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Impressum

Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

Copyright für diese Ausgabe © 2018 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München

 

 

Impressum der zugrundeliegenden gedruckten Ausgabe:

 

 

ISBN Printausgabe 978-3-499-21379-3

ISBN E-Book 978-3-688-11157-2

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-688-11157-2

Für Leandra und Allyssa
und 1000 Dank an Bibi

1. Kapitel, in dem Sanny einen verhängnisvollen Psychotest macht

«Hubertus und ich passen nicht zusammen???»

«Sieht wohl so aus.»

«Wieso?»

«Steht hier. Ihr habt von 120 möglichen Punkten null gemacht. Keine Gemeinsamkeiten.» Liz schüttelte bedauernd den Kopf.

«Das kann nicht sein.» Ich riss meiner besten Freundin Liz die Zeitschrift aus der Hand und warf selbst einen Blick auf den Psychotest «Wie gut passt ihr zusammen?», der gerade das Schicksal meiner Beziehung zu meinem Freund Hubertus besiegelt haben sollte.

Wir saßen in einem Eiscafé. Hubertus, Liz und ihr Freund David und dummerweise auch mein kleiner Bruder Konny und dessen Hund Puschel. Wir haben einen großen und einen kleinen Konny in der Familie. Der große heißt Konstantin und der kleine Kornelius. Beide haben sich die äußerst einfallsreiche Abkürzung «Konny» ausgesucht, was unser sowieso schon chaotisches Familienleben nicht gerade einfacher macht. Mein Vater heißt Konrad Kornblum und hat die völlige K-Macke. Daher stammte auch mein Name: Kassandra. Aber um diese K-Schallmauer zu durchbrechen, nenne ich mich Sanny.

Leider hatte mein Vater mir heute mal wieder die Aufsicht über den Kleinen aufs Auge gedrückt. Und da ich meine Pläne mit Hubertus und Liz und David nicht ändern wollte, schleppte ich ihn und seinen Hund kurzerhand mit.

Nun stand der Kleine im Eiscafé vor Hubertus, hielt ihm einen Bauplan vor die Nase und erklärte ihm seine neueste Idee, während Puschel genüsslich Hubertus’ Schuh annagte. Wie sollte ich mich da auf den Psychotest, den Liz mit mir machte, konzentrieren können? Der Test hatte völligen Unsinn ergeben. Hubertus und ich waren ein Herz und eine Seele. Wir passten perfekt zusammen. Keine Gemeinsamkeiten – pah! So ein Unsinn!

«Eine prima Hundehütte», meinte Hubertus, lächelte Konny freundlich an und versuchte unauffällig seinen Schuh vor Puschel in Sicherheit zu bringen.

«Das ist doch keine Hundehütte!», rief Konny empört. «Das ist ein Piratenschiffhaus für Puschel! Und wenn andere Schiffe oder Häuser vorbeikommen, kann Puschel sie gleich entern.»

Ich verdrehte die Augen.

Hubertus blieb gelassen. «Dein Hund soll andere Schiffe oder Häuser entern?»

«Na klar! Er ist schließlich ein Piratenhund!»

«Und diese Schiffe oder Häuser kommen bei euch im Garten vorbei?»

«Hoffentlich! Ich darf ja noch nicht alleine auf die Straße …»

Ich schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, was für eine Unterhaltung Hubertus mit meinem kleinen Bruder führte.

Hubertus allerdings schien sie zu gefallen. Er lachte und beugte sich interessiert über den Bauplan, den der kleine Konny uns stolz zeigte. Seit zwanzig Minuten, reihum. Jetzt war gerade wieder Hubertus dran, weswegen er auch die Sache mit dem Test nur mit einem halben Ohr mitbekommen hatte.

«Ich glaube, die Frau da vorne mit dem kleinen Pudel würde sich für ein Piratenschiffhaus interessieren», erklärte ich dem Kleinen und hoffte auf diese Art und Weise, wenigstens mal fünf Minuten meine Ruhe zu haben. Ich musste mit Hubertus zusammen diesen Test noch einmal machen. Das erste Ergebnis konnte so nicht stehen bleiben.

Konny machte sich sofort mit Puschel im Schlepptau auf den Weg zu der Dame. Puschel war eine Mischung zwischen überdimensioniertem Wischmopp und einem in die Jahre gekommenen Fransenteppich, daher musste erst mal der pinkfarbene Pudel der Frau beruhigt und in Sicherheit gebracht werden, bevor Konny ihr die neueste Errungenschaft auf dem Markt für Hundehütten zeigen konnte: die Piratenschiffhundehütte für Piratenhunde. Denn unser Hund Puschel war ein Piratenhund. Das lag daran, dass sein Besitzer, also mein kleiner Bruder, von Beruf Pirat war. Das zumindest verkündete er stets lautstark, bevor er jemanden überfiel und nach Beute verlangte.

«Hubertus, wir passen nicht zusammen», platzte ich mit der wichtigsten Neuigkeit des Nachmittags heraus.

«Ach wirklich? Sagt wer?»

«Dieser dämliche Test!» Ich wedelte mit der Zeitschrift.

«Also, wenn er so dämlich ist, dann hat das Ergebnis ja nichts zu sagen», lachte Hubertus.

«Oh, für uns schon», strahlte Liz. «Schließlich passen wir perfekt zusammen.» Sie lehnte sich an David, der ebenfalls strahlte.

«Hab ich ja gewusst», grinste David und küsste Liz.

«Ich hab’s nicht gewusst», lächelte mir Hubertus zu, nahm meine Hand und küsste mich ebenfalls.

«Dürfen wir das denn überhaupt noch?», fragte ich ironisch.

«Tja, wenn es nach dem Test ginge, wohl nicht, aber wer hält sich schon an so einen blöden Test.»

«Wir!», riefen Liz und David im Chor und lachten.

Ich ließ es mir nicht anmerken, aber meine Laune hatte unter dem Ergebnis des Psychotests gelitten.

Ich schaute zu Konny, der der Frau inzwischen die Vorzüge eines Ausgucks auf einer Hundehütte erklärte.

«Und das hat dein Vater entworfen und gezeichnet?», fragte die Frau mit dem Pudel.

«Ja», nickte der Kleine stolz. «Mein Papi ist nämlich Architekt, und besonders gut ist er in Hundehütten.»

Das stimmte, zumindest Ersteres. Mein Vater ist Architekt; und nach einem Disput mit meiner Mutter, welche Arbeit wohl anstrengender sei, die des täglichen Broterwerbs oder die des täglichen Zähmens, Fütterns und Einfangens der Kinder und die Organisation eines Haushaltes (Letzteres ist laut meinem Vater «ein Klacks»), hatten meine Eltern einfach die Jobs getauscht. Meine Mutter verließ seitdem jeden Morgen das Haus und ging in das familieneigene Architekturbüro, und mein Vater brachte unseren Tagesablauf durcheinander.

Nach Punkten führte eindeutig meine Mutter, was man allein schon daran sehen konnte, dass wir eine Haushälterin einstellen mussten, um zu Hause zu überleben.

«Woran denkst du gerade?», fragte mich Hubertus.

«An Ludmilla», antwortete ich wahrheitsgemäß, denn so heißt unsere Haushälterin.

«Du denkst an Ludmilla, während ich hier sitze und deine Hand halte?», lachte Hubertus.

«Wäre es dir lieber, ich würde an Piraten denken?», bot ich hilfsbereit an.

«Wäre es denn so schwer, an mich zu denken?»

«Ich denke, das krieg ich hin», sagte ich grinsend und gab ihm einen Kuss.

«Und wenn es besonders windig ist, dann kann sich Puschel hier an diesen Seilen festhalten. Das ist wichtig für einen Piratenhund.» Konnys Stimme kam jetzt aus einer anderen Ecke.

Man musste ihn ständig im Auge behalten, weil er die dumme Angewohnheit hatte, sich gerne mal zu verdrücken. Deshalb war er auch aus dem Kindergarten geflogen. Sie hatten es satt, ihn ständig im Umkreis von einem Kilometer suchen zu müssen.

Konny stand jetzt mit seinem Plan bei dem Verkäufer hinter der Eistheke. Der hörte geduldig zu, während die Schlange der Eiskunden immer länger wurde.

«Besser, wir fangen ihn mal wieder ein», schlug ich vor und nickte mit dem Kopf in Richtung kleiner Konny.

Hubertus stand auf. «He, Pirat, alle Mann an Bord, wir laufen aus», rief er ihm zu.

Der kleine Konny strahlte. Er mochte Hubertus, und Hubertus mochte den Kleinen. Mich nervte der Kleine, aber was will man machen, man kann sich seine Geschwister ja nicht aussuchen. Und wenn, dann hätte ich mir nie und nimmer meinen Zwillingsbruder Konstantin ausgesucht. Den großen Konny würde ich auf der Stelle gegen drei kleine Konnys eintauschen.

Wir verabschiedeten uns von Liz und David; der Kleine verabschiedete sich umständlich von dem Verkäufer, rollte seinen Bauplan zusammen, nahm Puschel am Halsband und ging zu Hubertus.

Der Eisverkäufer atmete sichtlich erleichtert auf.

Hubertus begleitete uns noch nach Hause, und während Konny und Puschel vorausliefen und alles überfielen, was nicht schnell genug die Straßenseite wechselte, schmiegte ich mich an Hubertus und hoffte, dass der Heimweg noch ewig dauern würde. Den blöden Test hatte ich bereits völlig vergessen.

2. Kapitel, in dem Konny erklärt, warum echte Jungs keine Komplimente machen

Sarah wischte die Tische ab. Meine Freundin Sarah. Ich fand es ziemlich cool, eine feste Freundin zu haben.

Das lag aber auch daran, dass Sarah einfach klasse war. Ganz im Gegensatz zu meiner völlig durchgeknallten Zwillingsschwester Sanny, die ausschließlich damit beschäftigt war, Probleme zu finden, wo es vorher keine gab, und Listen zu erstellen, die kein Mensch brauchte. Aber, hey, man kann sich seine Familie nicht aussuchen.

Ich wartete am Weiher auf meine besten Freunde Felix und Kai, wir waren verabredet. Ich war extra früher gekommen, um noch Zeit mit Sarah zu verbringen. Am Weiher gab es einen kleinen Kiosk mit ein paar Tischen und Stühlen. Der gehört Sarahs Großvater, und sie half ihm ab und zu aus. Hier hatten wir uns auch kennen gelernt, weil die Jungs und ich hier immer zum Angeln herkamen.

Sarah ging von Tisch zu Tisch, das Tuch lässig in der Hand.

Ich könnte ihr stundenlang zusehen.

«Alles okay?», hörte ich plötzlich eine Stimme. Sarahs Stimme. Es war die coolste Stimme seit Erfindung der Stimmbänder. Egal, was sie sagen würde, selbst wenn sie ein «Best-of» der Lottozahlen der letzten 20 Jahre verkünden würde, ich musste ihr einfach zuhören. Der Klang ihrer Stimme war perfekt.

«Was ist, Konny, hilfst du mir jetzt oder nicht?», rief sie.

«Was?!» Das Einzige, was ich nicht so toll an der Stimme fand, war, dass sie mich immer wieder aus dem Konzept brachte.

Sarah sah mich grinsend an. «Was tust du?»

«Oh, ich denke nach», meinte ich lässig.

«Darüber, dass es echt nett wäre, mir zu helfen, statt einfach nur dumm rumzustehen?»

«Nein. Ich denke darüber nach … äh … wie gut das Wischtuch zu deinem Shirt passt und …»

«Das freut mich sehr, ich habe nämlich ganz viele Wischtücher probiert, bis ich mich für das hier entschieden habe. Vielleicht finden wir ja auch eins, dass zu deinem Shirt passt?»

Das klang jetzt irgendwie zynisch. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass sie mir damit etwas mitteilen wollte. Aber was bloß? War etwas mit meinem Shirt nicht in Ordnung? Ich sah an ihm hinunter. Nein, alles okay. Ich blickte Sarah fragend an.

Sie seufzte. «Ich wollte damit sagen, es wäre echt nett, wenn du dir ein Tuch schnappen und mir helfen könntest.»

Ach so. Wieso sagte sie das denn dann nicht einfach?! Mädchen!

Ich ging lässig zu ihr. «Na klar doch, hey, für dich mach ich alles.»

«Wie schön!» Sie nickte in Richtung des Wassereimers, in dem noch ein Tuch schwamm.

Ich half ihr, die Tische abzuwischen, und nutzte die Zeit, Sarah weiterhin anzuschauen.

«Sehr gesprächig bist du ja nicht gerade», meinte sie nach einer Weile. «Es soll schon vorgekommen sein, dass Jungs mit ihrer Freundin geredet haben.»

«Okay», nickte ich. «Und worüber? Über irgendwas Bestimmtes?»

«Ähm …» Sarah sah angestrengt in die Luft. Dann blickte sie mich gespielt verzweifelt an: «Du hast Recht, Konny – mir fällt auch nichts ein. Ja, es gibt nichts, worüber wir reden könnten. Wir sollten weiterhin schweigen.»

«Das meinst du aber jetzt nicht im Ernst, oder?», erkundigte ich mich vorsichtshalber.

Sarah verdrehte die Augen. «Du könntest zum Beispiel mal was Nettes sagen, mir ein Kompliment machen.»

«Was?!» Was wollte sie denn jetzt von mir. «Hey, das mit dem Tuch und deinem Shirt war doch nett, oder?»

Sie verdrehte die Augen. «Wow! Schon mal was von echten Komplimenten gehört?»

«Ach, weißt du, echte Jungs stehen da nicht so drauf. Wozu brauchst du das denn?»

«Na, wie soll ich denn sonst wissen, ob du mich überhaupt magst?»

Ich stutzte. Also, das war ja wohl sonnenklar. Schließlich hing ich in meiner gesamten freien Zeit hier rum. Wegen ihr! Was wollte sie bloß von mir hören?!

Sarah sah mich ganz lieb an. «Konny, ich finde dich echt toll. Und ich mag dich.»

Sie machte eine erwartungsvolle Pause.

«Äh, danke», meinte ich.

«Danke? Ich hab eben gesagt, dass ich dich mag.»

Jetzt war ich völlig verunsichert. Was sollte ich denn dazu sagen? Ich mochte sie doch auch.

«Hey, cool», sagte ich dann.

Sarah verdrehte die Augen.

«Was?», erkundigte ich mich. «Was erwartest du von mir?»

Sarah wirkte etwas sauer, als sie antwortete: «Als Erstes, dass du selbst draufkommst! Und ein kleiner Hinweis: Ich habe dir gerade gesagt, dass ich dich mag und dich toll finde. Ein ‹Danke› ist da nicht die beste Antwort. Überhaupt sagst du immer nur so allgemeines Zeug zu mir. Und da wir gerade dabei sind …» Sie redete sich irgendwie in Rage.

Ob sie was Schlechtes gegessen hatte und sich nicht so wohl fühlte?

«Es nervt mich manchmal echt, wie du dich verhältst. Wir machen immer nur dasselbe, hier rumhängen oder ins Kino gehen, und spätestens, wenn deine Freunde in der Nähe sind, spielst du Mister Obercool und ignorierst mich. Das ist voll blöde.»

Ich sah sie verwirrt und ein wenig erschrocken an.

Sarah seufzte, gab mir einen Kuss auf die Nase und wandte sich dem nächsten Tisch zu.

Hey, was sollte das? Wovon sprach sie? Was will sie von mir?

«Ich weiß echt nicht, worauf du hinauswillst. Mit den Jungs mach ich doch auch immer das Gleiche. Wir gehen ins Kino, quatschen und gehen angeln. Und die haben sich noch nie beschwert, dass ich ihnen keine Komplimente mache oder so.»

«Konny, das soll hoffentlich ein Witz sein?!»

«Frag sie!»

Sarah sah an mir vorbei und winkte kurz. «Na, dazu hätte ich ja auch gleich Gelegenheit.»

Ich sah über meine Schulter, Kai und Felix kamen grinsend auf uns zu. Ich drehte mich schnell wieder Sarah zu. «Hör mal, davon kein Wort zu den Jungs, okay?!»

«Okay, Joe Cool, keine Sorge, ich werde dein Image nicht beschädigen.» Dann grinste sie und fügte leise hinzu: «Das schaffst du ganz alleine.»

«Hallo, Jungs!» Ich schaltete jetzt blitzschnell auf lässig um, warf unauffällig das Wischtuch in den Eimer, drehte mich zu ihnen und hob locker die Hand. Es fehlte nämlich gerade noch, dass meine Freunde mitbekamen, dass ich hier Tische putzte oder Problemgespräche mit meiner Freundin führte. «Na, endlich!», grölte ich. «Ihr könnt mich doch hier nicht so lange warten lassen. Seit Stunden stehe ich hier!»

Sarah schoss mir einen wütenden Blick zu. Was hatte sie denn jetzt schon wieder?!

Felix und Kai sahen sich fragend an.

Felix’ Blick fiel auf die Uhr: «Dann warst du eindeutig zu früh hier.»

«Wollen wir angeln gehen?», überging ich den Kommentar.

«Was ist denn das für ’ne Frage?» Felix schüttelte den Kopf. «Wieso sollten wir uns sonst am See treffen mit Angeln und ’nem Grill? Um ’ne Holzhütte zu bauen und dann Ski zu fahren?»

«Und habt ihr Lust dazu? Nicht zu langweilig oder so?»

«Ich gehe gerne angeln», meinte Kai.

Felix sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle.

«Ich wollte ja nur nochmal sichergehen, dass ich auch weiß, was ihr wollt!», sagte ich und schaute Sarah triumphierend an.

Die verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.

«Und was soll ich euch an die Angel hängen?», fragte Sarah die beiden.

«Nichts. Ludmilla hat mir was mitgegeben. Ich hab auch extra noch was für dich mitgenommen», erklärte Kai und fing an, in seiner Tasche zu wühlen.

Eigentlich war unser Angelritual ja ein Geheimnis. Dummerweise hatte Sarah es mitbekommen. Die Jungs und ich gingen gerne angeln. Halt so ’ne echte Männersache. Man sitzt da, angelt, unterhält sich, trinkt ’ne Limo. Wie das Männer eben so machen. Allerdings fand es keiner von uns dreien so klasse, wenn tatsächlich mal ein Fisch angebissen hatte. Genau genommen, waren wir damit völlig überfordert. Zum Glück war es uns nur einmal passiert. Als Ersatz für die Fische, die wir nicht fangen wollten, nahmen wir meist Fischstäbchen mit, die wir auf den Grill warfen. Oder aber Ludmilla gab Kai etwas zu essen mit. Oder wir kauften uns etwas am Kiosk.

Dieses Ritual unterlag strengster Geheimhaltung. Nur leider wussten inzwischen schon Sarah und Ludmilla davon. Ludmilla war die Haushaltshilfe von Kais Mutter und, seit mein Vater sich als Hausmann versuchte, zum Glück auch von uns. Damit war unser Überleben gesichert, denn mein Vater hatte ungefähr so viel Geschick zum Haushaltführen wie ein Elefant zum Seiltanz.

Kai hatte inzwischen gefunden, wonach er suchte, und gab Sarah ein kleines Päckchen. «Das sind Vareniki, gefüllte Teigtaschen, die kleinere ist als Nachtisch gedacht, die ist süß und mit Obst gefüllt. Die andere ist mit Pilzen und Kartoffeln und Röstzwiebeln gefüllt. Wenn du noch ein wenig Sauerrahm drübertust, schmeckt’s am besten. Probier doch mal.»

«Hört, hört», rief ich und schüttelte den Kopf. Es war eine Sache, dass wir das Angeln ein wenig abänderten, was die Nahrungsjagd anbelangte, aber dass wir jetzt auch noch einen Spezialitäten-Kochkurs daraus machten, war ein Zacken zu viel.