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rowohlts monographien

begründet von Kurt Kusenberg

herausgegeben von Uwe Naumann

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2016

Copyright © 1983 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

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Redaktionsassistenz Katrin Finkemeier

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Umschlagfoto ullstein bild (Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag in Nürnberg, September 1934. Foto von Heinrich Hoffmann)

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ISBN Printausgabe 978-3-499-50316-0 (14. Auflage 2010)

ISBN E-Book 978-3-644-55411-5

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-55411-5

Anmerkungen

Speer, Erinnerungen, 83

Speer, Erinnerungen, 88

Jäckel, Weltanschauung, 13

Jäckel, Weltanschauung, 8

Jäckel, Weltanschauung, 7

Broszat, Probleme, 11

Haffner, Anmerkungen, 38

Jäckel, Weltanschauung, 138, 146

MK, 2

Vgl. Maser, Adolf Hitler, 26–28; wobei der Autor seine überzeugenden Belege im Text kurioserweise im Register der 7. Auflage dadurch widerruft, dass er schreibt: «Frankenberger (wahrscheinlich Großvater Adolf Hitlers)». Der Widerspruch mag die Wirrnis auf dem Felde von Hitlers Abkunft beleuchten.

MK, 1

Siehe Zeittafel

MK, 2

MK, 16

MK, 6

Stierlin, 23

Ebd. Hitler erzählte später einer seiner Sekretärinnen von einem Prügel-Exzess: Zweiunddreißig Schläge hat mir der Vater gegeben (zit. nach Toland, 30). Das ist schon Sadismus.

MK, 6f

MK, 5

Miller, 207, 221

«Der Spiegel» 4/1969, S. 108

Vgl. Stierlin, 113

«Der Spiegel» 4/1969, S. 100–110

MK, 6

MK, 8

Ebd.

Deuerlein, Augenzeugen, 68

Ebd.

Zit.n. Maser, Hitler, 70

S. 127f

Kubizek, 142

MK, 15

Aufz., 1034

MK, 18

Ebd.

Maser, Hitler, 77

MK, 19

Ebd.

S. 118

MK, 19

Aufz., 48

Maser, Hitler, 79

Toland, 51f

Vgl. Hamann, 225

Tischg., 10.5.1942, mittags

MK, 20

In: Tagungsprotokolle vom 1. Zionistenkongress in Basel, 1897

Ebd.

Vgl. Maser, Hitler, 249

Aufz., 69

MK, 13

Maser, Hitler, 233

Aufz., 88

MK, 59, 69

MK, 59

MK, 109

MK, 40

Aufz., 1102, 1063

Kubizek, 262

MK, 138

Ebd.

S. 224

Maser, Hitler, 123

«Der Spiegel» 14/1973, S. 60

Aufz., 54

Aufz., 55

Aufz., 54

Ebd.

Maser, Hitler, 124

In: Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg. Reclam-Universal-Bibliothek Nr. 9787, Stuttgart 1975, S. 17

MK, 178f

MK, 177

MK, 178f

MK, 179

Ebd.

Aufz., 60

Aufz., 63f

Aufz., 67f

Kershaw, Hitler, 132

Maser, Hitler, 142

Fest, Hitler, 104

Zit.n. Toland, 101

Hitler, 107

Haffner, Revolution, 38f

MK, 222f

MK, 225

Aus Platzgründen ist es nicht möglich, auf die Kriegsschuldfrage 1914 einzugehen, so maßgeblich dieses Problem auch für das Klima in der Weimarer Republik und für Hitlers Redeerfolge war. Deutschland wurde eine Schuld allein angelastet, die nach gerechtem Empfinden durchaus verteilt gewesen war. Die auch historiographisch vorherrschende Sicht von der Kollektivsünde Europas stellte erst Fritz Fischer 1961 mit seinem Buch «Griff nach der Weltmacht» wieder in Frage, indem er nicht nur deutsche Annexions- und Hegemonialpläne aus dem Ersten Weltkrieg in erschreckender Dichte zusammenstellte, sondern auch die kriegswillige und -fördernde deutsche Politik in der Juli-Krise deutlicher, als bis dahin geschehen, ins Licht rückte. Seinem Gesamtresümee, wonach Deutschland die Hauptschuld am Ersten Weltkrieg trage, ist die Forschung dennoch überwiegend nicht gefolgt. Sie vermisste bei Fischer Ausgewogenheit, den Blick auf die Nachbarn. Immerhin hatte Fischer noch zehn Jahre zuvor selber in einer Vorlesung vom «ausgesprochenen Kriegswillen» des französischen Staatspräsidenten Poincaré gesprochen und davon, dass Russland «beispiellos aufgerüstet» hatte und dass es zu den Meerengen gedrängt habe in der Auffassung, dies sei ohne Krieg nicht zu verwirklichen. (Zitate ungedruckt)

Maser, Hitler, 165

Schmolze, 19

MK, 237. Maser (Hitler, 171) hat genau nachgezählt. 45 Personen stehen in der Anwesenheitsliste, darunter von «unteren Schichten» nur die Minderheit von 16 Handwerkern, im übrigen Akademiker, Kaufleute, Bankangestellte, Studenten, ein Schriftsteller – eine Zusammensetzung, wie sie dann für die NSDAP-Gefolgschaft typisch wurde.

MK, 238

Fest, Hitler, 171

MK, 238

Zum folgenden MK, 239–244

Kershaw, Hitler, 172

Fest, Hitler, 170

Kershaw, Hitler, 172

Aufz., 89f

MK, 388

MK, 390f

MK, 235

Tagebuch vom 16.6.1926

Paul Devrient. Sein Tagebuch hat Werner Maser herausgegeben

Laqueur, 17

MK, 194

MK, 197f, 201

MK, 116

Deuerlein, Augenzeugen, 105

Wortlaut bei Deuerlein, Augenzeugen, 108–112

Aufz., 95

Aufz., 308

Deuerlein, Augenzeugen, 131

Aufz., 438

Aufz., 127

Maser, Frühgeschichte, 270

Fest, Hitler, 196

Fest, Hitler, 207f

Kershaw, Mythos, 28

Kershaw, Mythos, 28f

MK, 556f

Deuerlein, Augenzeugen, 144

Aufz., 513

MK, 566

Aufz., 514

Aufz., 711

In Preußen, Sachsen, Thüringen, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Hamburg, Bremen

Thomas Mann – Heinrich Mann. Briefwechsel 1900 bis 1949, Frankfurt a.M, 1975, S. 120

Aufz., 1052

Aufz., 1053

Ebd.

Ebd. Er wohnte seit Anfang der zwanziger Jahre in München

Deuerlein, Augenzeugen, 194

Deuerlein, Augenzeugen, 196

Aufz., 1055

Ebd.

Aufz., 1058

Ebd.

Erinnerungen, 195

Golo Mann, 707

S. 66

Gisevius, ebd.

Deuerlein, Augenzeugen, 221

Deuerlein, Augenzeugen, 228

Deuerlein, Augenzeugen, 205

Aufz., 1154f

Aufz., 1216

Deuerlein, Augenzeugen, 227

Aufz., 1228, 1233, 1237, 1242

Aufz., 1239

Siehe für die ersten beiden Selbstzeugnisse: Maser, Mein Kampf; Zentner, Adolf Hitlers «Mein Kampf»; für alle drei: Jäckel, Weltanschauung

Siehe Anm. 98

Reden, 2239

MK, 70

Siehe Anm. 98

MK, 324

HZB, 46f

HZB, 47

HZB, 46

MK, 312f, 372, 422

HZB, 65f. Um Rassenmischung als naturwidrig hinzustellen, bemüht er die Zoologie und wird gerade durch sie widerlegt. Jedes Tier, so lesen wir, paart sich nur mit einem Genossen der gleichen Art. Meise geht zu Meise, Fink zu Fink … der Wolf zur Wölfin (MK, 311). Wohl, aber eben auch der Hund zum Hund, die Rasse Terrier zu Rasse Spitz, und das entspricht genau den Rassen innerhalb der Art Mensch. Hitler hält die Begriffe Art und Rasse nicht auseinander.

1929 schrieb der völkische Rassenforscher Prof. Max von Gruber über Hitler: «Gesicht und Kopf schlechte Rasse. Mischling.» Vgl. Maser, Frühgeschichte, 46

162 HZB, 220f. Seine Überzeugung, die Juden planten die Versklavung der Völker, stützte sich unter anderem auf die «Protokolle der Weisen von Zion», eine Fälschung der zaristischen Geheimpolizei von 1897 in Paris. Übersetzungen aus dem Russischen erschienen seit 1917, seit 1920 in Deutschland. Hitler war von der Echtheit überzeugt und erblickte nicht zuletzt deshalb überall Machenschaften einer «jüdischen Weltverschwörung». In Mein Kampf heißt es, dass die «Protokolle» mit geradezu grauenerregender Sicherheit das Wesen und die Tätigkeit des Judenvolkes aufdecken und in … den letzten Schlußzielen darlegen (S. 337). So plump das Machwerk heute erscheint, damals fragte sogar die seriöse «Times» unsicher, ob die «Protokolle» möglicherweise echt seien (1. Mai 1920). Dergleichen überhaupt für möglich zu halten, zeigt schlaglichthaft, dass man einmal mit dem Thema «jüdische Weltverschwörung» Menschen aufregen konnte. Dieselbe «Times» bewies 1921 als Erster die Fälschung.

MK, 702 und oft

Aufz., 348

Auf., 775

MK, 772

HZB, 62

MK, 372. Dahinter steht neben Darwins Naturschau Nietzsches Herrenmoral mit der Verachtung alles Schwächlichen.

MK, 421

Vgl. Anm. 160

MK, 147

HZB, 220

MK, 743

Aufz., 96

MK, 742, 732; HZB, 159

Fest, Hitler, 311f

Zit.n. Deuerlein, Augenzeugen, 241

Fest, Hitler, 318

Zit. n. Deuerlein, Augenzeugen, 246

Tagebuch vom 29.12.1925

Tagebuch vom 31.1.1926

Tagebuch vom 15.2.1926

Tagebuch vom 13.4.1926

Tagebuch vom 23.7.1926

Tagebuch vom 28.11.1925

Zit. n. Deuerlein, Augenzeugen, 265

1925: 27000, 1926: 49000, 1927: 72000, 1928: 108000, 1929: 176000

Zit. n. Hofer, Nationalsozialismus, 28

Heiber, Weimar, 203

Zit.n. Deuerlein, Augenzeugen, 330–332

Deuerlein, Augenzeugen, 326

Heß gewann dafür Fritz Thyssen und Emil Kirdorf (Schwarzwäller, 103). Im Übrigen ist Hitler in der Kampfzeit, entgegen allen Legenden, von der Industrie nur unerheblich unterstützt worden. Sie sperrte sich lange aus Sorge vor dem antikapitalistischen Anstrich der Partei und ihres Programms, wobei der Strasser-Flügel die Befürchtungen noch erhöhte. Vgl. vor allem die Arbeit von Turner, aber auch Görlitz: Geldgeber. Das Bild von Hitler als dem «Knecht des Kapitals», dem Werkzeug anonymer industrieller Hintermänner, hält sich hartnäckig in der sozialistischen Geschichtsschreibung. Das «große Geld» floss der Partei 1930 bis 1933 überwiegend aus der Summe der vielen kleinen Mitgliederbeiträge zu. In der Schlussphase wurden auch ohne Hemmung Darlehen aufgenommen.

Reden, 101

Reden, 107

Reden, 115, 117

Reden, 129

Reden, 133

Reden, 139

Reden, 140

Reden, 143

Zit.n. Deuerlein, Augenzeugen, 397

Domarus in: Reden Hitlers, 157

Görlitz, Adolf Hitler, 76

Deuerlein, Augenzeugen, 418

Ebd.

Golo Mann: «Dann ist die Frage: woher kam er, wie war er, wie blieb er stecken und schritt er vorwärts, wie konnte ein so Beschaffener totale Macht über eine hochzivilisierte Nation gewinnen, in der Tat wichtiger als die andere, was er dann mit der Macht anfing, und was man ohnehin weiß.» – Ein Satz aus einem anderen Zusammenhang, aber wohl nicht unerlaubt hierher übertragbar. (Zeiten und Figuren. Schriften aus vier Jahrzehnten. Frankfurt a.M. 1979, S. 280)

Reden, 192–194

Tischg. 10.5.1942, abends

Reden, 228

Ebd.

Reden, 237

Anmerkungen, 93f

Jäckel, Hitler und die Deutschen, in: Weltanschauung, 152

S. 75

Der Antisemitismus steht nicht eigenständig im Thesenkatalog, weil er unter den fördernden Gründen der Machterlangung weniger als die anderen konkret erfassbar ist, ohne dass er deshalb atmosphärisch unterschätzt wird.

S. 711

Reden, 248

Reden, 250

Reden, 251

Reden, 249

Reden, 261f

Reden, 261

Domarus in: Reden Hitlers, 301

Reden, 303

1933 bis 1935 lagen die militärischen Aufwendungen unter dem internationalen Durchschnitt, 1936/37 etwa gleichauf, seit 1938 übertrafen sie die Ziffern der auswärtigen Konkurrenz.

Reden, 352

Reden, 355

Reden, 405

Reden, 286

In: Reden Hitlers, 386

Reden, 396

Reden, 421

Reden, 404

«Der Spiegel» 20/1973, S. 142

Reden, 418f

Reden, 415f

Reden, 426

Görlitz/Quint, 627

Hillgruber, Endlich genug …, 28

Zit.n. Gun in: Zentner, III. Reich, Sonderheft Adolf Hitler, 78

Zit.n. Hoffmann, Sicherheit, 247

Hoffmann, ebd.

Speer, Erinnerungen, 79

Ebd.

Zit.n. Hoffmann, Sicherheit, 245

Reden, 620, 689

Scholl, 14

Ebd.

In: Zentner, III. Reich, Sonderheft «Hitler-Jugend», 38

Reden, 642

Anmerkungen, 118

Reden, 538

Zit.n. Hoffmann, Sicherheit, 67

Hier: Berlin (Ost) 1959, Bd. 4, S. 115

«Mein Leben», Hamburg 1975, 158

Reden, 899

Vgl. Salcia Landmann, Jüdische Witze, hier: München, 11. Aufl. 1968, 236

Reden, 1051

Reden, 1058

Reden, 472

Reden, 595

Craig, 601

Reden, 824

Reden, 813

Reden, 606

Zit. n. Paul Schmidt, 403f

Reden, 870

Schlabrendorff, 38

Zit.n. Fest, 776

Vgl. Fest, Hitler, 773f

Reden, 932

Reden, 749–752

Maser, in: Zentner, III. Reich, Sonderheft «Adolf Hitler», 4

Hofer, Nationalsozialismus, 230f

Reden, 1315

Reden, 1316

Ebd.

Paul Schmidt, 473

Paul Schmidt, 474

In: Zentner, III. Reich, Sonderheft «Adolf Hitler», 27

Reden, 1561, 1565

Zit.n. Trevor-Roper, Vj.hefte f. Zeitgesch. 1960, S. 133

Reden, 1565

Reden, 1731

Vgl. Anm. 264

Zit.n. Trevor-Roper, Vj.hefte f. Zeitgesch. 1960, S. 133

Reden, 1582

Jäckel, Weltanschauung, 118

Vgl. Anm. 172, 173

Reden, 1763

Reden, 1938

Zoller, 141

Reden, 1920

Schlabrendorff, 138

Reden, 2240

Ebd.

Tagebücher, 633f

Wandlungen im Hitler-Bild

In den Erinnerungen Albert Speers von 1969 ist ein Zukunftsmodell von Berlin abgebildet. Es wirkt wie eine Luftaufnahme auf dem Reißbrett und gibt anschaulich wieder, wie Adolf Hitler und sein Chefarchitekt sich die künftige Mitte des Tausendjährigen Reiches vorstellten. Sie sollte alles Dagewesene oder Vorhandene – und hierbei war vornehmlich an Paris gedacht – verkleinern und deklassieren. Herausragend, im Sinne des Wortes: ein Triumphbogen von 120 Metern Höhe, mit den Namen aller zwei Millionen deutschen Gefallenen des Weltkriegs 1914 bis 1918 sowie eine Kuppelhalle mit einer Höhe von 290 Metern und einem Durchmesser von 250 Metern, ausgelegt für 150000 bis 180000 Stehplätze. Auf der Spitze des Steingebirges thronte der Reichsadler, in den Fängen die Weltkugel … Der Innenraum der Peterskirche hätte siebzehnmal in den Koloss hineingepasst. Triumphbogen und Kuppelhalle, die «Höhepunkte» der Reichshauptstadt, erhoben sich am Beginn und Ende einer fünf Kilometer langen Nord-Süd-Achse, das Zweieinhalbfache der Champs-Élysées. Der gedachte neue Führerpalast verurteilte die ausländischen Diplomaten zu einem Anmarschweg von 500 Metern: Unterwerfung durch einschüchternde Raummaße. Zu erwähnen vielleicht noch der Staatsbahnhof mit vier Verkehrsebenen und das Stadion der Vierhunderttausend, geplant für olympische Spiele mit Dauersitz in Deutschland.

Vor den Entwürfen der Gigantomanie träumte Hitler 1937: Wir werden ein großes Reich schaffen. Alle germanischen Völker werden darin zusammengefaßt sein. Das fängt in Norwegen an und geht bis Norditalien. Ich selbst muß das noch durchführen. Wenn ich nur gesund bleibe![1] Als späteren neuen Namen der Metropole hatte er «Germania» im Sinn.

Bei Speer findet der Leser zwei Skizzen Hitlers aus der Mitte der zwanziger Jahre: Triumphbogen und Große Halle, Vorläufer der ähnlich konzipierten neubarocken Ungeheuer, die ein Jahrzehnt danach die Welthauptstadt Berlin im Planungsbüro krönten. Bemerkenswert, wie Hitler mitten in der Kampfzeit, als Chef einer Splitterpartei mit geringen Aussichten, seine Herrschaftsträume von einem neogermanischen Großreich mit dem Zeichenstift festgehalten hat. Denn wozu eine raumsprengende Repräsentations-Architektur in einem Staat von europäischem Normalumfang? Der Parteiführer musste schon damals weit darüber hinausgedacht haben, allein nach seinem Skizzenblock geurteilt. Der bautechnische Weltmachtstil in Speers Entwürfen setzte lediglich um und führte aus, was der Bauherr lange mit sich herumgetragen hatte. Als Hitler eines Tages im Jahre 1935 die Skizze der Großen Halle, zehn Jahre alt, hervorholte und sie Speer schenkte, erläuterte er: Ich habe sie immer aufgehoben, da ich nie daran zweifelte, daß ich sie eines Tages bauen werde.[2]

Entwerfen und Bauen war für Hitler Weltanschauung in Stein. Zeitgleich mit den ersten Entwürfen für das monumentale Äußere des kommenden Reiches entwickelte der Parteiführer seine Vorstellungen von dessen räumlicher Ausdehnung und der inneren Gestalt: in der programmatischen Schrift Mein Kampf. Die Herrschaftsvision per Diktat ergänzte diejenige auf dem Zeichenblatt, oder umgekehrt. Darin lagen Logik und Konsequenz, ja, es war Prophetie in eigener Sache, denn derselbe Mann hat, nachdem er an die Macht gekommen war, seine Zukunftsbilder mit äußerster Entschlossenheit zu verwirklichen gesucht. Ist es schon höchst ungewöhnlich, dass ein Politiker im Voraus ein Kursbuch aggressiver Herrschaftsziele veröffentlicht, so kennt die Geschichte kein zweites Beispiel, dass er anschließend die Züge unbeirrbar nach dem ursprünglichen Fahrplan auf die Reise schickte.

Erstaunlicher nur als die Willenseinheit im Planen und Ausführen, hinweg über alle Wechselfälle des persönlichen Aufstiegs und der europäischen Allgemeinentwicklung von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, ist die Hartnäckigkeit, mit der die Forscher die zugrunde liegende Weltanschauung lange übersehen und bestritten haben. Obwohl zutage liegt, dass der Staatsmann und Feldherr Hitler den Demagogen und Programmatiker Hitler Punkt für Punkt erfüllt und bestätigt hat, wurde ihm jahrzehntelang jedes zusammenhängende Weltbild abgesprochen. Als prinzipienloser Machtmensch geistert er durch die älteren Bewertungen. Nicht wenig trug Mein Kampf dazu bei. Hass, Aggressionen, Pathos und irrtumstrotzende Halbbildung standen vorurteilsfreier Prüfung ebenso entgegen wie die unsystematische Anlage der Schrift und ihr propagandistischer, vom Redeton her gedachter Duktus. Die geschulten Denkapparate der Historiker wurden davon irritiert wie saubere technische Geräte durch ein nicht entstörtes altes Modell. Mein Kampf blieb der ungelesenste Bestseller der Weltliteratur.[3]

Überdies hatte ein beachteter Hitler-Kritiker die Interpretationen in die Fehlrichtung gelenkt. Hermann Rauschning, einstiger Danziger Senatspräsident von anfänglich nationalsozialistischer Couleur, hatte bis zum Abfall viele freimütige Äußerungen des Reichskanzlers vernommen, sich dabei vom opportunistischen Plauderton täuschen lassen und auf grundsätzliche Richtungslosigkeit geschlossen. Daraus entstand der Buchtitel «Revolution des Nihilismus», 1938. Der Nationalsozialismus, schrieb er, kenne kein wie immer geartetes Ziel, das er nicht um der Bewegung willen aufzustellen oder preiszugeben bereit sei. Totale Herrschaft um ihrer selbst willen bilde das alleinige Prinzip.

Die erste wissenschaftliche Biographie, Alan Bullocks allgemein gerühmte «Study in Tyranny» von 1952, brachte sich in der Kernaussage um ihren Wert, denn sie deckte sich darin fast wörtlich mit Rauschnings verfehlter Sicht. Und so ging es weiter bei allen sonstigen Fortschritten in der biographisch-historischen Durchdringung der Person und der Epoche. Die geschichtsrichterliche Zunft sträubte sich, den Hauptangeklagten zur Wahrheitsfindung ernsthaft zu befragen. Von einer einsamen, ungehörten englischen Stimme abgesehen (R.C.K. Ensor, Oxford 1939), fanden die Historiker sich erst in den fünfziger und sechziger Jahren bereit, die unerquickliche Grundschrift des großen Ruinierers ohne Zorn und Eifer zu lesen – oder überhaupt zu lesen –, Text und Taten nüchtern zu vergleichen.

Wieder ging ein Oxford-Mann voran, Hugh Trevor-Roper, 1953 und 1959/60. Hitlers Weltanschauung habe seit 1923 festgestanden; im Osten ein großes deutsches Reich zu errichten, sei der Traum seines Lebens gewesen. Den Fachkollegen warf er vor, der Abscheu vor Hitlers Unmenschlichkeit habe sie für seine in sich geschlossene Vision der Weltgeschichte blind gemacht, sie gehindert, ihm Denkschärfe und zielbewusstes Handeln zuzutrauen.

In Deutschland setzte eine neue Historiker-Generation den bezeichneten Weg entschlossen fort. Martin Broszat dehnte die Betrachtung 1960 auf die von Trevor-Roper wenig berücksichtigte Judenpolitik aus und nannte Hitlers Antisemitismus die vielleicht einzige Überzeugung, die bei ihm nicht opportunistisch manipulierbar gewesen sei. Ernst Nolte erkannte eine weltanschauliche Folgerichtigkeit, die einem den Atem verschlage (1963). Die neuen Einsichten ließen auch Alan Bullock umdenken. In einer überarbeiteten Neuausgabe seiner Biographie räumte er zehn Jahre nach der Erstfassung ein, Hitler habe an den Zielsetzungen des Buches Mein Kampf bis zuletzt konsequent und mit erstaunlicher Willenskraft festgehalten.

Wichtige Gedankenschritte auf dem mühevollen Weg der Umorientierung leistete Eberhard Jäckel 1969: «Hitlers Weltanschauung – Entwurf einer Herrschaft». Er ordnete das verstreute, unzusammenhängend hinterlassene Material zum Welt- und Geschichtsbild wie in einem Puzzlespiel. Und da ergab oder bestätigte sich zweierlei. Hitlers Weltanschauung hatte in den zwanziger Jahren ihre Endgestalt gewonnen; ihre Kernmotive waren Rasse und Lebensraum.

Jäckel konnte für die erweiterte Neuausgabe seines Essays (1981) die mittlerweile vorliegenden «Sämtlichen Aufzeichnungen» Hitlers bis 1924 zusätzlich verwerten. Dieser Sammelband von 1980 (Jäckel und Kuhn), ein Glanzstück schürfender und nutzbar präsentierter Quellenkunde, vervollständigt die schon vorher bekannt gewesenen Selbstzeugnisse bis zum Ende der Landsberger Festungshaft und bildet nun die dritte Textgrundlage für Hitlers Werdezeit. Er selber hatte 1925 und 1927 in zwei Teilen Mein Kampf veröffentlicht. 1961 brachte Gerhard Weinberg «Hitlers Zweites Buch» von 1928 unter dieser nachträglichen Bezeichnung heraus.

Hatte Jäckel noch 1969 heftig gegen die älteren Ansichten vom reinen, ziellosen Machtstreben gestritten, so spricht er in der Neufassung nur noch von der «kaum glaublichen Geschichte der Unterschätzung Hitlers»[4] als von etwas Überwundenem, denn: «Inzwischen hat sich das Urteil gewandelt.»[5] Dass schon der Parteiführer lange vor der Berufung zum Kanzler entschlossen gewesen war, Russland zu erobern und die Juden zu entfernen (bis zu welchem Grade auch immer), bezweifelt kein Sachkenner mehr. Den Rezeptionsweg ungewohnter neuer Anschauungen hatte Gustav Freytag einmal ironisch so beschrieben: Zuerst heiße es, das sei nicht wahr, sodann: es schade der Kirche, zuletzt: das wisse doch jedes Kind.

Niemand kann allerdings bisher schlüssig beweisen, wann Hitlers Feindschaft gegen die Juden angefangen hat, und auf Grund welcher Einwirkungen. Entschieden ist nur, wann der Antisemit Hitler praktisch fertig dastand. Über Mutmaßungen und Assoziationen für die weltanschaulichen Ansätze dieser späteren einzigartigen Hassverdichtung kommen wir nicht hinaus, und allem Anschein nach wird es so bleiben. Martin Broszat fasste die Vergeblichkeit 1980 in dem Satz zusammen, «daß wir Sicheres … über die Entstehungsgeschichte des Hitlerschen Antisemitismus [nicht] wissen»[6].

Auf anderen Teilgebieten der Hitler-Forschung und -Deutung glückten Durchbrüche leichter oder gar kampflos, begünstigt durch teilweise gelassenere Betrachtung aus wachsendem Zeitabstand. Aber auch dort brauchte die Versachlichung Zeit und lange Wege.

Wie der ideologische Umriss zunächst verfälscht worden war, so der biographische. Hatte auf jenem Gebiet Hermann Rauschning in die falsche Richtung gewiesen, so war es auf diesem Konrad Heiden gewesen, auch in den dreißiger Jahren. Seither vervielfältigte sich die Mär vom Wiener Vagabunden und herumlungernden Obdachlosen; glaubhafter noch dadurch, dass Hitler aus politisch-taktischen Gründen von sich selber das Zerrbild qualvoller Armut entworfen hatte.

Die Wahrheit kam schrittweise ans Licht. Die meiste quellenkundliche Kärrnerarbeit bewältigte Werner Maser mit wahren Zettelkasten-Orgien und ständig ergänzten Neufassungen seiner faktenüberhäuften Biographie von 1971. Unentwegt polemisierend, verschont er den Leser mit keiner Variante anderer, selbstredend irrender Autoren. Doch in aktendetektivischer Gründlichkeit ist er schwerlich zu übertreffen. Er entkräftet die Legenden vom ewigen Wiener Hungerleider, wobei er nur ins andere Extrem fällt und Hitler zu auskömmlich leben lässt.

Noch ehe die Materialschlachten mit lebenskundlichem Fundgut 1976 in John Tolands 1200 Seiten starkem «Adolf Hitler» wohl an ihre Grenzen gelangt waren, hatte Joachim Fest den Gegenstand unter anderer Blickrichtung und mit anderem Instrumentarium erschlossen. Nachdem die Lebenstatsachen, soweit überhaupt möglich, weitgehend ermittelt zu sein schienen, die Konturen des Zeitalters, soweit jener Name es beherrscht, feststanden, sah er mittlerweile die wichtigere Aufgabe des Historikers in Deutungen und Durchblicken statt in fußnotenseliger Detailkunst; kann doch das Literaturgebirge «Hitler» schon keiner mehr ersteigen. Bei aller biographischen Sorgfalt fragt er vor allem nach den Gründen des Erfolgs und der Wirkung dieses Mannes und seiner beispiellosen Energieentladung. Mit psychologisch-analytischem Scharfsinn legt er in immer wiederholten Anläufen wahrhaft erschöpfend dar, wie Hitler die untergründigen Ängste, Sehnsüchte, Ressentiments der Massen in medialer Wechselbeziehung auffing und zurückwarf. Ohne Hitler bliebe die Epoche unverständlich; er ist nicht als isoliertes, selbsttätiges Verhängnis von ihr abzulösen.

Dem Druckwerk von 1973, in der brillantesten Wissenschaftsprosa dieser Jahrzehnte, folgte 1977 sein Film über Hitlers Karriere. Alle Zuschauer, auch die es gern vergessen hatten, erlebten in beklemmender Leinwand-Unleugbarkeit lange Sequenzen frenetischen Jubels und taumelnder Selbstvergessenheit. Deutschland hatte diesen Mann umtobt wie keinen zuvor. Wenn Charisma und dessen Wirkung als geschichtliche Treibkräfte, als Anteilseigner des Weltganges studiert werden wollen, dann bieten sich solche Filmdokumente als lehrreich an. Beängstigend manche Szenen rauschhafter Verzückung und tranceartiger Vereinigungssehnsucht auf der einen Seite, berechnend hinausgezögerter Teilhingabe auf der anderen. Wer all das ignoriert oder als unerheblich abtut, kommt dem Charakter der Zeit nicht nahe.

Unbefohlener, willensfreier Personenkult wächst nicht auf dem Grunde bloßer irrationaler Gefühlsverbindungen. Da müssen Leistungen des Einen gegenüber den Vielen erbracht worden sein. Und wirklich hatte Hitler ja zunächst wichtige Versprechen erfüllt und sich gegen alle Voraussagen als fähiger Kanzler erwiesen. Diesen Tatbestand hebt Sebastian Haffner in seinen «Anmerkungen zu Hitler» von 1978 dadurch hervor, dass er den «Leistungen» und «Erfolgen» ein knappes Drittel des ganzen Textes einräumt – ein weiterer, besonders auffallender Schritt der Versachlichung. Man könne sich, ruft der Emigrant des Jahres 1938 als unverdächtiger Chronist in Erinnerung, «die dankbare Verblüffung», dass Hitler Millionen Menschen wieder Arbeit und Brot gegeben habe, «gar nicht groß genug vorstellen»[7].

Nach all den Kompendien des Fleißes stieß seine knappe, dabei essayistische Geschichtslektion in eine Bedarfslücke, obwohl die Frage, aus welchen Voraussetzungen Hitler möglich wurde, zur Macht gelangte, weithin offen bleibt. Elegant formulierend und ideenreich, erlöste Haffner jedenfalls in seiner ungehemmten Frische weitere unbequeme Wahrheiten aus der Tabuisierung oder rückte sie mehr in den Blick, ließ sie weniger leicht im Meer der Druckbuchstaben untergehen. Am Ende, wenn die Irrtümer, Fehler und Verbrechen vorübergezogen sind, ist Hitler auch bei ihm wieder im Lot – negativ.

Die Wahrheitssuche der letzten Jahrzehnte, von der hier in gedrängter Kürze nur die große Linie nachgezogen werden kann, mit wenigen Hauptsachen, hinter denen sich Bibliotheken zäher Kleinarbeit türmen – sie hat Hitler nicht aufgewertet, nur zurechtgerückt. Aus den Geschichtstrümmern der Täuschungen, Lügen, gebrochenen Verträge, gigantischen Zerstörungen und Vernichtungstaten sind lediglich Erkenntnisse vom wirklichen Ereignisgang freigelegt worden, auch wenn sie unliebsam sind. Das ist des Historikers Handwerk und Pflicht.

Dazu gehört Jäckels Feststellung in einem Vortrag «Hitler und die Deutschen» (1979), dass das Volk ihn «eher geliebt als gefürchtet» habe und «daß die Herrschaft Hitlers über die Deutschen keineswegs allein und nicht einmal überwiegend auf Terror beruhte»[8]. Wie sich mit diesem Sachverhalt zugleich Vernichtungsprogramme vertrugen, wird zu zeigen sein.

Die rücksichtslosen Richtigstellungen lassen den Einbruch des Dritten Reiches eher als Kausalitätsprozeß begreifen; sie helfen, Hitler zu entdämonisieren. Der Führer des Nationalsozialismus ist aus der deutschen Geschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts hervorgegangen, wenngleich mit rätselvollen und vorbildlosen Zutaten, und muss aus ihr verstanden werden, muss vor allem von uns wieder hin- und angenommen werden. Er gehört uns leider. Eine Binsenwahrheit? Offensichtlich erst seit neuerem, sonst hätten die beiden Mitscherlichs nicht 1967 den Vorwurf der «Unfähigkeit zu trauern» erhoben.

In der Psychoanalyse ist «Trauerarbeit» ein schmerzhafter, selbstkritischer Loslösungsvorgang, schrittweise, von einem geliebten Objekt, ist das Hineinfinden in eine Verlustrealität. In diesem Falle heißt das: sich mit dem Verrat der Ideale durch einen Vergötterten auseinanderzusetzen und zugleich damit die Verbrechen, insonderheit den Millionenmord an den Juden, mitleidend zu verinnerlichen. Stattdessen hatten die Deutschen wie enttäuschte Liebende Hitler und alles damit zusammenhängende Geschehen affekthaft verdrängt, in kollektiver Gemütsabwehr aus dem Leben gelöscht, so gut es ging. Bei aller äußeren Bereitschaft «wiedergutzumachen», wie es in einer Traulichkeitsvokabel aus dem deutschen Märchenschatz heißt, blieb das Furchtbare im allgemeinen Bewusstsein doch unverarbeitet.

Das ist anders geworden. Die gedruckte Vergangenheitsschau hat dazu ebenso beigetragen wie, mit harten Denkanstößen, die filmische. Die Fernsehserie «Holocaust» aus Amerika erschütterte landesweit, obwohl man sie bei der Erstausstrahlung 1979 noch im Dritten Programm versteckt hatte. Auch bei der Serie «Ein Stück Himmel» 1982 – diesmal erlebt, nicht erfunden – bewies die Geschichte wieder ihr Überwältigungsvermögen, sobald sie sich in persönliche, nachzuerlebende Schicksale kleidet. Mit einem Mal wuchs aus dem anonymen Gesamtdrama Judentum, mit dem abstrakten Unmaß seiner Zahlen, eine Einzeltragödie heraus, in die sich jeder einfühlend hineindenken konnte. Das hatte schon der postume Erfolg der armen Anne Frank gezeigt; das wiederholte sich verstärkt bei Janina David mit der anderen Größenordnung des schon fast mythischen Symbolnamens Warschauer Ghetto.

Ein Kind mit fassungslosen Augen wurde zum Reiseführer in die junge Vergangenheit. Das Schicksal, das sich in ihnen spiegelte, ergriff Ungezählte. Sie warteten auf die nächste Folge, als spürten sie, das sei ihre eigene, vergessene Geschichte. Sind wir doch fähig geworden zu trauern?

Der Müßiggänger