Das brennende Land

Inhaltsübersicht

ist für Alan und Jan Rust

Ortsnamen

Æsc’s Hill: Ashdoen, Berkshire

Æscengum: Eashing, Surrey

Æthelingæg: Athelney, Somerset

Bebbanburg: Bamburgh Castle, Northumberland

Caninga: Insel Canvey, Essex

Cent: Kent

Defnascir: Devonshire

Dumnoc: Dunwich, Suffolk (heute größtenteils im Meer versunken)

Dunholm: Durham, Grafschaft Durham

East Sexe: Essex

Eoferwic: York, Yorkshire

Ethandun: Edington, Wiltshire

Exanceaster: Exeter, Devon

Farnea-Inseln: Farne-Inseln, Northumberland

Fearnhamme: Farnham, Surrey

Fughelness: Insel Foulness, Essex

Gleawecestre: Gloucester, Gloucestershire

Godelmingum: Godalming, Surrey

Grantaceaster: Cambridge, Cambridgeshire

Hæthlegh: Hadleigh, Essex

Haithabu: Hedeby, südliches Dänemark

Hocheleia: Hockley, Essex

Hothlege: Hadleigh Ray, Essex

Humbre: Fluss Humber

Hwealf: Fluss Crouch, Essex

Lecelad: Lechlade, Gloucestershire

Liccelfeld: Lichfield, Staffordshire

Lindisfarnea: Lindisfarne (Heilige Insel), Northumberland

Lundene: London

Sæfern: Fluss Severn

Scaepege: Insel Sheppey, Kent

Silcestre: Silchester, Hampshire

Suthriganaweorc: Southwark, Groß-London

Swealwe: Fluss Swale, Kent

Temes: Fluss Thames

Thunresleam: Thundersley, Essex

Tine: Fluss Tyne

Torneie: Insel Thorney, diese Insel gibt es heute nicht mehr, sie lag in der Nähe der U-Bahn-Station West Drayton beim Flughafen Heathrow

Tuede: Fluss Tweed

Uisc: Fluss Exe, Devonshire

Wiltunscir: Wiltshire

Wintanceaster: Winchester, Hampshire

Yppe: Epping, Essex

Zegge: erfundene friesische Insel

Die Königsfamilie von Wessex

Erster Teil Der Kriegsherr

Am nächsten Morgen regnete es, als sei der Jüngste Tag angebrochen, also wartete ich, bis sich Wind und Wetter beruhigt hatten. Ich streifte im Kloster umher und fand mich schließlich in einem feuchtkalten Durchgangsraum wieder, in dem drei armselige Mönchlein dabei waren, Manuskripte abzuschreiben. Überwacht wurden sie von einem sauertöpfischen, älteren Mönch mit weißem Haar. Er trug eine Fell-Stola über seinem Habit. In der Hand hielt er eine Lederrute, mit der er zweifellos den Eifer der drei Kopisten förderte. «Sie sollten nicht gestört werden, Herr», wagte er mich zu tadeln. Er saß auf einem Stuhl neben einer Kohlenpfanne, deren Wärme die drei Schreiber nicht erreichte.

«Die Latrinen sind nicht sauber geleckt worden», erklärte

Der ältere Mönch verstummte, und ich sah den tintenbefleckten Schreibern über die Schulter. Einer von ihnen, ein schlaffgesichtiger Jüngling mit dicken Lippen und einem riesigen Kropf, transkribierte das Leben des Sankt Ciaran, in dem berichtet wurde, wie ihm ein Wolf, ein Dachs und ein Fuchs dabei geholfen hätten, in Irland eine Kirche zu bauen, und wenn der junge Mönch diesen Unsinn glaubte, dann war er genau der Narr, nach dem er aussah. Der zweite tat etwas Sinnvolles, indem er eine Landzuweisung abschrieb, wenn sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach eine Fälschung war. In Klöstern ist man sehr geschickt darin, sich alte Landzuweisungen auszudenken, die beweisen sollen, dass irgendein halbvergessener König aus alter Zeit der Kirche reichen Landbesitz zugesprochen hat, sodass der rechtmäßige Eigentümer gezwungen ist, entweder das Land abzutreten oder eine gewaltige Ausgleichszahlung zu leisten. Mit mir haben sie das auch einmal versucht. Ein Priester hat die Dokumente gebracht. Ich habe daraufgepisst. Dann habe ich zwanzig Schwertkrieger auf dem betreffenden Stück Land postiert und dem Bischof die Nachricht zukommen lassen, dass er sich das Land nehmen könne, wann immer er es wünsche. Er hat es nie getan. Die Leute erzählen ihren Kindern, dass man mit harter Arbeit und Sparsamkeit zu Erfolg kommt, aber das ist genauso unsinnig wie zu glauben, ein Dachs, ein Fuchs und ein Wolf könnten eine Kirche bauen. Der Weg zum Reichtum liegt darin, ein christlicher Bischof oder der Abt eines Klosters zu werden und so mit dem Segen des Himmels lügen, betrügen und sich ein Vermögen zusammenstehlen zu dürfen.

«‹In diesem Jahr›», las ich laut, «‹kamen die Heiden erneut nach Wessex, es war eine so große Horde, wie sie noch niemals gesehen worden war, und sie verwüsteten das Land und brachten Leid ohnegleichen über die Gottgläubigen, die durch die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus und durch Herrn Æthelred von Mercien errettet wurden, der mit seinem Heer nach Fearnhamme zog, wo er die Heiden gänzlich niederschlug.›» Ich tippte mit dem Finger auf den Text. «In welchem Jahr ist das passiert?», fragte ich den Kopisten.

«Im Jahre Unseres Herrn 892», sagte er ängstlich.

«Und was ist das hier?», fragte ich und blätterte durch die Pergamentseiten, von denen er abschrieb.

«Das sind Annalen», antwortete der alte Mönch für den jüngeren. «Die Annalen von Mercien. Das ist das einzige Manuskript, und wir fertigen eine Zweitschrift an.»

Ich richtete meinen Blick wieder auf die frisch geschriebene Seite. «Æthelred hat also Wessex gerettet?», fragte ich lauernd.

«So war es», sagte der alte Mönch, «mit Gottes Hilfe.»

«Mit Gottes Hilfe? Mit meiner Hilfe! Ich habe diese Schlacht geschlagen, nicht Æthelred!» Keiner der Mönche sagte etwas. Sie starrten mich nur an. Einer meiner Männer erschien an dem Ende des Durchgangsraums, an das sich der Kreuzgang anschloss, lehnte sich an die Wand und grinste so breit, dass man seine Zahnlücken sah. «Ich war

«So heißt es, Herr.» Die Missachtung in seinem Blick war verschwunden.

«Ich habe sie geführt, du Bastard!» Ich raffte die neubeschriebenen und die Seiten der Erstschrift zusammen und ging zur Kohlenpfanne.

«Nein!», begehrte der alte Mann auf.

«Das sind Lügen», sagte ich.

Er hob beschwichtigend die Hand. «Vierzig Jahre lang, Herr», sagte er bescheiden, «sind diese Berichte zusammengetragen und aufbewahrt worden. Sie sind die Geschichte unseres Volkes. Und dies ist die einzige Ausfertigung!»

«Das sind Lügen! Ich war dort. Ich war auf diesem Hügel bei Fearnhamme und in dem Graben bei Beamfleot. Wart Ihr auch dort?»

«Ich war noch sehr jung, Herr.»

Er quiekte entsetzt auf, als ich die Manuskripte auf die Kohlenpfanne warf. Hastig versuchte er, die Pergamente zu retten, aber ich schlug seine Hand weg. «Ich war dort», wiederholte ich und starrte auf die Pergamentseiten, die

«Vierzig Jahre Arbeit und Mühen!», rief der Mönch fassungslos.

«Wenn Ihr wissen wollt, was geschehen ist», sagte ich, «dann kommt zu mir nach Bebbanburg, und ich erzähle Euch die Wahrheit.»

Sie kamen nie.

Aber ich war bei Fearnhamme, und das war nur der Anfang der Geschichte.