Komplett überarbeitetet Neuausgabe
1. Auflage 2016
ZS Verlag GmbH
Kaiserstraße 14b
80801 München
Copyright © 2012, 2006 und 2001 by Christiane Northrup, M. D.
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
The Wisdom of Menopause
Bantam Books, New York, 2012
Copyright © 2016 für die deutsche Neuausgabe:
ZS Verlag München
Ergänzende Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Christina Knüllig
Lektorat: Sophie von Lenthe, Dr. Monika Niehaus, Beate Bettenhausen
Cover- und grafische Gestaltung: Network! Werbeagentur München
Coverfoto: Image Bank
Porträtfoto: Barbara Peacock
Illustrationen: Scott Leighton, © 2012 by Christiane Northrup, Inc.
Producing: Jan Russok
ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH Berlin, Projektmanagement schaefermueller Publishing Berlin
eISBN 978-3-89883-683-8
Die ZS Verlag GmbH ist ein Unternehmen der Edel AG, Hamburg
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Dieses Buch ist den Frauen
der Babyboom-Generation
und ihrem Pioniergeist gewidmet
Einleitung — Die Reise beginnt
I. Kapitel — Die Wechseljahre stellen Ihr Leben auf den Prüfstand
II. Kapitel — In den Wechseljahren fängt das Gehirn Feuer
III. Kapitel — Heimfinden zu sich selbst: Von der Abhängigkeit zur gesunden Eigenständigkeit
IV. Kapitel — Das können doch nicht die Wechseljahre sein? Die körperliche Grundlage des Klimakteriums
V. Kapitel — Hormonsubstitution: Eine persönliche Entscheidung
VI. Kapitel — Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel
VII. Kapitel — Der Ernährungsplan in den Wechseljahren
VIII. Kapitel — Kraft aus dem Becken schöpfen
IX. Kapitel — Sexualität und Wechseljahre: Mythos und Realität
X. Kapitel — Das Gehirn nähren Schlaf, Depressionen und Gedächtnis
XI. Kapitel — Von der Rosenknospe zur Hagebutte: Schönheit in der Lebensmitte
XII. Kapitel — Aufrecht durchs Leben - ein gesunder Knochenbau
XIII. Kapitel — Gesundheit für die Brust
XIV. Kapitel — Mit Herz und Hingabe leben – achten und lieben Sie Ihr Herz in der Lebensmitte
Epilog — Die Ruhe nach dem Sturm
Anmerkungen
In den ein oder zwei Jahren, bevor meine Periode hin und wieder unregelmäßig wurde, fühlte ich mich zunehmend gereizt, wenn ich bei meiner Arbeit unterbrochen wurde oder mit jemandem zusammenarbeiten musste, der nicht so in der gemeinsamen Aufgabe aufging, wie ich es tat. Rückblickend erkenne ich, dass ich in den Dreißigern nicht so irritiert war, wenn mich meine damals noch jüngeren Kinder beim Schreiben eines Artikels oder beim Telefonieren unterbrachen. Liebe und Sorge um ihr Wohlergehen überwanden allen Ärger oder Frust, den ich damals gefühlt haben mochte.
Als ich dann auf die Wechseljahre zuging, stellte ich fest, dass ich Ablenkungen – wie die Frage meiner 18-Jährigen: »Wann gibt’s Abendessen?«, wenn sie deutlich sehen konnte, dass ich beschäftigt war – nicht länger ertragen konnte. Warum, fragte ich mich, war es stets meine Sache, den Herd anzustellen und mich um das Essen meiner Familie zu kümmern, selbst wenn ich gar nicht hungrig und in ein Projekt vertieft war?
Warum konnte mein Mann nicht schon einmal mit den Vorbereitungen zum Abendessen beginnen? Warum schien meine Familie wie gelähmt, wenn es darum ging, eine Mahlzeit zuzubereiten? Warum warteten sie alle in der Küche, als seien sie nicht in der Lage, den Tisch zu decken oder sich ein Glas Wasser einzuschenken, bis ich den Raum betrat und durch meine bloße Anwesenheit verkündete: »Mutti ist da. Nun gibt’s was zu essen.«?
Dasselbe geschah, wenn es an der Zeit war, ins Auto zu steigen und in die Ferien zu fahren. Erst wenn ich nach der Türklinke griff, setzte sich meine Familie in Bewegung. Es war, als ob sie in meiner Gegenwart jegliche Eigeninitiative verlören und unfähig würden, eine Sache selbst in die Hände zu nehmen, sei es nun das Abendessen oder einen Familienausflug.
Als die Kinder noch kleiner waren, akzeptierte ich dieses Verhalten jedoch meist gutmütig, weil es einen Teil meiner Rolle als Ehefrau und Mutter reflektierte. Und dadurch hielt ich es unbewusst aufrecht, wohl auch deshalb, weil es so guttat, sich für unersetzlich zu halten.
Während meiner Wechseljahre verlor ich auf allen Ebenen die Geduld mit diesem Verhalten, sei es zu Hause oder im Berufsleben. Ich konnte einen Feuer speienden Vulkan in mir spüren, der jederzeit zum Ausbruch bereit war, und eine Stimme in mir grollen hören: »Es reicht! Ihr alle seid geschickte, leistungsfähige Menschen. Jeder hier weiß, wie man Auto fährt und Wasser kocht. Warum bin ich immer diejenige, die rundherum alles organisieren muss?« Mein Unwille wuchs, während ich vor mich hin murmelte: »Wäre ich ein Mann auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und im Zenit seiner Karriere, dann würde mich niemand ständig unterbrechen. Jeder würde sich fragen, wie er mir helfen kann, statt umgekehrt!«
Ich hätte damals nicht im Traum daran gedacht, dass diese kleinen Ausbrüche von Reizbarkeit wegen geringfügiger Familienangelegenheiten das erste schwache Anklopfen an der Pforte mit der Aufschrift »Weisheit der Wechseljahre« waren und mir signalisierten, einige meiner gewohnten Beziehungsmuster zu überdenken. Und ich ahnte auch nicht, dass mein Leben, wie es mir seit einem Vierteljahrhundert vertraut war, wenige Jahre später, als meine Periode tatsächlich unregelmäßig wurde und ich Hitzewallungen verspürte, auf der Schwelle zu einer tief greifenden Transformation stehen würde. Als sich meine zyklische Natur neu verkabelte, stellte ich alle meine wichtigen Beziehungen auf den Prüfstand und begann, unvollendete Angelegenheiten aus meiner Vergangenheit zu heilen, erlebte erstmals den plötzlichen Schmerz, den das leere Nest mit sich bringt, und baute eine völlig neue und aufregende Beziehung zu meiner Kreativität und meinem Beruf auf.
All die Veränderungen, die ich durchlebte, wurden von den komplexen und fein abgestimmten Veränderungen in Körper und Gehirn angetrieben, unterstützt und gefördert, die ein unverhoffter – aber unausweichlicher und oft überwältigender – Teil des klimakterischen Übergangs sind. Hinter dieser Transformation in der Lebensmitte steckt viel, viel mehr als Hormone, die verrückt spielen. Die Erforschung der physiologischen Veränderungen, die Frauen in den Wechseljahren erfahren, belegt, dass zusätzlich zu der Hormonverschiebung, die die fruchtbare Phase beendet, unser Körper – und insbesondere unser Nervensystem – ganz buchstäblich neu verkabelt wird.
Unser Gehirn verändert sich einfach. Die Gedanken einer Frau, ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren, und die Menge an Brennstoff, die die intuitiven Zentren in den Scheitellappen ihres Gehirns speist – all dies wird von den neu verkabelten Schaltkreisen beeinflusst. Nachdem ich mit Tausenden von Frauen gearbeitet habe, die durch diese Phase gegangen sind, und nachdem ich diese Phase selbst erlebt habe, kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass die Wechseljahre ein aufregendes Entwicklungsstadium darstellen – ein Stadium, das bei bewusstem Erleben das große Versprechen birgt, unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele auf tiefster Ebene zu verwandeln und zu heilen.
Als Frau, die die Lebensmitte überschritten hat, bin ich Teil einer wachsenden Bevölkerungsgruppe, die in den Vereinigten Staaten die beispiellose Zahl von vierzig Millionen Menschen umfasst. Diese Gruppe ist nicht länger unsichtbar und stumm, sondern eine Kraft, mit der zu rechnen ist: Wir sind gut ausgebildet, lautstark, auf medizinischem Gebiet wohl informiert und entschlossen, unsere Gesundheit in die eigenen Hände zu nehmen.
Stellen Sie sich das einmal vor: vierzig Millionen Frauen, die alle gleichzeitig die Neuordnung ihrer neuronalen Schaltkreise erleben. Dank unserer schieren Anzahl wie auch dank unseres sozialen und ökonomischen Einflusses sind wir mächtig – und potenziell gefährlich für jede Institution, die auf dem Status quo aufbaut. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die Welt mit uns verändern wird, ob sie nun will oder nicht. Und wahrscheinlich wird es eine Veränderung zum Besseren sein.
Es ist kein Zufall, dass die gegenwärtige Bewegung psychospiritueller Heilung weitgehend von Frauen in ihren Vierzigern, Fünfzigern und Sechzigern getragen wird. Wir wachen en masse auf und beginnen, der Welt eine dringend benötigte Botschaft von Gesundheit, Hoffnung und Heilung zu verkünden.
Meine persönliche Erfahrung hat mir gezeigt, dass das Lüften des hormonellen Schleiers – des monatlichen Zyklus der Fortpflanzungshormone, die unsere Aufmerksamkeit tendenziell auf die Bedürfnisse und Gefühle anderer konzentrieren – in den Wechseljahren ebenso befreiend wie auch verunsichernd sein kann. Der hohe Prozentsatz von Trennungen, Scheidungen und Berufswechseln in mittleren Lebensjahren bestätigt dies. Ich selbst hatte mir immer vorgestellt, zeit meines Lebens mit demselben Mann verheiratet zu sein und gemeinsam mit ihm alt zu werden. Dieses Ideal gehörte zu meinen bestgehegten und gepflegten Träumen.
In der Lebensmitte musste ich wie tausende von anderen Frauen Abschied nehmen von meinen Vorstellungen, wie mein Leben verlaufen würde. Ich musste ganz unmittelbar die Wahrheit des alten Sprichworts erfahren, wie schwer es ist, etwas zu verlieren, das man nie richtig besessen hat. Es heißt, alle Illusionen aufzugeben, und das ist sehr schwer.
Aber für mich ging es dabei um mehr als um die Frage, wo und mit wem ich alt werden könnte. Es war eine Warnung, die aus der Tiefe meiner Seele kam und die lautete: »Wachse … oder stirb.« Ich hatte die Wahl. Ich entschloss mich zu wachsen.
Identität und Selbstwertgefühl erwachsen für die meisten Frauen aus unseren Verbindungen und Beziehungen. Das trifft für Frauen in hohen Positionen ebenso zu wie für Frauen, die sich dafür entschieden haben, nicht zu heiraten. Männer hingegen beziehen in der Regel einen Großteil ihrer Identität und ihres Selbstwertgefühls aus der Außenwelt – dem Job, dem Einkommen, den Leistungen, den Auszeichnungen. In beiden Geschlechtern kann sich dieses Muster in der Lebensmitte verändern.
Frauen beginnen in dieser Phase häufig, einen größeren Teil ihrer Energie auf die Welt außerhalb von Heim und Familie zu richten; sie erscheint ihnen plötzlich wie eine große, einladende, nicht angezapfte Quelle für kreativen Ausdruck und Selbstwert, die es zu erforschen gilt. Unterdessen fühlen sich Männer desselben Alters – die möglicherweise eine eigene Form von Menopause erleben – der Welt überdrüssig; sie sind bereit, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen und die Beine hochzulegen, froh, den Kämpfen am Arbeitsplatz zu entfliehen. Sie spüren vielleicht, dass sich ihre Prioritäten nach innen verlagern, in Richtung auf Heim, Herd und Familie.
Dieser Rollentausch ist nicht ohne Ironie: Der Mann versucht auf einmal, seinen »Strom« aus Beziehungen zu ziehen, während sich die Frau biologisch dazu angetrieben fühlt, die Außenwelt zu erforschen. Bei verheirateten Paaren führt das oft zu tief greifenden Rollenwechseln. In einer idealen Welt zieht sich der Mann aus dem Berufsleben zurück oder reduziert seine berufliche Belastung zumindest, managt den Haushalt und unterstützt die neuen Interessen seiner Frau emotional und praktisch.
Sie ihrerseits geht in die Welt hinaus, um ein Unternehmen zu starten, eine Ausbildung zu machen oder zu tun, was immer ihr Herz ihr diktiert. Wenn ihre Beziehung anpassungsfähig und flexibel ist, werden sich beide in ihre neuen Rollen finden. Wenn nicht, dann wird er vielleicht eifersüchtig auf ihren Erfolg und ihre Unabhängigkeit reagieren und Druck auf sie ausüben, weiterhin für ihn zu sorgen, wie sie es immer getan hat. Er wird unter Umständen sogar körperlich krank, oft in Form einer Herzerkrankung und/oder eines krankhaft erhöhten Blutdrucks. Man muss dabei verstehen, dass dies kein willentlicher Akt ist; er reagiert einfach auf die Botschaften unserer einseitigen Kultur.
Eine Frau findet sich dann häufig in einer schwierigen Position; sie muss wählen zwischen einer Rückkehr in die Rolle der Haushälterin, um ihren Mann auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse zu hegen und zu pflegen, und der Verfolgung ihrer eigenen kreativen Passionen. Es ist eine alte Geschichte, die Frauen in vielen Kulturen sehr vertraut ist, nicht nur in unserer eigenen. Die Frau in den Wechseljahren, mythologisch als »altes Weib« bekannt, findet sich an einem Scheideweg des Lebens wieder, hin- und hergerissen zwischen dem alten Weg, den sie seit eh und je kennt, und einem neuen, von dem sie gerade erst zu träumen beginnt.
Eine Stimme vom ursprünglichen Weg (in vielen Fällen die Stimme ihres Mannes) bittet sie zu bleiben, wo sie ist: »Werde alt mit mir, das Beste kommt noch.« Aber von dem neuen Pfad ruft eine andere Stimme, bittet sie inständig, Aspekte ihrer selbst zu erforschen, die während der Jahre, in denen sie für andere sorgte und sich um deren Bedürfnisse kümmerte, brachlagen. Sie bereitet sich darauf vor, sich selbst neu zu gebären, und wie viele Frauen bereits wissen, kann der Geburtsprozess nicht ohne Folgen angehalten werden.
Es muss sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen, für andere zu sorgen und gleichzeitig unerforschte persönliche Passionen zu verfolgen, doch unsere Kultur vermittelt diesen Anschein, weil sie stets Ersteres auf Kosten von Letzterem unterstützt. Das ist einer der Gründe, der die Transformation in der Lebensmitte zu einer so großen Herausforderung macht – wie ich nur allzu gut aus eigener Erfahrung weiß.
Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte starb die überwiegende Mehrheit aller Frauen vor den Wechseljahren; für diejenigen, die überlebten, kündigte das Klimakterium einen drohenden und unausweichlichen körperlichen Verfall an. Doch heute, da die Lebenserwartung einer Frau im Mittel zwischen 78 und 84 Jahren liegt, darf man erwarten, dass sie ihre Wechseljahre nicht nur um 30 bis 40 Jahre überlebt, sondern dabei auch dynamisch, clever und einflussreich ist. Die Wechseljahre, die Sie erleben werden, sind nicht die Wechseljahre Ihrer Mutter (oder Großmutter).
Die Wahrheit ist, dass die meisten Amerikaner mit 65 überhaupt nicht alt sind – weder körperlich noch geistig. Dr. Lydia Bronte, ehemalige Leiterin des von der Carnegie Corporation finanzierten Aging Society Projects und Autorin des Buches The Longevity Factor (Der Langlebigkeitsfaktor, A. d. Ü.) belegt, dass viele Leute über ihre gesamte Lebensspanne hinweg drei verschiedene Karrierewege verfolgen: ihren ersten mit 30 oder 40, dann einen mit 50 bzw. Anfang 60 und dann noch einen mit 70. Bei fast der Hälfte aller von Bronte untersuchten Menschen lag ein Spitzenwert der Kreativität bei Anfang 50. Und dieser konnte sich in vielen Fällen bis zu 25 oder 30 Jahren erstrecken. Das aber bedeutet, dass das neue mittlere Alter sich von 50 bis 80 Jahre erstreckt.
Frauen aus der Kriegsgeneration unserer Mütter, deren weibliche Rollenvorbilder häufig wie June Cleaver in Erwachsen müsste man sein aussahen, hatten ein völlig anderes soziales und politisches Umfeld, in dem sich ihr Übergang abspielte. Über die Wechseljahre – wie auch über die Menstruation – wurde in der Öffentlichkeit nicht gesprochen.
Heute ist das anders. Indem wir dieses Schweigen brechen, durchbrechen wir auch kulturelle Barrieren, sodass wir mit weit geöffneten Augen in diese neue Lebensphase eintreten können – gleichzeitig mit Millionen von anderen Frauen, die alle zur selben Zeit dieselbe Transformation erleben. Und wie Sie bald entdecken werden, arbeiten die Veränderungen, die bei Frauen in der Lebensmitte stattfinden, wie die Lokomotive eines Hochgeschwindigkeitszugs und treiben die Evolution unserer ganzen Gesellschaft rasch voran – und zwar an Orte, die noch in keinem Atlas zu finden sind. Ob Sie auf diesen schnell fahrenden Zug aufspringen oder beiseitetreten und ihn vorbeifahren lassen, wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie weit Sie kommen und wie Sie sich auf dem Weg fühlen werden.
Letzten Endes fand ich diese Reise erfrischend, aufregend und gesundheitsfördernd. Und damit stehe ich sicher nicht allein. Nach einer Gallup-Umfrage aus dem Jahre 1998, die auf dem Jahrestreffen der North American Menopause Society vorgestellt wurde, fühlen sich mehr als die Hälfte aller Nordamerikanerinnen zwischen 50 und 65 Jahren in diesem Stadium ihres Lebens am glücklichsten und ausgefülltesten.
Verglichen mit der Zeit, als sie in ihren Zwanzigern, Dreißigern und Vierzigern waren, hatten sie das Gefühl, ihr Leben habe sich in vieler Hinsicht verbessert; das galt sowohl für ihr Familienleben als auch für ihre Interessen, ihre Freundschaften und ihre Beziehung zu ihren Mann oder Partner. Mit anderen Worten, die konventionelle Sicht der Wechseljahre als ein Furchteinflößender Übergang, der »den Anfang vom Ende« ankündigt, könnte falscher kaum sein.
Als ich 2001 die erste Auflage dieses Buches schrieb, wollte ich das nur allzu gern glauben. Ich hielt mich daran, obwohl ich unglücklich war und das Leben, das ich 25 Jahre lang gelebt hatte, im Absterben begriffen war. Heute, 15 Jahre später, sehe ich, dass die damaligen Wehen ein wichtiger Teil waren bei der Wiedergeburt zu der lebenslustigen und gesunden Frau, die ich heute bin. Ganz gleich, wie es Ihnen im Moment ergehen mag, schöpfen Sie Mut. Begleiten Sie mich und die Millionen Frauen, die Gleiches vor uns erlebt haben und nach uns erleben werden, während wir uns verwandeln und unser Leben sowie letztlich unsere Kultur positiv verändern, und zwar dadurch, dass wir die Weisheit der Wechseljahre verstehen, anwenden und leben.
Es ist kein Geheimnis, dass Beziehungskrisen eine häufige Begleiterscheinung der Wechseljahre sind. Normalerweise wird das hormonellen Veränderungen zugeschrieben, die in Zeiten des Übergangs im Körper der Frau stattfinden und für ein Durcheinander sorgen. Was meist verschwiegen oder nicht verstanden wird, ist, dass diese hormonell bedingten Veränderungen, da sie das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, den Blick einer Frau für Ungerechtigkeiten sowie unfaire Lastenverteilung schärfen und ihr eine Stimme verleihen, die darauf besteht, gehört zu werden. Mit anderen Worten, sie verleihen ihr eine Art Weisheit – und den Mut, sie zu formulieren. Wenn sich der die Fantasie vernebelnde Schleier, der von Fortpflanzungshormonen verursacht wird, zu lüften beginnt, werden das jugendliche Feuer und der jugendliche Geist einer Frau häufig neu entfacht, und lange unterdrückte Wünsche und kreativer Schwung drängen an die Oberfläche. Die mittleren Lebensjahre speisen solche Triebkräfte mit einer eruptiven Energie, die nach einem Ventil verlangt.
Wenn sie kein Ventil findet – wenn die Frau weiterhin schweigt, um zu Hause oder im Berufsleben den Frieden zu wahren, oder wenn sie sich selbst daran hindert, ihrem kreativen Drang zu folgen –, dann geschieht das, was passiert, wenn das Ventil eines Dampfdrucktopfes verstopft ist: Irgendetwas muss dann nachgeben. Sehr oft ist das, was nachgibt, die Gesundheit der Frau, und das Ergebnis ist eine der »großen drei« Krankheiten von Frauen in den Wechseljahren: Herzerkrankung, Depression und Brustkrebs (manchmal sogar in Kombination). Für diejenigen von uns, die sich dafür entscheiden, die Weisheit des Körpers anzunehmen und auszudrücken, was in uns steckt, ist es auf der anderen Seite ratsam, sich auf einige Turbulenzen gefasst zu machen, die lang währende Beziehungen erschüttern können. Auch die Ehe ist dagegen nicht gefeit.
Jede Ehe, selbst eine sehr gute Ehe, muss sich verändern, um mit der hormonbedingten Neuauslegung Schritt zu halten, die das weibliche Gehirn in den Jahren vor dem und während des Klimakteriums durchmacht. Nicht alle Ehen halten diesen Veränderungen stand. Meine eigene Ehe scheiterte daran, und niemand war überraschter davon als ich selbst. Wenn Sie bei dieser Vorstellung den Wunsch verspüren, Ihren Kopf in den Sand zu stecken, dann, glauben Sie mir, kann ich Sie durchaus verstehen. Aber es geht darum, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und Ihre emotionale und physische Gesundheit in der zweiten Hälfte Ihres Lebens – wahrscheinlich vierzig Jahre oder sogar mehr – zu schützen. Sich vorwärts zu arbeiten und einen kritischen Blick auf alle Aspekte Ihrer Beziehung (einschließlich einiger bisher unantastbarer Winkel Ihrer Ehe) zu werfen ist dann oft die einzige Möglichkeit, die auf lange Sicht in Ihrem eigenen besten Interesse funktioniert – physisch, psychisch und spirituell.
Was die körperliche Gesundheit angeht, so sprechen zum Beispiel viele Befunde dafür, dass sich die Zunahme lebensbedrohlicher Erkrankungen nach der Lebensmitte nicht allein aufs Altern zurückführen lässt. Zumindest teilweise resultieren solche Erkrankungen aus den Belastungen und ungelösten Beziehungsproblemen, die in der Zeit, während der sich eine Frau um die Kinder kümmert, unter der Oberfläche köcheln. In den Wechseljahren kommen sie hoch und kochen über, nur um dann im Namen der Aufrechterhaltung des Status quo unterdrückt zu werden.
Aber nicht nur Ihre eigene Gesundheit, auch die Ihres Partners steht auf dem Spiel. In einer Beziehung auszuharren, die auf ein Paar von Mitte zwanzig zugeschnitten war, ohne die notwendigen Anpassungen an die Situation vorzunehmen, wie sie sich für Sie beide im mittleren Alter darstellt, ist für ihn ein ebenso großes Risiko wie für Sie selbst. Das soll nicht heißen, dass Ihre einzigen Optionen Scheidung oder Herzattacke sind. Um Ihre Beziehung in Einklang mit Ihrem neu verkabelten Gehirn zu bringen, müssen Sie und Ihr Partner vielmehr bereit sein, die nötige Zeit und Energie aufzubringen, alte Konflikte zu lösen und neue Regeln für die Jahre aufzustellen, die vor Ihnen beiden liegen. Wenn Sie das schaffen, dann wird Ihnen Ihre Beziehung helfen, in der zweiten Lebenshälfte zu wachsen und zu gedeihen. Wenn einer oder beide von Ihnen dies nicht kann oder will, dann können Gesundheit und Glück auf dem Spiel stehen, wenn Sie zusammenbleiben.
In der Lebensmitte steht uns mehr psychische Energie zur Verfügung als zu irgendeinem Zeitpunkt seit der Pubertät. Wir sollten uns um aktive Partnerschaft mit dieser organischen Energie bemühen und darauf vertrauen, dass sie uns hilft, die unbewussten und selbstzerstörerischen Überzeugungen aufzudecken, die uns daran hindern, das zu werden, was wir werden könnten. Dann werden wir feststellen, dass wir Zugang zu allem haben, was wir brauchen, um uns als gesündere, spannungsgeladenere Frauen neu zu erschaffen, bereit, freudig in die zweite Hälfte unseres Lebens einzutreten.
Dieser Transformationsprozess kann jedoch nur dann erfolgreich verlaufen, wenn wir auf zweierlei Weise aktiv werden: Erstens müssen wir willens sein, volle Verantwortung für unseren Anteil an Problemen in unserem Leben zu übernehmen. Es erfordert großen Mut, unseren eigenen Beitrag an all dem einzugestehen, was bei uns falsch gelaufen ist, und damit aufzuhören, uns nur als Opfer von jemandem oder etwas außerhalb unserer selbst zu sehen.
Schließlich erntet die Person in der Opferrolle gewöhnlich alle Sympathien und gilt als moralisch höher stehend, was verlockend ist; niemand von uns möchte die Rolle des Schurken im Stück spielen. Doch obwohl die Opferrolle auf kurze Sicht eine gute Wahl zu sein scheint, kann diese Position uns letztlich nicht helfen, uns zu verändern, zu heilen, zu wachsen und voranzukommen.
Die zweite Forderung für eine Umwandlung ist weit schwieriger zu erfüllen: Wir müssen bereit sein, den Schmerz des Verlustes zu spüren und um diejenigen Teile unseres Lebens zu trauern, die wir hinter uns lassen. Und dazu gehören auch unsere Fantasien darüber, wie anders unser Leben hätte verlaufen können, wenn nur … Sich einem solchen Verlust zu stellen ist selten einfach, und aus diesem Grund wehren sich so viele von uns gegen Veränderungen im Allgemeinen und in den mittleren Lebensjahren im Besonderen. Ein Teil von uns rationalisiert: »Warum unnötig Unruhe stiften? Ich habe die Hälfte meines Lebens hinter mir. Wäre es nicht einfacher, mit dem zufrieden zu sein, was ich habe, statt das Unbekannte zu riskieren?«
Das Ende einer wichtigen Beziehung oder einer bedeutenden Phase unseres Lebens – selbst einer, die uns unglücklich gemacht hat oder uns von Wachstum und Erfüllung abgehalten hat – ist wie ein Tod. Um darüber hinwegzukommen und weiterzugehen, müssen wir den Schmerz dieses Verlustes spüren und ausgiebig um das trauern, was hätte sein können und nun niemals sein wird.
Und dann müssen wir uns aufraffen und auf das Unbekannte zugehen. Wenn wir uns den Unsicherheiten der Zukunft stellen, kommen in den häufigsten Fällen unsere tiefsten Ängste an die Oberfläche. Während meiner eigenen Lebensveränderungen in den Wechseljahren erfuhr ich dies mit allen Konsequenzen am eigenen Leibe – sehr zu meiner eigenen Überraschung.
Zu dem Zeitpunkt, als ich mich den Wechseljahren näherte, hatte ich mit Dutzenden von Frauen gearbeitet, die die reinigende Wirkung der Lebensmitte erfahren hatten. Ich hatte sie begleitet und beraten, als ihre Kinder das Haus verließen, ihre Eltern krank wurden, ihre Ehen scheiterten, ihre Ehemänner erkrankten oder starben, sie selbst erkrankten, ihr Berufsleben endete – kurz gesagt, während sie durch all die Stürme und Krisen der mittleren Jahre gingen. Doch ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass es eine Krise in meiner eigenen Ehe geben könnte. Ich hatte mich stets irgendwie selbstzufrieden gefühlt, sicher in meinem Glauben, dass ich mit dem Mann meiner Träume verheiratet war, mit dem einen, mit dem ich zusammenbleiben würde, »bis dass der Tod uns scheidet«.
Ich werde mich stets an das Glück erinnern, meinem Mann begegnet zu sein und ihn zu heiraten, eine Entscheidung, die wir nur drei Monate, nachdem wir uns kennengelernt hatten, trafen. Er war Assistenzarzt in der Chirurgie, als ich in Dartmouth Medizin studierte. Er sah aus wie ein griechischer Gott, und ich war von seiner Aufmerksamkeit tief geschmeichelt, denn ich war mir keineswegs sicher, all das zu haben, was nötig ist, um einen derart attraktiven Mann mit einem solchen Hintergrund aus altehrwürdiger Universität und Country Club zu interessieren.
Irgendetwas tief in mir war von ihm über alle Vernunft hinaus berührt, über alles hinaus, was ich jemals bei einem anderen Freund empfunden hatte. In den ersten fünf Jahren unserer Ehe bekam ich weiche Knie, sobald ich ihn sah. Es gab keine Macht auf Erden, die mir eine Heirat mit ihm hätte ausreden können. Ich erinnere mich, dass ich mir wünschte, meine Liebe von der Spitze der Hochhäuser hinabzuschreien – ein Überschwang der Gefühle, der sehr untypisch war für die stille, fleißige Abschlussrednerin der Ellicottville Central School-Klasse von 1967.
Ihn drängte es jedoch weit weniger, seine Gefühle zur Schau zu stellen. In den Jahren, in denen wir beide unsere chirurgische Ausbildung absolvierten, musste ich feststellen, dass sich mein Mann ungern im beruflichen Umfeld zu unserer Beziehung bekannte und oft kalt und abweisend erschien, wenn ich in diesem Rahmen versuchte, meine Zuneigung zu zeigen. Das verwunderte und verletzte mich, weil es mich immer mit Stolz erfüllte, ihn meinen Patienten vorzustellen, wenn wir einander außerhalb des Operationssaals trafen. Aber ich sagte mir, dass er mit genügend Liebe und Aufmerksamkeit von meiner Seite schon leichter ansprechbar und emotional zugänglicher werden würde.
Das Leben meines Mannes veränderte sich nur wenig, als wir unsere beiden Töchter bekamen. Meines wurde jedoch zu einem Kampf – einem Kampf, den Millionen Frauen aus eigener Erfahrung kennen –, während ich versuchte, einen befriedigenden und effektiven Weg zu finden, meine Kinder zu betreuen, die Ärztin zu bleiben, die ich sein wollte, und gleichzeitig meinem Mann eine gute Ehefrau zu sein. Nichtsdestotrotz waren dies glückliche Jahre, denn wir beide liebten unsere Töchter von Anfang an heiß und innig und freuten uns an den vielen Aktivitäten, die wir mit ihnen teilten – die Wanderungen an den Wochenenden, die Familienferien, das einfache alltägliche Zusammenleben mit zwei wunderbaren, sich entwickelnden jungen Menschen.
Manchmal ärgerte mich das Ungleichgewicht zwischen dem, was ich zur Aufrechterhaltung unseres Familienlebens beitrug, und dem Beitrag meines Mannes. Einmal, als die Kinder noch klein waren, fragte ich ihn, ob er nicht etwas weniger arbeiten könne, damit ich nicht einen Teil meiner Praxis aufgeben müsste, an dem mir sehr viel lag: Babys auf die Welt zu bringen. Er antwortete: »Kennst du etwa einen orthopädischen Chirurgen, der Teilzeit arbeitet?« Ich gab zu, dass ich keinen kannte, meinte aber, das könne nicht heißen, dass sich so etwas mit ein wenig Fantasie seinerseits nicht verwirklichen ließe. Es wurde jedoch nichts daraus. Ich war es, die wie so viele andere Frauen Meisterin darin wurde, von einer Rolle in die andere zu schlüpfen und meine eigenen Bedürfnisse denjenigen aller anderen Familienmitglieder unterzuordnen.
In den Anfangsjahren unseres Familienlebens wurde mir außerdem zunehmend bewusster, dass die Ungerechtigkeiten, die mich in meiner Ehe störten, die Ungerechtigkeiten in der Kultur um uns herum widerspiegelten. Ich sah viele Paare wie meinen Mann und mich – Paare, die ihr Eheleben sowohl finanziell wie auch ausbildungsmäßig auf gleicher Ebene begonnen hatten, sogar Menschen, die wie wir die gleiche Arbeit taten – und immer, sobald die Kinder kamen, war es die Frau, die Opfer brachte, was Freizeit, berufliches Fortkommen und persönliche Erfüllung anging.
Im Verlauf dieser oft sehr anstrengenden Jahre begann ich, einige der Ideen zu verwirklichen, die ich zum Thema Frauengesundheit entwickelt hatte – während ich gleichzeitig stets darauf achtete, darüber zu Hause nicht zu viel zu sprechen, weil ich wusste, dass sie von meinem Mann nicht begrüßt werden würden. Inspiriert von meinen eigenen Erfahrungen wie auch von denjenigen meiner Patientinnen und in der Überzeugung, dass meine Ideen das Leben von Menschen positiv verändern könnten, tat ich mich im Jahre 1985 mit drei anderen Frauen zusammen, um ein Gesundheitszentrum einzurichten, das wir Women to Women nannten. Die Idee eines Gesundheitszentrums, das von Frauen für Frauen geleitet wurde, war damals buchstäblich etwas noch nie Dagewesenes. Unser zentrales Anliegen war es, Frauen zu helfen, die Einheit von Geist, Körper und Seele zu erfahren, sie in die Lage zu versetzen, die Verbindung zwischen ihrer psychischen Gesundheit und ihrem physischen Wohlbefinden zu erkennen. Ich wollte Frauen einen sicheren Ort bieten, wo sie ihre persönliche Geschichte erzählen konnten, sodass sie neue, gesundheitsfördernde Wege entdecken konnten, ihr Leben zu leben.
Ich wusste, dass dies manchmal verlangen würde, den Status quo infrage zu stellen, weil die Ungerechtigkeiten unserer Kultur oft körperlich wie geistig einen schrecklichen Preis von Frauen fordern. Doch als ich diese neue ganzheitliche Form der Medizin praktizierte, die für damalige Verhältnisse geradezu revolutionär war, erkannte ich, dass mir die Tatsache, ein normales, glückliches Familienleben zu führen wie auch einen Ehemann mit konventionellen medizinischen Ansichten zu haben, der in derselben Gemeinde praktizierte, eine Art Schutz bot. Sie ließ mich in einer Zeit, in der meine Ideen bestenfalls als unbewiesen, schlimmstenfalls als gefährlich angesehen wurden, als »ungefährlich« erscheinen.
Meine drei Partnerinnen bei Women to Women und ich erwarben ein altes viktorianisches Haus, das wir in ein Zentrum für unsere neue Gemeinschaftspraxis umwandeln konnten. Wir alle stimmten darin überein, unsere Ehemänner aus unserem neuen Unternehmen herauszuhalten, damit sie nicht unser enthusiastisches, aber nichtsdestoweniger noch zartes Vertrauen in uns als Geschäftsfrauen unterminierten.
In meinem Fall zumindest hieß das natürlich nicht notwendigerweise, dass ich keinen Wert auf die Unterstützung meines Mannes legte. Ich erinnere mich deutlich an einen Tag zu Beginn der Bau- und Renovierungsarbeiten. Zwei Bulldozer standen auf dem Rasen, überall wuselten Arbeiter herum, und das ursprüngliche Gebäude war niedergerissen worden. In diesem Augenblick wurde das ganze Projekt plötzlich real für mich, und ich erkannte, dass meine Kolleginnen und ich nun für alle anfallenden Kosten verantwortlich waren. Das war ein überwältigender Gedanke. Als ich an diesem Abend nach Hause kam, bat ich ganz untypisch für mich meinen Mann um moralische Unterstützung, um meine Befürchtungen zu zerstreuen. »Ich habe Angst«, gestand ich ihm. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe.« Und er antwortete: »Ich hasse es, wenn du so mutlos bist.« Ich erkannte rasch, dass ich eine Närrin gewesen war, von ihm irgendetwas zu erwarten.
Seine Reaktion auf meinen untypischen und riskanten Moment emotionaler Verletzlichkeit verstärkte lediglich den »Das-schaffe-ich-schon«-Stil, den ich in meiner Kindheit entwickelt hatte, einen Stoizismus, der in einem Haushalt, wo über emotionale Bedürfnisse die Stirn gerunzelt und uns gesagt wurde, wir sollten uns zusammenreißen und uns nichts anmerken lassen, eine schiere Notwendigkeit war. Ein anderer beliebter Ausspruch in meiner Familie war: »Frag nicht nach einer leichteren Aufgabe, frag nach einer schwereren.« Daher zog ich mich wie gewöhnlich an meinem eigenen Zopf aus dem Sumpf, zapfte meine inneren Ressourcen an und gab vor, keine Angst zu haben.
Wie sich bald herausstellte, war Women to Women ein großer Erfolg. Unsere Arbeit stieß bei unseren Patientinnen auf große Resonanz, und unsere Patientinnenkartei wuchs durch Mundpropaganda ständig. Aber so begeistert ich auch von dem, was ich tat, war, konnte ich meinen Mann doch niemals für irgendeine der Ideen über alternative Medizin interessieren, die den Kern meiner neuen klinischen Praxis bildeten. Wir hatten jedoch genügend andere gemeinsame Interessensgebiete, sodass ich nicht auf den Gedanken kam, dass seine Haltung meiner Arbeit gegenüber wirklich eine Rolle spiele. Tatsächlich war ich recht stolz auf mich, weil ich eine liebevolle Beziehung zu einem eingeschriebenen Mitglied der American Medical Association aufrechterhalten konnte.
Zurückblickend sehe ich, dass ich, als ich meinen Mann heiratete, heimlich und weitgehend unbewusst ein Gelübde ablegte: Ich versprach, alles zu tun, was nötig war, damit diese Ehe funktioniert, und die Frau zu sein, die er sich meiner Meinung nach wünschte – solange ich gleichzeitig der Arbeit nachgehen konnte, die ich liebte. Ohne es zu merken, schuf ich mit meinem Mann ein Szenario, das viele Aspekte meiner unbewältigten Beziehung zu meiner Mutter enthielt, eine Tatsache, die mir erst ungefähr 22 Jahre später zu dämmern begann, als ich in die Wechseljahre kam.
Bis dahin spielte ich in meiner Ehe weiterhin die Rolle des Kindes von einst, das sich bemüht, zu gefallen und es allen recht zu machen, während mein Mann den Part meiner kühlen, emotional unzugänglichen Mutter übernahm. Als das ruhige, empfindsame Kind in einem Haushalt voller kontaktfreudiger, sportlicher Geschwister, die es liebten, jeden Augenblick des Lebens mit voller Geschwindigkeit Berge hinauf- und Skihänge hinunterzurasen, war ich immer der Typ gewesen, der gern verschwand und sich in eine ruhige Ecke zurückzog, wo ich Musik hören und Märchen lesen, träumerisch vor einem Feuer sitzen oder aufs Meer hinausblicken konnte. Meine Mutter, die viel mehr auf die anderen Mitglieder unserer großen, geschäftigen Familie eingestimmt war, schien immer zu beschäftigt, um mich wahrzunehmen. Und obwohl mein Vater meine strebsame Seite unterstützte, überließ er, wie die meisten Männer seiner Zeit, die aktive Kindererziehung meiner Mutter.
Da ich mich nach der Anerkennung meiner Mutter sehnte, versuchte ich, ihre Liebe zu gewinnen, indem ich ein braves Mädchen war. Daher arbeitete ich hart und lernte fleißig, machte niemals Ärger und verwandelte mich in Mutters kleine Helferin, kochte, machte sauber, bastelte Tischschmuck – alles, was mir in den Sinn kam, um meinen Wert zu beweisen. Da ich intuitiv erfasste, dass meine Mutter litt – wenn es auch noch viele Jahre dauern sollte, bis ich die Art ihres Schmerzes verstand –, versuchte ich, ihr Trost und Stütze zu sein, genauso wie ich später in meiner Ehe versuchen sollte, die Kindheitswunden meines Mannes zu heilen und ihm genug Liebe zu geben, um es ihm zu ermöglichen, seine frühkindlichen Ängste und Verletzungen zu überwinden.
In der Zwischenzeit suchte ich bei meinen Lehrern nach dem Beifall, den ich zu Hause nicht bekommen konnte. Meine Suche nach Anerkennung machte mich zu einer klassischen leistungsorientierten Schülerin, ein Muster, das sich durch meine gesamte medizinische Ausbildung bis in meine Ehe zog. Gerade so, wie ich mich meinen Lehrern zugewandt hatte, um die Unterstützung und die Anerkennung zu erhalten, die ich zu Hause nicht bekam, sollte ich mich eines Tages anderen Menschen als meinem Mann zuwenden, um meine emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen. Aber bis ich den Prozess der Selbsterkenntnis begann, der in der Demontage meiner Ehe gipfelte, akzeptierte ich einfach die Tatsache, dass mich mein Mann ebenso wie meine Mutter nicht so sehen oder schätzen konnte, wie ich wirklich war. Tatsächlich erwartete ich das auch niemals von ihm. Ich ging davon aus, dass ich es im Grunde nicht wert sei, von einem derart besonderen Menschen geliebt zu werden.
Hätte ich mich liebenswerter gefunden, hätte ich niemals jemanden wie meinen Mann geheiratet. Mehrere der jungen Männer, mit denen ich befreundet war, bevor ich ihn traf, bewunderten und schätzten mich tatsächlich. Aber wenn Ihre Arbeitshypothese ist, dass man sich Liebe verdienen muss – verdienen, indem man in seinem eigenen Leben besonders viel leistet und indem man einen anderen von seinem Schmerz heilt –, dann werden Sie sich zu einem Menschen hingezogen fühlen, in dem sich Ihre Überzeugungen spiegeln. Zwangsläufig waren die jungen Männer, die mich unterstützten, nicht diejenigen, die ich haben wollte. Ich wollte genau die Art emotionaler Unnahbarkeit, bei der ich mich am meisten zu Hause fühlte – und ich bekam sie.
Meine Kollegin Dr. Doris Cohen, klinische Psychologin und Autorin eines Buches über Tod und Wiedergeburt, meint dazu, dass das Wiedererstehenlassen alter emotionaler Wunden nichts Neurotisches an sich habe. Im Gegenteil: Auf diese Weise werden wir gesund. In den Wechseljahren stellt sich die Frage der Heilung mit großer Wucht.
In diesem Sinne war mein Mann ein echter Seelenverwandter, und ich kann ihm nicht die Schuld für das zuschieben, was zwischen uns ablief. Erst als ich meine Seele, mein tiefstes Inneres von Grund auf zu verändern vermochte, hörten wir auf, Lebensgefährten zu sein. Rückblickend sehe ich ihn als einen meinen größten Lebensschätze, als jemand, der mehr zu meinem persönlichen Wachstum beigetragen hat, als ich je zu träumen gewagt hätte.
Auf der anderen Seite haben meine Mutter und ich uns nach meiner Scheidung durch die meisten unserer alten Konflikte hindurchgearbeitet und stehen uns heute näher als jemals zuvor.
Wenn man sich die Dynamik einer typischen intimen Familienbeziehung in unserer Kultur anschaut, kann man mit einiger Sicherheit behaupten, dass die überwiegende Mehrheit der hegenden und pflegenden, der erziehenden und unterstützenden, der untergeordneten Rollen von Frauen übernommen werden, ebenso die meisten Selbstaufopferungen.
Ja, es kommt inzwischen etwas häufiger vor, dass Frauen in Unternehmen, in Politik und Wissenschaft hohe Positionen einnehmen. Doch immer dann, wenn zum Wohl der Familie Konzessionen bei der Karriere gemacht werden müssen, ist es höchstwahrscheinlich die Frau, die Abstriche macht und zurücksteckt; aus diesem Grund kennt man im Anglo-Amerikanischen den Begriff mommy track: Er steht für einen bestimmten Karrieretypus von Frauen, die Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen versuchen, daher oft langsamer aufsteigen und nicht ganz für voll genommen werden.
Es stimmt, dass die Biologie einer Frau dazu tendiert, in den Jahren der Kindererziehung ihr familiäres Engagement auf Kosten anderer Interessen zu fördern. Aber ebenfalls richtig ist es, dass das Klima der geschlechtsspezifischen Ungerechtigkeit, das in unserer Kultur herrscht, diese Tendenz extrem ausbeutet. Das kann zu einer unglaublichen Woge von aufgestautem Groll führen, wenn sich der hormonelle Schleier lüftet und eine Frau plötzlich mit aller Klarheit sieht, was sich in ihrem Leben abgespielt hat.
Die emotionalen Veränderungen, die in den Jahren, die zum Klimakterium führen, und während des Klimakteriums selbst stattfinden, können sich wie ein Erdbeben anfühlen und erschreckend sein; das gilt besonders für diejenigen von uns, die gewohnt sind zu denken, wir hätten stets alles unter Kontrolle. Es ist eine Sache, einer Veränderung zu widerstehen, die von außen hervorgerufen wird. Ganz anders sieht es aus, wenn diese Veränderung von innen kommt und sich alles, an das Sie sich klammern, weil es in seiner Vertrautheit so tröstlich ist, einschließlich Ihrer ureigenen Identität, von innen nach außen stülpt.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, derart abrupte, holprige Sprünge in den Wechseljahren zu vermeiden: Widersetzen Sie sich dem sozialen und kulturellen Diktat bereits in Ihren reproduktiven Jahren, sodass Sie, wenn Sie sich den Wechseljahren nähern, bereits viele der Veränderungen vorgenommen haben, die in der Lebensmitte gemacht werden müssen, oder widersetzen Sie sich der Weisheit Ihres Körpers in den Wechseljahren und ignorieren Sie seinen Ruf nach Wahrheit und kreativer Verwirklichung. Der letztgenannte Weg kann schlimme Folgen für Ihre eigene Gesundheit wie auch für die Ihres Partners haben, ganz abgesehen von den Folgen für Ihre Beziehung, die dann auf etwas anderem als gegenseitigem Respekt und Liebe basieren würde.
Nichts in unserem Leben kann uns physisch wie auch psychisch grundlegender beeinflussen als unsere Beziehung zu anderen. Die neuronalen Bahnen, die uns befähigen, ja geradezu antreiben, Beziehungen zu anderen menschlichen Wesen aufzubauen, werden in früher Kindheit in unserem Gehirn angelegt.
Die Erfahrungen, die wir in dieser kritischen Phase machen, beeinflussen die Verschaltungen, die sich ausbilden und uns unser ganzes Leben lang begleiten. Wenn unsere Bedürfnisse als Kleinkind beispielsweise von einer liebevollen Bezugsperson erfüllt werden, die auf unser Weinen reagiert, indem sie uns zu essen gibt oder die Windeln wechselt, uns streichelt oder uns schaukelt, wenn wir hungrig oder nass oder ängstlich sind, dann fühlen wir uns geborgen und entwickeln Vertrauen in die Außenwelt. Unsere körperlichen und emotionalen Bedürfnisse sind wahrgenommen worden, und unsere Beziehung zu einem anderen menschlichen Wesen dient uns als Bestätigung unseres Wertes. Und sicherlich unterstützt die Biochemie der Mutterschaft diesen Ablauf. Die Hormone, die bei einer gesunden, glücklichen, allseits unterstützten Mutter bei Geburt und Stillen freigesetzt werden, prädestinieren sie dazu, sich in ihr Baby zu verlieben und dem Kind das Gefühl zu vermitteln, bedingungslos geliebt und akzeptiert zu werden.
Manchmal haben Eltern jedoch diese Form bedingungsloser Liebe niemals selbst erfahren und können sie daher auch nicht weitergeben. Dann wird unser Weinen und Schreien vielleicht überhört oder, schlimmer noch, stößt auf Ablehnung oder Unwillen, und wir fühlen, dass die Welt kein sicherer Ort ist. Unsere Beziehungen zu anderen Menschen werden uns unsicher, sogar Angst einflößend erscheinen.
Die Gefühle, die wir als Kinder in Bezug auf uns selbst und andere entwickeln, werden in die Verschaltung unseres Gehirns eingeätzt, wo sie unser Leben lang Einfluss auf die Wahl unserer Partner und auf unsere Reaktionen ihnen gegenüber nehmen werden. Sie sind Teil unserer emotionalen Grundausstattung, lassen sich leicht abrufen und frei ausdrücken, manchmal sogar im Übermaß. Auf der anderen Seite verkümmern diejenigen Gefühle, die nicht durch frühe Erfahrungen verstärkt wurden, oft und sind dann für uns in vielen Fällen ohne großen Aufwand und Mühen – oder psychotherapeutische Hilfe – nicht mehr zugänglich.
Wie auch immer Sie Erfolg definieren, Ihre Fähigkeit, ein erfolgreiches Leben zu führen, hängt in hohem Maße davon ab, wie Ihre Beziehungen zu anderen Menschen aussehen. Wenn dieser Teil Ihres Lebens unbefriedigend ist, besteht Ihre einzige Möglichkeit, die alten Beziehungsverschaltungen, die Ihre gegenwärtigen Beziehungen prägen, neu zu verknüpfen, darin, diese freizulegen und zu begreifen, wie Ihr Gehirn in Ihrer Jugend ausgelegt wurde. Wenn Sie erst einmal verstehen, in welche Umgebung Sie hineingeboren wurden und wie Sie aufgewachsen sind, kann es Ihnen gelingen, so manche unbewusste Entscheidung zu revidieren, die mit dieser Prägung zu tun hat, auch wenn so eine Sache niemals einfach ist.
Aber zu einer Veränderung kann es nur kommen, wenn Sie verstehen, was Sie eigentlich verändern wollen. Sie müssen sich fragen, warum Sie fühlen, wie Sie fühlen, warum Sie die Partner wählen, die Sie wählen, warum Sie so handeln, wie Sie handeln. Die Antwort liegt in jenen frühen Lebenserfahrungen, die als Architekten Ihrer neuronalen Verschaltungen dienten und heute noch in Ihren Nervenzellen präsent sind.
Während und nach der Pubertät fühlen wir uns fast zwangsläufig zu Geschlechtspartnern hingezogen, die uns ermöglichen, das, was in unserer Kindheit unvollendet geblieben ist, neu aufzugreifen und vielleicht zu einem guten Abschluss zu bringen. In unserer Kultur drücken wir in der romantischen Liebe unsere tiefsten Sehnsüchte aus. Wir sehen dann unsere emotionale Verschaltung wie unter einem Mikroskop. Mehr als jeder andere Aspekt unseres Lebens werfen unsere intimen Beziehungen Licht auf die alten Wunden, die noch immer auf Heilung warten.
In der Rückschau kann ich sehen, dass dies auf meine Gefühle für den Mann zutraf, der mein Ehemann wurde. Ich spielte mit ihm ein Familiendrama durch, das für mich noch immer nicht beendet war. Und wenn ich auch nicht für ihn sprechen kann, so glaube ich doch, dass ich für ihn aller Wahrscheinlichkeit nach einen ähnlichen Zweck erfüllte. Es bedurfte der hormonellen und entwicklungsbedingten Veränderungen des Klimakteriums, damit ich erkennen konnte, dass die Rolle, die ich in meiner Ehe spielte, auf alten Überzeugungen über mich und meinen Wert basierte – Überzeugungen, die nicht länger meine eigenen und die obsolet geworden waren.
Es mag in dem Augenblick nicht wie eine Rettung erscheinen, aber die Klarheit des Blicks und die zunehmende Unduldsamkeit Ungerechtigkeiten und ungleicher Lastenverteilung gegenüber, die die klimakterischen Veränderungen begleiten, sind ein Geschenk.
Unsere Hormone geben uns Gelegenheit, ein für alle Male zu sehen, was wir verändern müssen, um in der zweiten Hälfte unseres Lebens ehrlich, gesund und in vollen Zügen zu leben. Das ist der Zeitpunkt, an dem viele Frauen aufhören, das zu tun, was ich »alles herunterschlucken« nenne – ihre eigenen Bedürfnisse hintanzustellen, um diejenigen aller anderen zu befriedigen. Unsere Kultur erwartet von Frauen, andere an die erste Stelle zu setzen, und während ihrer reproduktiven Jahre tun die meisten von uns dies auch, unabhängig davon, was es uns kostet. Doch in der Lebensmitte erhalten wir die Chance, Veränderungen durchzusetzen, ein Leben zu schaffen, das darauf zugeschnitten ist, wer wir sind – oder, genauer gesagt, wer wir geworden sind. Wenn sich eine Frau jedoch den Veränderungen, die sie in ihrem Leben vornehmen muss, nicht stellen kann, findet ihr Körper unter Umständen einen Weg, sie auf diese nötigen Veränderungen hinzuweisen – in Leuchtschrift und unmöglich zu ignorieren. In diesem Stadium kommt es bei vielen Frauen zu einer Krise in Form irgendeines körperlichen Problems wie einer lebensverändernden oder manchmal sogar einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
Gregg Braden, Wissenschaftler und Buchautor, ist weit gereist und hat überall auf der Welt eingeborene Völker erforscht. Ihm habe ich durch ein Interview in meiner Radiosendung in dieser Hinsicht neue Erkenntnisse zu verdanken. Überall auf der Welt, sagt er, begegne er Frauen, die um die 120 Jahre alt seien und noch für sich sorgen könnten. In den Kulturen, die er erforscht habe, sei man der Auffassung, dass man Unverarbeitetes und unerlösten Schmerz bis fünfzig noch wegstecken könne, dann aber irgendwann körperlich daran erkranken werde.