Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
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Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München
Impressum der zugrundeliegenden gedruckten Ausgabe:
ISBN Printausgabe 978-3-498-06331-3
ISBN E-Book 978-3-688-10518-2
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-688-10518-2
Wolfgang Schmidbauer, Einsame Freiheit. Therapiegespräche mit Frauen. Reinbek: Rowohlt 1993. Als rororo-Taschenbuch 1995 unter dem Titel Kein Glück mit Männern. Fallgeschichten zur Nähe-Angst.
J.R.R. Tolkien, der viele Fronterfahrungen in seinem Werk Der Herr der Ringe verarbeitet hat, beschreibt das «Schwinden» als eine Folge der Morgul-Waffen und des «schwarzen Atems» der Abgesandten des Bösen. Sie zerstören den vitalen Mut und die geistige Unabhängigkeit. Die Opfer werden von panischer Angst gelähmt und bewegen sich nur noch mechanisch. Sie sehen die Welt und die anderen Menschen durch einen Nebel, der sich zu Dunkelheit verdichtet, verlieren das Interesse am Leben und sterben.
In seinem Bericht über sein Schicksal in Auschwitz nennt Primo Levi diese beiden Gruppen (vgl. S. 107) die einzigen Typen, die seither in der Menschheit zählen.
Es gibt Ausnahmen; in einem Fall konnte ich mit der Tochter eines Paares überzeugter Nationalsozialisten arbeiten, die viele lieblose, latent sadistische Erlebnisse mit beiden Eltern in einer Identifizierung mit den Opfern des Holocaust verarbeitet hatte und nun den Frieden der Familientreffen mit hartnäckigen Erörterungen der deutschen Vergangenheit störte.
Helen Epstein: Die Kinder des Holocaust, München: Beck 1987
Dörte von Westernhagen: Die Kinder der Täter. München: Kösel 1987
John Keegan: Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916. Frankfurt: Campus 1991, S. 402
Aus dieser Dynamik wird verständlich, weshalb viele Frauen ihre Mütter als «stark, aber streng und lieblos», ihre Väter hingegen als «schwach, aber liebevoll» erinnern.
Anita Eckstaedt spricht von «Verläßlichkeit und Aufrichtigkeit», die der «zweiten Generation» vorenthalten wurden.
Anita Eckstaedt: Nationalsozialismus in der zweiten Generation. Psychoanalyse von Hörigkeitsverhältnissen. Frankfurt: Suhrkamp 1989, S. 498. Interessant finde ich die von ihr sehr häufig den Fallgeschichten vorangestellte Bemerkung, sie habe die Patientinnen oder Patienten «zu schnell» in Analyse genommen. Sie spiegelt eine ebenfalls «zu schnelle» Gewißheit über die eigenen Deutungen, die – oft extrem spekulativ – als gültig dargestellt werden, weiterhin eine Selbstüberschätzung der Analytikerin, die allen Ernstes behauptet, derartige Erlebnisse ließen sich nur durch eine Analyse verarbeiten.
R. Duesburg, W. Schroeder: Pathophysiologie und Klinik der Kollapszustände. Leipzig: Hirzel 1944
Hermann Rein (hg. von Max Schneider): Einführung in die Physiologie des Menschen. Berlin: Springer 1960, S. 173
«Erinnerst du dich an das bißchen Kaninchen, Herr Frodo?» fragte er. «Und an unseren Platz unter der warmen Böschung in Heermeister Faramirs Land, an dem Tag, als ich einen Olifant sah?» – «Nein, ich fürchte, nicht, Sam», sagte Frodo. «Ich weiß zwar, daß solche Dinge geschehen sind, aber ich kann sie nicht sehen. Kein Geschmack am Essen, kein Gespür für Wasser, kein Geräusch des Windes, keine Erinnerung an Baum oder Gras oder Blume, keine Vorstellung von Mond oder Stern sind mir geblieben.» J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Stuttgart: Klett-Cotta 1984, Bd. III, S. 24
Modris Eksteins: Tanz über Gräben. Die Geburt der Moderne und der Erste Weltkrieg. Reinbek: Rowohlt 1990, S. 159
Eksteins a.a.O., S. 163
Robert von Ranke-Graves: Strich drunter! Reinbek: Rowohlt 1990, S. 158. Erstausgabe Goodbye to All That. Autobiography. London: Cassells 1929
Graves a.a.O., S. 339
Graves a.a.O., S. 340
Graves, a.a.O., S. 346. Über den britischen Angriff bei Loos steht im Tagebuch des deutschen 15. Reserve-Infanterieregiments: «Deutlich konnte man eine auseinandergezogene Linie zu zehn Reihen unterscheiden, jede wohl über 1000 Mann stark. Sie boten ein Ziel, wie man noch keines gesehen hatte oder überhaupt für möglich gehalten hätte. Nie war die Arbeit der MG-Schützen so einfach gewesen, und noch nie haben sie sie so effektiv erledigt.» Zit.n.Eksteins a.a.O., S. 286
«Wir [waren] uns alle einig, daß nach wie vor der Regimentsstolz der stärkste moralische Rückhalt sei, um ein Bataillon als kampffähige Einheit in Form zu halten, und stellten ihn insbesondere dem Patriotismus und der Religion gegenüber», sagt Robert Graves a.a.O., S. 225
Graves a.a.O., S. 205f.
Graves a.a.O., S. 206
Eksteins a.a.O., S. 263
Ludwig Renn: Krieg. Frankfurt: Societäts-Druckerei 1929, S. 101
Vgl. Fußnote 4. Zit.n.Eksteins a.a.O., S. 321
Ernst Jünger: In Stahlgewittern. Berlin 1927, S. 115
Fritz Kreisler: Four Weeks in the Trenches: The War Story of a Violinist. Boston 1915, S. 65, zit.n.Ekstein a.a.O., S. 236
Remarque war nur kurze Zeit an der Front; er kam im Juni 1917 nach Flandern und wurde am 31. Juli 1917 am linken Knie und unter dem Arm verwundet; den Rest des Krieges verbrachte er als Patient, später als Schreibkraft in einem Duisburger Krankenhaus (Eksteins a.a.O., S. 414).
Hier wiederholt sich das Thema von den Untergegangenen und den Geretteten, das Primo Levi zeit seines Lebens beschäftigt hat.
Eksteins a.a.O., S. 431. Kunst erscheint in unruhigen und verwirrenden Zeiten wahrer als Geschichte; mit den historischen Differenzierungen (mit dem wissenschaftlichen Fortschritt der Geschichte) schwindet auch die Fähigkeit der Historiker, Sinn zu produzieren, bis zu H.A.L. Fishers ironischer Feststellung im Vorwort seiner 1934 erschienenen Geschichte Europas: «Menschen, die weiser und gebildeter sind als ich, haben in der Geschichte einen großangelegten Plan, einen Rhythmus, ein Werk der Vorsehung erkennen wollen. Solche Harmonien haben sich meinem Blick nicht enthüllt. Ich sehe ein Ereignis dem anderen nachfolgen wie die Wellen des Meeres» (zit.n.Eksteins a.a.O., S. 432).
Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann sind in gewisser Weise eine Ausnahme, weil hier zumindest die Vermeidung des Wehrdienstes in einer glänzend erfaßten Szene dargestellt ist.
Vgl. Walter von Baeyer, Heinz Häfner und Karl Peter Kisker: Psychiatrie der Verfolgten. Psychopathologische und gutachtliche Erfahrungen an Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung und vergleichbarer Extrembelastungen. Berlin: Springer 1964. Walter Ritter von Baeyer ist einer der Pioniere einer Anerkennung «erlebnisbedingter Verfolgungsschäden»; so lautet der Titel seines Aufsatzes in Nervenarzt Bd. 32, 1961, S. 534
Paul Matussek: Die Konzentrationslagerhaft und ihre Folgen. Berlin: Springer 1971
Diffuse Unlustzustände, etwa ausgeprägte Seekrankheit, sind deshalb trotz ihrer scheinbaren Harmlosigkeit so schwer zu ertragen, weil diese Grenzziehung mißlingt. Eine Schnittwunde macht keine vergleichbaren Schwierigkeiten.
Sigmund Freud: Jenseits des Lustprinzips, Ges. W. XIII
Solche Interaktionen verraten auch etwas über die allgemeine Problematik schneller Heilungen. KZ-Überlebende haben festgestellt, daß einfühlende, rücksichtsvolle und an Vertrauen zu ihren Mitmenschen gewöhnte Personen in dieser brutalen Welt schlechtere Überlebenschancen hatten als beispielsweise Kriminelle. Diese Tatsache legt über fast alle Überlebenden den Schatten einer Depression.
Graves a.a.O., S. 224
Chaim Shatan: «Bogus Manhood, Bogus Honor: Surrender and Transfiguration in the US Marine Corps.» In: Psychoanalytic Review, Bd. 64; 585f., 1977
Mario Erdheim und Brigitta Hug: «Männerbünde aus ethnopsychoanalytischer Sicht». In: G. Vögeler, Karin von Welck, Männerbande – Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1990
Chaim Shatan: «Militarisierte Trauer und Rachezeremoniell», S. 220f. in: Peter Pasett, Emilis Modena (Hg.): Krieg und Frieden aus psychoanalytischer Sicht. Frankfurt: Stroemfeld 1983
Shatan, a.a.O., S. 228, erfuhr die «Rabbit-Story» von sieben Vietnam-Veteranen, die zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Trainingslagern ausgebildet worden waren.
Vgl. den Bericht von Kurt Kister, Süddeutsche Zeitung, Nr. 114/1996, S. 3
Shatan a.a.O., S. 230
Shatan a.a.O., S. 232
Friedman, Matthew, Jaranson, James: «The applicability of the posttraumatic stress disorder concept to refugees», in: Marsella, A.J., Amidst Peril and Pain. Washington 1994, S. 209. Wie oft haben die amerikanischen Autoren nur die amerikanische Literatur rezipiert; Paul Matussek et al. haben den von Friedman und Jaranson bestrittenen Zusammenhang zwischen der Traumatisierungsdauer und der Intensität der Nachwirkungen nachgewiesen.
Woolf, M., Mosnaim, A.: Post-Traumatic Stress Disorder. Biological Mechanism and Clinical Aspects. Washington 1990
Marsella, A.J. et al.: «A selective review of the literature on ethnocultural aspects of PTSD». In: PTSD Research Quarterly, 3, 1–7, 1992
Paul Matussek et al.: Die Konzentrationslagerhaft und ihre Folgen. Berlin: Springer 1971. Ich habe schon erwähnt, daß diese gründliche Arbeit in der neueren PTSD-Forschung zu wenig rezipiert wurde, und zitiere sie deshalb etwas ausführlicher.
Primo Levi: Ist das ein Mensch? Erstausgabe unter dem Titel Se questo un uomo?, 1958; hier zitiert in der Übersetzung von Heinz Riedt nach der Hanser-Ausgabe, München 1988, S. 94
Muselmann wurden von den Lagerveteranen die schwachen, überlebensuntüchtigen, gleichgültigen Häftlinge genannt, die nichts mehr dagegen unternahmen, bei den Selektionen aussortiert zu werden. Der Ausdruck leitet sich wohl von dem Fatalismus her, der von seiten der Christen den Muselmännern unterstellt wird. «Muslim» ist im Arabischen ein Anhänger des Islams; der persische Ausdruck «musalman» wurde über türkisch «müslüman» und italienisch «musulmano» eingedeutscht. Vgl. Levi a.a.O., S. 95
Levi a.a.O., S. 96
Levi a.a.O., S. 96
Levi a.a.O., S 97. Wenig später beschreibt Levi eine Form der Zentralisation, welche vor der Auflösung der Widerstandskraft im Muselmann-Zustand schützt: «Man muß jede Würde in sich zerstören und jede Gewissensregung abtöten, muß als Rohling gegen die Rohlinge zu Felde ziehen und sich von den ungeahnten unterirdischen Kräften leiten lassen, die den Geschlechtern und den einzelnen in grausamer Zeit Beistand gewähren.» Levi a.a.O., S. 99
«Beide sitzen in derselben Falle, aber es ist der Unterdrücker und nur er, der sie aufgestellt hat und zuschnappen läßt», sagt Levi a.a.O., S. 6
Vgl.: Rudolf Höß: Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen. München: dtv 1963. Detlev Peukert/Jürgen Reulecke (Hg.): Die Reihen festgeschlossen. Beiträge zur Geschichte des Alltags unterm Nationalsozialismus. Wuppertal: Hamme 1981, sowie Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus. München: Hanser 1991. Die Möglichkeit, sich aus Belastungen in eine «heile Welt» zurückzuziehen, schützt offensichtlich vor der Zentralisation und führt dazu, daß die Täter bessere psychohygienische Aussichten haben als die Opfer.
zit.n.Levi, a.a.O., S. 6
Für Wolfgang Sofsky sind Deutungen, die sich mit den bewußten oder unbewußten Intentionen des KZ-Personals beschäftigen, unreflektierter Zynismus. «[…] man verkürzt das analytische Interesse auf autoritäre Dispositionen und Vorurteile der Täter, eine empörend verharmlosende Sichtweise, die über die Prozesse der Gewalt und des organisierten Terrors keinerlei Aufschluß gibt. So meidet man die unangenehme Einsicht, daß menschliche Grausamkeit ganz ohne Mobilisierung obskurer Ressentiments möglich ist» (S. 23). Er kritisiert letztlich alle psychologischen und soziologischen Versuche, das KZ-System «verstehbar» zu machen. Solche Begriffssysteme unterstellen immer eine Ordnung und Sinnhaftigkeit des sozialen Geschehens, die angesichts von Terror und Völkermord unbrauchbar erscheinen. «Es hat […] den Anschein, als seien die Begriffe, mit denen man Gesellschaft zu analysieren sucht, die Begriffe des sozialen Handelns und der Wechselseitigkeit, der Arbeit und der Macht obsolet» (S. 20). In den Konzentrationslagern sieht Sofsky «ein Machtsystem eigener Art» (S. 22), das er durch den Begriff «absolute Macht» kennzeichnet. Absolute Macht löst die Verknüpfung von Ursache und Wirkung, von zeitlicher und räumlicher Verfügung auf, «sie entledigt sich ihrer Instrumentalität und wird dadurch zu einer Machtform eigener Art» (S. 29). Wolfgang Sofsky: Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager. Frankfurt/M.: S. Fischer 1993
Levi, a.a.O., S. 133
Levi a.a.O., S. 135
Levi a.a.O., S. 129
Auch Bruno Bettelheim, ebenfalls ein KZ-Überlebender und großer Schriftsteller, hat an der Schwelle der Pflegebedürftigkeit den Freitod gewählt.
Wie es Freud vermutet, in Jenseits des Lustprinzips, Ges. W. XII
Graves: Strich drunter!, S. 346
Jeremias 31,29f. Es ist vielleicht interessant, diese Aussagen über Vergeltung im Zusammenhang zu zitieren: «In jenen Tagen wird man nicht mehr sagen: Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern werden die Zähne stumpf. Sondern jeder wird nur um seiner eigenen Schuld willen sterben, jeder Mensch, der saure Trauben ißt, dem werden die eigenen Zähne stumpf.» (Übers. «Jerusalemer Bibel», Freiburg 1968. Es handelt sich also um eine Prophetie der Überwindung jenes die Generationen übergreifenden Rachegedankens.
Diese Beobachtung stammt wahrscheinlich eher aus einem journalistischen Bedürfnis, darstellende Kontraste zu finden, als aus wissenschaftlichen Untersuchungen, nach denen die Überlebenden in sehr vielen Fällen massive Symptome aufweisen. Vgl. Matussek a.a.O.
Lager für heimatlose KZ-Überlebende (Displaced Persons)
Helen Epstein a.a.O., S. 194
Nach dem Songtitel von Irving Berlin (1946) «There’s no business like show business» geprägte Formel, die sich auf den exhibitionistischen und/oder kommerziellen Mißbrauch der «Shoah», des Holocaust, bezieht. Ich habe sie zuerst von der Tochter einer KZ-Überlebenden gehört. Inzwischen wird die These diskutiert, daß die zahlreichen Holocaust-Erinnerungsstätten in einem verweltlichten Judentum zu einem Religionsersatz werden.
«‹Jeden Tag meines Lebens bekomme ich etwas über Europa, die Nazis und den Antisemitismus zu hören. Ich habe es satt. Wenn ich mich gegen eine judenfeindliche Agitation wehren muß, möchte ich es tun, wie ich es selber für richtig halte.›» So zitiert Henry Shaw, Leiter einer jüdischen Stiftung im australischen Melbourne, einen jüdischen Studenten. Er fährt fort: «Wenn ich es wage, Mitgliedern der ‹Vereinigung von Opfern der nazistischen Verfolgungen› zu empfehlen, sie sollten damit aufhören, zu ihren Kindern so häufig über Auschwitz zu sprechen, sieht man mich an, als hätte ich keinen Funken Mitgefühl. Viele von ihnen haben zum Judentum keine andere Beziehung oder Bindung als die Erinnerung an das, was sie während der Zeit der Verfolgung durchmachen mußten. Die meisten erwarten eine Art ‹privilegierter› Stellung und von ihren Kindern, daß sie stellvertretend ihr Leben für sie nachholen.» Zit. aus einem Brief an Helen Epstein a.a.O., S. 195
John Keegan: Das Antlitz des Krieges, S. 391
Till Bastian; Arzt, Helfer, Mörder. Paderborn: Junfermann 1982, S. 69
S.L.A. Marshal: Men against Fire, 1947; dtsch. Soldaten im Feuer, Frauenfeld 1959, zit.n.Keegan a.a.O., S. 391
Ernst Jünger: Der Kampf als inneres Erlebnis. Sämtliche Werke Bd. 7, S. 12. Stuttgart: Klett-Cotta 1980; Erstausgabe 1922
Ernst Jünger, a.a.O., S. 11f.
Die Verschmelzung mit der Maschinen- und Explosivmacht ist das Gegenstück der «prometheischen Scham» angesichts der Überlegenheit der Apparate, wie sie Günter Anders in Die Antiquiertheit des Menschen I. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München, Beck: 1960, beschreibt.
«Erprobte Vorkämpfer in der Materialschlacht, wissen wir wohl, was uns bevorsteht, doch wissen wir auch, daß keiner in unserem Kreise ist, den heimlich die Angst vor der großen Ungewißheit würgt», sagt Jünger, a.a.O., S. 99 ** «In wenigen Stunden vielleicht wird jene verworrene Insel hinter uns verblassen, der wir als Robinsons unter vielen unseren Sinn zu geben versuchten … Mag einer sterben, in einen zweifellosen Irrtum verbohrt; er hat sein Größtes geleistet … Der Wahn und die Welt sind eins, und wer für einen Irrtum starb, bleibt doch ein Held.» Jünger a.a.O., S. 100
Jünger a.a.O., S. 103
Jünger a.a.O., S. 102
Jünger a.a.O., S. 103
In der bereits zitierten Formulierung: «doch sein Geist ist in seine Fronknechte gezogen und läßt sie nie aus seinem Dienst.» Jünger a.a.O., S. 12
Die Poesie «war eine Warnung an den Menschen, daß er in Harmonie mit der Familie lebendiger Geschöpfe leben muß, unter die er geboren ist, indem er den Wünschen der Herrin des Hauses gehorcht. Heute ist sie eine Mahnung, daß er die Warnung mißachtet und die Harmonie durch eigensüchtige Experimente in Philosophie, Wissenschaft und Industrie zerstört hat. So bringt er Ruin über sich und seine Familie. Die Gegenwart wird von der Zivilisation bestimmt, in der die ersten Wahrzeichen der Sprachkunst entehrt sind, in der Schlange, Löwe und Adler zum Zirkuszelt gehören; Stier, Lachs und Eber in die Konservenfabrik; Rennpferd und Windhund in die Wettagentur und der heilige Hain in die Sägemühle. In der man den Mond als ausgebrannten Satelliten der Erde verachtet und Frauen als Arbeitskraftreserve statistisch erfaßt. In der Geld fast alles kaufen kann außer der Wahrheit und nahezu jedermann außer dem wahrheitsbesessenen Dichter.» Robert Graves: The White Goddess. London: Faber 1961, S. 14, Übers. W.S.
Jünger a.a.O., S. 103
Friedrich Georg Jünger: «Krieg und Krieger», in: Ernst Jünger (Hg.): Krieg und Krieger. Berlin 1930, S. 65
Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993, S. 44
Stefan Breuer a.a.O., S. 45f.
E.J. Leed: No Man’s Land. Combat and Identity in World War I. Cambridge 1979, S. 152ff.
Stefan Breuer a.a.O., S. 47. Die Begriffe Liminalität, Antistruktur und Communitas entlehnt Breuer einer Arbeit von Victor Turner: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. Frankfurt: Campus 1989, S. 22
Gudrun Brockhaus: Schauder und Idylle. Faschismus als Erlebnisangebot. München: Antje Kunstmann 1997
John Keegan: Das Antlitz des Krieges. 1991
Keegan a.a.O., S. 385
Kurt Eissler: «Zur Notlage unserer Zeit». In: Psyche Bd. 22, 1968
zit.n.Keegan a.a.O., S. 388
Während die hysterischen Kranken den Ärzten so sehr vertrauten, daß sie genau die Symptome produzierten, die diese erwarteten, ist angesichts der Erschöpfungssyndrome eine neue Front aus Massenmedien und pseudomündigen Patienten entstanden, die sich trotzig gegen ärztliche, aber auch psychologische Bevormundungen wehren und wie eine Sekte davon ausgehen, daß nur Betroffene «mitreden» dürfen. Vgl. Edward Shorter: Moderne Leiden. Zur Geschichte der psychosomatischen Krankheiten. Reinbek: Rowohlt 1994
Das stellte Senator John D. Rockefeller, der Vorsitzende des Veteranen-Ausschusses, in einem Untersuchungsbericht fest: Das Pentagon schloß erst empfindliche Soldaten von der Gabe des Mittels aus, verabreichte es später aber ohne Vorwarnungen und Sicherheitsvorkehrungen.
Ausführlich dargestellt in einem Dossier von Michael Schwelien, Die Zeit Nr. 33/11.8.1995, S. 10
Auch im Irak sollen nach schwer nachprüfbaren Berichten viele Kinder krank geworden sein, weil sie in zerschossenen Panzern gespielt haben.
S. Freud, Brief vom 27.10.1918 an S. Ferenczi, zit.n.Jones Bd. II, S. 301
Belege bei Eksteins, S. 25ff., Keegan, S. 304ff., in den Berichten von Graves, Sassoon, Read.
S. Freud, Brief vom 27.10.1918 an S. Ferenczi, zit.n.Jones Bd. II, S. 301
S. Freud, Brief vom 18.2.1919 an E. Jones, zit.n.Jones Bd. II, S. 302
So wurde aus dem bissigen, von der konservativen Zensur verfolgten Schriftsteller Ludwig Thoma ein antidemokratischer und antisemitischer Eiferer, aus dem Spätromantiker Ludwig Ganghofer – Spezialität: fromme ländliche Idylle – ein martialischer Wort-Haudegen.
Urmodell dieser Wiederholung ist das anderthalbjährige Kind, das mit einer Garnrolle, die es wegwirft und am Faden wieder herzieht, Verlust und Rückkehr der Mutter wiederholt. S. Freud: Jenseits des Lustprinzips. Ges. W. Bd. XIII, S. 28
So schrieb der deutsche Student Hugo Steinthal von der Westfront nach Hause. In: Philipp Witkop (Hg.) Kriegsbriefe deutscher Studenten. Gotha 1916, S. 45, zit.n.Modris Eksteins: Tanz über Gräben, a.a.O., S. 262
Sven Papke: «Kriegsdienst mit den Waffen des Geistes. Die Sozialwissenschaften im Ersten Weltkrieg», in: Vorgänge21, 1982, S. 26
Sigmund Freud an Karl Abraham im September 1914. Briefwechsel Freud/Abraham 1907–1926. Frankfurt: S. Fischer 1965, S. 188
S. Freud: Zeitgemäßes über Krieg und Tod. Ges. W. Bd. X, S. 339
S. Freud: «Internationaler psychoanalytischer Verlag und Preiszuteilungen für psychoanalytische Arbeiten», in: Internat. Zeitschrft f. Psychoanalyse5, 1919, S. 137. Diese Literaturangabe und viele weitere Informationen verdanke ich dem Artikel von Johannes Reichmayr: «Psychoanalyse im Krieg. Zur Geschichte einer Illusion», in: P. Pasett u.E. Modena (Hg.): Krieg und Frieden aus psychoanalytischer Sicht. Frankfurt: Stroemfeld 1983, S. 36–59
Reichmayr a.a.O., S. 39
S. Freud: Zeitgemäßes über Krieg und Tod, in: Ges. W.X, S. 349
Solche Affektentladungen werden auch bei Adolf Hitler beschrieben, dessen traumatische Störung vor allem unter dem enthemmenden Einfluß seiner Medikamentenabhängigkeit während der letzten Kriegsjahre immer auffälliger wurde. Hitler konnte 1945 kaum mehr schreiben, er zitterte ständig. Vgl. A. Speer: Erinnerungen. Berlin: Ullstein 1969, S. 445. Die drohende Niederlage belebt Hitlers Kriegstrauma und seine Identifizierung mit den Toten, den «Besten». Speer legt Hitler folgende Worte in den Mund: «Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.» A. Speer a.a.O., S. 446
Johannes Heinrich Schultz: Lebensbilderbuch eines Nervenarztes. Stuttgart: Thieme 1964
Victor Tausk: «Zur Psychologie des Deserteurs», in: Internat. Z.f. Psychoanalyse Bd. 4, 1916/1917, S. 237
Reichmayr a.a.O., S. 47
Sigmund Freud et al.: Zur Psychoanalyse der Kriegsneurosen. Leipzig und Wien: Internat. Psychoanal. Verlag 1919, S. 55
«Sechs Monate suchten mich Kampf-Albträume heim, obwohl ich noch nie einen Kampf erlebt, geschweige denn daran teilgenommen hatte», sagt Chaim F. Shatan nach einigen Wochen intensiver Arbeit mit Vietnam-Veteranen. Das Trauma ist sozusagen ansteckend für den empathischen Beobachter; das verrät auch Simmels Diktion. Shatan: «Militarisierte Trauer und Rachezeremoniell», in: Pasett/Modena (Hg.): Krieg und Frieden aus psychoanalytischer Sicht. Frankfurt: Stroemfeld 1983, S. 220
Ernst Simmel: «Zweites Korreferat zur Psychoanalyse der Kriegsneurosen», a.a.O., S. 45
Gudrun Brockhaus, «Seelenführung, aus den Mächten des Blutes gespeist»… Psychotherapie und Nationalsozialismus. In: Heiner Keupp/Helga Bilden (Hg.): Verunsicherungen. Das Subjekt im gesellschaftlichen Wandel. Göttingen: Hogrefe 1989, S. 117. Brockhaus unterscheidet unter den nazikonformen Psychotherapeuten zwischen «Tiefensuchern» (Blutmythologie, Lob des Irrationalen, Therapeut als Meister, das Unbewußte als quasireligiöse Instanz) und «Volkserziehern» (Ordnung, Tüchtigkeit, Therapeut als Führer und Erzieher, Neurose als Bequemlichkeit). Bereits in den Äußerungen der Psychoanalytiker zum Krieg von 1914–18 sind beide Komponenten nachweisbar.
In einer charakteristischen Mischung aus Romantisierung des Krieges und (Pseudo-)Verständnis für den Gegner. Der seit Im Westen nichts Neues vertraute Gestus, die Frontkämpfer zu idealisieren und die korrupten Politiker/Etappenherrscher zu dämonisieren, bestimmt noch die «Rambo»-Serie Sylvester Stallones. Die Wahrheit ist banaler und erheblich deprimierender. Jonathan Shay berichtet in seinem Buch Achill in Vietnam. Kampftrauma und Persönlichkeitsverlust. Hamburg: Hamburger Edition 1998, daß inzwischen doppelt so viele Vietnam-Veteranen durch Selbstmord gestorben sind, wie amerikanische Soldaten dort fielen. Er fordert kollektive Bewältigungsformen der Kriegstraumen, neue Modelle des Heilens, gewissermaßen ein modernes Gegenstück zur klassischen Tragödie, an der alle Staatsbürger teilnehmen mußten: Das Erschrecken über das zerstörerische Potential des Menschen soll nicht an einzelne delegiert, sondern gemeinsam verantwortet werden.
Der hier beschriebene Mechanismus ist mit dem für Borderline-Patienten typischen Wechsel zwischen positiver und negativer Idealisierung eng verwandt. Damit sind Erscheinungen gemeint, in denen beispielsweise der heute bewunderte und in den höchsten Tönen gepriesene Partner morgen beschimpft, abgewertet und verteufelt wird. Vermutlich gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen der Zentralisation und dem Borderline-Syndrom, das gegenwärtig verstärkt auf traumatische Erlebnisse – etwa massiver körperlicher und/oder emotionaler Mißbrauch während der Kindheit – zurückgeführt wird.
Franz J. Bauer hat in Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in Bayern 1945–1950, Stuttgart: Klett 1982, Materialien über die emotionale Sprengkraft dieser Situation akribisch gesammelt. Die Flüchtlinge wurden vielfach als Eindringlinge und Sündenböcke abgewertet («die Sudetendeutschen waren doch alle Nazis, sie sind selbst schuld»). Die Einquartierung wurde durch Ausräumen der Wohnungen, Demontage von Öfen und andere Tricks möglichst abgewehrt. Umgekehrt entwerteten auch die Flüchtlinge ihre Gastgeber, denunzierten sie wegen Schwarzhandels und so weiter.
Diese Fallgeschichte ist ausführlich und in einem anderen Kontext in «Du verstehst mich nicht!» Die Semantik der Geschlechter. Reinbek: Rowohlt 1991, S. 240f., wiedergegeben. Ich greife hier ihre Aspekte auf, die für das gegenwärtige Thema relevant sind.
Wolfgang Schmidbauer: Einsame Freiheit. Therapiegespräche mit Frauen. Reinbek: Rowohlt 1993. 1995 als Taschenbuch mit dem Titel Kein Glück mit Männern. Fallgeschichten zur Nähe – Angst überarbeitet aufgelegt. – Als ich die gesammelten Fallgeschichten noch einmal durchging, erkannte ich, daß die meisten Frauen, die ich dort analysiert hatte, prägende Erfahrungen mit traumatisierten Soldatenvätern gemacht hatten. In «Kriegskind und Friedensschwester» ging ich zum erstenmal der Familiendynamik nach, die zwischen dem im Krieg geborenen, an die Mutter gebundenen und dem nach der Heimkehr des Vaters gezeugten Kind entsteht. Ich achtete aber noch nicht auf die spezifischen Auswirkungen der Prozesse, die ich hier Zentralisation nenne.
Die Traumatisierung der Töchter in der erwähnten Sammlung von Fallgeschichten läßt sich in zwei Typen zusammenfassen: Stark beeinträchtigte Frauen, die bis zur Therapie fast jede intime Beziehung vermieden hatten, hatten Väter, die so traumatisiert waren, daß sie in den Familien neben der dominanten Mutter praktisch keine Rolle spielten. Die konflikthaft beziehungsfähigen Frauen hatten während der Kindheit eine enge Vaterbeziehung aufgebaut. Diese zerbrach nach der Pubertät an der Unfähigkeit des Vaters, mit der Autonomie der Töchter umzugehen. Der traumatisierte, narzißtisch extrem verwundbare Vater konnte seine Tochter nicht loslassen und sie nicht mit anderen Männern teilen. Diese Situation spiegelte sich in den erotischen Beziehungen der Töchter, die zwar die Phase der Verliebtheit herstellen und genießen konnten, aber nicht in der Lage waren, mit den Anforderungen von Trennung und Wiederannäherung in einer alltagstauglichen Liebesbeziehung umzugehen.
Die Auslösung einer Zwangssymptomatik durch eine unter traumatischen Umständen (unsteril, ohne ausreichende Narkose) vorgenommene Abtreibung habe ich auch in einem weiteren Fall beobachtet; diesmal allerdings ohne die Verzögerung, mit der sie bei Marion auftrat. Der Waschzwang wehrt eine ambivalent erlebte Sexualität und einen bedrohlich-sehnsüchtig erlebten Kinderwunsch ab.
Vgl. Wolfgang Schmidbauer/Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen. München: Nymphenburger 1972; letzte Auflage 1997, Artikel «Meskalin»
Sie besteht darin, daß auf eine Stelle des kahlrasierten Schädels in regelmäßigen Abständen ein Wassertropfen fällt.
Wer die Entwicklungen der deutschen Nachkriegszeit verfolgt, entdeckt solche faschistischen Denkfiguren als Abwehr der eigenen Verstricktheit fast durchgängig.
Jerold J. Kreisman/Hal Straus: Ich hasse dich – verlaß mich nicht. Die schwarzweiße Welt der Borderline-Persönlichkeit. München: Kösel 1992, sowie Otto F. Kernberg: «Borderline Personality Organization». In: Journal of the Psychoanalytic Association,15, 1967, S. 641f. Deutsch in ders.: Borderline-Störungen und pathologischer Narzißmus. Frankfurt: Suhrkamp 1983; vgl. auch Roy R. Grinker et al.: The Borderline Syndrome. New York: Basic Books 1968.
Diese Pseudologie einer Tochter, welche dazu dienen soll, das Selbstgefühl der Mutter zu stärken, habe ich in den traumatisierten Familien öfter beobachtet. Erfunden werden gute Leistungen, vor allem aber soziale Beliebtheit, «richtige Freundinnen» usw.
Helen Epstein: Die Kinder des Holocaust. München: Beck 1987, beschreibt dies für die Kinder der überlebenden KZ-Häftlinge; ich selbst habe ähnliche Beobachtungen unter den Kindern vaterloser Familien und unter denen von traumatisierten Vätern gemacht. Es ist zu erwarten, daß die Merkmale der Aggressions- und Sexualangst, der fürsorglichen Verantwortung und der Abspaltung negativer Gefühle die Partner anziehen und zusammenhalten.
Das heißt, daß es durchaus etwas wie eine Tradition psychischer Störungen gibt. Diese Erkenntnis ist ebenso hilfreich, wie sie dem an Idealisierungen gebundenen Patienten kleinkariert und «zuwenig» erscheint. Er möchte schließlich «ganz gesund» werden und bequemt sich nur mit Mühe, seine Störung ernst zu nehmen und sich darauf einzustellen.
Daher wirken Borderline-Personen oft so lange angepaßt, wie es jemanden gibt, der über ihnen steht und ihnen Schmerz zufügen kann. Sie kennen aber kein Halten mehr, wenn sie selbst die Macht an sich reißen können.
Die klinische Frage, ab welcher Schwere die Störung man von Borderline-Persönlichkeit sprechen sollte, ist vielfach diskutiert worden. Sie hängt mit der Frage zusammen, wie viele Lebensbereiche sozusagen intakt geblieben sind. Das Problem der zentralisationsbedingten Störungen ist ähnlich zu sehen. Solche Diagnosen haben intuitive Anteile; Motive aus seelischen Bereichen spielen mit, die in der Psychoanalyse unter dem Begriff der Gegenübertragung untersucht werden.
Gudrun Gläser: «Zur Auswirkung präödipaler Vaterdeprivation auf weibliches Wollen, Wünschen und Begehren.» In: Forum Psychoanal. 1994, 10:245–259, S. 256Die «phallische Frau» ist ein sprachlich problematischer Begriff. Er besagt, daß eine Frau über ihre inneren, femininen Wünsche unsicher ist, diese nicht offen äußern und selbstbewußt vertreten kann. Lebt sie die phallische Position offen-aggressiv, dann werden Männer manipuliert, als Rivalen besiegt und letztlich verachtet; ist die Aggression neutralisiert, werden Männer überschätzt. Die phallische Frau ist dann besonders nachgiebig und rücksichtsvoll, klammert sich an männliche Autorität, verachtet Frauen und kann Zufriedenheit nur in der Anerkennung durch einen Mann finden.
Die «phallische Frau» ist ein sprachlich problematischer Begriff. Er besagt, daß eine Frau über ihre inneren, femininen Wünsche unsicher ist, diese nicht offen äußern und selbstbewußt vertreten kann. Lebt sie die phallische Position offen-aggressiv, dann werden Männer manipuliert, als Rivalen besiegt und letztlich verachtet; ist die Aggression neutralisiert, werden Männer überschätzt. Die phallische Frau ist dann besonders nachgiebig und rücksichtsvoll, klammert sich an männliche Autorität, verachtet Frauen und kann Zufriedenheit nur in der Anerkennung durch einen Mann finden.
In dieser Dynamik wurzeln manche Fälle von sexuellen Abstinenzverletzungen während oder nach «Abschluß» einer Therapie.
Zur «phallischen» oder «genitalen» Beziehung: Im ersten Fall ist der Mann an die ödipale Phantasie einer Eroberung der Mutter gebunden, der er letztlich nicht «gewachsen» ist. Eine häufige Lösung der vaterdeprivierten Männer sieht so aus, daß sie zwanghaft Frauen erobern müssen oder versuchen, das bedrohliche mütterliche Objekt aufzuspalten, zum Beispiel in die entsexualisierte Hausfrau und die aufregende Geliebte, in die Madonna und die Hure.
Gudrun Brockhaus beschreibt in Schauder und Idylle. Faschismus als Erlebnisangebot diese Struktur weiblicher Bedürfnisse als charakteristisch für die nationalsozialistische Frauenliteratur.
D.W. Winnicott: Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. München: Kindler: 1974 (Original 1958) sowie Vom Spiel zur Kreativität, Stuttgart: Klett-Cotta 1973 (Original 1971)
Ausführlich belegt in Wolfgang Schmidbauer: Vom Es zum Ich. Evolutionstheorie und Psychoanalyse. München: List 1975
Judith Kestenberg hat vorgeschlagen, bei den Kindern der Traumatisierten von sozusagen «verschärften» Formen der Identifizierung auszugehen, für die sie den Begriff der «Transposition» vorschlägt. Daran ist die Nähe zum Übertragungsbegriff (engl. «transference» problematisch. Vielleicht hängen diese und andere Begriffsneubildungen mit dem ebenso begreiflichen wie unerfüllbaren Wunsch zusammen, eine eigene Sprache (oder Sprachlosigkeit, wie in Adornos «Verbot» der Lyrik nach Auschwitz) zu erfinden, welche der Singularität der Grausamkeiten des Holocausts entspricht.
Diese Existenz «im Schatten» des größeren und grausameren Diktators hat wohl auch dazu geführt, daß Mussolini nach wie vor in Italien auch öffentlich verehrt wird. Besonders beliebt ist ein Papst-Zitat, in dem ihn Pius XII. als «Mann der Vorsehung» feierte; einen kritischeren, aber gleichzeitig verniedlichenden Satz habe ich von dem Journalisten Paolo Pavolini gehört: «Mussolini ist der Affe, der dem Löwen den Käfig aufgemacht hat!»
Vgl. Heribert Prantl (Hg.): Wehrmachtsverbrechen. Eine deutsche Kontroverse. Hamburg: Hoffmann und Campe 1997, sowie die Dokumentation von Hannes Heer und Klaus Naumann: Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944. Hamburg: HIS1995
Symposion «Heimatgedanken» im Jüdischen Museum Wien, 26. 2. bis 1.3.1995, Konzept: Joachim Riedl
Hans Keilson: Sequentielle Traumatisierung bei Kindern. Deskriptiv-klinische und quantifizierend-statistische follow-Up-Untersuchung zum Schicksal der jüdischen Kriegswaisen in den Niederlanden. (Forum der Psychiatrie, Neue Folge, 5) Stuttgart: Enke 1979
«Sie waren nicht in ihrer intellektuellen Entwicklung beeinträchtigt, wohl aber in ihrer sozialen Selbständigkeit, und sie blieben gewissermaßen zeitlebens in einer kindlichen Weise abhängig», faßt Lempp zusammen. Vgl. Reinhard Lempp: «Die Wandlungen der Spätfolgen nach Verfolgungstraumen im Kindesalter», in: Dirk Juelich (Hg.): Geschichte als Trauma. Frankfurt: Nexus 1991, S. 38
Über den Mangel an «Brückensymptomen» siehe auch Reinhard Lempps in der vorangehenden Fußnote zitierte Studie.
Barbara Vogt-Heyer: «Einige Gedanken zur deutschen Wiedergutmachung» in: Dirk Juelich (Hg.): Geschichte als Trauma, Frankfurt: Nexus 1991, S. 62. Vgl. auch Christian Pross: Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer. Frankfurt: Athenäum 1988
Kurt Eissler in: Psyche1963, 17, S. 241–261
William G. Niederland: Folgen der Verfolgung. Das Überlebenden-Syndrom. Seelenmord. Frankfurt: Suhrkamp 1980
Ähnliche Erfahrungen mit traumatisierten Patienten berichtet auch M. Ehlert-Balzer: «Nach meiner Erfahrung gibt es einen traumaspezifischen Widerstand gegen das Coucharrangement. Viele Patienten erkennen in diesem … unmittelbar das Ausgeliefertsein in der traumatischen Situation …» M. Ehlert-Balzer: «Das Trauma als Objektbeziehung» in: Forum Psychoanalyse1996/12, S. 307
Der Therapeut versucht in dieser Situation fast zwangsläufig, sich als jemanden darzustellen, der ganz gewiß das Trauma nicht wiederholen wird – bei einer vergewaltigten Frau deklariert etwa der Psychologe, er sei zu «so etwas» ganz bestimmt nicht fähig, die Therapeutin solidarisiert sich «unter uns Frauen». Solche Manöver dienen, wie Ehlert-Balzer feststellt, dem Ziel, Rollenangeboten auszuweichen, die den nichttraumatisierten Helfer in die Nähe des sadistischen Verfolgers (des Täters) oder in die der verweigernden Elterngestalten rücken – der Eltern, die das Kind nicht beschützt, sondern dem Täter ausgeliefert haben. Ehlert-Balzer a.a.O., S. 308
So wird der böse Blick in Italien genannt.
Die Zeit13/21.3.1997, S. 72
Dörte von Westernhagen: Die Kinder der Täter. Das Dritte Reich und die Generation danach. München: Kösel 1987, berichtet über ähnliche Äußerungen ihres Vaters. Sie stehen für einen Versuch, die zum Regime erstarrte nationalsozialistische Bewegung mit ihren eigenen Mitteln zu erneuern. Gegen den «größten Feldherrn aller Zeiten» tritt wieder der verwundete und enttäuschte Obergefreite von 1918 an.
Daß KZ-Überlebende ihre Kinder im Streit als «kleinen Hitler» oder «schlimmer als Hitler» entwerten, wird oft beschrieben.
Auch diese Position kenne ich aus Berichten meiner Mutter über Äußerungen meines Vaters aus dem Rußlandfeldzug: «Die Russen haben die Wehrmacht als Befreier begrüßt. Wenn uns nicht die SS durch ihre Schikanen und Deportationen alles kaputtgemacht hätte, wären wir mit Stalin fertig geworden.» Aber bereits im April 1941, also Monate vor dem Überfall auf die Sowjetunion, wurden sämtliche Generalstabsoffiziere bis hinunter zu den Divisionen instruiert, mit SS und SD zusammenzuarbeiten und das Rechtsempfinden den Kriegsnotwendigkeiten unterzuordnen.
Das CSU-Parteiblatt Bayernkurier spricht von einem moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk, zit. nach Die Zeit13/21.3.1997, S. 48
Die Zeit13/21.3.1997, S. 48
Süddeutsche Zeitung, 21.3.1997, S. 10
Leserbrief von U. Höppner, Die Zeit13/21.3.1997, S. 72
Daniel Jonah Goldhagen, amerikanischer Politologe, Autor des Buches Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin: Siedler 1996
Jan Philipp Reemtsma, Gründer des Hamburger Instituts für Sozialforschung, das die Ausstellung konzipiert hat, ist allerdings nicht Soziologe, sondern Germanist.
Theo Sommer, Mitherausgeber der Zeit.
Die Zeit13/21.3.1997, S. 72
Die Zeit13/21.3.1997, S. 72
Für Gudrun
Der Krieg ist der Vater
aller Dinge.
Heraklit (550–480)
Als Gymnasiast lernte ich einen griechischen Satz kennen, ein Beispiel für die Aussagen der Vorsokratiker, die nach der Wurzel des Seins suchten und Ur-Elemente beschrieben: das Wasser, die Erde, das Feuer. Heraklit nannte den Krieg. Es schien mir übertrieben und doch eindrucksvoll, die Kraft der Zerstörung als Zeugungsmacht anzusehen, und es ist ein Zeichen für die Beharrlichkeit dieser früh erworbenen Fragmente, daß ich jetzt diesen Satz einer Untersuchung voranstelle, die sich mit der Verarbeitung von Geschichte im Alltag befaßt.
Vielleicht prägte sich mir die Verbindung von Vater und Krieg ein, weil mein eigener Vater als Soldat gefallen war. Ich nahm das als kleines Kind ohne bewußte Trauer zur Kenntnis, mit jenem Respekt vor Tatsachen, den Kinder haben. Die Fotografie eines lächelnden Mannes mit schmalen Lippen und Achselstücken stand immer auf dem Schrank im Wohnzimmer. Das war mein Vater, und ich bemühte mich manchmal, durch angestrengtes Starren auf das Bild eine mimische Reaktion zu erhalten, wie mein Bruder und ich es vor dem Einschlafen bei der Goethebüste auf dem Bücherschrank versucht hatten, die bald grämlich, bald heiter auf uns herabzublicken schien.
Wir waren in München ausgebombt worden. Seit 1944 standen unsere Gitterbetten – meines und das eines zwei Jahre älteren, 1939 geborenen Bruders – in der Bibliothek des Großvaters in Passau. Die Goethebüste aus weißem Alabaster hob sich von den bronzenen Nachgüssen etruskischer Krüge ab, die auf einem schwarzen Schrank gruppiert waren.
Wir sagten «He, Kröte-Goethe», und er verzog voller Vorwurf den Mund. Solches Sakrileg hätten wir bei unserem Vater nicht gewagt. Es gab keinen Schatten, der auf ihn fiel. Mit einer verworrenen Klugheit überlegte ich öfter, daß ein wirklicher Vater, gemessen an diesem idealen, doch auch Nachteile gehabt hätte, denn es war gewiß schwerer, mit zweien dieser uneinsichtigen Erwachsenen umzugehen als mit nur einer, meiner Mutter, die ich rasch als letzte Instanz in allen Dingen erkannt hatte.
Meine eigene Erfahrung mit den Folgen des Krieges auf die nächste Generation ist eine des Verlustes, der Idealisierung und einer heftigen Angst vor Entwertung. Sie mag typisch sein für die Gruppe der Kriegs(halb)waisen. Sicherlich habe ich als kaum Zweijähriger in einer vorbewußten Weise mitbekommen, daß mein Vater gefallen, die Familie unvollständig geworden war. Als ich zu meiner Ausbildung selbst eine Psychoanalyse absolvieren sollte, suchte ich mir einen Mann, der vom Alter mein Vater hätte sein können und den Krieg in Rußland ebenso wie dieser kennengelernt, aber überlebt hatte. Wir dachten darüber nach, inwieweit eine heftige Trauerreaktion meiner Mutter verantwortlich sein könnte für Angstzustände, die bei mir im Zusammenhang mit Situationen auftraten, in denen ich mich zugleich ohnmächtig und verantwortlich fühlte, mich weder entziehen noch das Chaos um mich ordnen konnte. Später vermutete ich noch, daß meine schon früh bemerkbare Leidenschaft für das Schreiben damit zusammenhing, daß auf diese Weise, wenn schon nicht die Dinge, so doch die Wörter geordnet werden können.
Damit hörten die Folgen des Krieges auf, mich zu beschäftigen. Ich nahm sie zur Kenntnis, wenn ich davon hörte. Zuhören wurde schließlich neben dem Schreiben mein Beruf. Aber ich fragte nicht weiter nach und erschloß mir keine Zusammenhänge, wie ich es bei den Themen tat, die mich fesselten, den narzißtischen Störungen der beruflichen Helfer etwa oder der Nähe-Angst. Ich erinnere mich noch an einen Klienten, einen Arzt, der wegen seiner Depressionen und Kontaktprobleme in die Therapie kam. Er litte sehr darunter und konnte doch nicht anders, als sich tagelang gekränkt aus seiner Ehe zurückzuziehen, wenn seine Frau ein falsches Wort sagte. Immer noch schien er mit seinem Vater zu hadern, der – wie er berichtete – «verroht aus dem Kriege zurückkam». Das Wort «verroht» fiel mir auf, aber es dauerte noch einige Jahre, ehe sich solche Eindrücke allmählich zu einem Bild kondensierten.
Andere Eindrücke kamen hinzu. Einer war das Gespräch mit einem Landarbeiter, der den Olivenhain meines Nachbarn in der Toscana pflegte. Er faßte sein Leben in den melancholischen Satz: «La guerra mi ha rubato la gioventù.» Der Krieg in Abessinien, Libyen und vor allem die Gefangenschaft hatten ihm die Jugend gestohlen. Er war als Achtzehnjähriger ausgezogen, kam als Fünfundzwanzigjähriger zurück, von Verwundungen gezeichnet, erschöpft. Er hatte nichts gelernt, als zu überleben. Das Leben sollte jetzt beginnen, aber es schien ihm immer schwer, sich zu freuen. «Im Krieg habe ich das Lachen verlernt», pflegte ein anderer dieser Heimkehrer zu sagen, den ich nicht persönlich, sondern aus den Berichten seines Sohnes kennenlernte, in denen sich Furcht, Haß und eine verschüttete Verehrung mischten.
In einer der Fallgeschichten zur Nähe-Angst griff ich das Thema der psychologischen Folgen solcher Traumatisierungen der Väter für die Töchter auf. Ich beschrieb unter dem Titel «Kriegskind und Friedensschwester» Zweitgeborene, die von Heimkehrern gezeugt worden waren.[*] Die Mutter hatte sich während der Trennung vom Ehemann eng an ihre erstgeborene Tochter gebunden. Als der heimgekehrte Vater eine zweite Tochter zeugte, hatte die Mutter dieses scheinbar begünstigte Friedenskind aus Pflichtgefühl angenommen und versorgt. Der Vater aber begegnete ihm in einer brisanten Mischung aus überhitzter Aufmerksamkeit und verborgenem Sadismus.