesetzt. Die Speicher in den Zellen werden Granula genannt. Wenn Bedarf an Histamin besteht, kann das Histamin aus diesen Granula freigesetzt werden. Diese Freisetzung erfolgt entweder kontrolliert oder wie bei Pseudoallergien und anderen Erkrankungen unkontrolliert.
Neben der Möglichkeit, Histamin zu speichern, haben manche Körperzellen die Möglichkeit, Histamin, zum Beispiel im Rahmen einer Immunreaktion, rasch herzustellen und umgehend freizusetzen, ohne dass dieses Histamin zwischengespeichert wird.
Freigesetztes Histamin ist an der Regulation zahlreicher biologischer Reaktionen beteiligt. Weil Histamin an so vielen Körperfunktionen teilnimmt, kann ein Zuviel an Histamin eine Vielzahl von Beschwerden verursachen, je nachdem, wo es die Wirkung entfaltet.
Die immunologische Freisetzung im Rahmen der physiologischen Körperfunktion können wir nicht beeinflussen, die unkontrollierte Freisetzung im Rahmen von Pseudoallergien oder durch Histaminliberatoren (werden später erklärt) hingegen schon, wenn der Auslöser identifiziert und gemieden wird. Das geeignete Hilfsmittel zum Erkennen ist ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch.
Spezifische Freisetzung: Freigesetzt wird Histamin beispielsweise nach Aktivierung von IgE-Antikörpern, die auf der Oberfläche von Immunzellen vorhanden sind. Die Aktivierung erfolgt, wenn diese IgE-Antikörper ein spezifisches Antigen binden. Daher heißt sie auch spezifische Freisetzung. Diese IgE-vermittelte Histaminfreisetzung ist vor allem bei Allergien relevant. Aus diesem Grund wird bei Allergien nach IgE-Antikörpern im Blut gesucht.
Unspezifische Freisetzung: Die Histaminfreisetzung kann aber auch nicht allergisch und ohne Bindung von IgE-Antikörpern erfolgen. Die Auslöser dieser nicht allergischen Freisetzungsereignisse sind sehr vielfältig und werden in der Fachsprache Histaminliberatoren genannt. Stressreaktionen, mechanische Reize und Botenstoffe, die bei Entzündungen oder anderen Körperaktionen bedeutend sind, können solche Auslöser sein. Andere Auslöser sind Nahrungsmittel, Medikamente, Enzyme, chemische Reize oder Sauerstoffmangel.
Die Liste der Histaminliberatoren ist sehr lang und macht Ihnen deutlich, weshalb sehr verschiedene Auslöser einzeln oder in Kombination schlussendlich zu Histaminbeschwerden führen können. Interessant ist, dass unter den Histaminliberatoren auch beeinflussbare Auslöser wie Nahrungsmittel oder Medikamente erscheinen. Auslöser, die wir selbst in der Hand haben. Aber dazu kommen wir später.
Ohne Ernährungs-Symptom-Tagebuch gelingt es meistens nicht, die individuellen Auslöser zu erkennen oder zumindest einzugrenzen.
Histamin wird bei verschiedenen Funktionen des Körpers benötigt und wird daher als ein klassisches Gewebshormon angesehen. Zu den Körperfunktionen, bei denen Histamin wichtig ist, finden sich neben Abwehrfunktionen gegenüber Schädlingen (Viren, Bakterien, andere Fremdkörper) auch die Funktion eines Botenstoffes im Gehirn und in verschiedenen Nervensystemen, die Regulation der Säurefreisetzung im Magen, die Regulation des Schlaf-wach-Rhythmus, die Regulation von Denkvorgängen und Merkfähigkeit, die Regulation der Durchlässigkeit von Blutgefäßwänden und der Darmbarriere und die Regulation der Kontraktionsfähigkeit der körpereigenen glatten Muskulatur. Diese kontraktionsfähige glatte Muskulatur findet sich hauptsächlich im Magen-Darm-Trakt, an den Atemwegen und in der Gebärmutter.
Die Verteilung der Wirkorte zeigt Ihnen das bunte Symptomenspektrum der Histaminintoleranz, denn lokale Kontraktionen dieser Muskeln treten auf, sobald Histamin ausgeschüttet wird. Interessanterweise ist Histamin nicht an jedem glatten Muskel kontraktionsfördernd. An der Blutgefäßmuskulatur bewirkt es genau das Gegenteil, eine Erschlaffung. Dadurch begünstigt Histamin an Blutgefäßen eine erhöhte Gefäßwanddurchlässigkeit. Dies wiederum führt zu Gewebsschwellungen und Blutdruckabfall, mit der Konsequenz von Hautsymptomen, Kreislaufproblemen und Herzrasen.