Brüder Grimm

Et nisi mortui sunt …
Und wenn sie
nicht gestorben sind …

Die 12 schönsten Märchen
der Brüder Grimm

Latein – Deutsch

Ausgewählt und übersetzt von Franz Schlosser

Mit einem Vorwort von Andreas Fritsch

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

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Inhalt

Vorwort

Zu dieser Ausgabe

  1 De Cinerella apologus

  1 Aschenputtel

  2 De Niviella apologus

  2 Schneewittchen

  3 De Hannulo Gretulaque apologus

  3 Hänsel und Gretel

  4 De Mitella rubra apologus

  4 Rotkäppchen

  5 De Sopitula bella apologus

  5 Dornröschen

  6 De ranunculo rege seu de Henricoferro vincto apologus

  6 Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich

  7 De Hanne fortunato apologus

  7 Hans im Glück

  8 De Lupo septemque capellis apologus

  8 Der Wolf und die sieben jungen Geißlein

  9 De Mamma Nivali apologus

  9 Frau Holle

10 De vestificulo animoso apologus

10 Das tapfere Schneiderlein

11 De Rumpelstiltulo apologus

11 Rumpelstilzchen

12 De Bremae civitatis musicis apologus

12 Die Bremer Stadtmusikanten

Zu den Abbildungen

Vorwort

Kann man »Kinder- und Hausmärchen« ins Lateinische übersetzen? Und was hat man davon? Gab es bei Griechen und Römern schon Märchen? Das griechische Wort apologus, das schon von Plautus (ca. 250–184 v. Chr.) ins Lateinische übernommen wurde, ist vieldeutig. Es kann einfach »Erzählung« bedeuten, besonders die äsopische Fabel, aber auch das, was wir unter Märchen verstehen: »Fuit olim senex; ei filiae duae erant … Es war einmal ein alter Mann, der hatte zwei Töchter …« So beginnt eine Erzählung innerhalb einer Komödie des Plautus (Stichus 538ff.). Auch das rein lateinische Wort fabula ist recht vieldeutig. Darunter kann man Mythos, Sage, Fabel, Legende, Anekdote und andere Erzählungen verstehen. Sicher ist aber, dass es auch Märchen in unserem Sinne gab, die zwar erwähnt, aber kaum schriftlich überliefert wurden. Das ist ja eine der großen Leistungen der Brüder Grimm, dass sie die mündlich überlieferten Märchen ihrer Zeit gesammelt und schriftlich festgehalten haben.

Eines der wenigen überlieferten Märchen aus der Antike ist das von »Amor und Psyche«, das Apuleius (2. Jh. n. Chr.) in seinen großen Roman »Der goldene Esel« eingeflochten hat (Metamorphosen 4,28–6,24). Das Märchen wird dort von einer alten Frau erzählt, die das unglückliche Mädchen »durch hübsche Erzählungen und Altweibermärchen« (narrationibus lepidis anilibusque fabulis) von seinem Kummer ablenken will: »Erant in quadam civitate rex et regina. Hi tres numero filias forma conspicuas habuere … Es waren in einer großen Stadt ein König und eine Königin. Diese hatten drei Töchter von auffallend schöner Gestalt. …« (4,27,5). Dass dies erfundene, unwirkliche Geschichten sind, ist klar. So mahnt schon der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus, er solle sich an die »gesunde Lehre« halten und »alberne Altweibermärchen vermeiden« (vgl. 1. Brief an Timotheus 1,10 und 4,7: ineptas et aniles fabulas devita).

In der antiken Literatur ist hier und da – und keineswegs abwertend – von »Ammenmärchen« die Rede. Quintilian, der große Rhetoriklehrer (ca. 35–100 n. Chr.), empfiehlt, die Kinder sollten, bevor ihre eigentliche Ausbildung zum Redner beginnt, lernen, kleine äsopische Fabeln, die den Märchen der Ammen am nächsten stehen (Aesopi fabellas, quae fabulis nutricularum proxime succedunt), nachzuerzählen, zu kürzen oder auszuschmücken (Institutio oratoria 1,9,2).

Cicero (106–43 v. Chr.) erwähnt die märchenhafte Erzählung von Gyges, der einen Ring fand, mit dem er sich unsichtbar machen konnte und dadurch zum König wurde, als eine schon von Platon erzählte Geschichte (De officiis 3,38). Cicero bezeichnet Herodot als Vater der Geschichtsschreibung, bei dem man unzählige Geschichten finde (De legibus 1,5: apud Herodotum patrem historiae … sunt innumerabiles fabulae); aber, wie er an anderer Stelle schreibt, Glaubwürdigkeit könne eine fabula nicht unbedingt beanspruchen (Cato de senectute 9: parum enim esset auctoritatis in fabula). Plinius der Jüngere (62 – ca. 114 n. Chr.) erzählt in seinen Briefen eine schöne Gespenstergeschichte (Epistulae 7,27). Dass sich märchen- und sagenhafte Geschichten in lateinischen Versen erzählen lassen, zeigen Ovids Metamorphosen in großer Fülle. Im Mittelalter werden die Gesta Romanorum (13. Jh.) und die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine (ca. 1228–1298) in lateinischer Prosa niedergeschrieben; sie enthalten zahlreiche Märchenmotive. Johann Peter Hebel (1760–1826) hat als Gymnasiallehrer einzelne seiner »Kalendergeschichten« in sein lateinisches »Stilbuch« aufgenommen. So ist z.B. die Erzählung vom Kannitverstan, zwar kein Märchen, aber eine sehr volkstümliche Kalendergeschichte, auch in Hebels eigener lateinischen Version überliefert.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass sich Goethe über die lateinische Übersetzung seines Epos »Hermann und Dorothea« besonders gefreut hat. In einem Brief an den Staatsrat Christoph F. L. Schultz schreibt er am 8. Juli 1823: »Man brachte mir die lateinische Übersetzung von Hermann und Dorothea, es ward mir ganz sonderbar dabey; ich hatte dieses Lieblingsgedicht viele Jahre nicht gesehen, und nun erblickte ich es wie im Spiegel […]. Hier sah ich nun mein Sinnen und Dichten, in einer viel gebildeteren Sprache, identisch und verändert, wobey mir vorzüglich auffiel, daß die römische nach dem Begriff strebt und, was oft im Deutschen sich unschuldig verschleyert, zu einer Art von Sentenz wird, die, wenn sie sich auch vom Gefühl entfernt, dem Geiste doch wohlthut.« Im Gespräch mit Eckermann sagt er am 18. Januar 1825: »Hermann und Dorothea … ist fast das einzige meiner größeren Gedichte, das mir noch Freude macht; ich kann es nie ohne innigen Antheil lesen. Besonders lieb ist es mir in lateinischer Übersetzung; es kommt mir da vornehmer vor, als wäre es, der Form nach, zu seinem Ursprunge zurückgekehrt.« Die lateinische Fassung (1822) stammte von Benjamin Gottlob Fischer, der seinerzeit Professor am Seminar zu Schönthal war. Goethes Hochschätzung für die Übertragung seines Lieblingsgedichts ins Lateinische gibt m. E. nicht nur den Philologen des 19. Jahrhunderts das Recht, ihre Lateinkompetenz an zeitgenössischen Werken zu erproben, sondern auch den Freunden der Latinitas viva des 21. Jahrhunderts die Erlaubnis, dies an volkstümlicher Literatur zu versuchen.

Übrigens hat Sigrid Albert, seit 2008 Herausgeberin der lateinsprachigen Zeitschrift Vox Latina, bereits 1988 eine Reihe Grimmscher Märchen ins Lateinische übersetzt. Auch der Altphilologe Rainer Nickel hat vor Kurzem zweimal je sieben Märchen der Brüder Grimm ins Lateinische übertragen und zweisprachig herausgegeben. Hier bietet sich also dem Liebhaber der lateinischen Sprache die Möglichkeit zum Vergleich der Übersetzungen an. Der renommierte Klassische Philologe Michael von Albrecht hat 1991 sogar selbst ein lateinisches Märchen gedichtet und zweisprachig veröffentlicht.

Im 19. und 20. Jahrhundert sind viele deutsche Lieder und Gedichte, besonders Balladen ins Lateinische übersetzt worden. Mögen das nun lateinische1 Stilübungen oder kreative sprachliche Leistungen sein; sie geben doch stets Anlass, den deutschen Urtext, seinen Inhalt, seine sprachliche Form, vor allem auch die darin zum Ausdruck kommende Stimmung mit dem lateinischen Text zu vergleichen und dabei das Besondere des deutschen Textes umso deutlicher zu empfinden. Der Kenner der lateinischen Sprache kann sich dann im Vergleich sein eigenes Urteil über die lateinische Fassung bilden. Außer Romanen und Novellen ist auch eine ganze Reihe von Kinderbüchern ins Lateinische übersetzt worden. Nur exemplarisch erwähnt seien hier »Der Struwwelpeter“, »Max und Moritz«, »Pinocchios Abenteuer«, »Die Häschenschule«, »Pu der Bär« und »Der kleine Prinz«.

Und damit wären wir beim Übersetzer der hier ausgewählten Märchen, Franz Schlosser, der die Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry ebenfalls ins Lateinische übertragen hat. Schlosser ist in der Szene der Latinitas viva kein Unbekannter. Im Gegensatz zu anderen Übersetzern ist er jedoch kein professioneller Klassischer Philologe, sondern eher ein Liebhaber der lateinischen Sprache. Geboren 1946, hat er nach dem Abitur in Speyer Anglistik und Romanistik in Heidelberg studiert und an Gymnasien in Bad Kreuznach, in Idar-Oberstein und Schifferstadt die Fächer Englisch, Französisch, Italienisch und gelegentlich auch Latein unterrichtet. Hier suchte er den Lateinunterricht durch abwechslungsreiche Methoden und Inhalte aufzulockern und zu bereichern, und hat eine Menge beliebter »Lieder und Songs« ins Lateinische übersetzt, deren lateinische Version übrigens bis nach Amerika gedrungen ist. Auch Grimmsche Märchen hat er für den Lateinunterricht aufbereitet, allerdings – der höheren Altersstufe entsprechend – in Märchenparodien verwandelt. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von zehn gereimten und annotierten, mit Illustrationen aufgelockerten lateinischen Parodien zu bekannten Märchen (wie Hänsel und Gretel, Schneewittchen u.a.) mit situativen Grammatikübungen. Im hier vorliegenden Buch aber handelt es sich um die von Franz Schlosser ausgewählten »12 schönsten Märchen der Brüder Grimm«, die im deutschen Originaltext mit lateinischer Übersetzung geboten werden. Ob das Latein den Geist und die Stimmung der deutschen Märchen wiedergibt und ob das Latein des Übersetzers dem Latein der alten Römer entspricht, muss der kundige Leser, die kundige Leserin selbst beurteilen. In jedem Fall wird die Lektüre unterhaltsam, anregend und in vielfacher Hinsicht lehrreich sein.

Andreas Fritsch

Erwähnte Literatur und ergänzende Hinweise

Märchen der Antike. Hrsg. und übers. von Erich Ackermann. Frankfurt am Main 1981.

Sigrid Albert, Apologi Grimmiani. Saarbrücken 1988.

Rainer Nickel, Fabula de quodam … Sieben Märchen der Brüder Grimm. Band 1. Vöhl-Basdorf 2012. – Band II, 2015.

Michael von Albrecht, Das Märchen vom Heidelberger Affen, lateinisch-deutsch. Heidelberg 1991 (mit vielen geistreichen Anspielungen auf die antike Lebenswelt, insofern aber grundverschieden von Grimms »Kinder- und Hausmärchen«).

Kinderbücher ins Lateinische übersetzt (Auswahl): Der Struwwelpeter (1844, H. Hoffmann; mehrere Übersetzungen, u.a. von E. Bornemann, U. E. Paoli, P. Wiesmann), Max und Moritz (1865, W. Busch; lat. u.a. auch von F. Schlosser), Pinocchios Abenteuer (1881/83, C. Collodi; lat. von U. E. Paoli), Die Häschenschule (1924, A. Sixtus/F. Koch-Gotha; lat. von H. Wiegand), Pu der Bär (1926, A. A. Milne; lat. von A. Lenard), Der kleine Prinz (1946, A. de Saint-Exupéry; 1961 lat. von A. Haury: »Regulus«; 2015 von F. Schlosser: »Principulus“, s.u.).

Johann Peter Hebel, Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Hrsg. von W. Theiss. Stuttgart 1981; die lat. Fassung von »Kannitverstan« auf S. 349).

Walther Ludwig, Venusinae Musae amatoribus. Württembergische Neulateiner zu Anfang des 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 74. Jg. 2015, S. 121–148.

Franz Schlosser, Cantate Latine. Lieder und Songs auf Lateinisch. Übersetzt, illustriert und herausgegeben von F. Schlosser. Revidierte und erweiterte Ausgabe Stuttgart 2013. – In Amerika: Latine Cantemus: Cantica Popularia Latine Reddita. Mundelein, Illinois (USA).

–, Fabulae! Zehn lateinische Märchenparodien. Göttingen 2008.

–, Principulus (Der kleine Prinz). Stuttgart 2015.

Zu dieser Ausgabe

Der lateinischen Übersetzung liegt der auch im folgenden abgedruckte Text der Ausgabe letzter Hand der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm zugrunde. Der komplette Bestand aller Märchen der Brüder Grimm findet sich in:

Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen. Hrsg. von H. Rölleke. Stuttgart 2009.

An einigen wenigen Stellen hat sich der Übersetzer um eines schöneren Lateins willen für eine etwas freiere Übertragung entschieden.

1

De Cinerella apologus

Uxor viri divitis in morbum incidit. Moritura, filiolam ad lectum vocavit et ei dixit: »Cara filia, si proba et pia manebis, Deus bonus semper tibi aderit. Ego de caelo despiciam teque protegam.« Quo dicto oculos operuit et animam exspiravit. Puella cottidie sepulcrum matris adibat et flebat et proba et pia manebat. Postquam sol vernus sepulcrum nivibus hiemis veste alba contectum spoliavit, vir iterum feminam matrimonio sibi iunxit.

Femina duas filias secum in matrimonium duxit, quarum cutis candida, quarum corda autem improba et pernigra erant. Cinerella in futurum dirum prospiciebat. Cui sorores ex noverca susceptae: »Num vacca stulta una cum nobis in eadem domo habitabit!? Panem edere vult, sed panem ei labore parari oportet – eiciamus servam culinariam!« Bellas vestes ei dempserunt, amiculum linteum canum ei induerunt, pedibus eius soleas ligneas adaptaverunt. Tum: »Aspicite bellam regiam virginem exornatam!« sorores ex noverca susceptae clamaverunt. Deinde puellam derisam in culinam duxerunt. Cui a mane usque ad vesperum labores molesti suscipiendi erant: Oportebat, ut bene mane surgeret, aquam ferret, ignem faceret atque aleret, cibos coqueret, lintea lavaret. Praeterea sorores quidquid aegritudinis, quam afferre ei possent, afferebant, miserandam illudebant, pisa et lentes in cinerem iniciebant, ut misera legumina colligeret. Vesperi lassitudine confecta lecto privata est et iuxta focum in cinere cubare debebat. Cum speciem pulveream et sordidam praeberet, »Cinerella« appellabatur.

Quondam accidit, ut pater mercatum appetiturus esset. E privignis quaesivit, quae dona sibi afferri vellent. »Bella vestimenta« prima, »margaritae et gemmae« secunda dixit. »At tu, Cinerella, quid vis tibi afferam?« – »Pater, primum ramulum, quem domum revertens petaso tanges, mihi quaeso defringe.« Sororibus ex noverca susceptis igitur bella vestimenta, margaritas, gemmas emit rediensque, cum equo per dumetum virens veheretur, coryli ramulus eum tetigit petasumque eius a capite destrinxit. Ramulum defregit et secum duxit. Domum reversus privignis, quae optaverant, Cinerellaeque coryli ramum donavit. Cui gratiis actis Cinerella ad sepulcrum matris iit, ramum sevit, lacrimis profudit, quibus sarmen aspersit. Quod sarmen crevit bellaque arbuscula ex eo facta est. Quam Cinerella ter cottidie appetebat. Flebat atque orabat et numquam non avicula alba ad arbusculam volabat. Quotienscumque Cinerella dicebat, quae optaret, avicula optata de arbuscula ei deiciebat.

Nunc factum est, ut rex diem festum triduanum institueret, ad quem omnes bellae virgines in regno habitantes invitatae erant, ut filius eius sponsam sibi eligeret. Sorores ex noverca susceptae ex invitatione magnam laetitiam ceperunt. Cinerellam advocaverunt. Cui »Pecte comam nostram«, inquiunt, »calceos purga, fibulas firma. Diem festum in domo regia enim celebrabimus.« Cinerella dicto sororum audivit, flevit autem, quod etiam libenti animo saltatum isset. Novercam rogavit, ut et ipsa veniam saltatum eundi acciperet. Sed illa: »Cinerella«, inquit, »re verane pulvere sordibusque sparsa nuptiis interesse vis? Nec habes vestimenta nec calceos ad saltandum idoneos.« Cum autem implorare non desisteret, noverca postremo dixit: »Lancem lentium in cinerem infudi. Si lentes intra duas horas elegeris, tibi una nobiscum venire licebit.« Puella per posticum in hortum iit et clamavit: »Venite, columbellae placidae, turtures, omnes aviculae caelum incolentes, adiuvate me ad lentes separandas et iniciendas:

in patinam bonas

in iugulum malas.«

Primum duae columbulae albae, tum turtures per fenestram in culinam volaverunt, deinde omnes caeli aviculae stridorem edentes involaverunt et circum cinerem consederunt. Columbulae capitula demiserunt et – pic pic pic pic – laborare coeperunt. Tum et ceterae – pic pic pic pic – ad opus aggressae sunt et bona granula electa in patinam immiserunt. Vix hora transierat, cum labore acto omnes rursus avolaverunt. Puella perlaeta novercae patinam apportavit spe ducta se nunc cum sororibus nuptiis interesse posse. Haec autem: »Minime vero, Cinerella«, inquit, »non habes vestimenta saltandique imperita es: Omnes ludibrio te habebunt.« Cinerella cum lacrimas effunderet, noverca: »Si inter horam«, inquit, »duas patinas lentium e cinere elegeris, tibi nos comitari licebit.« Secum cogitabat: »Hoc numquam terrarum fieri potest.« Postquam noverca duas patinas lentium in cinerem infudit, puella per postirief in hortum cucurrit et clamavit: »Venite, columbellae placidae, turtures, omnes avicellae caelum incolentes, adiuvate me ad lentes separandas et iniciendas:

in patinam bonas

in iugulum malas.«

Primum duae columbulae albae, tum turtures per fenestram in culinam volaverunt, deinde omnes caeli aviculae stridorem edentes involaverunt et circum cinerem consederunt. Columbulae capitula demiserunt et – pic pic pic pic – laborare coeperunt. Tum et ceterae – pic pic pic pic – ad opus aggressae sunt et bona granula electa in patinas immiserunt. Nulla semihora temere intercessit, cum labore acto omnes rursus avolaverunt. Puella perlaeta novercae patinas apportavit spe ducta se nunc cum sororibus nuptiis interesse posse. Haec autem: »Nihil proficies«, inquit, »nobiscum venire non potes, quia vestimenta non habes et saltandi imperita es: nos tui puderet.« His verbis tergum ei obvertit et cum suis filiis superbis se proripuit.

Cum sola domi erat, Cinerella ad sepulcrum matris sub corylo situm iit et dixit:

»Arbuscula, amabo te,

aurea veste orna me.«

Avicula vestem auream et argenteam et calceos bombyce argentoque distinctos ei de corylo deiecit. Raptim vestem sibi induit et saltatum iit. Sorores et noverca autem eam non recognoscebant. Putabant hanc puellam bellissimam veste aurea ornatam reginam exteram neque Cinerellam esse. Quam domi in culina sordida sedere lentesque e cinere excipere opinione ducebantur. Regis filius Cinerellam petivit, manu duxit, ad saltandum invitavit. Aut cum ea, quam continuo manu tenebat, aut cum nulla saltare cupiebat. Omnibus eam ad choream dandam invitaturis dixit: »Haec mecum tantum saltabit.«

Usque ad vesperum saltavit. Cum domum capesseret, rex ei dixit: »Tecum ibo, te comitabor.« Percontari enim quis esset voluit. Haec autem effugit et columbarium appetivit. Regis filius exspectavit dum pater eius venerit. Cui dixit puellam ignotam in columbarium intravisse. Vetulus secum: »Fieri potest, ut de Cinerella agatur.« Ascia et dolabra columbarium destruxit – nemo autem in eo inerat. Cum in casam intrarent, Cinerellam veste sordida indutam in cinere sedentem lucernulamque modice in fumario lucentem viderunt. Cinerella cito e postico columbarii exsiluerat, corylum appetiverat, bellam vestem sibi exuerat, in sepulcro matris deposuerat. Veste ab ave amota in cinere amiculo linteo cano vestita consederat.

Postridie, cum sollemnia de integro inciperent, parentibus sororibusque absentibus, Cinerella ad corylum cucurrit et dixit:

»Arbuscula, amabo te,

aurea veste orna me.«

Avis vestem multo superbiorem deiecit quam illam diei superioris. Cum hac veste induta ad sollemnia appareret, omnes pulchritudinem eius mirati sunt. Regis filius autem, qui adventum eius exspectaverat, cito manu eam duxit et unice saltavit cum ea. Omnibus bellam puellam ad choream dandam invitatudamitris dixit: »Haec mecum tantum saltat.« Cum vesperasceret, Cinerella aufugit. Regis filius eam secutus est, ut videret quam casam appeteret, sed anguilla citior elapsa est et in hortum post casam evanuit. Quo in horto magna arbor erat, quae pulcherrima pira ferebat. In ramos eius ascendit perniciter ut sciurus, et regis filius nesciebat, quo aufugisset. Exspectavit dum pater eius venerit. Cui: »Puella ignota aufugit«, inquit. »Puto eam in pirum insiluisse.« Pater secum: »Fieri potest, ut de Cinerella agatur.« Ascia et dolabra arborem cecidit, sed nemo in illa sedebat. Cum in culinam intrarent, Cinerellam veste sordida ut semper indutam in cinere iacentem viderunt. De parte postica arboris desiluerat, vestem bellam avi in corylo sedenti rettulerat, amiculum linteum canum rursus sibi induerat.

Tertio die parentibus sororibusque absentibus Cinerella iterum sepulcrum matris appetivit arbusculaeque dixit:

»Arbuscula, amabo te,

aurea veste orna me.«

Avis vestem ei deiecit – splendidiorem et lucidiorem numquam antea habuerat. Et calcei omnino auri colore erant. Cum hac veste induta ad sollemnia matrimonialia appareret, omnes admiratione affectos lingua defecit. Regis filius cum ea tantum saltavit. Si quis ad saltandum eam invitavit, dixit: »Haec mecum tantum saltat.«

Cum vesperasceret, regis filius Cinerellam aufugientem domum comitari voluit. Quae autem tam cito elapsa est, ut eam cursu sequi non posset. Regis filius callidus autem scalis picem induci iusserat. Cum puella deorsum curreret, calceus sinister haesit. Regis filius calceolum aureum, qui erat lautus et concinnus, sublevavit. Postridie virum adiit, cui dixit: »Nullam aliam in matrimonium collocabo nisi eam, cuius pes huic calceo aptus sit.« Cum haec audirent, sorores exsultaverunt, nam pedes pulchros habebant. Maxima natu matre adstante ad calceum sumendum cubiculum appetivit. Sed calceus nimis parvus erat, pollicem pedis non capiebat. Mater filiae cultrum porrexit et dixit: »Fac pollicem amputes! Cum regina facta eris pedibus ire noniam debebis.« Puella sibi pollicem abscidit, pedem in calceum vi immisit, dolorem suppressit, regis filium ad fores stantem adiit. Qui cum marita futura abequitavit. Cum equo sepulcrum praeterveherentur, duae columbellae in corylo sedentes clamaverunt:

»Gu-gurru-gu, gu-gurru-go,

cruor inest in calceo.

Qui certe non est feminae

pede tam magno praeditae.«

Cum oculos in pedem eius coniceret, regis filius sanguinem ex eo effluentem conspexit. Equum circumegit et falsam maritam domum reduxit. Hanc non rectam esse dixit. Tum alteram sororem calceum sumere rogavit. Quae ad eum sumendum cubiculum appetivit. Calceus pollices capiebat, sed calx nimis magna erat. Mater filiae cultrum porrexit et dixit: »Partem calcis abscide! Cum regina facta eris pedibus ire noniam debebis.« Puella partem calcis abscidit, pedem in calceum vi immisit, dolorem suppressit, regis filium ad fores stantem adiit. Qui cum marita futura abequitavit. Cum equo sepulcrum praeterveherentur, duae columbellae in corylo sedentes clamaverunt:

»Gu-gurru-gu, gu-gurru-go, cruor inest in calceo!

Qui certe non est feminae

pede tam magno praeditae.«

Regis filius oculos in pedem coniecit, cruorem ex eo effluentem tibialiaque alba rubefientia vidit. Equum circumegit et falsam maritam domum reduxit. »Neque haec recta est«, dixit. »Nonne tertiam filiam habes?« – »Nihil sane«, vir dixit, »parvam tantum sordidam Cinerellam uxoris mortuae filiolam – fieri autem non potest, ut ista tua desiderata sit.« Regis filius patrem rogavit, ut eam