Rudolf Raab

Der klare Weg – das Evangelium aller Motorradjunkies, Streetfighter und Offroadbiker

Zen - die Kunst bewusst Motorrad zu fahren

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Handlung:

Teil 1: Zen - die Kunst bewusst Motorrad zu fahren

Teil 2: SF - Streetfighters Fahrtechnik

Teil 3: MX - Enduro & Cross Fahrtechniken

Teil 3 ab MX10

Inhaltsübersicht - Teil 1, Zen Motorradfahren

Inhaltsübersicht - Teil 2, Fahrtechnik AsphaltInhaltsübersicht - Teil 1, Zen Motorradfahren

Inhaltsübersicht - Teil 3 MX - Enduro & Cross Fahrtechniken

Impressum neobooks

Handlung:




Handlung:


Der Samurai übte sich in Schwertkunst und Meditation, verschmolzen beides zu einer Einheit, und nannte es Zen. Eine derartige Verbindung verknüpft auch "DER KLARE WEG", die Verschmelzung von Bewusstsein und Fahrtechnik.


Klarsicht, den Kopf von allen unnützen Gedanken befreien, dass ist der eine Teil dieses Weges. Fernab von jeglicher Esoterik legt er die Techniken der wichtigsten Meditationen (u.a. das Zazen, Buddhas Meditation, die Meditation des Pythagoras, die Reise in die eigene Vergangenheit, die "Einkehr" der alten Germanen) offenlegt und projiziert ihre Kernelemente auf das Motorradfahren. Aus mechanisch-abgeschliffenem wird intensiv-wahrnehmungsreiches Fahren, dass ausnehmende körperliche Dynamik und geistige Wachsamkeit mit größter innerer Ruhe durchdringt.


Die zweite Hälfte des Weges widmet sich der Fahrtechnik, der Handwerkskunst der Fahrzeugbeherrschung. Analysiert bis ins kleinste Detail die Vorgehensweise der "Streetfighter" und die der "Hard-Enduristen", zeigt das "Schnell" und "Sicher" sich nicht ausschließen, und legt dabei besonderen Wert auf die

4 großen Lebensversicherungen des Motorradfahrens,

die Herzstücke der Fahrtechniken, die das Motorradfahren erst beherrsch- und kalkulierbar machen.


Offene Geistesgegenwart gepaart mit souveränem Fahrstil,

dahin führt er uns, "DER KLARE WEG"!



Teil 1: Zen - die Kunst bewusst Motorrad zu fahren


Teil 1: Zen – die Kunst bewusst Motorrad zu fahren


Ich fahre –

die ganze Arbeitswoche habe ich mich darauf gefreut, auf das kommende Wochenende - auf diese Tour - und nun - nun ist es endlich soweit - ich fahre!

Je näher die Zeit rückte, umso größer wurde meine Vorfreude, umso größer mein Sehnen, endlich raus zu kommen aus dem Alltag, endlich wieder hinauszukommen auf zwei Räder.

Doch jetzt - jetzt ist es so weit - ich fahre.

Ich wollte es endlich wieder spüren - das - was mich am Motorradfahren schon immer so faszinierte - so abgedroschen es auch klingen mag - aber es ist dieses vielbeschriebene Gefühl der Freiheit, das freie Leben zu erspüren. Dieses Freiheitsgefühl zu tun, was auch immer ich tun will, das zu tun was ich auch wirklich, wirklich tun will - und ich tue es nur für mich, nur für mich - ausschließlich. Diese Freiheit nehme ich mir - jetzt, just in diesem Moment.

Dieses Outlaw-Gefühl, endlich draußen - nicht mehr drinnen. Allen Verpflichtungen zu entfliehen, sich frei im Raum treiben lassen und sich um Gesetze und Vorschriften nicht sonderlich zu kümmern - höchstens darauf achten sich nicht erwischen zu lassen von den Fallstricken der uniformierten Heckenschützen.

Dieses Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, suggeriert durch die Kraft und Wendigkeit der Maschine zwischen meinen Beinen, und diese Kraft und Wendigkeit gehören mir, die habe ich im Griff, damit kann ich tun und machen was ich will. Denn die Leistung der Maschine geht in mich über, sie ist mein, sie ist mir – ich habe sie.

Nein, nicht mein Motorrad hat brachiale Leistung –
ich habe brachiale Leistung!

Die Blicke der Leute die ich erhasche - in denen ich entweder stille Bewunderung oder anerkennenden Neid spüre, sagen mir, dass ich etwas Besonderes in ihren Augen bin, etwas was zumindest ihre Aufmerksamkeit erregt, etwas was irgendwie außerhalb der Massen steht, etwas was sie nicht einfach ignorieren können.

Sie sind Zuschauer - ich bin Akteur,

sie sind Statisten – ich bin der Hauptdarsteller,

sie sind in ihrer kleinen Welt gefangen – mir gehört sie.

So gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Gründe die mich aufs Krad treiben - genauso wie es zehntausende von Gleichgesinnten tun, von denen jeder seine ganz eigenen Motive hat, und diese sind so zahlreich wie jeder Biker einzigartig. Doch alle "er-fahren" wir uns letztlich immer das Gleiche, kommen letztlich auf einen gemeinsamen Nenner, der da heißt:

"Lebensfreude tanken".

Das Fahren - on the bike again - könnte jedoch noch so viel toller sein, könnte noch so viel intensiver sein, könnte mir so viel mehr geben, wenn - ja wenn nicht nur mein Körper, sondern auch mein Kopf - meine Gedanken anwesend wären.

Da freut man sich die ganze Zeit aufs Motorradfahren, doch dann - dann wenn es endlich so weit ist und einem der Fahrwind um die Nase weht, ist der Kopf nicht bei der Sache, ist der Kopf nicht frei. Nicht frei für die unwiederbringlichen Momente die du jetzt, jetzt in diesem Augenblick erleben könntest, nicht frei, um die momentane Atmosphäre in dir aufzunehmen, nicht frei, um sich der Leidenschaft Motorradfahren voll und ganz hinzugeben, sich vollständig in ihr einzubringen, um letztlich wirklich ganz und gar dabei zu sein.

Ja, man könnte sagen, der Kopf ist beinahe losgelöst vom Körper, schweift herum in seiner eigenen Welt, reagiert nur hier und da spontan auf die Realität, um sie sofort wieder zu verlassen. Anstatt das Gegenwärtige zu genießen, anstatt die Wirklichkeit bewusst zu erleben, zu erkennen was um einen herum geschieht - gehen die Gedanken ihren eigenen Weg. Kreisen um alles Mögliche, wälzen Alltagsprobleme, arbeiten Vergangenes auf, schmieden Zukunftsvisionen, verweilen in Zwie- und Selbstgespräche, gleiten ab ins Reich der Phantasie und und und, sie kreisen und kreisen und finden kein Ende, sondern fangen wieder und wieder von vorne an, ohne Anfang und ohne Ziel.

Freiheit beginnt immer zuerst im Kopf,
ist der Kopf nicht frei, folgt nichts.
Richard Hoffmann - 1893

Diese, deine eigene Gedankenmühle hält dich nicht nur davon ab die Emotionen Motorradfahren in dich einzusaugen, die Erlebnisse dieser Fahrt wirklich in dir aufzunehmen, sondern sie, diese permanente Gedankenmühle, hält dich gemeinhin davon ab dein Leben so bewusst und intensiv zu leben wie du dir es eigentlich wünschen würdest. Denn, geradeso wie beim Fahren, begleitet dich dieses ewige Geschwätz auch ständig im normalen Alltag. Vor allem dann, wenn du befreit von den Alltagspflichten du Du sein dürftest und deine eigenen Wege gegen könntest, bist du doch nur ein Gefangener in deinem eigenen Kopf.

So vergeht nicht nur diese Fahrt ohne große innere Anteilnahme, sondern genauso verlebst du Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Nichts dringt wirklich tief in dich ein, nichts bleibt tiefgründig in dir haften, nichts kommt ungeschreddert durch diese Mühle. Alles bleibt irgendwie oberflächlich ohne echte Empfindungen. Es gelingt dir nicht wirklich, dieses Stückchen Zeit in dir festzuhalten, es zu archivieren um daraus später zu schöpfen.

Ereignisse an die man sich nicht erinnern kann
sind gestorben, sind für immer verloren - haben eigentlich nie existiert!

Hans Friedel

Bewusst leben und bewusstes Erleben, dass muss etwas Anderes sein. Mit offenen Augen durch die Welt gehen, sich dem Leben und seinen Chancen öffnen - wohl auch. Wie soll ich unter diesen Umständen die Welt wirklich kennen lernen, erkennen wie sie tickt und welche Möglichkeiten sie bietet? Wie soll ich unter diesen Umständen auf „meinen Weg“ vordringen, meine eigenen Visionen und mein eigenes Konzept entwickeln? Gibt es so eigentlich Hoffnungen für mich auf ein selbstbestimmtes Leben – stehe ich mir genau genommen nicht selbst im Wege, wenn ich es zulasse, dass meine abschweifenden Gedanken mich andauernd selbst blockieren?

Das Motorradfahren sollte mir eigentlich auch helfen den Kopf freizubekommen, raus zu kommen aus dem Alltagstrott, mich zu neuen Gedanken, zu neuen Überlegungen inspirieren. Wieder über den Tellerrand hinauszuschauen, um die Vielfalt zu entdecken die außerhalb der eigenen Vorstellungsräume liegt.

Doch über das Motorradfahren alleine komme ich nicht weiter. Zum wirklichen Durchblasen des Kopfes fehlt mir noch etwas, etwas das mich aus den Klauen dieser Gedankenmühle befreit, etwas das mir wirklich hilft den Kopf freizuschalten und mich konzentriert ans Werk gehen lässt, etwas das mich bewusster Leben lässt. Gibt es ein Mittel, das mir hierbei helfen kann?

Begibt man sich auf die Suche nach Wege zur Steigerung der Aufmerksamkeit oder der Konzentration, so stößt man irgendwann unweigerlich auf das Thema "Meditation". Doch diesem Gebiet nähert man sich, wenn überhaupt, wohl nur mit besonderem Argwohn. Zu krass sind die Bilder bzw. Vorbilder die in einem in diesem Zusammenhang aufsteigen und diese tragen wenig zur Ermutigung dazu bei, sich damit näher zu beschäftigen. Nein, halbverhungerte Asketen, Jogi Springer, Bettelmönche und Fakire auf ihrer Suche nach kosmischer Erleuchtung sind nun wirklich nicht meine Welt und sollen es auch niemals werden. Solche Gedanken kommen zwangsläufig auf, denn das Gebiet der Meditation wird gemeinhin von vielen rigiden Glaubensrichtungen besetzt, für die Meditation "ihr" Medium ist, das sie benutzen um über sie in mystische Hemisphären aufzusteigen. Dementsprechend richten sich hierzu auch die meisten Publikationen auf dieses Klientel aus und legen gerne einen verklärten geheimnisvollen Schleier über dieses facettenreiche Gebiet aus. Wird dieser Schleier jedoch etwas gelüftet, so werden aber auch ganz andere Aspekte, jenseits von Esoterik und Religion, sichtbar. Nun ist auch die Rede von Meditation als "Bewusstseinstraining" zur Steigerung der Wahrnehmung, der Aufnahmebereitschaft und der Aufnahmefähigkeit, sowie zur Gelassenheit und Ausgeglichenheit, um die eigene Emotionalität besser zu steuern und das eigene Handeln bewusster zu kontrollieren. Meditation zur Schärfung des Verstandes, zur Erweiterung der seelisch-geistigen Flexibilität und auch als Verfahren zur Lösung von Problematiken. Meditation als Technik zur physischen und psychischen Entspannung, zur Stressbewältigung, als Burnout-Prophylaxe, zur Aufarbeitung von psychischen Belastungen und um die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, sozusagen als Therapeutikum um Körper und Verstand gesund zu erhalten. Meditation soll also in vielfältigen Bereichen wirken, wobei die Grundlage der Meditation immer darauf beruht "die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen" - also genau dass was ich eigentlich suche, eine Praxis die hilft die Blockaden, verursacht durch die eigene Gedankenmühle, zu lösen.

Eine neue Weltanschauung?
Nein danke!

Ist Meditation also doch auch etwas für Leute die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen und auch dort stehen bleiben möchten? Kann Meditation, abseits aller Mystik, auch auf pragmatischem Weg angewendet werden und wird somit interessant für alle Menschen, die lediglich mit ihrer Unterstützung bewusster Leben wollen? Ist Meditation also auch etwas für mich?

Nun sollte man ja, bevor man sich einer Meinung anschließt, unterschiedliche Ansichten anhören und die Standpunkte, möglichst vorurteilsfrei, gegeneinander abwägen. Heerscharen von Praktizierenden einfach nur als Spinner einzustufen, wird ihnen möglicher Weise nicht gerecht - sich jedoch blindlings in diese Materie hineinzustürzen, einem selbst nicht. Das Thema Meditation ist so alt und so groß, dass auch die Wissenschaft nicht daran vorbeikommen kann – aber was sagen seriöse Wissenschaftler den dazu?


Z1 Wissenschaftliche Studien

Sind Bewusstseinsveränderungen überhaupt wissenschaftlich nachweisbar?

Bereits seit den 60er Jahren ist die Meditation Gegenstand der psychologischen und neurowissenschaftlichen Forschung, u. a. von so renommierten Einrichtungen wie das „Max-Planck-Institut für Hirnforschung“ oder der berühmten "Oxford Brookes University", die die altüberlieferten Techniken nach wissenschaftlichen Kriterien auf ihre Wirkungen hin überprüfen und in akademischen Fachzeitschriften veröffentlichen. Die Psychologen interessiert in diesen Studien vorwiegend die Fragen, wie sich Meditation auf die kognitiven Leistungen und die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Ableitend dazu, inwieweit sich meditative Techniken zur Behandlung von psychischen und psychosomatischen Störungen, flankierend als Behandlungsmethode zur Entspannung sowie zur Förderung des Selbstbewusstseins einsetzen lassen. Die Neurowissenschaftler wiederum rücken dem Geheimnis Meditation in Form des Elektroenzephalogramms (EEG) und der Magnetresonanztomographie (MRT) auf den Pelz. Sie untersuchen die Hirnaktivitäten in Zusammenhang mit den Synapsen des neuronalen Netzwerks, mit dem Ziel, die Wirkungsweisen und Veränderungen im Gehirn zu erforschen, um Rückschlüsse auf den Effekt bei somatischen Leiden zu erhalten.

Durch die MRT-Studien wurde nachgewiesen, dass es zweifelsfrei zu Veränderungen durch die Meditation im Gehirn kommt. Wobei die bedeutendste Aussage ist, dass die graue Substanz im Hippocampus an Volumen zunimmt und die Hirnrinde sich verstärkt. Während der Meditationsübung stellt sich eine Reduzierung des Hirnstoffwechsels ein, was eine entspannende Wirksamkeit belegt. Zudem belegen die EEG-Messungen, dass in den betroffenen Gehirnarealen sich deutlich mehr neuronale Verschaltungen entwickeln. Daneben wird auch in der Psychotherapie die Meditation als Entspannungsübung mit "nachgewiesener Wirksamkeit" angesehen: „Meditation wirkt auch ohne Spiritualität und hat tiefgreifende Effekte auf die Wahrnehmung, auf das Ichbewusstsein und das Sozialverhalten“.

Aus diesen Gründen haben meditative Programme, meist über den Begriff "Achtsamkeitsübungen", längst Einzug in die Medizin und in die Verhaltenstherapie gehalten, als alternative und ergänzende Behandlungsverfahren wie für psychisch überlagerte Krankheitssymptome, ADHS, Depressionen, Angsterkrankungen, Stressreduzierung, zur Stärkung des Immunsystems, Ernährungsstörungen, Anti-Aggressionstraining, als Schmerztherapie und und und.

Ferner hat sich eine Variation der Meditation längst auch im Spitzensport, unter dem Schlagwort "Mentales Training", etabliert.

Führt man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse erst einmal näher vor Augen, so ermutigen diese nicht nur mit der Meditation zu beginnen, sondern sie fordern einen geradezu heraus - nicht nur um bewusster zu leben, sondern um sich auch psychisch gesund zu erhalten. Denn was Sport für den Körper bedeutet, ist Meditation für die Psyche.

Nicht Glaube ist die Grundlage der traditionellen Meditationen - sondern Erfahrung!


Z2 Meditation und ihre Kernelemente

Meditation, was ist das überhaupt?

Meditation, jenseits aller Verklärungen, ist nüchtern erläutert nichts anderes als sich bewusst mit der Gegenwart in Verbindung zu setzen, oder eingehender ausgedrückt: Entspannte Achtsamkeit auf das Gegenwärtige, um sich dieser bewusst zu werden. Bewusst zu werden über das was um und in einem vorgeht. Diese Definition enthüllt auch bereits die dreiteilige Quintessenz der Meditation:

Achtsamkeit – Entspannung – Gegenwart.

Die wichtigste Zielsetzung der Meditation besteht demnach in einer Steigerung des persönlichen Bewusstseins, durch eine konzentrierte Wahrnehmung der Umwelt, in Verbindung mit einem erweiterten Erfühlen der eigenen körperlichen und emotionalen Empfindungen, infolge einer Deautomatisierung des Alltagstrotts.

Was gemeinhin unter Meditation betrachtet wird sind in Wahrheit aber lediglich nur die Meditationsübungen. Bei denen nach allgemeiner Vorstellung, der Meditierende im Lotussitz, mit geschlossenen Augen, weltabgewandt, stundenlang eine leblos-starre Haltung einnimmt. Das ist aber nur die eine Seite der Meditation, die Meditationsübungen, von denen es unendlich viele Varianten gibt, die überdies nur wenig mit dieser vermeintlich typischen Körperhaltung zu tun haben und sich schon gar nicht über Stunden hinwegziehen müssen. Diese Meditationsübungen sind jedoch nicht die eigentliche Meditation, sie sind genaugenommen nur das Training für den tatsächlichen Zweck, für die "Anwendung der meditativen Techniken während der alltäglichen Verrichtung", um aktiv den Kontakt zur lebendigen Gegenwart herzustellen. Mehr noch, nicht nur die meditativen Techniken im Alltag bewusst anwenden, sondern sie so zu vertiefen, dass dieser Zustand der entspannten Achtsamkeit zum Normalzustand wird, womit wir dann bei der "meditativen Lebensweise" angelangt wären. Die Essenz der Meditation besteht ergo in der Umsetzung der meditativen Kernpunkte "Entspannung - Achtsamkeit - Gegenwart" während all den vielfältigen aktiven Tätigkeiten, die einem das Leben so bescheren. Bei dieser Umsetzung - "Meditation im Tagesgeschehen" fehlen die typischen Formalien der Meditationsübungen wie Körperhaltung, geschlossene oder halb geschlossene Augen und äußerlich sichtbare geistige Absenz. Deswegen vollzieht sich diese Meditationsanwendung von außenstehenden Personen unbemerkt. Fast unbemerkt, den Menschen die selbst meditieren, erkennen gleichgestimmte dennoch an dem typischen Auftreten, den typischen Verhaltensweisen. Alle weiten Menschen sehen Leute die die "meditativen Lebensweise" pflegen als Persönlichkeiten an, begründet in ihrer überaus ruhigen und sachlichen Art, die auch im hektischten Alltagstrubel oder bei übelsten Anfeindungen ihre Besonnenheit und Dominanz nicht verlieren. Meditation wirkt dual, nach innen und prägt unser Erscheinungsbild ebenso nach außen.

„Achtsamkeit“ – „Entspannung“ – „Gegenwart“, das sind die drei Säulen auf die sich die Meditation stützt und die durch sie zu einer Einheit verschmolzen werden.

Achtsamkeit; entspannte, wache Achtsamkeit, das ist das Ziel, dass wir mit Hilfe von Meditationsübungen erreichen und so vertiefen wollen, dass es letztlich unser Normalzustand im Alltag wird. Achtsamkeit in der Meditation heißt: beobachten und wahrnehmen des gegenwärtigen Umfelds, genauso wie das eigene Innenleben - wie die eigenen Gefühle, Stimmungen, Gedanken und Verfassung. Mit fortschreitender Meditationspraxis steigert sich ihr Grad, sie wird zunehmend intensiver und eingehender - wobei dieser Prozess, die Zunahme der Achtsamkeit, nie erlöscht und nie eine Vollendung findet. Beobachten, das ist eine grundlegende menschliche Fähigkeit, die man nicht erst erlernen muss. Bei der Meditation jedoch geht es um deren Schärfe und um die beiden Richtungen - nach außen und nach innen. Dann wird Beobachten zur Achtsamkeit und schließlich zur Meditation.

Achtsamkeit hat jedoch nichts mit Selbstkontrolle zu tun. Selbstkontrolle heißt, sich nach starren Vorgaben selbst zu überwachen. Achtsamkeit hingegen bedeutet, sich seinen Gemütsbewegungen bewusst werden die Ereignisse in einem auslösen - mehr nicht. Alles Weitere überlassen wir einen fortschreitenden schleichenden Prozess der sich Persönlichkeitsentwicklung nennt.

Beobachten ist das Erfassen der Umwelt -
Achtsamkeit ist die Selbsterfahrung, welche Emotionen die Beobachtungen in einem selbst auslösen.

Um Achtsamkeit zu erreichen ist Konzentration erforderlich. Doch Konzentration alleine ist keine Achtsamkeit, genauso wenig wie Meditation keine Konzentrationsübung ist. Konzentration ist punktuell und geht immer in Richtung auf ein Objekt. Die Meditation hingegen erfragt die Wirkung des Objekts auf den Meditierenden. Konzentrationsfähigkeit ist wichtig, damit Meditation gelingt, umgekehrt erfährt die Konzentrationsfähigkeit durch fortschreitende Meditationspraxis ein hochgradig steigerungsfähiges Niveau. Die Konzentration aufrecht zu erhalten ist wohl die schwierigste Hürde für den Neueinsteiger, was sie zum Gradmesser für die eigene Meditationsgabe, als auch zum Indikator für den erreichten Level macht. Die Aufmerksamkeit bewusst auf einen kleinen Bereich zu begrenzen, gelingt am Anfang nur für eine sehr kurze Zeit, was jedoch niemanden entmutigen soll, denn nach der altindischen Yogaphilosophie geht die Konzentration bereits in Meditation über, wenn sie länger als zweieinhalb Minuten aufrechterhalten werden kann.

Entspannung hat im Alltag, dann wenn es um Leistung geht, gewöhnlich einen eher negativen Touch. Um eine Aufgabe gut zu meistern ist Anstrengung nötig, um sie noch besser zu meistern eine noch größere - so die gängige Meinung. Sicherlich, Bemühungen zum Erreichen eines Vorhabens sind wichtig, ohne Mühe geht nichts, aber wirklich effektiv wird das Streben erst dann, wenn es weitestgehend unter bewusst körperlicher und geistiger Entspannung durchführt wird. Anstrengung ohne Entspannung führt niemals zum maximalen Ausschöpfen des eigenen Potentials, weil psychomentale Belastungen wie Nervosität, Unsicherheit, Versagensängste oder auch Übermotivation begleitend mitwirken. Den engen Zusammenhang zwischen körperliche Beweglichkeit und seelisch-geistige Flexibilität ist für jeden auf dem Sportplatz leicht hautnah nachvollziehbar. Kommen die Nerven ins Spiel, war es das mit dem was vorher noch einwandfrei klappte. Nicht anders verhält es sich in der Arbeitswelt, denn auch hier hat der emotionale Zustand einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Betroffenen. Wie sonst ist es zu erklären, dass manche Menschen extrem belastbar sind, während andere bereits an leichteste Aufgaben zerbrechen?

Die Meditation führt leistungsbewusste Aktivität unter größtmöglicher körperlicher und geistiger Entspannung in Abhängigkeit zusammen, nicht nur um bestmöglichste Ergebnisse zu erziehen, sondern für eine andere wichtige Perspektive - der Emotionsregulation. Die Emotionsregulierung ist neben der Aufmerksamkeitssteuerung eine weitere wesentliche Aufgabe der Meditation. Meditierende üben sich in Besonnenheit und in der Steuerung von emotionalen Reaktionen. Durch die in den Meditationsübungen einstudierte distanzierte Betrachtungsweise gewinnt der Meditierende an Gelassenheit und an der Fähigkeit zur einer situationsgerechten angemessenen Haltung, die ihm hilft auch in hektischten Zeiten in seinem "Zentrum" zu bleiben.

Die Veränderung der eigenen Emotionalität, Selbstbeherrschung, Gleichmut und Bedachtsamkeit, das steigende Einfühlungsvermögen sind unausbleibliche Begleiterscheinung einer meditativen Praxis und Kennzeichen einer meditativen Lebensweise.

Gegenwart, dieser nicht messbare Wimpernschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft, der jedoch einzig und allein fortwährend besteht, ist der Zeitraum in dem wir uns ausnahmslos bewegen. Poetisch ausgedrückt: im ewigen „hier und jetzt“. Gegenwart, das ist der Kernpunkt auf den die Meditation zielt, um Vergangenes aufzuarbeiten und um uns für die Zukunft zu rüsten. Die Meditation will uns wachrütteln, herausholen aus unseren regellosen Zeitreisen - die Sinne öffnen für das "Jetzt", für das wahre Leben in und um uns herum.

Meditative Lebensweise heißt: achtsames, unbefangenes Leben in der Jetztzeit - ohne Bedauern von Vergangenem, ohne Angst vor der Zukunft und mit tiefer Akzeptanz gegenüber allem Unvermeidlichen. Gedankensprünge in die Vergangenheit, Planungen für die Zukunft oder Nachdenken über Angelegenheiten verselbständigen sich nicht, sondern unsere Fähigkeit zur Gedankenarbeit wird vorsätzlich und gezielt-strukturiert eingesetzt.

Z2.1 Wesen und Auswirkungen der Meditation

Das primäre Ziel der Meditation ist das Erreichen einer Bewusstseinsvertiefung und Bewusstseinserweiterung. Diese Veränderung des Bewusstseins ist die Grundlage, aus der heraus der Meditierende vielfältige Wandlungen erfährt, die tief in seine Persönlichkeit hineindringen. Dabei läuft der Wandel größtenteils schleichend-unterschwellig, als Nebeneffekt der Meditation ab. Meditierende gehen entspannter mit sich selbst und andere um. Sie lernen loszulassen und stellen einen gewissen affektiven Abstand, eine gewisse sachliche Distanz zu den alltäglichen Gegebenheiten her. Somit bereitet Meditation den Boden für eine unorthodoxe Denkweise, für das Erkennen von Ursache und Wirkung und demzufolge einer Stärkung des eigenen Urteilsvermögens. Das macht Meditierende unempfänglicher gegenüber Manipulationsversuche oder Fehleinschätzungen anderer, genauso wie es ihnen leichter fällt die eigene Inflexibilität aufzubrechen und Meinungen und Denkweisen von anderen gelassener zu respektieren, wodurch sie sich für zwischenmenschliche Beziehungen angenehmer öffnen.

Durch die Selbstbeobachtung lernen Meditierende sorgfältiger mit der eigenen Psyche umzugehen, dies bewirkt, dass sie nicht so leicht oder dass sie überhaupt nicht mehr willens sind, sich aus ihrer „Reserve“ herauslocken zu lassen. Kennzeichnend ist ihre ruhige, sachliche aber dennoch konzentrierte Art auf niedrigem Erregungsniveau, so dass sie auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren ohne in Panik oder in Stress zu verfallen. Die Auswirkung dieser psychischen Haltung auf die eigene körperliche Immunreaktion kann dabei nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies alles hängt jedoch von einer Grundvoraussetzung ab, dem „Abstellen der ständig klappernden Gedankenmühle“ um sie durch „entspannte Achtsamkeit auf das gegenwärtige Geschehen" einzutauschen.

Meditation führt zur Unabhängigkeit,
allein schon durch die Erkenntnis, dass
alles was Du zum Leben wirklich brauchst, ausnahmslos in dir selbst steckt.

Z2.2 Meditation und Stressbewältigung

Der Stressbewältigung kommt bei der Übernahme meditativer Techniken in den Alltag einer großen Bedeutung zu. Sie basiert auf der Grundvorstellung, dass die Ursachen für die empfundenen Stresssituationen zuerst in einem selbst gesucht werden und deswegen auch dort zuerst entgegengesteuert werden muss. Stress ist ein subjektiver Gefühlszustand, größtenteils ausgelöst durch Befürchtungen den physischen oder psychischen Belastungen, die von außen an einen herangetragen werden, nicht standhalten zu können. Oft genug ist der belastende Druck aber auch hausgemacht, weil wir ohne Rücksicht auf unsere eigene Psyche, viel zu viel auf einmal anstreben – meistens sogar bei weitgehend unbedeutenden Dingen und häufig genug überfordern wir uns aus reinem Geltungsdrang heraus. U.a. reduziert Stress die Denkfähigkeit und löst negative körperliche und psychische Reaktionen aus, bis hin zur Verzweiflung, zur Aggression und zum Gefühl des Versagens. Zwar wird unter Stress das Hormon Adrenalin freigesetzt, das kurzfristig eine höhere Leistungsbereitschaft mobilisiert, andauernd gefühlte Stressbelastung wird dennoch letztendlich immer zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führen.

„Wir leben in einer hektischen Zeit“, diese immer wieder gehörte Aussage suggeriert, dass wir uns dieser nicht entziehen können, was aber faktisch eher selten zutrifft. Meist können wir uns alleine durch unsere innere Einstellung davon lösen, denn Stress ist im Grunde genommen ein Kopfproblem. Stresssymptome können verhindert oder zumindest stark abgemildert werden alleine durch eine meditative Grundeinstellung, d.h. Ruhe und Gelassenheit in allen Lebenssituationen zu bewahren – vor allem in schwierigen Situationen, indem wir an alle Aufgaben immer in einem weitestgehend möglichen körperlichen und geistigen Entspannungszustand herangehen – stets mit einer gewissen emotionalen Distanz, um uns nicht total vereinnahmen lassen – dabei sich, wie von oben herab selbst beobachten, um die Kontrolle über sich selbst aufrecht zu erhalten.

Der erste Ansatz zur Stressbewältigung ist daher die Problematik ins „rechte Licht“ zu setzen, ihre Wertigkeit auf ein reales Maß herunterholen. Dabei unterstützen solche Fragen wie:

Oder auch der klassische Schritt:
"kannst Du das Problem nicht lösen, so löse Dich von dem Problem" -
was weniger körperlich, dafür umso mehr emotional gemein ist.

Obwohl es viele Arten von Stress gibt, bringen wir Stressbelastung maßgeblich mit der Arbeitswelt in Verbindung. Durch unsere innere Einstellung zu der Situation verändern wir zwar nicht das Arbeitspensum, aber unsere Leistungsfähigkeit. Denn "emotionale Distanz" bedeutet nicht unwillkürlich eine verringerte Leistungsbereitschaft, sondern lediglich die Art und Weise wie wir an die Sache herangehen. Durch eine unverkrampfte körperliche und geistige Arbeitsaufnahme sinkt unsere Leistungsfähigkeit nicht, im Gegenteil, sie wird deutlich gesteigert, was schließlich eine gesteigerte Arbeitsleistung bei verringerter physischen und psychischen Belastung ergibt.

Neben einer angemessenen gedanklichen Positionierung, ist ein weiteres besonders aktives Potential zur Reduzierung von Stresssituation der richtige Umgang mit den vielen kleinen, immer wieder auftreten Zwangspausen. Besonders diese ungelegenen Unterbrechungen von der Aktivität, wie z. B. das Warten vor einer roten Ampel, nutzen wir nur zu gerne um uns "hochzuschaukeln" - anstatt die Momente, in denen wir sowieso zum Nichtstun verurteilt sind, vorsätzlich zur Entspannung zu nutzen. Warum also von Termin zu Termin hetzen? Warum nicht „gehen“ und dabei erst einmal abschalten, erst einmal wieder „herunterkommen“ um sich neu zu sammeln und neu zu besinnen? Von diesen Gelegenheiten, in denen wir zur Passivität gezwungen sind, gibt es über den Tag verteilt etliche, man muss sie nur erkennen, man muss sie nur nutzen - nutzen zur Ausrichtung, hin zur meditativen Lebensweise.

Können andere dich unter Druck setzen -
schaffen es andere dich zu reizen -
bist Du nicht Herr deines Seins!

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Es ist nicht wichtig was andere über dich denken,
es ist nur wichtig was du über andere denkst.

Emilie Volpert 1896

Z2.3 Meditation und Motorradfahren

Was hat Meditation mit Motorradfahren zu tun?
Meditation hat keinen Selbstzweck und keinen bestimmten Handlungsablauf. Meditation ist an nichts gebunden, weder an einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Objekt noch an eine bestimmte Körperhaltung. Meditation soll nur eins bewirken, sie soll zur Achtsamkeit [Z2] führen. Wie sie dazu führt ist sekundär, dafür gibt es viele Wege. Folglich stellt sich auch nie die Frage "wie meditiere ich richtig", denn Meditation kann alles sein und alles kann als Objekt für die Meditation dienen. Meditation benötigt jedoch einen Inhalt, an dem sich die Aufmerksamkeit bündeln kann. Das kann ein Thema, ein Gedanke, ein Gegenstand sein oder einfach auch nur das "Jetzt", das was in diesem Moment um einen herum geschieht. Eins jedoch haben alle Meditationen gemeinsam, einen gemeinsamen festen Bestandteil - den Atem. Er ist der Träger für unsere innere Sammlung. Auf ihn bezieht sich einer der großen Meditations-Leitsätze, der da lautet: "Konzentriere dich auf deinen Atem - und du findest dich in der Gegenwart wieder". In Z3.3.1 werden wir näher auf die Wirksamkeit des Atems eingehen. Ansonsten steht uns darüber hinaus zur Meditation alles offen, es gibt nichts was uns einschränkt, es gibt nichts was sich nicht zur Meditation eignet.
Allgemein schwebt dem Außenstehende das Bild eines Meditierenden vor, der sich in ruhender Stellung nach innen wendet. Dieses Bild vermittelt aber nur eine Gruppe der Meditationen, die Ruhe-Meditationen. Indes gibt es noch eine weitaus größere Gruppe von Meditationen, und zwar die der Aktiv-Meditationen. Bei diesen führt der Meditierende Handlungen unter intensivster Partizipation aus, er bringt sich mit seinem ganzen Wesen voll und ganz ein und nimmt sie so inbrünstig in sich auf. Diese Formen der Meditationen kommen der "meditativen Lebensweise", der "Anwendung der meditativen Techniken während der alltäglichen Verrichtung", bereits sehr nahe, gehen in ihr über oder sind zumindest der weisende Einstieg. Die bekannteste Aktiv-Meditation ist die Gehmeditation [Z4], deren Anwendung sich bei jedem Weg zu Fuß anbietet ohne einen Extraaufwand zu bedeuten. Sie gilt als die Grundlage für alle weiteren Aktiv-Meditationen, weil sie es ermöglicht, sich die Kernelemente dieser Meditationsformen in bedächtiger Form anzueignen.

Wie erwähnt ist Meditation an nichts gebunden, man kann über alles Meditieren und alles bietet sich als Meditationsobjekt an. Eben auch, oder besonders das Motorradfahren. Nicht nur weil es sowieso unsere Leidenschaft ist, sondern weil Motorradfahren ein Fest für die Sinne ist, ein einzigartiges Medium, dem vielleicht nur noch das Alpinklettern nahekommt. Allein auf dem Motorrad sitzend ist man endlich bei sich. Das bei sich sein, sich fühlen ist bereits der erste Schritt tief in die Meditation hinein. Auf dem Motorrad sitzend muss man sich nicht erst zwanghaft-melancholisch einstimmen, nein, in dem Augenblick in dem wir den Startknopf drücken, sich die Anlasserkontakte kurzschließen, breitet sich der Zündfunke bis in die hintersten Gehirnregionen aus. Fahren wir los, machen wir das sowieso mit der Absicht konzentriert zu fuhrwerken, Augen und Hirn einzuschalten, das "Jetzt" nachdrücklich zu erleben und alles andere ruhen zu lassen. Damit uns das auch gelingt, und der Kopf nicht schon nach wenigen Metern wieder die Gedankenmühle anschmeißt, dazu helfen uns die meditativen Techniken. Das ist Aktiv-Meditation. Wir tun und überlagern die Tätigkeit mit meditativen Techniken, mit den Kernelementen der Meditation "Achtsamkeit – Entspannung – Gegenwart". Primär ist das Tun, die Meditation selbst ist nur begleitend.

Doch "achtsames" Motorradfahren [vergl. Z2 - Achtsamkeit] soll uns nicht nur in das "Hier und Jetzt" versetzen, soll uns nicht nur unser eigenes Innenleben ins Bewusstsein rücken, es soll auch die so neu gewonnenen mentalen Stärken, Fähigkeiten, Charaktereigenschaften und Lebenslust in das alltägliche Leben hinüber transportieren. Werte, die uns im Alltag stärker und souveräner machen. Fähigkeiten, die uns Zusammenhänge öffnen und uns Einfluss nehmen lassen. So überbrücken wir unseren Zwiespalt, zwischen dem was wir eigentlich sein wollen und den Rollen die uns die Gesellschaft aufzwingt. Derart gestählt behalten wir in allen Lebenslagen unsere Mentalität bei, bleiben immer wir, bleiben aufrecht und uns selber treu.

Wir fahren nicht Motorrad um zu meditieren,
nein, wir fahren Motorrad und wenden dabei meditative Techniken an, um es und uns intensiv zu erleben!

Wie gesagt, Meditation möchte letztendlich nichts Zusätzliches, sondern etwas Begleitendes, etwas Überlagerndes sein, um uns schließlich hin zur "meditativen Lebensweise" zu führen. Der klassische Einstieg hierzu sind die Ruhe-Meditationen, allen voran die Atem-Meditation [Z3.3]. Sie ist der Schlüssel zu den altbewährten, jahrtausende alten Meditationsweisen. Alle bekannten Meditationstraditionen gründen auf die Atem-Meditation, um von dort aus auf weiterführende oder auch zu tieferführende Ruhe-Meditationsformen zu gelangen oder um zu den lebensnahen Aktiv-Meditationen überzugehen. Wer erfolgreich in die Lebenslehre "Meditation" einsteigen möchte, sollte auch diesen verlässlichen Weg wählen. Beginnend bei der Atem-Meditation, zusätzliche Erfahrungen über weitere Ruhe-Meditationen sammeln um, über die Gehmeditation [Z4] und, in unserem Fall, über die auserkorene Aktiv-Meditation "Motorradfahren" zur "meditativen Lebensweise" zu gelangen. Der Einstieg über die Atem-Meditationen ist deshalb sinnvoll, weil der Meditationsnovize sich zunächst nur mit sich und dieser einfach strukturieren Meditationsmethode auseinandersetzt. Reine Konzentration, nur auf den Atem - das ist anfänglich schwierig genug. So schlicht der Inhalt bei dieser und bei vielen anderen Ruhe-Meditation auch sein mag, sie führen uns doch bereits geradlinig zu dem was unser eigentliches Ziel ist: "hin zum jetzt - weg aus unserer Gedankenwelt". Ruhe-Meditationen wirken, und zwar nicht erst nach jahrelanger Praxis, sondern Veränderungen in der Persönlichkeit treten auf sobald man diesen Bereich betritt - was mit kleinen Schritten beginnt, wird im Laufe der Zeit tiefer und fester. Sie sind also nicht lediglich nur ein Vorspiel. Jede Meditationstechnik hat ihre eigenen Auswirkungen und Erträge, darum bleiben viele Meditierende "ihrer" (Ruhe-) Meditation über Jahre hinweg treu, ohne weitere Meditationswege zu betreten, weil sie bereits in ihr alles für sich Wertvolle finden. Indes wir wollen weitergehen, hin zur meditativen Lebensweise, und die finden wir über unsere Leidenschaft im Sattel unserer Maschine, auf dem Weg des Zen, dem ganzheitlichen Motorradfahren [Z5].


Z3 Ruhe-Meditationen

Z3.1 Die Vorkehrungen

Alles was Du zum Meditieren brauchst bist Du - mehr nicht!

Z3.1.1 Der passende Meditationsort

Der passende Meditationsort ist überall. Es gibt keinen Platz, der sich nicht zum Meditieren eignen würde. Es gibt aber viele Plätze oder Situationen die erst durch eine meditative Grundeinstellung erträglich werden. Deswegen sollte jeder für sich die Fähigkeit erschaffen, an jedem Ort der Welt und ist er noch so turbulent oder furchtbar, eine geistige und körperlich entspannte meditative Haltung einzunehmen und diese aufrecht zu erhalten". Dadurch wird nicht nur eine gewisse emotionale Distanz hergestellt, sondern verleiht einen auch ein bestimmtes überlegenes Gefühl der Unabhängigkeit.

Zur Vorbereitung auf einige Ruhe-Meditationen ziehen sich die meisten Meditierende jedoch gerne in eine ruhige Ecke zurück, wo sie abgeschirmt von der Außenwelt ihre "Innenschau" halten können. Das kann hilfreich sein, wichtig jedoch sollte es nie werden. Formalitäten, wie ein fester Ort, eine spezielle Kleidung, eine besondere Eingangszeremonie, Räucherstäbchen und andere Accessoire sind unnötig und eher kontraproduktiv - noch schlimmer, sie verleiten oder geben einen ein Alibi die Sache wieder einschlafen zu lassen, weil hierdurch die Meditation etwas Aufwendiges und Zusätzliches wird, wobei sie doch nur etwas Begleitendes sein möchte.

Z3.1.2 Die Körperhaltung

Gleichermaßen wie mit dem Meditationsort verhält es sich auch mit der Körperhaltung. Eine entspannte Körperhaltung bei den Ruhe-Meditationen ist nützlich, um die Konzentration besser und vor allem länger auf den Leitgedanken halten zu können. Ziel ist es jedoch in allen Lebenslagen, besonders in unangenehmen oder anstrengenden Positionen oder bei negativen Erwartungen, die Anspannungen und Verspannungen aktiv loslassen zu können. Das hilft nicht nur dem Körper über schwierige Situationen hinweg, sondern greift auch sofort auf die eigene Emotion über. Meditation ist an keine Körperhaltung gebunden, schon gar nicht an den von mehrheitlich orthodoxen Glaubensgemeinschaften propagierten Lotussitz - der ist wohl eher als pseudo-militärische Formalausbildung zu sehen und soll mehr dem Schüler seine vermeintliche Unfähigkeit und ihm die Überlegenheit seines Meisters vor Augen führen. Der Lotussitz ist für die überwiegende Mehrheit kaum zu erlernen und stellt eigentlich nur eine unsinnige Hürde auf dem Weg der Meditation dar.

Nichtsdestoweniger hilft beim stillen Meditieren eine entspannte Körperhaltung, die möglichst lange beschwerdefrei eingenommen werden kann. Die kann im Stehen, liegen oder sitzend sein, wobei man sich von Anfang an daran gewöhnen sollte, in den unterschiedlichsten Stellungen zu meditieren, damit es letztendlich sogar in allen erdenklichen Positionen klappt.

Als Sitzposition eignet sich der im Autogenen Training verwendete „(Droschken-) Kutschersitz“ bestens auch für die Meditation. Dazu:

Viel wichtiger als das sture Befolgen dieser Basis ist es jedoch, es für sich so bequem wie möglich zu machen. D.h. finde abweichend davon "deine" Haltung, wobei im Laufe der Zeit auch die Gewöhnung eine große Rolle spielt.

Liegen hat den großen Vorteil, es bedarf keinerlei Kraftanstrengung, das macht es einfacher die gewählte Position länger durchzuhalten. Der Nachteil: passende Gelegenheiten im Alltag zu finden wird schwieriger. Ergibt sich jedoch die Möglichkeit, sieht die favorisierte Liegeposition folgend aus:

Aber auch hier gilt das Gleiche wie für die Sitzposition, jeder darf "seine" individuelle Stellung finden und mag sie noch so abweichend von der Grundform sein. Die erste Möglichkeit am Tage zu Meditieren bietet sich unmittelbar nach dem Aufwachen. Warum also nicht nahtlos von der Aufwachphase in die Meditation übergehen, ohne dabei seine Liegeposition zu verändern, um sich kurz vor dem Aufstehen noch einmal tief zu entspannen?

Stehen ist, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, für die Meditation keine schlechte Ausgangsbasis. Die Füße sind an das Gewicht gewöhnt, es unterstützt die Konzentration und tagsüber ergeben sich viele Möglichkeiten in dieser Stellung zu meditieren. Dazu:

Die ganze Stellung sollte so entspannt wie möglich sein. Jede Verspannung zeigt uns, dass wir unsere eigene Stellung noch nicht gefunden haben. Haben wir sie, halten wir unsere Ruhe-Meditation mit etwas Übung auch im Stehen.

Generell ist der menschliche Körper ohnedies nicht dafür geschaffen, stundenlang unbeweglich in einer Stellung zu verharren. Irgendwann beginnt es auch in der schönsten Meditationshaltung unbequem zu werden, wodurch unsere Aufmerksamkeit zu leiden beginnt. Durch Gewöhnung kann dieser Punkt hinausgezögert werden. Ist er jedoch erreicht, so dass das körperliche Unbehagen zu dominant ist, wird die Meditationsübung gerettet indem wir, absolut bewusst und mit äußerster Sorgfalt, einen "Stellungswechsel" durchführen. So muss eine Veränderung der Position die innere Sammlung nicht wesentlich beeinträchtigen. Jedenfalls stören sanfte körperliche Bewegungen die Meditation weniger als eisernen stures Verharren.

Z3.1.3 Die Augen

Augen während den Ruhe-Meditationen öffnen oder schließen?
In den traditionellen Meditationen wie beim "Zazen" werden die Augen offen oder halboffen gehalten, wobei der Blick leicht nach schräg unten fällt, aber ohne wirklich zu sehen. Der Blick geht vollkommen ins Leere, die Augen sehen nicht fassbar, weil sich die ganze Aufmerksamkeit uneingeschränkt nach innen richtet.
Diese Technik ist bei allen Ruhe-Meditationen zu empfehlen. Meditieren mit leicht geöffneten Augen macht unabhängiger, besonders in offener Umgebung behält der Meditierende die Kontrolle über sein Umfeld bei. Speziell störende Geräusche bringen ihn weniger aus der Gedankentiefe und die Rückführung gelingt müheloser. Der wesentliche Grund, mit offenen Augen zu meditieren, liegt allerdings in Anbetracht auf die Ausrichtung hin zu den Aktiv-Meditationen.

Z3.1.4 Die richtige Geisteshaltung

Ob Meditation gelingt, hängt wesentlich auch von einer entsprechend positiven geistigen Einstellung des Meditierenden ab. Um diese zu erlangen geben die Meditationsregeln zwei strikte Grundsätze vor:

- keine Anstrengung - "leicht ist richtig";

anstrengendes Bemühen, verbissenes Wollen, Ungeduld, Zwang, auf diese Art wird Meditation selbst zur Last, wird Ursache von Mühsal, Anstrengung, Nervosität, Stress. Umgekehrt, nicht aktives Wollen, sondern passives geschehen lassen, von allem loslassen und sich „fallen lassen“ ist das Geheimnis. In der Meditation gibt es kein "richtig" und auch kein "falsch" - nur unterschiedliche Wege zu sich selbst. Wer das verinnerlicht ist in seiner Denkweise nicht mehr weit entfernt vom zweiten Grundsatz:

- keine Wertung - totales akzeptieren;

keine Wünsche, keine Gefühle und keine Gedanken sollen die Meditation leiten, nichts erwarten, nichts befürchten und vor allem nichts bewerten - sondern einfach nur geschehen lassen und mit Gleichmut hinnehmen. Das ist die zwingende Voraussetzung für ein öffnen hin zu neuen Denkstrukturen, zur Kultivierung der Selbstwahrnehmung und der Verfeinerung der Emotionalität bis hin zur Emotionsregulation - einfach um dem Leben geradeheraus gegenüberzustehen.

Viele Menschen lassen sich ihr Leben vermiesen, durch hausgemachte unbegründete Ängste vor der Zukunft.
Doch Zukunftsangst ist Feigheit,
denn wie Shakespeare sagte:
"Der Feigling stirbt tausend Tode, der Tapfere aber nur einen"!
Also, geht es dir "jetzt" gut, dann genieße es auch "jetzt".

Z3.1.5 Wie lange dauert eine Meditationsübung?

In den über 2000 Jahre alten Sanskrit-Schriften steht: „gelingt die intentionale geistige Sammlung 10 Sekunden ohne Abschweifung, so konzentrieren wir uns. Halten wir diese Konzentration 148 Sekunden aufrecht, so nähern wir uns der Meditation“. Kann sie zweieinhalb Stunden aufrechterhalten werden, so erreichen wir „Samadhi“ - die „Erleuchtung“.

Psychologische Untersuchungen ergaben: "die Aufrechterhaltung eines Aufmerksamkeitsniveaus auf einen engen Bereich erfordert geistige Anstrengung und kann bei einem mittleren emotionalen Zustand, von modernen Menschen für ca. 3 Minuten aufrechterhalten werden".

Diesen Aussagen werfen somit eine Umkehr der Fragestellung auf. Nicht „wie lange muss ich“, sondern „wie lange kann ich“ - wie lange bin ich fähig die Gedanken zu bündeln? Mich auf einen Vorgang, einen Gegenstand oder sogar auf das "Nichts" zu konzentrieren?

Die gewöhnliche Dauer einer Meditationssitzung bei den klassischen Formen liegt zwischen 15 und 30 Minuten - das ist auch die Richtschnur für außeresoterische Meditationsübungen. Geführte spirituelle Sitzungen, die tief in andere Bewusstseinsdimensionen vordringen wollen, dauern mitunter auch schon mal mehrere Stunden. Wogegen kurzfristig in den Alltagsablauf hineingeschobene meditative Techniken, die nur ein schnelles Herunterkommen, ein kurzes Abschalten, eine bisschen Besinnung bringen sollen, bereits nach wenigen Sekunden ihre Wirkung zeigen.

Beim Einstieg in die Meditationsübungen fällt es meist nicht leicht die einpunktige Konzentration über mehrere Sekunden hinweg zu halten - don´t worry, das ist normal. Die Gedanken hüpfen noch anstandslos von einem Thema zum nächsten, sie lassen sich nicht gerne an einem Ort einfangen - genauso wie sie es bisher gewöhnt waren. Der Anfang erscheint mühsam, aber bitte deswegen keine Selbstzweifel, denn bereits mit etwas Praxis tritt schon eine deutlich erkennbare Verbesserung der kognitiven Leistung ein, durch die sich auch die Konzentrationsfähigkeit nach und nach verbessert. So verschwindet irgendwann die Mühe, Meditation wird leicht und fasslich, und somit ein immer zu verfügbar stehender Quell der Entspannung und Besinnung.

Um den Effekt der Meditationsübung zu vertiefen, ist es annähernd genauso wichtig wie die Übung selbst, sie am Ende nachhallen zu lassen. Dazu einfach noch eins, zwei Minuten die erreichte entspannte Haltung auskosten, sich zu fühlen und die gewonnene Konstitution bewusst mit in den Alltag hinüber zu transferieren.

Z3.1.6 Wie oft wird meditiert?

Meditation soll Diener aber niemals Herr sein. Meditation ist die Technik, mit der sich die Zeit intensiver nutzen lässt, weil die Wirklichkeit bewusster aufgenommen wird. Auf diesem Weg soll sie uns Zeit einsparen, aber nicht rauben. Meditation möchte etwas Begleitendes sein, ein übergeordneter Geist, der immer unterschwellig mitschwingt und schließlich im erstrebten Ziel - der "meditativen Lebensweise" endet. Um dorthin zu gelangen, baut Meditation auf regelmäßige Meditationsübungen auf, die wir dann in den Alltag einbauen, wenn sie den Tagesablauf nicht stören, sondern ihn unterstützen. Das tut sie immer dann, wenn wir das Bedürfnis haben uns sammeln zu müssen, uns kurz aus dem Geschehen heraus nehmen zu müssen um es anschließend gestärkt wieder anzugehen.

In den fernöstlichen Traditionen dagegen nehmen die Meditationsübungen als religiöses Instrument eine dominante Stellung ein, nicht mehr als Diener, sondern als Erzieher. Die meistverbreitete Form dort ist das "Zazen" [Z3.4]