Das brennende Land
ist für Alan und Jan Rust
Die Schreibung der Ortsnamen im angelsächsischen England war eine unsichere Angelegenheit, in der nicht einmal über die Namen selbst Übereinstimmung herrschte. London etwa wurde abwechselnd als Lundonia, Lundenberg, Lundenne, Lundene, Lundenwic, Lundenceaster und Lundres bezeichnet. Zweifellos hätten manche Leser andere Varianten der Namen, die unten aufgelistet sind, vorgezogen, doch ich habe mich in den meisten Fällen nach den Schreibungen gerichtet, die entweder im Oxford Dictionary of English Place-Names oder im Cambridge Dictionary of English Place-Names für die Jahre um die Herrschaft Alfreds von 871 bis 899 zu finden ist. Aber selbst diese Lösung ist nicht narrensicher. So wird die Insel Hayling dort für das Jahr 956 sowohl Heilincigae als auch Hæglingaiggæ geschrieben. Auch bin ich selbst nicht immer konsequent geblieben; ich habe die moderne Bezeichnung England dem älteren Englaland vorgezogen und statt Norðhymbraland Northumbrien geschrieben, weil ich den Eindruck vermeiden wollte, dass die Grenzen des alten Königreiches mit denjenigen des modernen Staates identisch sind. Aus all diesen Gründen folgt die untenstehende Liste ebenso unberechenbaren Regeln wie die Schreibung der Ortsnamen selbst.
Æsc’s Hill: Ashdoen, Berkshire
Æscengum: Eashing, Surrey
Æthelingæg: Athelney, Somerset
Beamfleot: Benfleet, Essex
Bebbanburg: Bamburgh Castle, Northumberland
Caninga: Insel Canvey, Essex
Cent: Kent
Defnascir: Devonshire
Dumnoc: Dunwich, Suffolk (heute größtenteils im Meer versunken)
Dunholm: Durham, Grafschaft Durham
East Sexe: Essex
Eoferwic: York, Yorkshire
Ethandun: Edington, Wiltshire
Exanceaster: Exeter, Devon
Farnea-Inseln: Farne-Inseln, Northumberland
Fearnhamme: Farnham, Surrey
Fughelness: Insel Foulness, Essex
Gleawecestre: Gloucester, Gloucestershire
Godelmingum: Godalming, Surrey
Grantaceaster: Cambridge, Cambridgeshire
Hæthlegh: Hadleigh, Essex
Haithabu: Hedeby, südliches Dänemark
Hocheleia: Hockley, Essex
Hothlege: Hadleigh Ray, Essex
Humbre: Fluss Humber
Hwealf: Fluss Crouch, Essex
Lecelad: Lechlade, Gloucestershire
Liccelfeld: Lichfield, Staffordshire
Lindisfarnea: Lindisfarne (Heilige Insel), Northumberland
Lundene: London
Sæfern: Fluss Severn
Scaepege: Insel Sheppey, Kent
Silcestre: Silchester, Hampshire
Sumorsæte: Somerset
Suthriganaweorc: Southwark, Groß-London
Swealwe: Fluss Swale, Kent
Temes: Fluss Thames
Thunresleam: Thundersley, Essex
Tine: Fluss Tyne
Torneie: Insel Thorney, diese Insel gibt es heute nicht mehr, sie lag in der Nähe der U-Bahn-Station West Drayton beim Flughafen Heathrow
Tuede: Fluss Tweed
Uisc: Fluss Exe, Devonshire
Wiltunscir: Wiltshire
Wintanceaster: Winchester, Hampshire
Yppe: Epping, Essex
Zegge: erfundene friesische Insel
Vor kurzem war ich in einem Kloster. Ich habe vergessen, wo genau es lag, aber es war in dem Gebiet, das früher zu Mercien gehörte. Ich zog mit einem Dutzend Männern nach Hause. Es war ein feuchter Wintertag, und wir wollten nur Unterkunft, Essen und ein bisschen Wärme. Doch die Mönche benahmen sich, als wäre ein Trupp Nordmänner vor ihrem Tor aufgetaucht. Sie hatten Uhtred von Bebbanburg unter ihrem Dach, und bei meinem Ruf erwarteten sie, dass wir sie sofort abschlachten würden. «Ich will nur Brot», konnte ich ihnen schließlich verständlich machen, «Käse, wenn Ihr welchen habt, und etwas Ale.» Ich warf Münzen auf den gefliesten Boden des Saales. «Brot, Käse, Ale und eine warme Schlafstatt. Nichts weiter!»
Am nächsten Morgen regnete es, als sei der Jüngste Tag angebrochen, also wartete ich, bis sich Wind und Wetter beruhigt hatten. Ich streifte im Kloster umher und fand mich schließlich in einem feuchtkalten Durchgangsraum wieder, in dem drei armselige Mönchlein dabei waren, Manuskripte abzuschreiben. Überwacht wurden sie von einem sauertöpfischen, älteren Mönch mit weißem Haar. Er trug eine Fell-Stola über seinem Habit. In der Hand hielt er eine Lederrute, mit der er zweifellos den Eifer der drei Kopisten förderte. «Sie sollten nicht gestört werden, Herr», wagte er mich zu tadeln. Er saß auf einem Stuhl neben einer Kohlenpfanne, deren Wärme die drei Schreiber nicht erreichte.
«Die Latrinen sind nicht sauber geleckt worden», erklärte ich ihm, «und Ihr seht aus, als hättet Ihr gerade nichts zu tun.»
Der ältere Mönch verstummte, und ich sah den tintenbefleckten Schreibern über die Schulter. Einer von ihnen, ein schlaffgesichtiger Jüngling mit dicken Lippen und einem riesigen Kropf, transkribierte das Leben des Sankt Ciaran, in dem berichtet wurde, wie ihm ein Wolf, ein Dachs und ein Fuchs dabei geholfen hätten, in Irland eine Kirche zu bauen, und wenn der junge Mönch diesen Unsinn glaubte, dann war er genau der Narr, nach dem er aussah. Der zweite tat etwas Sinnvolles, indem er eine Landzuweisung abschrieb, wenn sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach eine Fälschung war. In Klöstern ist man sehr geschickt darin, sich alte Landzuweisungen auszudenken, die beweisen sollen, dass irgendein halbvergessener König aus alter Zeit der Kirche reichen Landbesitz zugesprochen hat, sodass der rechtmäßige Eigentümer gezwungen ist, entweder das Land abzutreten oder eine gewaltige Ausgleichszahlung zu leisten. Mit mir haben sie das auch einmal versucht. Ein Priester hat die Dokumente gebracht. Ich habe daraufgepisst. Dann habe ich zwanzig Schwertkrieger auf dem betreffenden Stück Land postiert und dem Bischof die Nachricht zukommen lassen, dass er sich das Land nehmen könne, wann immer er es wünsche. Er hat es nie getan. Die Leute erzählen ihren Kindern, dass man mit harter Arbeit und Sparsamkeit zu Erfolg kommt, aber das ist genauso unsinnig wie zu glauben, ein Dachs, ein Fuchs und ein Wolf könnten eine Kirche bauen. Der Weg zum Reichtum liegt darin, ein christlicher Bischof oder der Abt eines Klosters zu werden und so mit dem Segen des Himmels lügen, betrügen und sich ein Vermögen zusammenstehlen zu dürfen.
Der dritte junge Mann schrieb eine Chronik ab. Ich schob seine Feder zur Seite, sodass ich sehen konnte, was er gerade geschrieben hatte. «Ihr könnt lesen, Herr?», fragte der alte Mönch. Er wollte es wie eine unschuldige Frage klingen lassen, aber seine Herablassung war nicht zu überhören.
«‹In diesem Jahr›», las ich laut, «‹kamen die Heiden erneut nach Wessex, es war eine so große Horde, wie sie noch niemals gesehen worden war, und sie verwüsteten das Land und brachten Leid ohnegleichen über die Gottgläubigen, die durch die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus und durch Herrn Æthelred von Mercien errettet wurden, der mit seinem Heer nach Fearnhamme zog, wo er die Heiden gänzlich niederschlug.›» Ich tippte mit dem Finger auf den Text. «In welchem Jahr ist das passiert?», fragte ich den Kopisten.
«Im Jahre Unseres Herrn 892», sagte er ängstlich.
«Und was ist das hier?», fragte ich und blätterte durch die Pergamentseiten, von denen er abschrieb.
«Das sind Annalen», antwortete der alte Mönch für den jüngeren. «Die Annalen von Mercien. Das ist das einzige Manuskript, und wir fertigen eine Zweitschrift an.»
Ich richtete meinen Blick wieder auf die frisch geschriebene Seite. «Æthelred hat also Wessex gerettet?», fragte ich lauernd.
«So war es», sagte der alte Mönch, «mit Gottes Hilfe.»
«Mit Gottes Hilfe? Mit meiner Hilfe! Ich habe diese Schlacht geschlagen, nicht Æthelred!» Keiner der Mönche sagte etwas. Sie starrten mich nur an. Einer meiner Männer erschien an dem Ende des Durchgangsraums, an das sich der Kreuzgang anschloss, lehnte sich an die Wand und grinste so breit, dass man seine Zahnlücken sah. «Ich war bei Fearnhamme!», setzte ich hinzu. Dann griff ich mir das einzige Exemplar der Annalen von Mercien und blätterte durch die steifen Seiten. Æthelred, Æthelred, Æthelred und kein einziges Mal Uhtred, kaum dass je Alfred erwähnt wurde, auch Æthelflæd kam nicht vor, nur Æthelred. Ich blätterte zu der Seite, auf der von den Ereignissen nach der Schlacht von Fearnhamme berichtet wurde. «‹Und in diesem Jahr›», las ich laut, «‹führten durch Gottes Gnade der Herr Æthelred und der Ætheling Edward die Männer von Mercien nach Beamfleot, wo Æthelred reiche Beute machte und zahllose Heiden niedermetzelte.›» Ich sah dem alten Mönch direkt in die Augen. «Æthelred und Edward haben diese Armee geführt?»
«So heißt es, Herr.» Die Missachtung in seinem Blick war verschwunden.
«Ich habe sie geführt, du Bastard!» Ich raffte die neubeschriebenen und die Seiten der Erstschrift zusammen und ging zur Kohlenpfanne.
«Nein!», begehrte der alte Mann auf.
«Das sind Lügen», sagte ich.
Er hob beschwichtigend die Hand. «Vierzig Jahre lang, Herr», sagte er bescheiden, «sind diese Berichte zusammengetragen und aufbewahrt worden. Sie sind die Geschichte unseres Volkes. Und dies ist die einzige Ausfertigung!»
«Das sind Lügen! Ich war dort. Ich war auf diesem Hügel bei Fearnhamme und in dem Graben bei Beamfleot. Wart Ihr auch dort?»
«Ich war noch sehr jung, Herr.»
Er quiekte entsetzt auf, als ich die Manuskripte auf die Kohlenpfanne warf. Hastig versuchte er, die Pergamente zu retten, aber ich schlug seine Hand weg. «Ich war dort», wiederholte ich und starrte auf die Pergamentseiten, die sich dunkler färbten und zusammenrollten, bevor sie von den Rändern her knisternd Flammen fingen. «Ich war dort.»
«Vierzig Jahre Arbeit und Mühen!», rief der Mönch fassungslos.
«Wenn Ihr wissen wollt, was geschehen ist», sagte ich, «dann kommt zu mir nach Bebbanburg, und ich erzähle Euch die Wahrheit.»
Sie kamen nie.
Aber ich war bei Fearnhamme, und das war nur der Anfang der Geschichte.